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Zeitschrift für Theaterpädagogik 32. Jahrgang • Korrespondenzen • Heft 68 Rahmenbedingungen nachhaltiger und qualitativer theaterpädagogischer Arbeit Gameplay@stage Qualifizierungsreihe in 6 Teilen Gameplay stellt dem Theater neue Dramaturgien, Technologien und Regel- systeme zur Verfügung. Die Qualifizierungsreihe gibt einen Überblick über aktuelle künstlerische Arbeiten und technische Entwicklungen. Sie stellt vor, welcher Kompetenzen und Fachsprachen es im Produktionsprozess bedarf. Sie geht den Fragen nach, welche neuen Formen kultureller Teilhabe aus interaktiven Settings erwachsen und welche Potentiale sich der Kulturvermittlung erschließen. Gegenstand werden u.a. folgende Themen sein: Angewandte Spieltheorie Dramaturgie und Gamedesign Interaktives Storytelling Technik und Probenmethoden Ermöglichung und Förderung kollektiver Kreativität als Vermittlungsaufgabe Die Qualifizierungsreihe vermittelt in Praxis und Theorie, wie Gameplay für die eigene (Theater-) Arbeit genutzt werden kann. September 2016 bis Mai 2017. Weitere Informationen unter: Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel www.bundesakademie.de I post @bundesakademie.de Programmbereich Darstellende Künste Folgen Sie uns bei Facebook und Twitter WAS WIR BRAUCHEN – WOVON WIR TRÄUMEN

Zeitschrift für Theaterpädagogik - archiv-datp.de · Theo Girshausen Hg. Thomas Bitterlich Theaterregisseure Vorlesungen, gehalten im WS 2001/2002 am Institut für Theaterwissenschaft

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Zeitschrift fürTheaterpädagogik32. Jahrgang • Korrespondenzen • Heft 68

Rahmenbedingungen nachhaltiger undqualitativer theaterpädagogischer Arbeit

Gameplay@stageQualifizierungsreihe in 6 Teilen

Gameplay stellt dem Theater neue Dramaturgien, Technologien und Regel-systeme zur Verfügung.

Die Qualifizierungsreihe gibt einen Überblick über aktuelle künstlerische Arbeiten und technische Entwicklungen. Sie stellt vor, welcher Kompetenzen und Fachsprachen es im Produktionsprozess bedarf. Sie geht den Fragen nach, welche neuen Formen kultureller Teilhabe aus interaktiven Settings erwachsen und welche Potentiale sich der Kulturvermittlung erschließen.

Gegenstand werden u.a. folgende Themen sein:

Angewandte Spieltheorie Dramaturgie und Gamedesign Interaktives Storytelling Technik und Probenmethoden Ermöglichung und Förderung kollektiver Kreativität

als Vermittlungsaufgabe

Die Qualifizierungsreihe vermittelt in Praxis und Theorie, wie Gameplay für die eigene (Theater-) Arbeit genutzt werden kann. September 2016 bis Mai 2017.

Weitere Informationen unter:

Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel

www.bundesakademie.de I post @ bundesakademie.deProgrammbereich Darstellende KünsteFolgen Sie uns bei Facebook und Twitter

Theaterpädagogik2016 I.indd 1 07.12.2015 10:56:43

WAS WIR BRAUCHEN –

WOVON WIR TRÄUMEN

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Hans-Wolfgang Nickel

in Kindheitspädagogik und sozialer Arbeit

Spiel Theater Medien

In sieben Kapiteln

Spiel – Erzählen – Theater – Tanz – Zirkus – Medien – Ausbildungentwickelt der Sammelband ein Gesamtbild von Kindheitspädagogik und Sozialer Arbeit: vom Theater für die Allerkleinsten über Medien- und Theatersozialisation bis hin zum „inneren Kind” der Theater- und SozialpädagogInnen. Dazu Realisationen von Kinderclubs an Berliner Kindertheatern und am Westfälischen Landes-theater; besondere Projekte aus Griechen-land und aus der Schweiz; Tanz aus China und Entwicklung neuer Tanzformen für ein junges Publikum in Deutschland; Aktivitäten des Kin-der- und Jugendzirkus Tasifan aus Weimar – alle Beiträge mit theoretischer Refl exion und pädagogisch-didaktischen Hinweisen für die Praxis.

ISBN 978-3-86863-167-8Format: 14,8 x 21 cm264 Seiten2016EUR 17,50

Theo GirshausenHg. Thomas Bitterlich

TheaterregisseureVorlesungen, gehalten im WS 2001/2002 am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig

Band 14 aus der Reihe Lingener Beiträge zur Theaterpädagogik

ISBN 978-3-86863-163-0Format: 14,8 x 21 cm192 Seiten2015EUR 19,00

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Inhalt

Inhalt ....................................................................................1

Impressum ..........................................................................2

Editorial ...............................................................................3Was wir brauchen. Wovon wir träumen.

Autor*innenverzeichnis .....................................................4

Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Gutes Theater machen – aber wie?Betrachtungen zur 29. Bundestagung Theaterpädagogik im Oktober 2015 ..................................5Raimund Finke

1. RaumDer theaterpädagogische Raum .......................................7 Lorenz Hippe

2. ZeitZeit und Zeiten ..................................................................12Lutz Pickardt / Lorenz Hippe

3. FinanzenBlumen kann man nicht essen – das Problem der Wert-Schätzung ..........................................................16Guido Alexius

4. Mitarbeiter*innen und InstitutionenEntdeckungen beim Marsch durch die Institutionen.......18Barbara Renner / Katharina Fertsch-Roever

5. Image und Öffentlichkeit„Das ist bestimmt ein total schöner Beruf!“ – Gedanken zum Image der Theaterpädagogik ...............21Antje Klahn

6. AusbildungTheaterpädagogische Aus- und Weiterbildung – Status Quo und Weiterentwicklung ................................24 Raimund Finke / Peter Ruffer

7. Zielgruppen„Proberaum Leben“ oder Man wird nur alt, wenn man seinen Träumen Lebewohl sagt ....................27Sandra Anklam / Verena Meyer

„ Liebe inklusiv“ - Erfahrungsbericht zum Theaterprojekt mit Förderzentrum und Gymnasium ......29 Friederike Jentsch

8. Kulturpolitik und StandorteTheaterpädagogik braucht Kulturpolitik.Überlegungen zu einer Reform der darstellenden Künste .......................................................32Wolfgang Schneider

Erfahrungsberichte und Konzepte aus der theaterpädagogischen Praxis

Vom schönen Schein. Kunstbasiertes Lernen in den Naturwissenschaften am Beispiel eines Performance-Projektes über verschiedene Aspekte der Galvanisierung .....................37Lydia Schulze-Heuling

Tagen im Labor - über die Labortagung „Anstecken! Das Künstlerische in der Kulturellen Bildung“ in der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel ....40 Ursula Jenni

Partizipation: Teilhaben/Teilnehmen – Arbeitstagung „Theater als Soziale Kunst“ an der FH Dortmund ...........43Skadi Gleß

Brauchen wir jetzt Theaterpädagogik? Was brauchen wir jetzt für die Theaterpädagogik? .................................44Antje Klahn

„Bemerkenswerte 6“ - das 26. Bundestreffen „Jugendclubs an Theatern“ in Senftenberg ....................45Friedhelm Roth-Lange

Theater in Frage stellenDer „Theatercampus“ am Schauspiel Essen rückt die Reflexion von Theater in den Mittelpunkt praktischer Arbeit. ............................................................48 Katharina Feuerhake

Bedenkenswertes zur Durchführung von Erzähl-Cafés ......................................................................51Gerd Koch

Nachlese (zu Heft 67)

Theater und Eigensinn – eine freundschaftliche Perspektive .......................................................................53Manfred Schewe

Theater und Eigensinn – Alexander Kluges „Umwege zum Realismus“..............................................55Florian Vaßen

Fotonachweise ................................................................56

Aus dem Archiv

Fundstücke spielen ...........................................................57 Katharina Kolar (DATP)

ANKÜNDIGUNGEN ..........................................................59

Rezensionen ....................................................................60

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 20162

Hinweise für Autorinnen und Autoren der Zeitschrift für Theaterpä da gogik – KORRESPONDENZEN –

* Eine Seite einschließlich der Leerzeichen enthält ca. 3.800 Zei- chen bei Verwendung der Schriftart Times New Roman mit Schrift - grad 12 und eineinhalbfachem Zeilenabstand.

* Entsprechend der Anzahl eingesandter Fotos muss die Summe der Zeichen reduziert werden.

* Bitte nicht layouten!* Wir bitten, keinen Blocksatz, sondern Flattersatz zu verwenden und

keine festen Wort- oder Zeilentrennungen vorzunehmen.* Zuerst kommt der Titel (evtl. mit Untertitel); darunter der Name von Ver-

fasserin bzw. Verfasser. Bitte die Titel möglichst kurz fassen!* Zwischenüberschriften sollen nicht besonders her vorgehoben, sondern

frei eingesetzt werden (die Schriftgröße wählt der Verlag).* Fußnoten und Unterstreichungen sollten vermieden werden. Sollten

sie notwendig sein, dann bitte in Manuskripten keine Fußnoten, son-dern sog. Endnoten verwenden.

* Anmerkungen und Literaturangaben kommen an den Schluss des Beitrags.

* Es wird gebeten, den Artikel als Word-Datei zu schicken.* Die Autorinnen und Autoren entscheiden sich für eine Form der

gendergerechten Schreibweise.

* Bitte keine Abbildungen in das Manuskript einbauen, sondern se-parat als Anhang senden. Bei übersandten Fotos bitte den Namen des Fotografen benennen.

* Für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der auf Fotos abgebildeten Personen sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.

* Bilder werden von uns i. d. R. nur verwendet, wenn sie eine aus-reichende Druckqualität gewährleisten. Optimal sind 300-400 dpi. Kleine Bilder oder 9 x 6 cm-Bilder mit 72 dpi nur auf unsere Zielgrö-ße verändern (hochrechnen funktioniert nicht!) Generell gilt: Letztes Auswahlkriterium ist aber immer eine ausreichende Bildschärfe (Kontrast). Dateiformat: jpg, pdf, eps oder tif.

* Extra sollen genannt werden: Autor/in-Name, Post-Adresse für den Versand des Belegexemplars und E-Mail-Adresse für das Autorinnen-/Autorenverzeichnis, das in jedem Heft erscheint.

* Honorar können wir leider nicht zahlen. Pro Beitrag wird ein Heft an die Autorin/den Autor als ein bescheidenes Dankeschön gesandt. Weitere Exemplare dieses Heftes können mit 30 % Preisnachlass bezogen werden.

Vielen Dank!

Impressum – Zeitschrift für Theaterpädagogik (ZfTP)

Gründungsherausgeber: Prof. Dr. Gerd Koch, [email protected] Prof. Dr. Florian Vaßen, [email protected]

Herausgeber: Prof. Dr. Ulrike Hentschel, [email protected] Lorenz Hippe, [email protected] Dr. Ole Hruschka, [email protected] Prof. Dr. Norma Köhler, [email protected] Gunter Mieruch, [email protected] Andreas Poppe, [email protected] Friedhelm Roth-Lange, [email protected] Prof. Dr. Mira Sack, [email protected] Prof. Dr. Wolfgang Sting, [email protected]

In Kooperation mit BAG Spiel + Theater e. V. (gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) •www.bag-online.de•[email protected] BundesverbandTheaterinSchulene.V.(BV.TS)[email protected]•www.bvts.org BundesverbandTheaterpädagogike. V.(BuT)[email protected]•www.butinfo.de GesellschaftfürTheaterpädagogik/Niedersachsene. V.•www.gesellschaftfuertheaterpaedagogik.net

Archiv: Online-Archivierung und -Recherche: www.archive-datp.de

Heftredaktion: Schwerpunkt:RaimundFinke/LorenzHippe/Magazin/Nachlese: Friedhelm Roth-Lange Aus dem Archiv:KatharinaKolar([email protected]) Rezensionen:MaikWalter([email protected])Verlag: Schibri-Verlag,Dorfstraße60,17337Uckerland,OTMilowPostanschrift: Schibri-Verlag,AmMarkt22,17335Strasburg/Um. Tel.039753/22757,Fax039753/22583,http://www.schibri.de E-Mail:[email protected] Gestaltung: Satz/Layout:Nicole Helms Cover:NicoleHelmsCopyright: AlleRechtebeidenAutoren/allrightsreserved

Preis: Einzelheft:Euro7,50plusPorto.Jahresabonnement:Euro13,–plusPorto.Studierendenabonnement:Euro10,–plusPorto.AbonnementsüberdenVerlagoderüberHerausgeber-Verbände.

DieZeitschriftsowiealleinihrenthaltenenBeiträgeundAbbildungensindurheberrechtlichgeschützt.JedeVerwertung,dienichtausdrücklichvomUrheberrechtsgesetzzugelassenist,bedarfdervorherigenZustimmungdesVerlags.DasgiltinsbesonderefürVervielfältigungen,Bearbei-tungen,Übersetzungen,MikroverfilmungenunddieEinspeisungundVerarbeitunginelektronischenSystemen.EinigeBilderund/oderFotosindieserAusgabesinddasurheberrechtlichgeschützteEigentumvon123RFLimitedoderFotoliaoderanderenautorisiertenLieferanten,diegemäßdenLizenzbedingungengenutztwurden.DieseBilderund/oderFotosdürfennichtohneErlaubnisvon123RFLimitedoderFotoliaoderanderenautorisiertenLieferantenkopiertoderheruntergeladenwerden.FürdenAnzeigeninhaltsindalleinigdieInserentenverantwortlich.

Bestelladresssen: Buchhandel•Schibri-Verlag•Herausgeber•Verbände(sieheoben)

ISSN1865-9756

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3Editorial

EDITORIAL

Editorial.Was wir brauchen. Wovon wir träumen.

Theaterpädagogik,Theater spielen undTheater produzierenmit Zielgruppen der kulturellen Bildung, hat in den vergan-genenJahrzehntenangesellschaftlicherAkzeptanzgewonnen.Die Wirkung des Theaterspiels, der eigenen Theaterproduktion und der produktiven Auseinandersetzung mit den Darstellenden Künstensindvielfacherlebbar.DasFachTheater(DarstellendesSpiel, Darstellen und Gestalten, Literatur und Theater) gehört inallenBundesländernzumRahmenplan,TheaterAGsbildeneinenwichtigenBestandteilderWahlangeboteinallenSchul-formen.Stadt-undStaatstheaterwieauchfreieTheaterhaltentheaterpädagogischeProjekte,SpielclubsundBürgerbühnenmiteinembreitenAngebotsspektrumvor.NachunsererSchätzunghat sich dieZahl der angestelltenTheaterpädagog*innen anTheaternseit1990fastverdreifacht.TheaterarbeitfindetinderSprachvermittlung, in Seniorengruppen, generationsübergrei-fendenProjekten,anUniversitäten,inJustizvollzugsanstalten,kirchlichen Einrichtungen, Unternehmen und in der Freizeit-pädagogik statt, umnur einigeBereiche des immer breiteraufgestellten Berufsfeldes zu nennen.Im Vergleich zu der gestiegenen inhaltlichen Akzeptanz the-aterpädagogischerArbeit sind dieRahmenbedingungen, zudenendieseAngebote stattfinden,weitgehendunzureichend. DiesgiltinsbesonderefüreinenachhaltigeundqualitativeThe-aterpädagogik,beideresdarumgeht,prozessuale -wieauchergebnisorientierte -Verfahren sozial und künstlerisch kom-petentundüber längereZeiträumeodersogarkontinuierlichdurchzuführen.AberauchdieBasisfürdieDurchführungeinestheaterpädagogischenProjektesistoftnichtodernurunzureichendgewährleistet.UmfragenunterdenMitgliedernderTheaterver-bändezeigen,dasseinegrundlegendeAkzeptanzauchnurdernotwendigstenRahmenbedingungeninderPraxisoftnichtbestehtunddiesemeistensvonProjektzuProjekt,nichtseltenauchvonUn-terrichtsstundezuUnterrichtsstundeneuerkämpftwerdenmüssen.

Diese ersteAusgabederFachzeitschrift fürTheaterpädagogikim Jahr2016widmet sichdaher imSchwerpunktthemadenRahmenbedingungenqualitativerundnachhaltigerTheaterpä-dagogik.AuchwennesweiterhingroßeUnterschiedegibt,sollunsereUntersuchungnichtnachZielgruppenoderästhetischenAnsätzengeordnetsein,sonderndasBerufsfeldübergreifendbe-schreiben.DiestunwiranhandderOberbegriffe„Raum“,„Zeit“,„Finanzen“,„Mitarbeiter*innenundInstitutionen“,„ImageundÖffentlichkeit“, „Ausbildung“, „Zielgruppen“ „KulturpolitikundStandorte“.DabeifließenErgebnissederFrühjahrs-undHerbsttagung2015desBuTebensomiteinwieMaterialfrühererTagungenundPublikationen.ZumAbschlusseinesjeweiligenThemenartikelsstehendetailliertePunkteunserestheaterpäd-

agogischenManifestes,diesichganzkonkretaufdasjeweiligeThemabeziehenunddiewirzurDiskussionstellen.

Aus diesen detaillierten Punkten entsteht zur Zeit eine Kurzform destheaterpädagogischenManifestes,diebiszum01.07.,demRedaktionsschlussdernächstenAusgabe,vonmöglichstvielenVerbändenundEinzelpersonenunterzeichnetundveröffentlichtwerdensoll,diedanndurchweiterePapiereundSelbstverpflich-tungenderVerbändeergänztwerdenkann.Wersichbeteiligenwill:DieaktuelldiskutierteFassunggibtesbeilorenzhippe@web.de.ZieldesManifestesistes,dienotwendigenundwün-schenswertenRahmenbedingungenqualitativerundnachhaltigertheaterpädagogischerArbeit zubeschreiben, alsLeitfadenbeiderEinrichtungneuertheaterpädagogischerProjekteoderIn-stitutionen zu dienen und so eine allgemeine gesellschaftliche AkzeptanzfürdieRahmenbedingungenderTheaterarbeitmitZielgruppen der kulturellen Bildung zu erreichen und zu erhalten. DieVerbändeundInitiativen,dieimFeldderTheaterpädagogikaktiv sind und zu den Unterzeichnern des Manifestes gehören, unterstützenundgestaltendiesenProzessdurcheigeneBeiträgeund Leistungen aktiv mit.

LorenzHippe, 1.VorsitzenderBundesverbandTheaterpäda-gogik (BuT)

AnmerkungDie meisten Fotos im Heft stammen zum einem von Aufführungen der BuT-Herbsttagung in Berlin 2015, zum anderen von Beiträgen des 1. bundesweiten Tages der Theaterpädagogik „Mehr Drama, Baby“ 2015.* Der zweite bundesweite Tag der Theaterpädagogik findet – gemeinsam veranstaltet mit ASSITEJ und BDAT – am 15.04.2016 statt. Über den aktuellen Stand informiert die Webseite www.mehrdramababy.de.

Schwerpunktthema von Heft 69

DramaturgieRedaktionsschluss: 01. Juli 2016DieHerausgeberinnen/Redakteurinnensind:NormaKöhler<[email protected]>MiraSack<[email protected]>

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 20164

Editorial

Autorinnen und Autoren

Alexius, [email protected]

Anklam, [email protected]

Blank, [email protected]

Fertsch-Roever, [email protected]

Feuerhake, Katharina [email protected]

Finke, [email protected]

Gless, [email protected]

Hahn, Jennifer

Hippe, Lorenz,[email protected]

Jenni, [email protected]

Jentsch, [email protected]

Jogschies, Bärbel [email protected]

Klahn, [email protected]

Koch, [email protected]

Kolar, [email protected]

May, Evelyn [email protected]

Meyer, [email protected]

Pickardt, [email protected]

Renner, [email protected]

Roth-Lange, [email protected]

Ruffer, [email protected]

Schewe, [email protected]

Schneider, [email protected]

Schulze-Heuling, Lydia [email protected]

Steffens, Heiko [email protected]

Vaßen, Florian [email protected]

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5Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Gutes Theater machen – aber wie? Betrachtungen zur 29. Bundestagung Theaterpädagogik im Oktober 2015*

Raimund Finke

UnterwelchenBedingungen entsteht gutesTheater?WelcheVoraussetzungenbenötigenTheaterpädagog*innen,damitThea-terprojektegelingen–imProzessundalsProdukt,befriedigendfürZuschauer,Auftraggeber,dieSpielerinnenundSpielerundsieselbst?

MitdieserFragestellungbeschäftigtensichzweiFachtagungendesBundesverbandesTheaterpädagogik(BuT)imJahr2015.DieFrühjahrstagungimApril2015inWeimarstandunterdemTitel „Was wir brauchen, wovon wir träumen - Rahmenbedingun-gen und Ressourcen theaterpädagogischer Arbeit“.SienähertesichdemThemavorwiegendanalytisch.Arbeitsgruppen,inspiriertdurchVorträge,Impuls-WorkshopsundeineZukunftswerkstatt,nahmenverschiedeneFacettenderRahmenbedingungenunterdieLupe:Zeit,Räume,Geld,Standorte,Image,Mitarbeiter,In-stitutionen,ZielgruppenundAusbildung.AndiesenAspektendesThemas„Rahmenbedingungen“arbeitetenArbeitsgruppennachderWeimarerTagungweiter.

EinanderesFormatcharakterisiertedie29.BundestagungThe-aterpädagogik,dievom30.Oktoberbis1.November2015inBerlinstattfand–zugleichdieJubiläumstagungzum25-jährigenBestehendesBuT.KooperationspartnerwarendasGRIPSTheaterund die Evangelische Hochschule Berlin (EHB) in Zehlendorf.

DerTitellautetediesmal:„Theater, und wie?! Rahmenbedingungen und Qualität - Ausgewählte Beispiele theaterpädagogischer Arbeit“:Gelungene theaterpädagogischeProjekte und InszenierungensolltenerlebbargemachtundanhandderunmittelbarenWir-kungdiskutiertwerden,welcheRahmenbedingungen jeweilszumGelingenbeigetragenhaben.

Die insgesamt elf von einerFachjury ausgewähltenBeispieletheaterpädagogischerProjektepräsentiertensichinFormvonLive-Aufführungen, theatralen Aktionen und kommentierten Videos, imAnschlusswurde immerüberdieProduktionsbe-dingungenberichtetunddiskutiert.Paralleldazuarbeiteten-bistiefindieNacht–Tagungsteilneh-mer/innenundeineGruppevonStudierendenderEHBunterLeitung von Lorenz Hippe und Claudia Rudolph an einem Ma-nifest,dasdieGrundlagennotwendigerundwünschenswerterRahmenbedingungenformulierensollte.DasErgebniswurdeamEndederTagung szenischpräsentiert undwird indieserZeitschriftnachEinarbeitungzahlreicherÄnderungsvorschlägeweiterzurDiskussiongestellt.

WelcheAufschlüssehatdieTagungzumRahmenthemaerbracht?Wassichüberausdeutlichabbildete,wardiegroßeVielfaltderBedingungen,unterdenenTheaterpädagog*innenTheaterma-

RAHMENBEDINGUNGEN THEATERPÄDAGOGISCHER ARBEIT

Theater, und wie!? Berlin 2015

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 20166

Gutes Theater machen – aber wie?

chen.Inmanchen(eherwenigen)ProjektenstehenvorzüglicheRäumezurVerfügung,derAuftraggeberstehtvollhinterdemProjektundesistausreichendGeldfürdieAusstattungundeineangemessene Honorierung vorhanden. Anderen (den meisten) ProduktionenmangeltesdagegenanvielemwaskünstlerischeQualitätzwarnichtausschließt,abererheblicherschwert.EinhohesMaßanEnergieundZeitfließtdannnotwendigerweiseindieBewältigungorganisatorischeroderfinanziellerSchwie-rigkeitenstattindieTheater-bzw.InszenierungsarbeitmitderGruppe.OdermanarbeitetunterextrememZeitdruck,inei-nemspartanischenBühnenbild,miteinfachsterAusstattungundrudimentärentechnischenMitteln–nichtalsbewusstestilisti-scheEntscheidung fürein„armes“Theater, sondernderNotgehorchend.DassdieTagungdieseVielfaltverdeutlichte,warschonansichwertvoll.AlleBeschreibungenbereichertenundkonkretisiertenauchdieparalleleArbeitder„Manifest“-Gruppe.

Kannman andenErgebnissen,demkünstlerischenProdukttatsächlich ablesen, obdieRahmenbedingungen positiv undkonstruktivwarenodernicht?EsgibtsicherlichkeinenAuto-matismus:SelbstunterexzellentenBedingungenentstehtnichtnotwendigauchgroßartigesTheater.Nochvielwenigerfunk-tioniertindesderUmkehrschluss:dassderMangelalsQuellekünstlerischerQualitättaugt.DasistundbleibtdiegroßeAus-nahme:EinPoet ist nichtdeshalb ein guter,weil er arm ist.Wennihmzuweilen,allenWidrigkeitenzumTrotz,dennochhoheQualitätgelingt,istdaserstaunlichgenug.ÄhnlichesgiltauchfürtheaterpädagogischeProjekte.SobleibtalsFazit,dassweiteranderVerbesserungderRahmenbedingungenfürtheater-pädagogischeArbeitgearbeitetwerdensollte.GuteBedingungenschaffenbessereVoraussetzungenhoherQualität, auchwennsie sie nicht garantieren können. Ein Bestandteil des in Berlin entstandenen Manifests ist denn auchdie SelbstverpflichtungdesBundesverbandesTheaterpädagogik,sichweiterfürdieVer-besserung der Rahmenbedingungen qualitativer und nachhaltiger theaterpädagogischer Arbeit stark zu machen. Theater, und wie!? Berlin 2015

Theater, und wie!? Berlin 2015, Studierende der evangelischen Hochschule Berlin

* Gekürzte Fassung eines Beitrags für: Spiel und Theater, Heft 197, April 2016

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7Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Der theaterpädagogische Raum

Lorenz Hippe

Die spürbarsteRahmenbedingungkünstlerisch-pädagogischerArbeitistderRaum.EsliegtaufderHand,dassgeeigneteRäumebestimmteBedingungenaufweisenmüssen,damitdieProzessegelingen können. Das ist nicht nur in der kulturellen Bildung so.Kunstpädagog*innenbrauchenWerkstatträumeundAteliers,Sportlehrer*innenbrauchenTurnhallen,Chemielehrer*innenChe-mieräumeund–labore…AberwieseheneigentlichdieRäumeaus,indenenTheaterpädagog*innenbisherspielerischeProzes-seanleitenundTheatermachen?Undwiesolltensieaussehen?

AufderFrühjahrstagungdesBundesverbandesTheaterpädagogik(BuT)inWeimar2015„Waswirbrauchen.Wovonwirträumen“habenwirzunächsteineBestandsaufnahmevorgenommen.AusdenSchilderungen,diekeineswegsEinzelfällebeschreiben,habeichhierinderSpalterechtseinekleineAuswahlzusammengestellt.

VieleKolleg*innenarbeiteninRäumen,dienichtfürdieThe-aterarbeiteingerichtetsind.

Die Arbeitsbedingungen der

Tagungsteilnehmer im Überblick:

Räumezukleinunpassend (Boden, Betonpfeiler)keineFachräume,z.B.keineLichtanlageUnsicherheitinderRaumbelegungkein„geschützter“RaumAtmosphärenichteinladend,nichtangenehmmultifunktionaleRäumeschränkeneinunzureichendeRäumegebenAnlasszurStörungmangelndeMitsprachemöglichkeitenbei derGestaltungdesRaumeszuspätesKennenlernendesAufführungsraumesVerdunkelungsmöglichkeiten fehlen

Was sind die Anforderungen an

„theaterpädagogische Fachräume“?

TrotzdergestiegeneninhaltlichenAkzeptanzscheinteseinebis-herkaumverbreiteteEinsichtzusein,dasstheaterpädagogischeArbeitbeidesbraucht:Probenräumefürgeschütztesergebnis-offenesArbeitenundAufführungsortemiteinerausreichendentechnischen Ausstattung für öffentliche Aufführungen.Verbreitetsind„Checklisten“.SoschreibtJessicaHöhninih-rem2015erschienenenBuch„Theaterpädagogik.Grundlagen,Zielgruppen,Übungen“:„DieAuswahldesTheaterraumssolltenachfolgendenKriterienbeurteiltwerden:IstderRaumbarrierefreiundsogroß,dassdieSpielerdarinlau-fen und springen können, ohne sich anzurempeln oder gegen dieWände,DeckenundMöbelzustoßen?

Erst mal die ganzen Stühle wegpacken…IchgeheindieSchule.DaistsoeinMehrzweckraum,deristvoll mit Stühlen, dann muss ich erst mal die ganzen Stühle wegpacken.Freie Theaterpädagogin

Die Besonderheiten des Raumes beeinflussen die Ästhetik der ArbeitDie anderenProjekte finden bei uns im Jugendhaus statt,hauptsächlichineinemKellerraum,wowirprovisorischmitMolton eineBühne etabliert haben.Es stehenBetonsäulenherum, die strukturieren den Raum. Ich muss allerdings auch meineGrundschülerundHortkinderdaraufhinweisen,dassindemRaumnichtgetobtwerdenkann,sonstrenntmangegendieseBetonpfeilerundholtsicheineblutigeNase.DurchdenMoltonwerdendieBetonpfeilerzusätzlichgetarnt.Manglaubt,manrenntgegeneinenweichenStoff,aberdahinteristBeton.IchmussmeineganzeÄsthetikandiesenRaumanpassen.Ichmache da eher langsamere Formen. Mit den Grundschülern habeichmichfüreinePuppengeschichteentschieden.Freie Theaterpädagogin

Überall steht irgendwas IchhabeineinerSchuleaucheineTheaterAG,wirdürfenindieAulagehen,ganztoll.AberdawirdsoeineRevuegemacht,einmalimJahr,dasindzweiLehrerinnen,dieschreibendaeinStück,habendasoriesenBühnenteileausStyropor,dannste-hendaMusikinstrumente,dasdarfaberallesnichtangefasstwerden. DerRaum ist riesig, aberüberall steht irgendwas,dasnichtangefasstwerdendarf.Dasisttotalschwierig,weildienatürlichsonstwohinrennen,auchmalhinterdieBühne.Natürlichwollendiedasanfassen.UnddannistdaauchsoeinglitzernderVorhang,dasfindensienatürlichauchtoll.DasistsoeineSache,woesoftzerfliegt.Freiberufliche Theaterpädagogin

Als ob ich‘ s mir aussuchen könnteDiesesIdeal,dasJessicaHöhnbeschriebenhatistschongut,aberaufderanderenSeitebinichauchvollsauergewordenundhabgedacht:„Scheiße,alsobich‘smiraussuchenkönn-te.“Unddasistmanchmalabsolutnichtso.IchhabineinemRaumgearbeitetvoneinemJugendclub.DieserRaumgehtgarnichtalsTheaterraum.Es schallt sehr,wenndreißiggleich-zeitigetwassagen.Daverstehstdugarnichts.UndbisdudaerstmaleineRuhehingekriegthast. Ichhabeauchdarübergesprochen,dasseseigentlichdortnichtgeht.Diehattenaberkeinen anderen Raum. Freiberufliche Theaterpädagogin

, 1. Raum

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 20168

Der theaterpädagogische Raum

KanndieGruppedurchdieLagedesRaumesungestörtarbeitenundbeeinträchtigtselbstauchniemandenmitihrenGeräuschen?GibtesgenügendPlatzzumAgierenundZuschauen?Hat der Raum eine gute Akustik, ist hell, freundlich und kann gelüftetwerden?Können dieTeilnehmer für dieArbeit inKleingruppen aufNebenräumeoderdenFlur,dasFoyeroderdasAußengeländeausweichen?GibtesabschließbareLagermöglichkeitenfürBühnenbild,Re-quisitenundKostüme?StehtderRaumfürdiegesamteProbenzeitzurVerfügungodermussimVerlaufdesProjektsnocheineAlternativegesuchtwerden?Nutzen auch andere Gruppen den Raum und muss daher vorher oderhinterheraufgeräumtodergeputztwerden?“(1)

FürdieGrößedesRaumesgiltdieFaustregel:Damittheater-pädagogischeArbeit uneingeschränktmöglich ist, sollte derRaummindestenssogroßsein,dassalleTeilnehmer*innenmitausgestreckten Armen stehen und sich drehen können, ohne sichzuberühren.

ImHandbuchvonTilmannZiemkeundStephanLepsius„BühneundBeleuchtung“(sieheBuchbesprechungindieserAusgabe)heißtesüberden„idealenTheater-Fachraum“:

„Größe:100-120Quadratmeter,Höhe3,50m,Fensterverdun-kelbar,Fußboden:TeppichoderParkett,wünschenswert:Bühnevon ca. 50Quadratmeter, SchrankwandoderNebenraum,6Stellwände…“…umgleichdaraufeinzuräumen:„LeiderwerdensolcheidealenBedingungeneherderAusnahmefallsein.“(2)

SonützlichdieseChecklistenundRegelnsind,sowenignütztes,wenndieseBedingungeninderPraxiseinfachnichtvorhan-densind.WeilesbeivielenEntscheidungsträgernanallgemeinerKenntnistheaterpädagogischerRahmenbedingungenfehlt,mussdieTheaterpädagog*invonProjektzuProjektimmerwiederdieBeschaffenheitgeeigneterFachräumeerklären,ohnesicherzusein,dieseauchwirklichzubekommen.

Wir beeinflussen den Raum

DieBeschaffenheitvonProben-undAufführungsräumenhatun-mittelbarenEinflussaufdieÄsthetikderentstehendenErgebnisse.

EsgibtgelungeneBeispielevonKolleg*innen,diesichinnerhalbihrerInstitutionendurchMitspracheoderEigenleistungbeiderGestaltungihreBedingungenselbstschaffen.

„MussmanmitprovisorischenRäumenvorliebnehmen,soistesgut,wennmanschnelleinenkleinenBühnenraumherstellenkann.Dasistbesonderswichtig,wenninTurn-oderGymnas-tikhallengeprobtwird,denndasSpielverliertsichinsolchenRäumen(…).FürdiesenFallhabenwireinengutenVorschlag:ManverwendetsogenannteRoll-ups(…),dassindeigentlichfürdieWerbungvorgesehenebedruckteFolien,die ineinemtragbarenGehäusestecken…“(3)

Unterm Strich ist der Keller besserDannhabeichnocheineandereSchule,dasGymnasium.DiesinddurchdiesesG8straffmitihremUnterrichtsstoff.DaführtkeinWegrein,Unterrichtszeitzubekommen.AbersiesinddankbarfürdiesesexterneAngebot,dieSchulebezahltdasundichkanndortimmerfreitagsnachmittagsmeinProjektdurchführen.UnddashatVor-undNachteile.IchbinkeineLehrerin,esgibtkeinenNotendruck.DieKinderwolltennichtimKlassenraumproben,wasichverstehenkann.DieeinzigeAlternativewaruntenimKel-ler. Es ist dunkel, es stinkt. Es stehen keine Tische da, nur Hocker. Ichhabebeidesausprobiert.UntermStrichistderKellerbesser.Ichbinimmervölligbaff,wasdiedochnochzustandebringen.Freiberufliche Theaterpädagogin an einem Gymnasium

KonkurrenzVondenRäumlichkeitenbeiunsisteseigentlichfürTheaterarbeitideal.EsisteineehemaligeScheuneunddawurdederBodenalsMehrzweckraumrenoviert.EinsuperHolzbodenmitBalken,abertrotzdemPlatz,sichzubewegen.EinehervorragendeAkus-tik.EsgibteinemobileBühneundmankannBewegungsarbeitmachen.Undwennmanmöchte,kannmanauchReihenbestuh-lungmachen.Dasistallesvariabelundrechtwarm.Lehmwände.DerNachteil ist,dasswiraucheinTagungshaushaben.UnddortsindÜbernachtungsgästeimgegenüberliegendenGebäude,die nutzen natürlich auch immer diesen Raum. Es kommt dort regelmäßigzuKollisionen.WeildasZentrumnotorischunterGeldmangel leidet und diesen Raum gerne vermietet. Und da habeichschonerbitterteKämpfegeführt.Theaterpädagogin auf dem Land

Ich brauche einen festen Raum mit geschlossenen TürenIchwarsechsJahreaneinerfreienSchule.DiehattenganztolleRäumlichkeiten.VonElternselbstgestaltet.DiehabenoffeneTüren,altersgemischteKlassen,dakannjedermachen,wasermöchte.AberichhabenachfünfJahrengesagt:„Ichschaffedasnervlichnichtmehr.“DasindKinder,dienichtbeteiligtwaren,reinundrausgerannt.Ichhabegesagt:„IchbraucheeinefesteGruppe,einenfestenRaum.ZumEndedesSchuljahressolldieProduktionstehen.“Ichwolltedasauch.IchhabemichschwergetanmitderEntscheidung.Unddachte,jetztmusstdudenSchrittgehenunddenensagen,dassesnächstesSchuljahrnichtfortgeführtwird.Undichwäreauchbereitgewesen,dieGründezunennen.Dannhabendienurgesagt:„Daskommtunsgarnichtsoungelegen,wirhabenehwiedereineMittelkürzung.“Freiberufliche Theaterpädagogin an einer freien Schule

Professionell ausgestattet, aber eigentlich nicht für SpielclubsIchleitetedenClubderGenerationenaneinemStaatsthea-ter.WirhatteneineProbebühneL-förmigmitSpiegelwand,knatschendenDielen,nichtvernünftigheizbarundimdrit-tenStock,alsoinkeinsterWeiseRolli-gerecht.DafürwardieBühne,aufderwirgespielthaben,professionell,undauchdieProbebühnenderSchauspielbühneprofessionellausgestattet,abereigentlichnichtfürSpielclubsgedacht.Theaterpädagogin am Theater

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9Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

FürdieTheaterarbeitgeeigneteRäumesindoftdasErgebnislanger Verhandlung und Eigenleistung. Die Bindung an einen Raum,denmanselbstgestaltet,erkämpftundbehauptethat,istgrößeralsbeifehlenderGestaltungsmöglichkeit,einGefühl,dassichaberseltenanNachfolgendeübertragenlässt.

Probenraum und Aufführungsort

Nicht immerwirdzwischentheaterpädagogischemFachraum(Probenraum)undAufführungsortunterschieden,wasentwederdieProben-oderdieAufführungsmöglichkeiteneinschränkenkann.Versammlungsstättenwie etwa die Schulaula,Bürger-zentrenoderTheatersindoftzugroßzumProbenoderhabenschmaleGuckkastenbühnenundstellendieNicht-ProfisundihreAnleiter*innen bei derAufführung auf derBühne vorhandwerklicheAnforderungen,beidenendieImpulsedesur-sprünglichen kreativen Prozesses manchmal in den Hintergrund treten oder verloren gehen. Dazu kommt, dass die technische AusstattungderAufführungsräumeoftunzugänglich,schwerzubedienenoderveraltetist.GuteAufführungsräume(wiez.B.anTheaternoderKulturzentren) stehen für theaterpädagogischeProjektenichtimmerzurVerfügungundwenn,dannzumeistmiteingeschränktemzeitlichenZugangfürdieEndprobenoderdie Lagerung von Material.

Die haben einen SchlüsselWirhabeneinenRaum.UndeinenzweitenRaum,deralsUm-kleidedient.DenhabensichdieStudierendensehrnettgemacht.IstauchLagerraum,manchmalaberauchSeminarraum,z.B.fürMaskenbau.DieStudierendenhabensicheinSofareinge-holtundeinenKühlschrankbesorgt,eineKochplatte.DieserRaumlebtundistvonfrühbisabendsumelf,bisdieSchuleschließt,immerbesetzt.Ichgehedannimmermalreinundsage:„SoFreunde,jetztmüssenwirabermalOrdnungmachen,Muttikommt.“Sielacht.DiehabeneinenSchlüssel.DagibtesauchSysteme,wiederweitergegebenwird.“Hochschullehrerin

Der theaterpädagogische Raum

„Wir sind gewohnt, Wahrnehmung als einen Akt zu begreifen, durch den etwas von „draußen“ zu uns nach innen kommt, in uns abgebildet und gespeichert wird. Dabei setzen wir voraus, dass das Draußen, die Außenwelt auch ohne uns so ist wie sie uns erscheint. Zugleich übersehen wir, dass dieser Zustand bereits aus einer Verhaltensweise entstanden ist, die nicht ohne uns geschehen ist.“Franz Xaver Baier, „Der Raum“(6)

Tempus: fugit: neuer Theater Saal

, 1. Raum

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201610

Zum Gestalten von Räumen braucht man Personal

DieFragedesRaumesindertheaterpädagogischenArbeit istaucheineFragedesPersonals.Währendbeieinerprofessionel-lenProduktion„Raumexperten“derBereicheBühnenbildundVeranstaltungstechnikselbstverständlichzumProduktionsteamgehören,sindvieleTheaterpädagog*innenbeiderEinrichtungeinerAufführungaufsichalleingestellt(siehe„Mitarbeiter*innenundInstitutionen“).

Nichts ist selbstverständlich

DienotwendigeUnterstützungvonVorgesetztenkannbröckeln,wennz.B.dieSchulleitungoderdieIntendanzwechseltoderwennneueKollegenübernehmen,diemitderVorgeschichtenicht vertraut sind.NeueöffentlicheRäumewerdenmeistimmernochohnerechtzei-tigeBeteiligungderNutzer*innengeplant,wobeisichArchitektenoftanfrüherenBauvorhabenorientierenundnichtandenak-tuellenAnforderungentheaterpädagogischerPraxis.HiersindKompetenzeninProjektmanagementundVerhandlungsführungnotwendig(sieheKapitel„Ausbildung“).AuchdieDokumen-tationüberdieerfolgtenSchrittevondererstenPlanunghinzurjetzigenGestaltungkannhelfen,denVeränderungsprozessanschaulich zu machen.Gerade anSchulenundHochschulen bestehtmanchmal einKonkurrenzkampfumRäume,wobeiverdunkelbarePräsenta-tionsräumeauchvonanderenFächerngenutztwerdenkönnten.VoraussetzungfüreineerfolgreicheNutzunggemeinsamerRäumeisteineRaumkoordination(z.B.wieeinKBBaneinemThea-ter),anSchulenwirddiesmanchmaldurchKolleg*innenmitDeputatstundenübernommenoderdurchdieSchulleitung.OftfehltabereinorganisatorischerAnsprechpartner.

Machen es die Theater besser?

WährendinEinrichtungen,beidenendietheaterpädagogischeArbeitimZentrumsteht,z.B.theaterpädagogischeZentrenoderAusbildungsinstitute,nochamehestendiehierbeschriebenennotwendigenAnforderungenanFachräumeerfülltsind-einge-lungenesBeispieluntervielenistdasTPZTheaterwerkinAlbstedtbeiBremen(4)-,fälltdieBilanzandenöffentlichenTheaternge-mischt aus. In Konkurrenz mit den professionellen Produktionen sinddieProduktionsbedingungentheaterpädagogischerArbeit,alsoauchdiezubenutzendenRäume,deutlichschlechter,selbstwenn,wieinzwischenüblich,theaterpädagogischeAufführungenBestandteil des Spielplans sind und nicht selten entscheidend zumProfil einesHauses beitragen.Das ändert sichmeistenserst,wennProduktionenmitNicht-ProfisvonRegisseur*innenundnicht von ausgebildetenTheaterpädagog*innen geleitetwerden, selbstwenn sichdieAnforderungenderProjekte innichts unterscheiden. Raumfragen sind Machtfragen. Das kann sich auch in der Reso-nanzundBindungderTeilnehmer*innenniederschlagen.WerfürProbenundAufführungenattraktive(professionellwirken-de)RäumezurVerfügunghat,wirdmöglicherweiseengagiertereGruppenvorfinden.

Der theaterpädagogische Raum

Wenn sich neue Räume eröffnen

EinvariablerRaumermöglichtästhetischeVielfalt.Dabeilässtsich seit längererZeit auchdramaturgisch inderGestaltungeinzelnerTeilezueinemGanzeneine„Öffnung“feststellen.

„TheateralsInszenierungistabhängigvomRaum,indemesstattfindet.DieAufteilungderRäume jeweils fürZuschauerundSpielerwieauchinnerhalbderSpielflächehatsichdabeiimVerlaufdereuropäischenTheatergeschichtemehrmalsgeändert.Das Gleiche gilt auch für die Struktur und die Reihenfolge der präsentiertenTeile,alsodieDramaturgieeinerAufführung.“(5)

UmderangestrebtenVielfaltdurchoffeneDramaturgienge-rechtzuwerden,brauchtes–wiebeschrieben-sowohlbeidenProbenalsauchbeidenAufführungenleereRäume,dieeinemultifunktionaleNutzungermöglichen.DasgiltinsbesonderefürdieTrennung zwischenBühneundZuschauerraum, aberauch fürdieNutzungandererRäumeoderöffentlicherOrtefür eine Aufführung.

Esbleibtzuhoffen(undzufordern),dassdienotwendigeVer-änderungderRahmenbedingungentheaterpädagogischerArbeitbesondersinderEinrichtungvongeeignetenFachräumen(Pro-benräumen)wieauchinderBereitstellungvariabelbespielbarerAufführungsortesichtbarwirdunddassdieseRäumeüberalldort,woTheaterpädagogikstattfindet,grundsätzlichunddauerhaftundnichtnurvonProjektzuProjektzurVerfügungstehen.Erstdann ließe sich in diesem Punkt von einer geeigneten theater-pädagogischenInfrastruktursprechen.

„World Cafe“ bei „Theater, und wie!?“

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11Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Der theaterpädagogische Raum

Anmerkungen

(1)Höhn, Jessica; Theaterpädagogik. Grundlagen, Zielgruppen, Übungen; Henschel 2015; S. 41f

(2) Ziemke, Tilmann und Lipsius, Stephan; Bühne und Beleuchtung, Bühne, Bühnenbau und Bühnenlicht im Schul- und Amateurtheater; Deutscher Theaterverlag 2015; S 12

(3) ebda, S. 13

(4) TPZ Theaterwerk Albstedt; Klassenfahrt als Theaterwerkstatt; www.theaterwerk.de

(5) Hippe, Lorenz; Alle Antworten sind wahr – das Raumkonzept des Theater Direkt in: „ringgesprächübergruppenimprovisation“, Ausgabe LXXV April 2012; S. 13

(6) Baier, Franz Xaver; Der Raum, kunstwissenschaftliche Bibliothek Bd. 2; Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2000; S. 26

Aufführungsorte

Aufführungsorte–Notwendig:

Zugriff auf einenmindestens 200Quadratmetergroßen sauberenRaummit derMöglichkeit derBestuhlungundPodestenfürmindestens60Plät-ze.Einfachbedienbare technischeAusstattung fürLicht- und Tontechnik und Möglichkeit der Verdun-kelung.EinVeranstaltungstechnikeralsverbindlicherAnsprechpartner.VariableSpielflächen(z.B.Guck-kasten,Arena, Stegbühne etc. ).Umkleide- undLagermöglichkeiten,Hinterbühne/Backstage.Re-gelmäßigeWartung.

Aufführungsorte–Wünschenswert:

EinrichtungundFörderungdauerhaftertp.Spielstätten/Bürgerbühnen.KontinuierlicheNutzungöffentlicherTheaterfürtp.Projekte.KulturhäuserfürBürgerundEinrichtungenmittp.Fachräumen.UmwidmungleerstehenderGebäudefürProbenundAufführungenauchzurtemporärenNutzung.ÖffnungvonRäumeninnerhalbbestehenderStrukturen.Ermöglichung und Strukturen (z.B. Lager, Ansprechpartner deröffentlichenVerwaltung)fürTheaterimöffentlichenRaum.FörderungdesdauerhaftenodertemporärenAus-baus vonbesonderenAufführungsorten. Förderung vontp.ProjektenimöffentlichenRaum.Unterstützungtp.ProjektedurchdieWerkstättenöffent-licher Theater, z.B. durch Einrichtung von Sammelstellen fürabgespielteKostümeundBühnenelemente.

, 1. Raum

RäumeNotwendig:TheaterpädagogischeFachräumeinallenInstitutionenderkultu-rellenBildung,sowohlProbenräumealsauchAufführungsorte.

Probenräume–Notwendig:

LeererRaum, freie Fläche, „Freiraum“ für variablekünstlerische Nutzung. Ausstattung:Gruppensatz stapelbare Stühle, einigeTische am Rand.Größe: bei 20TNmindestens 100Quadratmeter.Möglichst nicht zu groß, keine unübersichtlichenGebäudeteile,keinezerbrechlichenGegenstände,keinLärmvonaußen.SaubererHolzboden,TanzbodenoderTeppich,heizbar,gutzulüftenundgleichmäßighell.

Probenräume–Wünschenswert:

Schallisolierung, geschlossene Schränke oder externe RäumezurLagerungvonMaterial,angenehmeAtmosphä-re,variablePodeste,variablekleinereBühnenelemente,Präsentationsmöglichkeiten,verdunkelbar,eineeinfachbedienbare technischeAusstattung (Licht undTon),Werkstatträume,einAnsprechpartner(technischerVerant-wortlicher),regelmäßigeÜberprüfungderInfrastruktur,Barrierefreiheit,Fußbodenheizung.AnSchulenwünschenwirunslangfristigfürallezugäng-lichtp.Probenräume,anTheaternmindestenseinenProbenraumvorwiegendfürtp.Projekte.

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201612

Zeit und Zeiten

Lutz Pickardt / Lorenz Hippe

Und dann ist Hofpause…

Das ist an die Zeitstruktur der Schulen angepasst, das heißt zweiSchulstunden.DazwischenistallerdingsHofpause.DieSchüler*innenkommeneigentlich immerzehnMinutenzuspät.DavoristPhysikundderPhysiklehrerlässtsienichtraus.AlsoichhabeeinehalbeStunde,dannistHofpause,dannmussmangucken,werhatnochHofdiensteunddannkannmanmiteinerVerzögerungvonfünfbiszehnMinutendenzweitenTeilvon45Minutenbestreiten.TatsächlicheZeit:2x30Minuten. Freie Theaterpädagogin

Zeit für Absprachen?

Ich mache das in Kooperation mit einem Lehrer. Dieser Lehrer istzweimaldieWochedaundichbinnureinmaldieWocheda.Dasheißt,ichbinimmereinbisschenvordenKopfge-stoßen,washatderLehreramFreitaggemacht,wasichdannamMontagabholensoll.Ichversuche,AbsprachenundTeam-sitzungeneinzufordern.DieNotwendigkeitwirdvonmeinerSeiteandersbewertetalsvonderanderenSeite.Freie Theaterpädagogin

Wir schaffen das alles gar nicht

Beiden12ernz.B.istdieSchwierigkeit,dassdiedermaßenzusindvon„Abitur,Abitur“,dassdieinnerlichgarkeineRäumemehrfreihaben.UnddassdementsprechenddieQualitätleidet.DennbeidenProbensinddiegarnichtmehralleregelmäßigda.Sindkrankoderkönnennicht.Diesagendasdannauch:„Wirschaffendasallesgarnicht“.AlsodabinichauchaufderSuchenachLösungsmöglichkeiten.Siemüssen sich ja auchaußerhalbderProbenzeiteninnerlichdamitbefassenkönnen. Freiberufliche Theaterpädagogin am Gymnasium

Freiraum im Kopf

MeinProblemistdiefehlendeZwischenzeit.IchverbringeeinebestimmteZeitmiteinerGruppe,dassindmal2½Stunden,dassindmal1½Stunden,dasistmaleinganzerTag.AberichbindanachdieZeitnochsodamitbeschäftigt,wasichdannaberabbrechenmuss,weilichamnächstenTagschonwiederwoandersbinundmichdaraufeinlassenmussunddasistimMomentwirklichmeineSchwierigkeit.Dasarbeitetjanochinnerlich,wohatetwasnichtfunktioniert,womussichetwasändernunddazubraucheichFreiraumimKopfunddenhabeichabernicht.IchbinjaamnächstenTagoderzweiStundenspäterschonwiederinganzanderenStrukturenundbeiei-nerganzanderenGruppe,dasist,wasmirzuschaffenmacht. Freiberufliche Theaterpädagogin

Wie der Umgang mit Zeitstrukturen

in der Praxis erlebt wird

„Zeit“ ist einwichtigesThema fürTheaterpädagog*innen inihrertäglichenArbeit.AbhängigvomFormatbrauchtesver-schiedeneZeitstrukturen,damiteintheaterpädagogischesProjektoder eine Inszenierung erfolgreich sein kann. Geht es mehr um den Prozess oder geht es um eine Produktion mit hohem AnspruchandaskünstlerischeErgebnis?PassendieZieledesProjektszudemzurVerfügunggestelltenzeitlichenRahmen?

ProfessionelleTeamsanstädtischenBühnenprobenmeistvierbissechsWochenintensivaneinemStück,inderRegelvon10bis14undvon18bis22Uhr.Dazwischenist„lernfrei“.Theaterpädagog*innenhabenseltensovielZeitmiteinerGruppeamStückzurVerfügung.

Wirhaben einigeKolleg*innen zu ihremUmgangmitZeit-strukturenundfehlenderZeitbefragt.EinekleineAuswahlderAussagenbefindetsichinderlinkenSpalte.Schnellzeigtsich,dassnurwenigemitdenzeitlichenRahmenbedingungenihrerArbeitzufriedensind.Die„Zeitfresser“imÜberblick:

Zeitfresser und Zeitprobleme

Starre Zeitstrukturen in den SchulenDichteAufeinanderfolge vonProjekten lässtwenigZeit fürÜbergängeundReflexionTNhabenzunehmendwenigerZeit(wenigerZeitfenster)Zeitlicher Druck in der Gesellschaft nimmt zu(Zeitliche)UnverbindlichkeitderTNMangelndeUnterstützungdurchFührungskräfteundMitarbei-ter in den InstitutionenInnerhalbvonInstitutionenwerdenGewohnheitenvererbt(„daswarschonimmerso“)VerhandelnderRahmenbedingungenkostetZeitUmräumen,Aufbauen,AbbauenvonMusikanlage,Lichtanlageetc. kostet ZeitTPhabenzuvieleAufgabeninnerhalbeinerTheaterproduktion (vonLichttechnikbisÖffentlichkeitsarbeit)ZeitkonkurrenzinnerhalbderInstitutionProjektarbeiterfordertandereZeitstrukturenalsoffeneArbeit

InderArbeitanSchulengibtesoftzeitlicheVorgaben,welchedieZeitfürtheaterpädagogischeArbeitzusätzlicheinschränken.TheatergruppenoderKlasseninderschulischenArbeithabenoftnureineeinzigeProbeinderWoche,invielenFällennach-mittags.InnerhalbdieserzeitlichenRahmenbedingungeneineabendfüllendeAufführungzuerarbeiten,istkaummöglich.

Intensivphasen als notwendiger

Bestandteil theaterpädagogischer Arbeit

Die Möglichkeiten, Intensivphasen durchführen zu können, sind unterschiedlich.MancheSchulenbietenihrenTheatergruppenProjektwochenundProjektphasen,wobeiGemeinschafts-und

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13Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Zeit und Zeiten

Unterricht ist wie Urlaub

IchleiteeinenStudiengangTheaterpädagogik.Ichhabeacht-zehn Stunden die Woche zu lehren, das ist viel, ich sage immer, der Unterricht ist mein Pralinenkasten, da fühle ich mich dann fastwieimUrlaub,weilichdasGefühlhabe,dassichkreativsein kann.Ich bin hauptamtlich alleine verantwortlich, ich arbeite zu90%mitLehrbeauftragten,dieaucheineschwierigezeitlicheStrukturhaben,weilsieebenvondemLehrauftragnichtlebenkönnen. Meine Zeitstruktur ist so, dass ich mich sehr teilen mussundniedasganzeProgrammmitkriegenkann,weilichimmerschonindasnächstemuss.DannnochdieEbeneanderHochschule.EinezweiteStellezukriegen,isteineimmen-seDiskussion,wasbeimirauchimmerErschöpfungsphasenhervorruft.Die sichdannaufdieStudierendenübertragen. Hochschullehrerin

Zeitlich flexibel

AlsichinderFörderschuleangefangenhabe,waresso,dassichzunächstvierStundenamStückgemachthabeund ichhabe sehr schnellmitgekriegt, das überfordert die Schüler.DieAufmerksamkeitsspannehältnichtsolange.Eskommt,glaube ich,niemand vondenen aus einer intaktenFamilie.Manchewohnen inHeimen. InderRegelmache ich zweiStunden, manchmal auch drei. Da ich viel mit der Lehrerin desTeamszusammenarbeite,binichdasehrflexibel.SiehatandemTagmitderKlassenochHauswirtschaft.WennesrichtiggutläuftmitdemTheater,machenwirvierStunden.Wennesnichtsorichtigläuft,fangensiefrüheranmitderHaus-wirtschaft.Dasfindeichganzhervorragend,dieseFlexibilität. Freier Theaterpädagoge an einer Förderschule

Angebotsstruktur des „Stellwerk, junges Theater Weimar“:

„Teststrecke“:Ferienworkshops„Stellwerk mobil“:TheatraleEinsatztruppemit2-4Probenundeiner gezielten Aktion „Selbstversuch“: Kursemit verschiedenenThemenschwer-punktenoderTheaterformenmitdemZielderästhetischenForschung,wöchentlich1½-3Stunden.HalbjährlichfindeteineAbschlusspräsentationfüralleKursestatt,beiderWerk-stattergebnissegezeigtwerden.„Langzeitstudien“:InszenierungsprojektemiteinemRegisseur,ProbenübereinhalbesJahr,1-2maldieWoche3-4StundenplusWochenenden.Zielisteine„spielplantauglicheInszenierung“,diemindestenseinhalbesJahreinbiszweimalimMonatgespieltwird. AlleProjektewerdenim„Selbstbedienungsladen“vorgestellt,beidemsichdieKinder,JugendlichenundjungeErwachsenenfürdieProjektedesHalbjahreseintragenkönnen.

Sekundarschulen(frühereHaupt-undRealschulen)dabeimeistgroßzügigersindalsGymnasien,obwohlauchdiesenachdenmeistenRahmenplänendieMöglichkeitdazuhätten.

DabeizeigtsichinderPraxis,dassauchzuBeginneinesProjektesIntensivphasensinnvollsind,umdieGruppealsEnsemblezu-sammenzubringen,sieinästhetischeFormenundArbeitsweiseneinzuführenundsiebeieinerStückentwicklungoderInszenie-rungmitihrenIdeen,GedankenundPhantasienzubeteiligen. BeidenHaupt-undGeneralprobenkommtmanohneInten-sivphasennichtaus,weileineinfacherDurchlaufmitReflexioninderStrukturvonein-oderzweiSchulstundennichtzuleis-ten ist. Zudem sind sie Voraussetzung für die Erfahrung, als GruppegemeinsamdieVorbereitungundDurchführungeinerPremierezuerleben.

AnSchulen,dieeinenerklärtenTheaterschwerpunkthabenunddiesinihrenZeitstrukturenberücksichtigen,wiez.B.dieErika-Mann-Grundschule in Berlin oder die Freien Waldorfschulen mit dem„Klassenspiel“inderachtenundelftenKlasse,gehörenIn-tensiv-undProjektphasenzumfestenBestandteildesUnterrichts.BeiTheatergruppenaußerhalbderSchule(z.B.inderaußerschu-lischen Freizeit, in Senioreneinrichtungen, Fördermaßnahmen fürArbeitsloseetc.)lässtsichdieZeitstrukturfreierbestimmenund auch schon vorab festlegen.Allerdings konkurriert dastheaterpädagogischeAngebotdortmitArbeit,Schule,FamilieundanderenBeschäftigungen.Vieleberichten,dassdiezeitlicheBelastungderTNindenletztenJahrenoffenbarzugenommenhat.ZugleichlassebeivielenJüngerendieKonzentrationsfähig-keitundAufmerksamkeitsspanneinnerhalbeinerGruppenach.

BeieinigenProjektengehtmandeshalbdazuüber,denobenbe-schriebenenzeitlichenRahmeneinerprofessionellenProduktionaufdieArbeitmitNicht-Profiszuübertragen.OftstehtdiesdannimZusammenhangmitberuflicherVorbereitungoderProfes-sionalisierung(z.B.beidemBochumerJahresprojekt„Theatertotal“(1))oderbeizahlreichenProjektenmitLangzeitarbeitslosen(z.B.„JobAct“inWitten)(2).AnvielenTheaterjugendclubsanTheaterngibtesmittlerweilezusätzlichzudenAngebotenundKursen„füralle“zeitlichintensivereProjektemitausgewählten,besondersengagiertenTN.OftsindesgenaudieseProduktio-nen,diezuFestivalseingeladenundmitPreisenbedachtwerden.DasBeispieldesWeimarer„Stellwerk“(3)zeigt,wiedenzeitli-chen Bedürfnissen durch unterschiedliche Formate Rechnung getragenwerdenkann.

Unbezahltes Multitasking

FürvieleistauchderUmgangmitdereigenen(Arbeits-)ZeiteinwichtigesThema,oftverbundenmitzugeringeroderun-klarerHonorierungderArbeit(siehedasKapitel„Finanzen“). Theaterpädagog*innen sind (notgedrungen)Allrounder.Ne-ben der anleitendenmethodischen theaterpädagogischenArbeit gehörenTätigkeiten ausdenBerufsfeldernDramatur-gie,Beleuchtung,Werbung,GrafikundSozialarbeitzuihremAufgabengebiet.Bezahltwirdaber inderRegelnurdieZeit,indertheaterpädagogischgearbeitetwird.HäufigpasstdaszurVerfügunggestellteHonorarnichtzudemgeplantenProjekt,sodassvieleunbezahlteÜberstundennotwendigwerden,umdie gesteckten Ziele zu erreichen.

, 2. Zeit

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201614

Zeit und Zeiten

Projektmangement als Kernkompetenz

Theaterpädagog*innensindinderRegelauchProjektmanager.SiebestimmendieZeitstrukturenihresProjektesundmüssendieseinnerhalbdervorgegebenenRahmenbedingungenaushandeln.GeradewennmaneineEinrichtungleitet,fließtvielZeitundEnergie in die Organisation. Erfahrungen und Strukturen aus demManagementkönnendaherauchindertheaterpädagogi-schenArbeithilfreichsein,sindabernochzuwenigBestandteiltheaterpädagogischerAusbildung(vgl.dasKapitel„Ausbildung“).

Zeit für Reflexion und Erholung

NichtseltenfehltZeit,umdieProjektarbeitzureflektieren,zuevaluierenodersichdavonzuerholen.VieleFreiberuflerbewegensichvonAuftragzuAuftrag,wassichschnellaufdieQualitätderArbeitauswirkt,weilsiekaumnochZeitfürdieVorbereitungderProbenhaben.OderesgehtaufihreGesundheit:VieleklagenübereinehoheStressbelastungundgesundheitlicheProblemebishinzumBurnout.DieofthoheBelastungderArbeitmitherausforderndenGruppenoder intensivenProben vor einerPremierebrauchtzudemeinenAusgleich:Erholungmussfesteingeplantwerden.EineguteWork-Life-Balanceistnotwendig,umdieFreudeandemBerufauchauflängereSichtbeibehaltenzukönnen.Aberwieerreichtmandie,wenndiezeitlichenRah-menbedingungendaszunächstnichthergeben?

Umwege sind auch Wege

AuchvonzuengenProjektzeiträumenodervonzuhohenErwar-tungenderAuftraggebergehtzeitlicherDruckaus.ProbenkönnenmehrZeitbrauchenalsgedachtodermüssenverkürztwerden,weildieGruppenichtlänger„durchhält“.GruppendynamischeKonfliktewerdensichtbarundmüssengelöstwerden,bevoresmitderkünstlerischenArbeitweitergehenkann(„StörungenhabenVorrang“).ZeitlicheFlexibilitätgehörtdaherzudenHauptfor-derungendestheaterpädagogischenManifestes.Dasbeziehtsichausdrücklichauchauf–durchProjektförderungfinanzierte–Projekte,beidenenAnfangs-undEndpunktmeistensaufeinHaushaltsjahrfestgelegtundbishernichtverschiebbarsind,ganzgleich,wiesichderProzessdesProjektesentwickelt.DieZeit,sich auf die Gruppe und den kreativen Prozess zu konzentrieren, weichtdannofteinerleiterzentriertenInszenierungsphase,beiderdieBeteiligungderTeilnehmer*innenaufderStreckebleibenkann. Eine Forderung des Manifestes sind daher Förderrichtlinien, dienicht(nur)aufeinöffentlichesErgebnisfixiertsind,sonderndenProzessmitallennotwendigenUmwegenmiteinkalkulieren. InderPraxiskollidiertdieserAnsatznichtseltenmitderErwartungderTeilnehmer*innen,schnellzu„bühnenreifen“Ergebnissenkommenzuwollen.Wielangeesdauernkann,inderÖffent-lichkeitbestehenzukönnen,isteinewichtige(undmanchmalschmerzhafte)LernerfahrungfürGruppeundAnleiter*in.

Zeit

Zeitstrukturen–Notwendig:

ProbenundIntensivphasenfürStückentwicklung/ErarbeitungsowieHaupt-undGeneralproben.AusreichendZeitfürVor-undNachbereitung.ZeitfürTeamgespräche.FlexibilitätderZeiteintei-lunginnerhalbeinesProjektes.ZeitfürPartizipationderTN.ProzessundErgebnisinderZeitplanunggleichermaßenberücksichtigen.UnterschiedlicheZeitstrukturen (und –formate) für verschiedeneZielgruppen. Die Möglichkeit Aufführungs- und Präsentationsformatezuwählen,diederzeitlichenSituationunddenjeweiligenZielgruppenangepasstsind.Einbindung tp.Arbeit fachübergreifend inRahmenplänederSchulensowiespartenbezogeninSpielplänederTheater.

Zeitstrukturen–Wünschenswert:

GesonderteFörderungvonAnbahnungs-undRe-cherchephasen. Flexibilität innerhalb der Projektförderung (z.B.MöglichkeitderVerlängerungdesProjektendes)Bil-dungsurlaubundFreistellungfürkulturelleProjekte.An Schulen und Hochschulen Stundenkontingente oderStellenzurKoordinationundProjektplanung.

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15Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Warum weniger Zeit manchmal

mehr Kunst sein kann

InderPraxisderAus-undWeiterbildunggehtesoftdarum,mitwelchenMethodenmaninkurzerZeit(z.B.innerhalbeinerSchulstunde)zuerstenErgebnissenkommenkann.HierspielenMethodenderImprovisationwieauchdesImprovisationstheaterseinegroßeRolle.EntgegeneinerbeiTeilnehmer*innenverbrei-tetenAuffassung,manbrauche vielZeit, um einKunstwerkzuerstellen,zeigtsichinderPraxis,wiegeradedieAbwesen-heitvoninnererundäußererBewertung(4)inVerbindungmitzeitlicherBegrenzungsehrschnellzu–imNachhineinvonderGruppealsinteressantbewerteten–Ergebnissenführenkann.EineBegrenzungderzurVerfügungstehendenZeitkann–inmanchenFällen – auch den kreativenProzess unterstützen. JetransparenterdiezeitlichenPhasenunddasZieldesProjektesselbstmitderGruppegemeinsamvereinbartsind,destoeherkannmanvoneinerintrinsischenMotivationderTeilnehmer*innenausgehen.Wiedas„Pareto-Prinzip“zeigt,kannesauchhelfen,deneigenenPerfektionismusabzuschwächenund–nachdemEinsatzvon20ProzentderRessourcen–mit80ProzentdesErgebnisseszufriedenzusein(5).

Anmerkungen

(1) Theater Total Bochum; Jahresprojekt für junge Erwachsene; www.theatertotal.de

(2) JobAct® der Projektfabrik Witten; www.projektfabrik.org

(3) Stellwerk junges Theater Weimar; www.stellwerk-weimar.de

(4) Die „Innere Kritische Stimme“, aus: Hippe, Lorenz; Und was kommt jetzt? Szenisches Schreiben in der theaterpädagogischen Praxis; Deutscher The-aterverlag 2011; S. 35ff

(5) Das Pareto-Prinzip . die 80/20 Regel; vgl. www.poeschel.net, Zeitmanagement

Zeit und Zeiten

, 2. Zeit

„World Cafe“ bei „Theater, und wie!?“

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201616

Blumen kann man nicht essen – das Problem der Wert-Schätzung

Guido Alexiusgleichzeitig seine Achillesferse. Wer einmal durchkalkuliert hat, dassdieTheater-AGvon14:00-16:00UhranderoffenenGanz-tagsschule,die30kmentferntvomvorhergehendenEinsatzortliegt,fürdasangeboteneHonorarnurdannmachbarist,wennMaterialiengestelltwerdenunddieVorbereitungmitbezahltwird,kenntvielleichtfolgendeReaktionderLeitung:EinKopf-schütteln,einanschuldigenderBlickundderSatz:„DawerdendieKinderaber traurig sein,diehabensichschonsoaufdieAGgefreut.“ManstellesichdenEinkäufereinesUnternehmensvor, der die Preise eines Lieferanten nicht zahlen möchte (oder kann)undsagt:„DawerdendieBuchhalterabertraurigsein,diehattensichschonsoaufdasneueAbrechnungssystemgefreut“.

Esistschwer,diesenMechanismen,dieoftnurunbewusstodergedankenlosausgeübtwerden,zubegegnen,ohneineineper-manent misstrauische Grundhaltung zu verfallen. Wir können aberalstheaterpädagogische AuftragnehmerselberzuunsererWert-Schätzungbeitragen,indemwirfüreinprofessionellesVerhältniszwischenunsundunserenAuftraggebern sorgen:RealistischesKalkulieren der eigene Preise, Offenlegung und freundliche Zurückweisungemotionaler„Preisdrückereien“(s.o.),KlärungnotwendigerRahmenbedingungenimProjekt-Vorfeld,Abgren-zungvonVerantwortungen(Wofürbinichnichtzuständig?),SicherstellungderErreichbarkeitvonAnsprechpartnern.Schrift-licheVereinbarungensindwichtigfürdenFall,dassesStörungengibtundwennsichbeidiesenPunktenschonProblemezeigen,solltemandasProjekternsthafthinterfragen.

Undwennallesstimmt,danngehtnichts,aberwirklichnichtsüberBlumenzurPremiere.

DasteheichnunamLichtpult,übermüdetaberhellwachdurchdasnochreichlichvorhandenePremieren-Adrenalin,binglück-lich, dass alles geklappt und sich die Strapazen der letzten Tage gelohnthabenundfreuemich,dasssichdieGruppevorneaufderBühnefeiernlässt.Alssiemichzusichrufen,genießeichdenApplausauch,dabinichganzehrlich.UnddannkommtderstellvertretendeDirektoraufdieBühneundüberreichtmir–Blumen.Ichkannnichtsdaranändern,ichwerdeimmereinwenigrotdabei,weildasfürmicheinebesondereGesteist,diemichsehrbewegt.

Vielleichtkommtdasdaher,dassich–sehrviellängeralsichtheaterpädagogischarbeite–einenTeilmeinesEinkommensmitTechnologie-ProjekteninderfreienWirtschafterwerbe.DortistdasErgebnismonatelangerArbeitofteineherabstraktes.EsfindetwenigKontaktmitdenMenschenstatt,denendiesesEr-gebnisdienensollund–esgibtnieBlumen!Der scharf umrisseneAbschluss eines theaterpädagogischenProjektes,welchesineineAufführungoderPräsentationmün-det,dasdirekteundunvermittelteFeedbackdesPublikums,derSpieler*innenunddesProjektumfeldes,dasgemeinsameFeiern,Umarmen,SchulterklopfenundNoch-Einmal-DurchlebenderprägendenMomentedesProjektes–alldasbringendieBlumenauf den Punkt.InunserenKulturkreissymbolisiertdasSchenkenvonBlumenabermanchmalauchetwasanderes:WirschenkenjemandBlu-men,wennwiretwasfalschgemachthaben,oderwennwirihmanandererStellenichtdieWertschätzungentgegengebrachtha-ben,dieerverdienthatte.WirbittenumVergebung,weilwiresnichtmehrgutmachenkönnen.Undwennwirdasauchnochöffentlich tun,gebenwirunsauchselberetwasEhrezurück.AuchdieseGedankenkommen,wennichmitdemStraußinderHanddieProjektmomentenocheinmalRevuepassierenlasse.Dennmanchmalgibtesauchdas:DenVertrag,dervielleichterstvierWochennachdererstenArbeitseinheitunterschriebenwurde.DieAufführungstermine,dieohneRücksprachefestge-legtwurden.DieRaumverlegungen,vondenenicherstvorOrterfuhr.DasHonorar,dasdocherstüberwiesenwerdenkonnte,nachdem die Eintrittsgelder es eingespielt hatten.AuchimWirtschaftsumfeldwerdennichtalleVereinbarungenpräzisegetroffenundeingehalten.NichtjedeFachkraftwirdfairbehandeltunddieKommunikationbeiProjektenistnichtimmeroffen,schnellundumfassend.ImGegenteil,hierwirdsoman-cheKrötegeschluckt,umAufträgezuerhaltenunderfolgreichfertigzustellenundhierfällthäufigderSatz„IchbekommekeinGehalt,ichbekommeSchmerzensgeld“.Dasleistetaberdurch-ausseinenBeitragzurExistenzsicherung.Schmerzens-Blumenehernicht,dennaktuellstartendieJahresgehältervonz.B.IT-Fachleutenmitmehrals10JahrenBerufserfahrungbei58.000€(1),aberdasdurchschnittlicheJahreseinkommeneines45jäh-rigen,derinderKünstlersozialkasseindenBereich„BildendeKunst“eingruppiertwird,liegtbeiknappüber19.000€.(2) Für letzterenistesüberlebenswichtig,dieVerquickungvonDingenauszuschließen,dienichtsmiteinanderzutunhabensollten:SoistdererfüllendeAspektamBerufdesTheaterpädagogen,dassein inniger und auch emotionaler Kontakt mit dem Gegenstand derArbeit–denMenschen–unddemArbeitsergebnisbesteht,

Anmerkungen

(1) aus: www.handelsblatt.com/unternehmen/beruf-und-buero/buero-special/gehaltsuebersicht-fuer-2015-tabelle-it-berufe/10752686-5.html

(2) aus: www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/ksk_in_zahlen/statistik/durchschnittseinkommenversicherte.php.

„Shortacts“, Cottbus 2015

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17Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Wenn ich’s dafür nicht mache, macht’s ein anderer – Geld als Rahmenbedingung gelingender Theaterpädagogik

Guido Alexius

Theaterpädagogik braucht finanzielle

Absicherung

DasseinesolidefinanzielleAbsicherungeinegelingendetheaterpä-dagogischeArbeiterstmöglichmacht,scheintselbstverständlich.Wie schwierig eine qualitative und quantitativeAnalyse der„Selbstverständlichkeiten“aberseinkann,zeigteschonderersteWorkshopzumThema„GeldalsRahmenbedingunggelingenderTheaterpädagogik“aufderFrühjahrstagungdesBuT2015.AnvielenStellenbestehtzwareinqualitativerKonsensdarüber,waswirbrauchen(z.B.eineverlässlichefinanzielleBasis-Absicherung,umnicht–geradealsFreiberufler–aufgrundvonLiquiditätspro-blemenqualitativschlechteArbeits-undProjektentscheidungenzutreffen),aberes istgleichzeitigschwierig,diesenBedarf inHonorarsätzenundEmpfehlungenzuquantifizieren.

Brauchen wir eine Professionalisierung?

AuchwenndieBeschäftigungmitdenfinanziellenRahmenbedin-gungeneherein„notwendigesÜbel“ist,mussindiesemFelddieProfessionalisierungderTheaterpädagog*innenweiterentwickeltwerden.EsgibthierzuetablierteAnsätze,sowohlinderaktuellenAusbildung,alsauchinFortbildungen(z.B.das„Theaterpäda-gogischeDschungelcamp“imMultiplik-FortbildungsprogrammdesBuT).Inbeidenkönntez.B.einVerhandlungstraininginte-griertwerden.AberauchstrukturelleAnsatzpunkte(z.B.zentraleServicestellenfürkulturelleFörderungen,wiedenKulturförder-punkt Berlin(1)oderdasNRWLandesbüroFreiedarstellendeKünste(2))sindweiterzuentwickeln.PerspektivischkönntevonverbandlicherSeiteweitereUnterstützungu.a.durchdieEnt-wicklungvonMusterverträgenfürProjekteu.Ä.hilfreichsein.EineEigenverantwortungistdenTheaterpädagog*innenselbernicht abzunehmen,werdendochweiterhindieHonorarsätzevonProjektzuProjektfreiverhandelt.

Brauchen wir Mindesthonorarsätze?

Angemessene Mindesthonorare lassen sich als politische Forderung nurdannsinnvollaufstellenunddurchsetzen,wennkollegialeSolidaritätgelebtwird.IndiesemPunktzeigtesichinWeimareinebreiteZustimmung,aberauchinderanschließendenDis-kussionimVerband,indentheaterpädagogischenGruppendersozialenNetzwerke(3). Hier konnten im Manifest letztendlich klareForderungengestelltwerden.DieDiskussiondarüber,wasnotwendigeundwünschenswerteHonorarsätzesind,mussauchindennächstenJahrenfortgeführtwerden.

Anmerkungen

(1) Berlin, Kulturförderpunkt. (Online) 2016. Aus: www.kulturfoerder-punkt-berlin.de

(2) NRW Landesbüro, Freie Darstellende Künste, (Online) 2016, v. 17.01.16; aus: www.nrw-landesbuero-kultur.de

(3) Facebook, Geschlossene Gruppe Theaterpädagogik. (Online) 15.10.2015; www.facebook.com/groups/Theaterpaedagogik

Finanzen–Notwendig:

HonorarsatzproProjektstundemindestens30,-€/h(Richtlinie beiAnträgen), bei Lehraufträgen undWeiterbildungproZeitstundeUnterrichtalsMin-destsatz35,-€(Stand2016).Ausstattung theaterpädagogischer Projekte durchProduktionsetats für Sach- und Honorarmittel. StrukturelleGrundsicherung theaterpädagogischerInstitutionen durch kontinuierliche Förderung.

Finanzen–Wünschenswert:

Vorbereitungs-undNachbereitungszeitextrahonorieren.MindestensfünfProzenteinerProjektfördersummesollteindietheaterpädagogischeInfrastrukturinvestiertwerdenkönnen(z.B.Stühle,Podeste,Technik),dienachProjekt-abschlussanderenNutzernderbeantragendenInstitutionzurVerfügungsteht.MittelfristigeAnhebungderMindest-honorarsätze undLohnuntergrenzen. ProjektförderungsollteeineflexibleZeitstrukturundeinprozessorientiertesArbeitenermöglichen.DieZeitvorgabenallerFördermaß-nahmen sollten die nötige Flexibilität berücksichtigen.Anfangs-undAbschlusstermineeinesProjektessolltenver-änderbarsein.AusbauderInfrastrukturzurUnterstützungbeiFörderanträgendurchBeratungsbüros(Bsp.Kulturför-derpunktBerlinoderLAGNiedersachsen).AufbauundFörderungvontheaterpädagogischenProjektbüros,z.B.fürAntragsstellungundAbrechnung.ZuschüssefürTNderWeiterbildungundBildungsurlaub.ProjektunabhängigeZuschüsse für Raummieten.

, 3. Finanzen

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201618

Entdeckungen beim Marsch durch die Institutionen

Barbara Renner / Katharina Fertsch-Röver

Ob freiberuflich oder angestellt, der lange und nervenauf-reibende „Marsch durch die Institutionen“ bleibt einem/rTheaterpädagog*in nicht erspart. Als Leiter*in theaterpä-dagogischer Projekte im Freizeitbereich, als Lehrer*in imTheaterunterrichtanSchulen,alsKlinik-Clown,alsBetreuer*invon Schulklassen an einem Stadttheater, stets müssen die Fallstricke derjeweiligenInstitutionmitihrenformellenundinformellenRegelsystemenbewältigtwerden.Institutionensindnach innendurchspezifischeAbläufe,denKampfumdieVerteilungfinanzieller,räumlicherundzeitlicherRessourcen,Mitarbeiter-Hierarchien,kurzeundvorallemlange„Dienstwege“strukturiert.NachaußenstehensieinAbhängig-keitundRechtfertigungszwanggegenüber ihrenTrägern,denGeldgebern, einemkulturpolitischenKontext undden kriti-schenAugenderÖffentlichkeit.ZwaristdieInstitution„eineEinrichtung, die dem Wohl oder Nutzen des Einzelnen od. der Allgemeinheitdient“(1). Die Bestandsaufnahme der Erfahrun-genvonTheaterpädagog*innenlässtsichjedochzugespitztaufdieFormelbringen,dasssiesichimUmgangmitInstitutionenvor allem als OPFER fühlen. Bei diesem Tief-Status handelt es sich nicht nur um ein diffuses Bauchgefühl, sondern auch um ein handfestes personalpoliti-schesFaktum.DasmachtbeispielsweisedasErgebniseinerimvergangenenJahramInstitutfürKulturpolitikderUniversitätHildesheim erstelltenUmfrage unterTheaterpädagog*innendeutlich,dieanTheaternarbeiten(2). Nur ein Viertel von ih-nen ist im Stellenplan der Institutionen verankert, für die sie arbeiten.EsgibtzwareinensehrhohenBedarf,aberdieindenletztenJahrenverbreitetePraxisvonBetrieben,denMangelanPersonaldurchakademischhochqualifizierteJahrespraktikantenzubeheben,hatauchinKultureinrichtungenSchulegemacht.DerBegriff „GenerationPraktikum“ trifft insbesondere aufBerufsanfänger*innenzu.UmauchbeiderArbeitsplatzbeschreibungerstgarnichtdenEin-druckeinerernstzunehmenden,womöglichgarkünstlerischenTätigkeitaufkommenzulassen,werdenTheaterpädagog*innenals„Behinderten-bzw.Betreuungs-Fachkraft“,„Theater-Coach“oderalsZuständigefürdas„Theater-Labor“betitelt,manchmalsogar in denArbeitsverträgen. Selbst Institutionen, die überErfahrungmit ästhetischerBildung in ihremEinrichtungs-alltagverfügensollten,wiezumBeispielSchulen,stellenihreKommunikationskulturnichtausreichendaufdieArbeitthe-aterpädagogischerMitarbeiter*innenein.WennbeispielsweiseeinTheaterpädagogedenAuftragbekommt,miteinerAuswahlvonSchülernausmehrerenKlassenexperimentellesTanzthea-terdurchzuführen,ohnedassihmderunterrichtlicheKontextkommuniziertwurde,istesnichtverwunderlich,dassdasPro-jektsehrschnellscheitert.

Esgehtaberauchanders.DiefolgendenBeispielezeigen,welcheSynergieninderZusammenarbeitmitInstitutionenwieKranken-häusern,JustizvollzugsanstaltenoderMuseenfreigesetztwerdenkönnen,vondenensowohlTheaterpädagog*innen,Zielgruppen,alsauchdieEinrichtungenselbstnachhaltigprofitieren.Interes-santerweisesindeshierdreieher„theaterferne“Institutionen,beidenenvielleichtgeradedeshalbdieRahmenbedingungenimmerneuverhandeltundmodifiziertwerdenkonnten.

Beispiel1:„Zukunftsmusik“,einForumTheater-ProjektmitmännlichenInhaftiertenüber ihreErwartungenandieZeitnach dem Knastaufenthalt (2),mussteunternaturgemäßbe-sondersrestriktiveninstitutionellenRahmenbedingungeneinerJustizvollzugsanstaltentwickeltwerden:engeZeitfenster,Sicher-heitskontrollen, klare Hierarchien, strenges Reglement. Dank der HilfederGefängnisseelsorgergelanges,einenfürBeamtenundKünstlerpraktikablenFreiraumzuerkämpfen,indemkreativesArbeitenmöglichwurde.WährendderTheaterprobenkonntendieHäftlingeausihremstrengreglementierten„Gefangenen-Kosmos“allmählichzuSpontaneitätimTheaterraumgelangen.AuchdasAnstaltspersonalwurdedavon‚angesteckt‘.Besondersbemerkenswertwareine„VeränderungdesinderHaftanstaltvorherrschendenMännlichkeitsbildes“(3). Die Kontaktpersonen, diedurchdasProjektvonaußenindieEinrichtungkamen,unterschiedensichvondemMännlichkeits-VerhaltenderAn-staltswärter.ManentwickelteTheater-Teamgeist,wennbeidenProbenHilfegebrauchtwurde.NachdemGrundsatz„sosicherwienötig,sofreiwiemöglich“sollenbeiweitererZusammenarbeitmitTheaterpädagog*innendieserFreiheitswertunddiebesonderensozialenErfahrungenan diesem Ort auch für nachfolgende Zielgruppen vermittelt werden.

Beispiel 2: Studierende des „Instituts angewandtesThea-terWien“ (IfanT)haben imRahmeneinerAusstellungdesÖsterreichischenTheatermuseumsüberStefanZweig„ästhe-tischforschendzuverschiedenenThemenderBiografiediesesKünstlersszenischeKommentareentwickelt…“ (4). Ein Mu-seum, dessen Architektur auf Kunst-Ausstellung ausgerichtet ist,erwiessichalseininstitutionellerRahmen,dermitseinenspezifischenMöglichkeitenundHerausforderungendieQua-litätdertheaterpädagogischenArbeitbereichernkann.

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19Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

WaszunächstnachÜberfrachtungaussah(mancheRäumewarenmitExponatengefülltundmutetenanwieeinArchiv)oderdieGefahrderDopplungbot(mancheRäumewirktenbereitswieTheaterräume),verändertesichwährenddertheaterpädagogi-schenArbeit.DieTeilnehmer*innenderPerformanceerfuhrenalsRezipientenderAusstellungeineDimensionserweiterungderKunst-Räume.ObdieBesucherihrePersonalausweiseab-gabenundselbstMateriallieferten,daseineIdentitäten-SucheimKontextderAusstellungbeförderte-obsieStefanZweigsWorteaufdemBoden„begingen“unddamitneueAkzentemitihrenFüßensetzten–oderobdieMuseumsvorschriftendarüber,wasnichtanzufassensei,dazuführten,dassdieStu-dierendenGegenstände(z.B.einLuftfeuchtigkeitsmessgerät)untersuchten, ohnedieVorschriften zubrechen: dieArbeitin diesen speziellenundhochästhetischenRäumenmit ih-renbesonderenRegelnführtezumAufbaueiner„ironischenDistanzzudenThemenderAusstellung“undeinerKommen-tarebene,„diedurchdasRecherchierenanUnterthemenwiez. B. Sicherheit oder WiderstandeineEigendynamikbekam“(5).EsentstandendurchdietheaterpädagogischePerformancefürdasPublikumunddieMuseumsbesucheraufdieseWeisedieAusstellungergänzendethematischeundästhetischeIns-

Entdeckungen beim Marsch durch die Institutionen

IfanT Wien: Zweig-Performance im Theatermuseum

IfanT Wien: Zweig-Performance im Theatermuseum

, 4. Mitarbeiter*innen und Institutionen

pirationsquellensowiedurchdieKörperlichkeiteinsinnlicherErfahrungs-undReflexionsraum.BeiderTheaterarbeitindenMuseumsräumenwarendasVertrauenderHausleitungunddesPersonalsdesMuseums,beziehungsweisedieGesprächemitdemKuratorderAusstellung,notwendigundhilfreich.

Beispiel3:StudierendederTheaterpädagogikvonderFHOs-nabrückkommeneinmalinderWocheinunterschiedlichenTeams in die Kinderklinik und auf die geriatrische Station des Bonifatiushospitals Lingen, um mit Mitteln der Thea-terpädagogikeineAuszeitvonKrankheitundKlinikalltagzuermöglichen (6).WichtigdabeiistfürRahelKurpat,dieKoor-dinatorindesProjekts,dieEinbeziehungdesPflegepersonalsdurch Multiplikatorenveranstaltungen und enge Kooperation inderVorbereitung.Kritischmussteangemerktwerden,dasszunächstdieräumlichenBedingungenoftnichtoptimalwar.Auch dasVerhalten desKlinikpersonalswaren amAnfangdesProjektes vonMisstrauenundKonkurrenz geprägt.BeiBeginnderArbeit indergeriatrischenAbteilunghattendieTheaterpädagog*innenoftdasGefühl,PatientenwürdeneinfachabgeschobenundwärenauchdenMinimalanforderungenandieTheatergruppenichtgewachsen.DieshatsichaberdurchdieFortbildungseinheitenunddasKennenlernendeutlichver-bessert.InzwischenintegrierendiePfleger*innenaucheinigetheaterpädagogischeÜbungeninihrenAlltag.GebliebenistallerdingsdieHerausforderung,sichmitwech-selndenTeampartner*innenimmerjedeWocheneuaufeineandereGruppeeinzustellen.DurchdiewechselndeBelegung,den aktuellen Gesundheitsstatusund dieFreiwilligkeit istkeineGruppenkontinuitätgegeben.DieStudierendenmüs-senunterschiedlichsteKonzepteparathaben.JedeWocheistein Neustart gefordert. Auch die Hochschule kann durch die UnterbrechungenwährendderSemesterferienkeinepersonelleStabilitätbieten.DieTheaterklinikfinanziertsichdurchEi-genmittel der Kooperationspartner und durch Spenden. Die StudierendenerhalteneineAufwandsentschädigungfür ihreArbeit,sicherlicheinGarantdafür,dassmitrelativgeringenGeldmittelndasProjektseitfünfJahrenlaufenkann.EinsehrerfolgreichesProjekt,beidemalleBeteiligtenstarkprofitieren.ÄhnlichwiebeidemMuseumstheaterprojektgiltaberauchhier,dassessichzunächstnochumeinfürdieInstitutionenkostengünstigesPraktikumsangebothandelt.DessenEntwick-lungzueinemprofessionellentheaterpädagogischenArbeitsfeldbleibtnochabzuwarten.

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201620

Entdeckungen beim Marsch durch die Institutionen

Anmerkungen

(1) Duden 1996

(2) Die Studie „Theaterpädagogik an Stadt- und Staatstheatern in Deutschland“ wird Anfang 2016 unter www.theaterpolitik.de veröffentlicht. Vgl. dazu auch den Beitrag von Wolfgang Schneider in diesem Heft

(3) „Zukunftsmusik“, Forumtheaterprojekt in der JA Raßnitz und der JVA Herford unter der künstlerischen Leitung von Till Baumann. Weitere Infor-mationen dazu auf: http://www.tillbaumann.de/?p=3025

(4) Flyer zu der Performance „Mein Leben – welches Leben?“ 2014 im Theatermuseum Wien. Weitere Informationen dazu auf http://theaterpaedagogik-ausbildung.at/mein-leben-welches-leben/

(5) Zitat Claudia Bühlmann, Leiterin IfanT

(6) Weitere Informationen dazu unter: http://www.bonifatius-hospital-lingen.de/med-fachrichtungen/fachabteilungen/klinik-fuer-kinder-und-jugend-medizin/kinderlachen-hilft-heilen/kinderlachen-hilft-heilen.html

Mitarbeiter*innenundInstitutionen–Wünschenswert:

ProduktionsteamsangelehntanprofessionelleArbeitsstruk-turen (Bühnen-Kostümbildner,Musiker,Dramaturgen,Autoren, etc.). UnterstützungdurchpädagogischesPersonal.MehrerezeitgleichetheaterpädagogischeProjekteinnerhalbeinerInstitutionbedürfenderinhaltlichenundorganisa-torischenAbsprache(Gesamtplan).AnöffentlichenTheaternistjedeSpartedurchmindestenseinenTPbetreut.TP anTheatern gehörenmitVerträgenNV-Bühne alsKunstvermittlerwieDramaturgen grundsätzlich zumkünstlerischen Personal und Produktionsteam einer pro-fessionellen Produktion. Tp.Aufführungen sind selbstverständlicher BestandteilderSpielpläne.Tp.ProjektekönnenalsBildungsurlaubeingereichtwerden.Arbeitgeber schätzen ein Freizeit-Engagement ihrerMitarbeiter*innen imBereichTheater genau sowie imBereich Musik, Politik und Sport. Angebot und Förderung von tp. Workshops fürMitarbeiter*innenvonBetriebenundInstitutionenvorOrt.

Mitarbeiter*innenundInstitutionen–Notwendig:

In einer Produktion mit einer oder mehreren öf-fentlichenAufführungenmindestensein/eweitere/rverantwortlicheMitarbeiter*inzusätzlichzurtp.Lei-tung(z.B.Assistenz,weitereTP,Mitarbeiter*innenÖffentlichkeitsarbeit/Dramaturgie,Pädagogik).Verankerung der künstlerischen Produktion in der Alltagsorganisation.Kommunikation auf Augenhöhe zwischen allenMitarbeiter*innen.

Mitarbeiter*innen und Institutionen

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21Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

„Das ist bestimmt ein total schöner Beruf!“ – Gedanken zum Image der Theaterpädagogik

Antje Klahn

dieForderungimManifest:„Theaterpädagog*innenwerdenalsKunstvermittlerundproduzierendeKünstlerwahrgenommen“weistindieseRichtung.Die Verankerung von Theater als Unterrichtsfach in der Schule dagegen ist ein Indiz für die generellgestiegeneWertschätzungfürdenBerufdes/derTheaterpädagog*in.AuchdieVersucheder Kultur- und Bildungspolitik, nachhaltigere und kontinuier-lichere Kulturvermittlungs-Programme zu installieren (z.B. das derKulturagenten),sindeinBelegdafür.EsgibtimmermehrFördermöglichkeiten,deutlichmehrTheaterpädagog*nnenanTheatern,größeretheaterpädagogischeAbteilungensowieeinehöhereSpezialisierunginnerhalbdieser.EsentstehenneueKin-der-undJugendtheater-Sparten,unddierasanteEntwicklungvonBürgerbühnenzeugtdavon,dassdasTheaterstärkerindieGesellschafthineinwirktbzw.mitdieserineinenkünstlerischenDiskurs tritt. Da das allgemeine Image von Kultur und Theater in einemdirektenZusammenhangmitdemderTheaterpädagogiksteht,profitiertdiesedeutlichvondieserEntwicklung.DieseWir-kungistaberauchinumgekehrterRichtungerkennbar:EigenetheaterpraktischeErfahrungenführenbeidenTeilnehmer*innen(undihrempersönlichenUmfeld)zueinererhöhtenWertschät-zung für Theater und Kultur.

Der Stellenwert der Theaterpädagogik

am Theater

BeiderFragenachdemStellenwertundderWertschätzungderTheaterpädagogik amTheatermüssen zweiBlickrichtungeneingenommenwerden:nachinnenundnachaußen.DieFragenachderWertschätzunginnerhalbdesTheaterswarBestandteileinerumfassendenUmfrage(Klahn,2011).

Wie hoch schätzen Sie die Wertschätzung

Ihrer Kollegen für Ihre Arbeit ein

(1 = sehr hoch, 5 = sehr niedrig)?

AnwelchenFaktorenlässtsichderStellenwertbzw.dieWert-schätzungeinerTätigkeitaber konkretablesen?BezogenaufdiespezielleTätigkeitalsTheaterpädagogeamTheater lassen

In denDiskussionen unterTheaterpädagog*innen, imBun-desverbandTheaterpädagogik e.V. (BuT) und in anderenFachverbändenistdasImagederTheaterpädagogikunddamitihreWahrnehmunginderÖffentlichkeiteinwichtigesThema.In der Fachliteratur, imwissenschaftlichenDiskurs dagegentauchtes–wennüberhaupt–nuramRandeauf.DiefolgendenÜberlegungenzudieserProblematikspeisensich–inErman-gelung umfassender fachwissenschaftlicher BetrachtungenundBefunde–vorallemausdenErgebnissenderbeidenBuT-Tagungen zudenRahmenbedingungen theaterpädagogischerArbeitimJahr2015,auseinerUmfragederAutorinunterdenTheaterpädagog*innenanprofessionellendeutschenBühnen,sowieauspersönlichenGedanken.

Wie sieht das aktuelle Image der

Theaterpädagogik aus?

AlsjungesBerufsbildbefindetsichdieTheaterpädagogiknochaufdemWegzueineminseinerGrundbedeutunggefestigtenImage.Momentanscheintesehervieleverschiedenetheaterpädagogi-scheImageszugeben.DieseHeterogenitätderWahrnehmungmagindenunterschiedlichentheaterpädagogischenArbeitsfel-dern,denunterschiedlichenBiografien,denunterschiedlichenPersönlichkeitenbegründetliegen.VielleichtisteinhomogenesImagederTheaterpädagogikgarnichterreichbar,vielleichtnichteinmalwünschenswert,daihreStärkezueinemgroßenTeilinihrerVielfaltbegründetliegt.Theaterpädagog*innenwissen,wassiekönnenunddasseshar-te,verantwortungsvolleArbeitist,wassietun.Sieselbstwissenauch,wasdasTheaterspielenimHinblickaufdiepersönlicheEntwicklungdesEinzelnenunddieEntwicklungvonGruppenleistenkann.VonaußenwirddieseArbeitdagegenoftalsbloßeSpielerei,alsangenehmerZeitvertreibwahrgenommen.ErklärenTheaterpädagog*innenmitderihneneigenenBegeisterung,wassieeigentlichmachen(dennnochimmerwerdensieüberdimen-sionalhäufigdanachgefragt),hörensieoftalsAntwort:„DasistbestimmteintotalschönerBeruf“.DerEinzelnemagsicheinProfi-ImageinseinemFelderarbeitethaben,inderallgemeinenWahrnehmungscheintdiehoheProfessionalitätausgebildeterTheaterpädagog*innenjedochnochnichtwirklichangekommenzusein.Selbst-BildundFremd-Bilddivergieren–soscheintes–genauso,wiedasImagedeseinzelnenTheaterpädagogenunddasImagederTheaterpädagogikansich.Als „Bindestrich-Beruf“ befindet sich dieTheater-PädagogikzwischenzweiverschiedenenImages–demderPädagogenunddemderKünstler.EinwahrnehmbarerTrendscheintjedocheinWandelbzw.eineVerschiebungvoneinemeherpädagogischge-prägtenImagehinzueinemeherkünstlerischenzusein–sowohlimSelbstverständnisderTheaterpädagog*innenalsauchinderWahrnehmungderAuftrag-undGeldgeber.DieDrogeriemarkt-kettedmzumBeispielsetztfürihreProjekteimRahmenvon„AbenteuerKultur“zunehmendTheaterpädagog*innenein.Auch

, 5. Image und Öffentlichkeit

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201622

sich genaue Aussagen treffen, indem man die Wünsche in den Blicknimmt,diedieBefragtenfürihreTätigkeithabenunddieRückschlüsseaufdenStellenwert ihrerArbeitzulassen.DiesewarenebenfallsBestandteilderUmfrage.DanachstehtbeivielenanersterStellederWunschnacheinerweiterenKolleginodereinemTeam–andenmeistenHäusernbestehtdieTheaterpädagogikjanurauseiner,aneinigensogarnurauseinerhalbenStelle(Delgehausen2007,S.27).DurcheineAufstockungdesPersonalswürdeaufjedenFallauchderStatusderTheaterpädagogik steigen.AuchderWunschnachmehrEtatfürdieeigeneArbeit(bzw.überhauptnacheinemEtat)lässtdaraufschließen,dassdietheaterpädagogischeArbeit–imVergleichzudenanderenProduktionenderTheater–keinensehrhohenStellenwerteinnimmt.SiehatzudemmeistkeinenfestenProbenraumundentsprechendauchkeineAusstattung.Gewünschtwerden auch eine angemessenereBezahlungundgrößereAnerkennung undUnterstützung imHaus sowohldurchdieTheaterleitungalsauchdurchalleAbteilungen.UmvielesmussderTheaterpädagogeamTheatermehrfachnachsu-chen,sichumvielesselbstkümmern,wofüreseigentlichfesteZuständigkeitenaneinemprofessionellenHausgibt.AuchbeiderBelegungderProbenräume,beiderPressearbeitoderdemMarketingstehendieTheaterpädagogenmitihrenProjektenoftanletzterStelle.Sicherlässtsichdas–wirtschaftlichwieorganisa-torisch–begründen.Docheszeugtdavon,dassdasBewusstseinfürdieWichtigkeitdieserArbeitinsbesondereinBezugaufdasAudienceDevelopment(alsodiestrategischeEntwicklungneuenPublikums)nachwievorgeringist.Daszeigtsichauchdaran,dassvonvielenTheaterpädagogenei-nestärkereBeteiligungz.B.anEntscheidungsprozessenoderderSpielplangestaltungundeinestärkerekonzeptionelleAusrichtungihrerTätigkeitgefordertwerden.ZwarscheintdergestiegeneStellenwertderKulturvermittlungzumindestinsofernbewusstzusein,dassdieTheaterleitungdieAktivitätendesHausesimKinder-, Jugend- oder Sozialbereich gern öffentlichdarstellt.Wenndann aber keinVertreter derTheaterleitungundkeinKollegeausdemHauszuderPremieredesTanzprojektesmitJu-gendlichenaussozialschwierigstenVerhältnissenkommt,fürdiedieTheaterpädagoginmonatelangunterwidrigstenUmständengearbeitetundgekämpfthat,istvontatsächlicherWertschätzungfürdiegeleisteteArbeitnichtvielzuspüren…Auchnachaußenhin scheintderStellenwertderTheaterpä-dagogiknichtbesondershochzusein:vonderPressewerdenKinder-undJugendstückeoderJugendclubinszenierungennurmarginalwahrgenommen.SelbstanSchulen istnicht immerbekannt,dassesamTheatereinenTheaterpädagogenundent-sprechendeAngebote für Schüler undSchulklassen gibt; amehestenweißdasnochdieDeutschlehrerinamGymnasium,dieselbsteineTheater-AGleitet.AusschlaggebendfüreineSteige-rungvonStellenwertundWertschätzungderTheaterpädagogikamTheaterscheintjedochinersterLiniezusein,„dassVermitt-lungstrukturellundfinanziellinderInstitutionfestverankertist.“(Mandel,S.203).InteressantistindiesemZusammenhangauch der Gedanke, die Höhe der öffentlichen Förderung der TheaterabhängigzumachenvonderQuantitätundQualitätderAngeboteimBereichKulturvermittlung(ebd.).Dieswürdeden(Stellen)WertderTheaterpädagogikvermutlichsehrschnellundstarkanheben.

Wie wünschen wir uns das Image der Theater-

pädagogik und was müssen wir dafür tun?

DieErgebnissederbeidenBuT-TagungenimvergangenenJahrsowiedieAuswertungderUmfrageunterTheaterpädagog*innenamTheaterweisen auf das dringendeBedürfnis nach einempositiveren Image derTheaterpädagogik und einer höherenWertschätzunggegenüber ihrenAkteurenhin.Notwendig isteineWahrnehmungderTheaterpädagogikalsfundiertinhaltli-cheTätigkeit,diemiteinemscharfgezeichnetenBerufsbildundeinem professionellen Image untersetzt ist. Zur Steigerung von QualitätundQuantitätdiesesöffentlichenAnsehensbedarfesaucheinererhöhtenPräsenzindenMedien–nichtnurhin-sichtlicheinzelnerProduktionenoderPräsentationen,sondernauchmitBlickaufdasBerufsbildansich.Unerlässlich sind zudemdie faire finanzielle Anerkennungtheaterpädagogischer Leistung(en), dieWertschätzung durchvorbereitendesMitdenkenderAuftraggeber,zumBeispielhin-sichtlichderQualitätderRäumeoderderBerücksichtigungvonProduktioneninderAlltagsorganisation,sowieeinefaireundtransparenteKommunikationzwischenallenBeteiligten,„vonProfizuProfi“.KontroversdiskutiertwurdedagegendieThese„TheaterpädagogischeProduktionenhabendenStatuseinesei-genständigenGenresinderKunst.“DarüberhinausentwickeltendieTagungsteilnehmer*innenunterderÜberschrift„Wovonwirträumen“eineVision,dieausihrerSichtdasImagederTheaterpädagogikmittel-undlangfristigprägensollte.DanachisttheaterpädagogischeQualitätzukünf-tigscharfdefiniertundTheaterpädagogikalsBerufbekanntundanerkannt.DiePolitikistsichbewusst,dassTheaterpädagogikunabdingbarist.AlleTheaterpädagog*innenarbeitengemeinsaman ihrem positiven und professionellen Image in der Öffent-lichkeit.TheaterpädagogischeProjektesindfürdieTeilnehmerbildungsurlaubsfähig,Arbeitgeber schätzen einFreizeit-Enga-gementihrerMitarbeiterimBereichTheater.InderSchulehatsichTheateralseinPflichtfachmitdemselbenStellenwertwieSport,KunstoderMusiketabliert,undesistselbstverständlichmöglich,miteinemTheater-LeistungskursinsAbiturzugehen.Theaterpädagog*innenentwickelnundverkörperneinstarkesSelbstbild nach demMotto: „Was Theaterpädagogen können, können nur Theaterpädagogen!“

Literatur:

Delgehausen,Lina;VergleichvonAufgabenfeldernundArbeitsansätzenderTheaterpädagogikandeutschsprachigenBühnen,Abschlus-sarbeitFachhochschuleOsnabrück2007

Klahn,Antje;ZwischenKulturvermittlungundKulturmarketing.ZurSpezifikundSituationderTheaterpädagogikamTheater.Ab-schlussarbeittheaterwerkstattheidelberg.Weimar2011

Mandel,Birgit;KulturvermittlungamTheateralskreativerTauschhandel.DieSchaubühneBerlin.InterviewvonBirgitMandelmitUtaPlate.In:Mandel,Birgit(Hg.):Kulturvermittlung–zwischenkultureller Bildung und Kulturmarketing. Eine Profession mit Zukunft.Bielefeld2005.S.198-204

„Das ist bestimmt ein total schöner Beruf!“ – Gedanken zum Image der Theaterpädagogik

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23Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

ImageundÖffentlichkeit–Notwendig:

Breite öffentliche Wahrnehmung des TP als eigen-ständigerundfundierterBeruf,indemkünstlerischeundsozialeMethoden(KunstderTP)untrennbarmiteinander verbunden sindunddessenLeistungeinenbestimmtenWerthat.TPwerdenalsprofes-sionelleKunstvermittler*innenundproduzierendeKünstler*innenwahrgenommen.

Image und Öffentlichkeit

ImageundÖffentlichkeit–Wünschenswert:

MehrgesellschaftlicheWertschätzungundöffentliche Wahrnehmungfürtp.Arbeit.AufbauundFörderungregionalerAnlaufstellenfürTPundmöglicheAuftraggeber.Imageflyer,ImagefilmundMedienberichteüberdenBeruf des TP an sich.BezahlteÖffentlichkeitsarbeitsowohlbundesweitalsauchindenRegionen/Landesverbänden.Gründung eines interaktiven tp. Museums mit an-geschlossenem Archiv .

„Das ist bestimmt ein total schöner Beruf!“ – Gedanken zum Image der Theaterpädagogik

, 5. Image und Öffentlichkeit

Forum Theaterpädagogik, WILDWECHSEL Weimar 2015

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201624

Theaterpädagogische Aus- und Weiterbildung – Status Quo und Weiterentwicklung

Raimund Finke / Peter RufferMankanninDeutschlandaneinerReihevonUniversitäteneineTheaterpädagogik-Ausbildungabsolvieren,diemitdemBache-lorofArts(B.A.)oderMasterofArts(M.A.)abschließt-nichtalle Studiengänge haben dabei unbedingt dieBegrifflichkeit„Theaterpädagogik“imNamen.DanebenunterhältderBun-desverbandTheaterpädagogik (BuT) seit1999einetabliertesWeiterbildungssystem.AnvielenTheaterpädagogischenZent-ren,anAkademienundinanderenBildungseinrichtungenwirdnachdenRahmenrichtliniendesBundesverbandesunterrichtet,dieimFrühjahr2015überarbeitetundaktualisiertwurden.DieTeilnehmer*innenandenWeiterbildungenhabeninderRegelbereitseineersteBerufsausbildunghintersichundbringenoftauchschoneinigesanBerufspraxismit.SiekommengrößtenteilsentwederausdemkünstlerischenBereich(v.a.Schauspieler)oderausdempädagogischenSektor(Sozialpädagogen,Sozialarbeiter,Lehreretc.).DiesemSystemdesBuTsindinzwischenetwa40InstitutionenausganzDeutschlandundsogarzweiinÖsterreichangeschlossen. An vielen dieser Einrichtungen kann man eine sogenanntetheaterpädagogischeGrundbildungmitmindestens600Stundenabsolvieren.EinevollständigetheaterpädagogischeWeiterbildungumfasstaber1.700Stundenundschließtmitei-nemgeschütztenTitelab,demdes„TheaterpädagogenBuT“®bzw.der„TheaterpädagoginBuT“®.DieseTitelkannmaninDeutschlandinzwischenanetwa15Bildungsinstitutenerlangen.

Aufdemtheaterpädagogischen„Markt“werdendieAbschlussbe-zeichnungen„TheaterpädagogeBuT“®bzw.„TheaterpädagoginBuT“®vielfachalsgleichwertigmiteinemB.A.inTheaterpädago-gikbetrachtet.Dieszeigtsichu.a.daran,dassbeiAusschreibungenfürfesteStellenhäufigentwederdieeineoderdieandereQuali-fikationvorausgesetztwird.EinewirklicheÄquivalenzistjedoch

ImKontext derRahmenbedingungen der theaterpädagogi-schenPraxisistdieAusbildungvonTheaterpädagog*inneneinwesentlicherFaktor.SelbstbesteräumlicheundfinanzielleVo-raussetzungen, hochmotivierteTeilnehmer*innenund großerinstitutionellerSupportführennichtzugelungenenProjekten,wennesbeiderkünstlerisch-pädagogischenAnleitunghapert.EinefundierteAusbildungermöglichtTheaterpädagog*innen,Projektekompetentzuinitiieren,künstlerischeZielezudefinie-ren, geeignete methodische Reize und Impulse zu setzen und die GruppenprozesseunterdengegebenenorganisatorischenVor-aussetzungenadäquatzubegleiten.FürdietheaterpädagogischeAusbildungbedeutet dies, dass sie umfassendepädagogischewiekünstlerischeQualifikationenvermittelnmuss–praktischwie theoretisch.Diese taugen alsBasisqualifikationen fürdievielfältigen,höchstunterschiedlichenBerufsfelderderTheater-pädagogik,müssenjedochdurchspezifischesKnow-howindenjeweiligenArbeitsfeldernergänztwerden.Diesgiltumsomehr,alsdieverschiedenenBerufsfelderdurchwegauchunterschied-licheRahmenbedingungenbereithalten.

NichtzuletztgehtesindertheaterpädagogischenAusbildungda-rum,einbreitesRepertoireanpraktischenMethoden,Übungen,Spielen zu erlernen, mit denen die Teilnehmer in spielerischer WeisezueigenemTheaterspielenanimiertwerden–Übungenzur Schulung der Wahrnehmung, zur Interaktion in der Grup-pe,zumphysischenundsprachlichenAusdrucketc.ZueinerumfassendenTheaterpädagogik-Ausbildung gehören zudemschauspielerische und Regiekompetenzen, didaktisch-metho-dischesKnow-how,GrundkenntnissedesMarketingsundderBühnentechnikundvielesmehr,wiediefolgendeGrafikveran-schaulicht,dieimNovember2014imRahmeneinesSymposionsanderKunstakademieGrazentwickeltwurde:

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25Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Theaterpädagogische Aus- und Weiterbildung – Status Quo und Weiterentwicklung

nichtdefiniert.ZudembestehtbishernurwenigDurchlässigkeitzwischendenuniversitärenAusbildungenunddemWeiterbil-dungssystemdesBuT,demderzeit nurwenigeUniversitätenangeschlossen sind. Geprüftwird,obdieMöglichkeitbesteht,denBeruf„Theaterpä-dagoge“bzw.„Theaterpädagogin“zukünftigalsAusbildungsberufstaatlichanerkennenzulassen.DasZielwäre,durcheinesolchegesetzlicheAnerkennungdieAkzeptanzdesBerufesbundesweitzuverbessernunddiefachlicheQualifikationderKolleginnenundKollegenaufeinergesetzlichenGrundlageabzusichern.EsgibtseiteinigerZeitauchÜberlegungen,fürAbsolvent*innenmiteinertheaterpädagogischenAbschlussqualifikationweitereQualifizierungsangeboteimSinneeinerbesonderenSpezialisierungzuentwickeln,etwainBereichenwie„interkulturellesTheater“,„TheatermitKindern“,„Inklusion“etc.DiessollteinKoopera-

, 6. Ausbildung

tionmitdenvomBuTanerkanntenWeiterbildungsinstitutenerfolgenundkönntediePraxistauglichkeitdertheaterpädago-gischenAus-undWeiterbildungweitererhöhen.Auch für dieTheaterarbeit an Schulen, die meist vonTheaterlehrer*innen, seltener vonTheaterpädagog*innen ge-leistetwird, ist eine umfassendeAusbildungnotwendig.DieAusbildungsstandards in den verschiedenenBundesländernsindjedochsehrunterschiedlich.Essollten–analogzurAusbil-dungvonTheaterpädagogen*innen–auchfürdieAusbildungvonTheaterlehrern*innenbundesweiteRahmenrichtlinienmitMindestanforderungenformuliertwerden,diealsEmpfehlungandiezuständigenLandesministeriengegebenwerden.Es istzuwünschen,dass die – sehr viel umfassender ausgebildeten-Theaterpädagog*innenauchalsQuereinsteigerohne2.Staats-examenzumTheaterunterrichtzugelassenwerden.

aus: Rahmenrichtlinien zur Anerkennung von Bildungsgängen, BuT 2015

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201626

Ausbildungskonzept des freien The-aters „Tempus fugit“ aus Lörrach

Thorsten BlankWerdasJahrespraktikummitintegrierterGundlagenausbildungTheaterpädagogikBuTabsolviert,istTeildesSpielzeitteamsmitdurchschnittlich16jungenErwachsenen.Dieses„Spielzeit-team“istinallenBereichendesTheaterbetriebseingebunden:beiderTheaterorganisation,alsSpieler*ininmehrerenThe-aterstücken sowie bei derEntwicklungundDurchführungtheaterpädagogischerSchulprojekte.DieAusbildungerfolgtinwöchentlichstattfindendenKursenwieRhythmus-,Atem-,Stimm-oder Improtrainingund inmehrerenWochenendworkshopszubeispielsweiseLicht-undTontechnik,Maskenbau,Choreografieu.a.SimultanerfolgtdiepraktischeAnwendungderAusbildungsinhalteinkulturellenBildungsprojektenundmehrerenTheaterstückenalsSpieler.DasbedeutetbeiTempusfugit:-EntwickelnvonProjektenimTeamunterLeitungerfahrenerTP-Projektumsetzunganüber50Schulen,Kinder-undJugend-einrichtungenundbeiweiterenKooperationspartnern-MitarbeitalsSpieler*ininetwadreiTheaterproduktionen-ÜbernahmeeinerRegieassistenzundderProduktionsleitung-MitarbeitimProjektmanagementDieAusbildungistdieGrundlagefürdasspezifischeArbeitsprin-zip„JugendschultJugend“,wonachjedesderetwa70Projektenichtnurvoneiner/merfahrenenTheaterpädagog*inentwickeltunddurchgeführtwird,sondernimmerimTeammitmindes-tenszweijungenErwachsenen,derenIdeenunmittelbarindieProjektkonzeptioneinfließen.TempusfugitkanndadurchPro-jekterealisieren,beidenengrößereEnsemblesnotwendigsind.InderRegionistdasTheaterdaherregelmäßigmitTeamsvon10bis20jungenErwachsenenanSchulenunterwegs,umz.B.Forumtheaterprojektedurchzuführen.DiesesGesamtkonzept ermöglicht ein permanentesEntwi-ckelninnovativertheaterpädagogischerProjekte.DassTempusfugitvorOrtpräsentistunddenTNindenSchulprojektendieMöglichkeitbietet,ineinerseinerJugendtheatergruppenmitzuwirken,trägtzurNachhaltigkeitderTheaterarbeitbei,dievonSchulenundProjektpartnernsehrgeschätztwird.

Theaterpädagogische Aus- und Weiterbildung – Status Quo und Weiterentwicklung

Tempus fugit Lörrach

Ausbildung–Notwendig:

AnwendungderaktuellenRahmenrichtlinieninderAus-undWeiterbildung.BaföG Anerkennung für TN der BuT-Institute.SelbstreflexionundpraktischeErfahrungsindGrundbe-standteilejedertp.Aus-undWeiterbildung.Verzahnung zwischenTheorie undPraxis innerhalb derAusbildung.RegelmäßigerAustauschundKooperationzwischenHochschulenundfreienAusbildungsinstituten.Ausbautp.Forschung.

Ausbildung

Ausbildung–Wünschenswert:

FörderungderQualitäts-undBestandssicherungderan-erkannten BuT-Institute. Aufnahme tp. Module in der Lehrerausbildung.FörderungundAufbauvonModulenderAus-undWeiterbildungfürbestimmteThemenfelder.VernetzungundgegenseitigeErgänzungderHochschulenmitdenfreienTrägernderAus-undWeiterbildung.Öffnung vonPädagogikseminaren anHochschulen fürTeilnehmerantp.Aus-undWeiterbildungenmitderMög-lichkeitderVergabevon„CreditPoints“.GründungundFörderungforschendertheaterpädagogischerEnsembles.ZertifizierteTPunterrichtendasFachTheaterinSchulen.MöglichkeitfürQuereinsteigerohne2.Staatsexamenzugleicher Bezahlung

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27Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

TheaterpädagogischeAngebotesindinderRegelzielgruppenorientiert,d.h.siedefinieren,fürwelcheArtvonTeilnehmer*innendiesesAngebot„geeignet“istundfürwelchenicht.Fördermaßnahmen,Festivalausschreibungenetc.beziehensichaufZielgrup-penbzw.schließendieseaus.AuchdieSpielplänederKinder-undJugendtheatergebenZielgruppenvor.DochwasbedeutetdasinderPraxis?GehenmitderDefinitionder„Zielgruppe“ausgesprochenoderunausgesprocheninhaltlicheundästhetischeErwartungeneinher,dieProzessundErgebnisbeeinflussen?ImFolgendendokumentierenwirzweiProjekte,diedenBegriffder„Zielgruppe“aufeigeneWeiseinterpretierenundzugleichinFragestellen.

„Proberaum Leben“ oder Man wird nur alt, wenn man seinen Träumen Lebewohl sagt

Sandra Anklam / Verena Meyer

, 7. Zielgruppen

Was ist Seniorentheater?

UnterdemTitel„ReiffürBühne”lobtdasKompetenzzentrumfürKulturundBildungimAlter,kurzkubia,einenStückwett-bewerbfürAutor*innenaus.ZielgruppeistdasSeniorentheater.Fragtsich:WasverstehtmaneigentlichunterSenior*in?WeristdieZielgruppe?DieBezeichnungstammtvomlat.SeniorundisteineBezeichnungfürältereMenschen,sagtderDuden.AbwannaberistmaneinältererMensch?„AmhäufigstenwerdeninDeutschland50,55oder60JahrealsAltersgrenzegenannt.“Fünfzig?DanngehörenwiralsoauchschonfastzurZielgruppe?Fachliteraturmussher:„DiedemografischeRevolutionbewirkt:Wir sind auf dem Weg zur Sechs-Generationen-Gesellschaft, in dersichzudenKindern,JugendlichenundErwachsenendreiältereGenerationenmitexpansiverTendenzhinzugesellen“,dieGenerationen50-plus(jungeAlte),65-plus(Senior*innen)und80-plus(Hochbetagte).Dasistalsogeklärt!?NächsteFrage:WelcheFormenundInhaltesindfürdieseZiel-gruppegeeignet?EineKomödieüberdieaufdemArbeitsmarktAussortierten, die dennochnicht zum altenEisen gehören?EineRevueüberRuheständler*innen,die trotzRheumaundBluthochdruck alsBest-Ager dieBühne rocken?EinDramaüber dieHochbetagten, dieErinnerungen an eine intensiveVergangenheit aufarbeiten?Egalwelche Inhalte undFormenmanüberdenkt,alleerscheinenklischeehaft.Kein/eSenior*inwillaufAlter,Krankheit,Vergangenesreduziertwerden.UnddocherscheintdasBildderimmerjungenRentner,derneuenAltenebensoabgegriffen.Lösung:genaudiesesDilemmazumInhaltmachen.DieFragedanach,waseigentlichThemafürSeniorentheaterseinkönnte,zumThemaselbsterheben.EsentstehtalsoeinStücküberPer-sonenaufderSuchenacheinemStück.EinTheatertextüberLiebeundFrust,LeidundLust,TräumeundEnttäuschungen,Zukunftsvisionen und Vergangenheit, Krieg und Verletzung, Todund...Leben!DasLebenselbst,inallseinenFacetten.EinMenschenleben,welchesletztlichimmerdiegleichenThemenumkreist.Egal,objung,mittelaltoderhochbetagt.Wirallebe-findenunsgemeinsamim„ProberaumLeben“.

Proberaum Leben

„ProberaumLeben–EinigePersonensucheneinStück...“wirdtatsächlichPreisträgerdesWettbewerbs. InderLaudatio sagtStefanKeim:“Hiergehtesumkollektive,verallgemeinerbareErfahrungen“unddassesdochinteressantwäre,nichtnurei-neSeniorentheatergruppemitderUraufführungzubetrauen,sondern auch einen Jugendclub.“Was für eine schöne Idee:SeniorentheaternichtnurmitundfürSenior*innen?EinfacheineInszenierungüberdasLebenvonundfürMenschen!EinTheaterohneZielgruppe.EinewunderbareVision.

Basale Fragen des Lebens

DasStückwirdalsozurUraufführungausgeschriebenundauchSandraAnklamreichteinInszenierungskonzeptein:„MeineIdeeist,dassderTextvoneinerintergenerationalenGruppeer-undbespieltwird“,schreibtsiedarin.DieGrundannahmesei,dassvielederThemen,dieimStückverhandeltwerden,auchundgeradefürJugendlicheebensorelevantsindwiefürältereMen-schen.InteressantkönnehierdieSpannungzwischenbasalenFragendesLebensausunterschiedlichenPerspektivensein:„WoliegendieGemeinsamkeiten?WodieUnterschiede?Undworingenaubestehendiese?DiePolezwischenzweiAusgangspunk-ten:einganzesLebenvormir,fastdasganzeLebenhintermir.Was machen diese verschiedenen Standpunkte mit Sehnsüchten, TräumenundVisionen?“DerMehrwert innerhalb einer sol-chenVorgehensweisebestehezusätzlichdarin,dassFragenausderPerspektivevongelebtemLebenzusätzlichAntwortenaufnochzulebendesLebengebenkönnten.DieJurywähltdiesesKonzeptundbestärktunsereAnnahme,dassdieEinschränkungeines Theaterstücks und seiner zu verhandelnden Themen nicht aufeineZielgruppereduziertwerdensollte.

Proberaum Theater

DieProbenzumStücksindinvollemGange.EinerstesPro-benfotozeigtfröhlicheMenschen.AufdenerstenBlickistnicht

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201628

„Proberaum Leben“ oder Man wird nur alt, wenn man seinen Träumen Lebewohl sagt

Meyer „Proberaum Leben“, D. Küster

auszumachen,werhierJunior,werSeniorist.Die„Alten“tragenKapuzenshirtsimJugendstyle,die„Jungen“KostümeimRet-rolook.DieGrenzenverschwimmen.Außen.Undinnen?DieTeilnehmer*innendesProjektesäußernsichwiefolgt:

Ich bin offiziell der Gruppe der Senior*innen zuzuordnen – fühle mich aber jung (im Geiste!). Die Begegnung Jung-Alt spiegelt das Leben wider, ist erfrischend, interessanter...(weiblich, 62 Jahre)

Viele Stücke sind für alle Menschen gut und sollten von allen gesehen werden. (weiblich, 19 Jahre)

Ich blicke bei dieser „Zielgruppen“- Sache noch nicht so richtig durch. Wenn man doch seine ganze Leidenschaft in ein Projekt steckt, dann wird es doch mehrere Zielgruppen erreichen. Sollte man sein Projekt verändern, nur damit man eine Zielgruppe hat? - Hier kommen Menschen zusammen, die normalerweise nicht so intensiv mitein-ander arbeiten würden. Wir lachen oft über die gleichen Dinge und ich schätze es sehr, die Chance zu haben, jeden einzelnen kennen zu lernen. (weiblich, 15 Jahre)

Ich denke, es ist Zeit für Projekte, die mehr auf ihren Selbstzweck hindeuten. Das hat einen viel größeren und nachhaltigeren Wert für jeden Einzelnen, der daran teilnimmt und kann Zuschauer einfacher bewegen und einladen, Ähnliches zu tun... Wer kein Theater für die Theaterpolizei macht, hat mehr Raum für eigenes Erleben, Auspro-bieren, Entdecken und kreatives Mitarbeiten. Dabei ist es sinnvoll, sich von alten Erwartungen und Regeln („nur so darf es sein und nicht anders“) zu verabschieden. (männlich, 24 Jahre)

Wovon wir träumen

Wir träumen von einerKunst, die nicht ausschließlich auf„Trendthemen“reagiert,sondernaussichselbstherausagiert.WirträumenvoneinerTheateranthropogogik,diemitMenschenfürMenschenarbeitetundsichselbstundihreTeilnehmer*innenundZuschauer*innennichtin„Zielgruppen-Schubladen“steckt.DieIdee,dassbestimmteZielgruppenauchspezielle(Theater-)Räumebrauchen,umsichineinemgeschütztenRahmenmitdeneigenen Themen und Besonderheiten auseinandersetzen zu kön-nen,istnachvollziehbar.ZielgruppenspezifischeBesonderheitenundBedürfnissewieEntwicklungsmöglichkeiten,BenachteiligungundLebenslagenkönneninhomogenenGruppenmanchmalleichterbesprochenundauchbespieltwerden.WenndiesjedochauchundgeradeimTheaterzueinerextremenSegmentierungvonAngebotenundProjektenführt,bestehtdieGefahreinerumgekehrtenStigmatisierung:dieAlten,Kranken,Gehörlosen,Frauen,Strafgefangenen,Migrant*innen,Gewaltbereiten,kör-perlichBeeinträchtigten,psychischKranken,JugendlichenundSenior*innenspielenundbleibenuntersich,zeigensich-wennsieGlückhaben-zwareinemheterogenenPublikum,bleibenabermöglicherweisemitihrenKompetenzengenaudeshalbun-terihrenMöglichkeiten,weilsieebennichtselbstverständlichineinemProjektfürMenschenspielen.NatürlichbenötigenMenschen,diedurchbestimmteLebens-odergesellschaftlicheUmstände in schwierige Situationen geratensind, besondere FörderungundUnterstützung. Jedochdarfdiesnichtunreflektiertdazuführen,dassauchimKunst-undKulturbetriebeineGhettoisierungfortgeführtwird,diefürvielesogenannteZielgruppenschonRealitätist.KunstsollteGrenzendurchlässigmachenundnichtfestschreiben.Theaterpädagogik

erstrecht!Dabeisollteletzterealsselbstständige,freieKunstformagieren,dieutopischeIdeenentwickeltundnichtErwartungen,BedürfnisseundTrendsbedient.In einer idealenWeltwerdenTheaterprojekte fürMenschengefördert,spielenMenschenmiteinanderTheater,weilsiedazuLusthabenundTheaterpädagog*innensindsogutausgebildet,dass sie ihre Teilnehmenden individuell fördern und fordern unddieHeterogenitätundindividuellenBedürfnisseundPo-tentialesteuernundbegleitenkönnen.DiessolltesichauchinderFörderlandschaftniederschlagen!IneineridealenWeltsetztdieTheaterpädagogikDenkansätzeundTrends,antizipiertundgestaltetüberihreProjekteGesellschaft.

Anmerkungen

(1) http://www.theatergold.de/ueber-uns/reif-fuer-die-buehne/info.html; die Autorinnen nutzen die weibliche Form, alle Herren fühlen sich bitte gleichermaßen angesprochen.

http://www.die-senioren.de/Ziele/Senioren/senioren.html

(2) Opaschowski, Reinhardt: Altersträume, Illusion und Wirklichkeit, Pri-mus Verlag , Darmstadt 2007

(3) Los, los! Auf, auf! - Eine Laudatio auf das Stück „Proberaum Leben“ von Verena Meyer, zu finden unter: http://www.theatergold.de/fileadmin/bildma-terial/Auschreibungen_etc/Laudatio_Proberaum_Leben_Stefan_Keim.pdf

(4) Zitiert aus dem im Dezember 2014 beim Institut für Bildung und Kultur eingereichten Inszenierungskonzept für „Proberaum Leben“ von Sandra Anklam.

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29Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

„ Liebe inklusiv“ - Erfahrungsbericht zum Theaterprojekt mit Förderzentrum und Gymnasium

„ Liebe inklusiv“ - Erfahrungsbericht zum Theaterprojekt mit Förderzentrum und Gymnasium

Friederike Jentsch

, 7. Zielgruppen

ImRahmendesProjekts„Liebeinklusiv“stelltesichdieFrage:WiegestaltetsichinklusiveTheaterarbeitzwischenFörderzent-rumundGymnasiuminderPraxis?AusgehendvomIndexfürInklusion sollten Theatergruppen von Anfang an so strukturiert werden,dassjederSchülergleichberechtigtandenTheaterpro-zessenteilhabenundsiemitentwickelnkann;unabhängigvonseinerBeeinträchtigung,seinerethnischenodersozialenHerkunft,seinemGeschlechtoderseinemAlter(vgl.Boban/Hinz2014).

Projektidee

Im Rahmen der TUSCH-Partnerschaft mit dem Improvi-sationstheater „DieGorillas“ entwickelte sich die Idee einesgemeinsamenTheaterprojekts.DiePartnerschulensinddieSchuleamBienwaldring/SonderpädagogischesFörderzentrummitdemFörderschwerpunktGeistigeEntwicklungunddasLeonardo-da-Vinci-GymnasiuminBerlin-Neukölln.DasEnsemblebestehtaus39JugendlichenimAltervon13-18JahrenmitunterschiedlichenBeeinträchtigungenundHerkunftskulturen.AusderPerspektivederSchüler*innenbehandeltdasStückdasselbstgewählteThema„Liebe“inBewegung,TanzundImprovisation.DieDauerdesProjektsbeträgtsechsMonate.EsfindenallezweiWochenSpiel-TreffenstattzueineminhaltlichenSchwerpunkt,beispielsweise dieErarbeitung und theatralischeUmsetzungvonTextenzumThemaLiebe.DasProjektschließtmiteinerprozessorientiertenPräsentationbeimTUSCH-Festival 2016ab.ImAnschlusssindweitereAufführungenanverschiedenenSchul- und Theaterorten geplant.

Schulkultur

InklusiveTheaterarbeitentstehtineinerpartizipativenSchul-kultur, die ein offenes und gemeinschaftliches Klima unter Schüler*innen,Lehrer*innenundElternschafft.DieserfordertoffeneundflexibleSchulleitungen,dieinklusiveTheaterpro-zesse in ihrenKollegienwahrnehmenundwertschätzenunddarüberhinausinhaltlichsowiefinanziellunterstützen.Inklu-sivesTheaterbeginntnichteinfachaufderBühne,sonderninder Einstellung derer, die inklusive Lernarrangements aus ihrer innerenÜberzeugungherausentwickeln.BeiderDurchführungvoninklusivenTheaterprojektensolltendieKollegien beider Schulen sowieElterndermitwirkendenSchüler*innenaktivmiteinbezogenwerden,u.a.beiderPla-nungundVorbereitungvonAuftritten.DieseTeilhabeschafftTransparenz und steigert das Vertrauen in ein noch zum Teil ungewohntesLernsetting.DarüberhinauskönnenoffeneundinformativeGesprächsrundeninKlassenz.B.zumThema„WasistBehinderung?“angebotenwerden,umfürdiesesThemazusensibilisierenundwomöglichBerührungsängsteabzubauen.

Öffnung von Schulen und Theaterinstitutionen

Einwichtiger Ansatz in der Implementierung der inklusi-venTheaterarbeit ist die schulischeÖffnung nach außen,d.h.dieKooperationmitExternenausKunstundKultur,z.B.Theaterpädagog*innen,Filmemacher*innen,DJs.DurchdieseZusammenarbeitentwickelnsichgemeinsamneueArbeitsweisenundSichtweisen,diedieschulischeTheaterarbeit innovieren,reflektierenundweiterentwickeln.AberauchinnerhalbderTheaterszenesetzteinUmdenkenein.DasBerlin-TUSCHProjektsetztseiteinigenJahrenverstärktaufdieinklusiveTheaterarbeit.Dieszeigtsichu.a.beidergezieltenAuswahlvonSonderpädagogischenFörderzentren,denzuneh-mendenInklusionsprojektenvonRegelschulenundFörderzentrensowiebeimWorkshop-AngebotfürdieteilnehmendenSchulen.AuchbeidenstaatlichenundfreienTheaternisteininklusiverWandelspürbar,sichneuenundungewohntenTheaterforma-tenzuöffnen.DasImprovisationstheater„DieGorillas“hatsichzum Beispiel erstmalig gezielt für eine TUSCH-Partnerschaft miteinemSonderpädagogischenFörderzentrumentschieden.Auch Theatereinrichtungen zeigen sich interessiert und enga-giertgegenüberinklusivenKonzepten,indemsiebeispielsweiseihreRäumlichkeitenfürFilmaufnahmenzurVerfügungstellen.

Lernarrangements

UminklusiveSchülergruppenadäquattheaterpädagogischbe-gleitenzukönnen,bedarfesderBildungvoninterdisziplinärenSpielleiterteams.HierfürbietetsichdasTeam-Teachingan,einekooperativeLehrmethode.DieMehrperspektivität,dieMethoden-vielfalt und die unterschiedlichen Anregungen ermöglichen eine verstärkteindividualisierendeunddifferenzierendeArbeitsweise.DereinzelneSpielleiterwirddurchdieZusammenarbeitentlas-tet,aberauchvermehrtinseinendidaktischenGewohnheitenundVerhaltensweisenkollegialreflektiert(vgl.Reich2015).DasTeambestehtauseinerTheaterpädagoginder„Gorillas“,zweiDS-Lehrer*innenmitsonderpädagogischerFachrichtung,einerPädagogischenUnterrichtshilfe(PU)mitsonderpädagogischerFachrichtung,einerGymnasiallehrerinmitSchwerpunktEthik,einem Religionslehrer und einem Filmemacher. Die personelle Zusammensetzung zeigt, dass solche Teams nicht zwingendausTheaterexpertenbestehenmüssen.AufderGrundlagedesPrinzips„SchülerundLehrersindExper-ten“entwickelnsiegemeinsamIdeenundMöglichkeitenzumThema„Liebe“undsetzendieseinBewegung,ImprovisationundTanzum.DabeigehtesumeinenweitgefasstenBegriffvonLiebe,z.B.um„LiebeinderFamilie“,„partnerschaftlicheLie-be“und„LiebezurReligion“.DasThemawirftimmerwiederelementareFragenauf,beispielsweise„Wannistmaneigentlichverliebt?“und„WasheißtüberhauptLiebe?“.Die inklusiveTheaterarbeit imProjekt gehtbeiderAuswahlihrerTheaterformensowohlvomEinzelnenalsauchvondergesamten Gruppe aus.

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201630

„ Liebe inklusiv“ - Erfahrungsbericht zum Theaterprojekt mit Förderzentrum und Gymnasium

Jentsch, „Liebe inklusiv“

DabeigibteskeineTheaterform,diestringentimGestaltungspro-zessverfolgtwird,sondernvariableMischformen,beispielsweiseElementeausdemBiografischenTheater,demOrtsspezifischenTheater,demTanz-undBewegungstheaterunddemImprovi-sationstheater.TragendeElemente in der InszenierungsarbeitdesProjekts sinddieEinspielungvonselbstgedrehtenVideo-sequenzenausderVolksbühnesowiechorischesSprechenvonselbstgeschriebenenTexten.ZeitisteinwichtigerFaktorbeiderOrganisationundDurch-führungvon inklusivenTheaterprojekten.Schüler*innen,dieerstmaligiminklusivenKontextagieren,braucheninderAn-fangsphaseZeit.SiebenötigenKontinuität,umgemeinsaminKontakt zu kommen, sich aufeinander einzulassen und zusammen SpaßamTheaterspielzuentwickeln.EineOffenheitfüreinan-der entsteht zum einem durch eine positive Grundstimmung desEinzelnen bzw. derGruppe gegenüber demProjekt undzumanderendurcheineSpielatmosphäreohneDruck,dieauffreiwillige,interessengeleiteteundkooperativeAngebotesetzt.

Herausforderungen

DieTerminabsprachenzwischenbeidenSchulformenmitun-terschiedlichen Schulstrukturen erfordern ein hohes Maß an FlexibilitätunddieBereitschaft,Kompromisseeinzugehen.Bei der Bildung von inklusiven Theatergruppen ist eine Grup-penstärke von ca. 25TN angemessen, die ein individuelles

Literatur

Reich,K.(2015):UnterrichtsmethodenimkonstruktivenundsystemischenMethodenpoolLehren,Lernen.MethodenfüralleBereichedidak-tischenHandelns.http://methodenpool.uni-koeln.de

Boban,I.undHinz,A.(2014):DerneueIndexfürInklusion–eineWeiterwicklungderdeutschsprachigenAusgabe(1).http://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/11

Arbeitengewährleistet.GruppenstärkendarüberhinausbergendieGefahr,dasssichSchüler*innen-insbesonderemitBeein-trächtigung-zurückziehenodersichverstärktanpassen.ImRahmenderÖffentlichkeitsarbeitvoninklusivenProjektenistbesonderseineoffeneundempathischeElternarbeitgefragt,beiThemenwie z.B.Film-undFotoerlaubnis außerhalbderSchule.DasVerlassendesgeschütztenSchulraums,besondersbeiSchüler*innenmitBeeinträchtigung,istfüreinigeElternmiteinergewissenSorgebehaftet,dieernstgenommenwerdenmuss.

Ausblick

ImRahmendesProjektsentwickeltendieTNeineOffenheitfüreinander,einewachsendeSpielfreudemiteinandersowieeinegemeinsamePräsenzaufderBühne.Wirhoffen,dassausunseremTheaterprojekteineNachhaltig-keiterwächst,dasinklusiveDenkenanunserenSchulenweiterzuentwickeln.InklusiveTheaterarbeitanSchulenbrauchtlangfristigregionalundbundesweiteinpartizipativesNetzwerkvonTheaterinsti-tutionen, aktivenSchulen,VerbändenundUniversitäten. ImRahmen von schulischen Tagungen, Veranstaltungen und Ge-sprächsrundensolltengemeinsameStandards,ErfahrungenimPraxisfeldunddieBegleitungimforschendenLernenzuzent-ralenThemenwerden.

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31Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Zielgruppen

, 7. Zielgruppen

Zielgruppen–Notwendig:

TP stärkt gesellschaftlicheTeilhabe verschiedenerZiel-gruppen. MenschenmiteingeschränkterTeilhabesollenAusdrucks-möglichkeiten erhalten und Kommunikation ermöglicht werden.Angebotsstruktur kulturellerBildung undTp. fürKin-derausbauenundfördern(vgl.daszurZeitentstehendePositionspapierderStändigenKonferenz„KinderspielenTheater“,Herbst2016).AngebotefürJugendlicheallersozialenMilieusundSchul-formen fördern.AusbauundFörderungvonSeniorentheatersowiegenera-tionsübergreifendenProjektenundAngeboten.Zusammenarbeit vonTPundUnternehmenverstärken,VerankerungvonTPinderberuflichenAus-undWeiter-bildung(Bsp.„AbenteuerKultur“).Inklusiondurchtp.Projekteerprobenundfördern.FörderungundAusbautp.AngebotezurSprachvermittlung.

Zielgruppen–Wünschenswert:

TheaterwirdschulischesPflichtfachinallenBundesländerninallenStufen(wieSportoderMusik).TheaterleistungskursemitderMöglichkeitderAbiturprüfunginallenBundesländern.Gruppen-undProjekt-Zensurenanwenden.StärkungderSchulenmitTheaterprofil.FachübergreifendeKooperation„KulturellePraxis“.ProjektorientiertesArbeitenmitderEinbeziehungvonTPin anderen Fächern.ZertifizierteTheaterpädagogen alsLehrendederTheaterfächer.Wahl-undWahlpflichtkursesowieAGsinsbesondereimGanztagsbetriebfördernundausbauen.PädagogischeundkulturelleEinrichtungenverankerntp.Inhalte in ihren Konzepten. StudierendebestimmterFachrichtungen(z.B.Pädagogik,Sozialpädagogik,Theologie,Medizin)erhaltenimRahmenihresStudiumssowohlberufsspezifischeTheatererfahrun-gen(Bsp.Medizin)wieauchZugangzutp.AngebotenderkulturellenBildung(Studierendenbühnen).SpielclubsfürKinderanöffentlichenTheaternetablieren.Öffentliche Theater als Begegnungsort verschiedener Be-völkerungsgruppenetablieren.

Meyer „Proberaum Leben“, D. Küster

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201632

Theaterpädagogik braucht Kulturpolitik. Überlegungen zu einer Reform der darstellenden Künste

von Wolfgang Schneider

Schwerpunktverschiebungenverbundenist.NachaußenkönnedieTheaterpädagogikals„AushängeschildfürdenStellenwertdesTheatersinderGesellschaft“gesehenwerden.NachinnenwiederummüssesichdietheaterpädagogischeArbeitgegenüberkünstlerischenProduktionsprozessennachwievorstarkbehaup-ten,teilweisesogarunterordnen.

DieNotwendigkeittheaterpädagogischerArbeitwirdnichtbe-stritten,allerdingsdürfemanselbstnichtzuhoheAnforderungenundErwartungenandieTheaterleitungbezüglichderAkzeptanzundFörderungdesBereichsinnerhalbdesHausesstellen.The-aterpädagogikwerdeweiterhinzuWerbe-undFörderzweckenmissbrauchtunddienealsLegitimationsgrundlagegegenüberpolitischenEntscheidungsträgern.

Auch auf inhaltlicherEbene ist größtenteils eineVariierungderWerteundSchwerpunkteinnerhalbderTheaterpädagogikfestzustellen:EinigeHäusermerktenan,dassderkünstlerischeStellenwertmittlerweiledeutlichhöheralsderkulturpädagogischeseiundeineVerschiebungvon„wenigerPädagogikundmehrTheater“stattfinde.VorallemwerdeindiesemZusammenhangauch die Relevanz der partizipatorischen und vermittelnden Ar-beitimmermehrwahrgenommenundinnerhalbderAbteilungenstärkerkommuniziert.NureinkleinerTeilderBefragtensiehtdasskeptischundbedauert,dassTheaterpädagogiknachwievoreherzuVermittlungszweckenundwenigermiteigenerkünstlerischerQualitätverstandenwird.

EineUntersuchungimRahmenderÜbung„www.theaterpolitik.de“imWintersemester2014/2015amInstitutfürKulturpolitikderUniversitätHildesheimmachtdeutlich:Theaterpädagogikhatsichetabliert!KulturpolitischistdasArbeitsfeldallerdingsnachwievornichtangemesseninderTheaterlandschaftvertre-ten.Von142Stadt-undStaatstheatern,ja,wirhabennurdenklassischenTeilderTheaterlandschaftuntersucht;denndasstu-dentischeForschungsprojektsollzunächstnuralsVorstudiedienenfüreinespätereumfassendeErhebung,alsovon142Stadt-undStaatstheaternhaben37TheaterpädagogenaufdieFragebögengeantwortet,eineRücklaufquotevonüber25%,einWert,derdurchausinderEmpiriefürstatistischeAussagengenutztwird.

Theaterpädagogik in Deutschland ist weiblich

DieErkenntnissederstudentischenStudiesinddiefolgenden:

1.)EsgibtnichtdenTheaterpädagogen(20%Männer,80%Frauen).Theaterpädagogik inDeutschland istweiblich!

2.)DieTheaterpädagoginnensindzu75%nichtimStel-lenplanverankert(25%mitStellenzu100und50%)!

3.) 75%derStadt-undStaatstheatersetzenmitmindestenseinerStelleproSpielzeitauchauftheaterpädagogischesEngagement imRahmen eines Freiwilligen SozialenJahresKultur!

4.)DieTheaterpädagoginnen habennur zu 20% einetheaterpädagogischeAusbildung. 35% arbeitenmitabgeschlossenemkultur-odertheaterwissenschaftlichemStudium!

5.)DieArbeitsfelderderTheaterpädagogiksindvielfältig,30%derTheaterpädagoginnensindschwerpunktmäßigalsMultiplikatorentätig,d.h.imKontaktmitLehrernanSchulen,25%beschäftigensichmitderVor-undNachbereitung von Inszenierungen, gleich vielemitderTheaterarbeitmitKindernundJugendlichen;nur10%gebenan,andenkünstlerischenProduktionenbeteiligtzusein!(1)

DieMehrheitderbefragtenTheater(ca.2/3)konstatiert,dassder Stellenwert derTheaterpädagogik an ihremHaus indenletzten zehn Jahren stark zugenommen hat. Ihnen zufolge len-kendiekulturpolitischenDebattenumKulturelleBildungeinAugenmerkspeziellaufdieseAbteilungundeswirdstärkerüberdenBereichnachgedacht.DieTheaterpädagogikrücktdadurchexternwie intern indenFokusund gewinnt anBedeutung.BesondersdieimmerstärkereNachfragevontheaterpädagogi-schenAngebotenfürSchulenpositioniertdieTheaterpädagogikdeutlichundBestrebungen,denBereichlangfristigauszubauen,schließen daran an. Auffallend ist auch, dass die Stelle der Thea-terpädagogikinnerhalbeinesHausesstarkpersonenabhängigundhäufigmiteinemWechselderIntendanzundentsprechenden Mehr Drama, Baby 2015: „Burgschauspieler Landstuhl“

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33Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Theaterpädagogik braucht Kulturpolitik. Überlegungen zu einer Reform der darstellenden Künste

Plädoyer für strukturelle Veränderungen

in der Theaterlandschaft

Zubedenkenbleibt,wiederStellenwertderTheaterpädagogiküberhauptgemessenwird.ZuhäufiggeheesnochumQuan-tität,sprichwievieleSchulendieAufführungenbesuchenundnichtumdieQualitätderArbeit,dasheißtderWertschätzungvon Begleitung, Workshops und der umfangreichen anderen theaterpädagogischenAngebote.

WennaucheineallgemeingültigeAussageüberdieAuswirkungenderkulturpolitischenDebattenumKulturelleBildungaufdenStellenwertderTheaterpädagogikzutreffenäußerstschwerfällt,stimmendieAussagenüberdieAuswirkungenaufdenStellenplanineinemPunktfastallüberall:esherrschtPersonalmangel!ZwarbetonendieDebattendieWichtigkeittheaterpädagogischerAr-beit,dennochbedeutetdasnichtzwangsläufig,dassauchmehrArbeitsplätzeeingerichtet,TheaterpädagogenindenPersonalplanaufgenommenodereineangemesseneVergütunggewährleistetwird.EinerseitswachsezwardieöffentlicheAufmerksamkeitfürKulturelleBildung,diefinanzielleLagederTheaterbesseresichdahingehendandererseitsabernicht.EinProblemwirdmitderZunahmevonProjektgeldernbeschrie-ben.IhreBeantragungerfordereeinenhohenArbeitsaufwand,wofürausreichendPersonalaberfehle.NebendemManagementvonFörderanträgen benötigt auch dieZusammenarbeitmitSchulen und anderen Einrichtungen Zeit und Personal, um die Kontakteangemessenpflegenundausbauenzukönnen.Zeitver-trägebedeutenständigwechselndesPersonalundkönnennuralsNotlösungdienen,dasieeinekontinuierlicheZusammenarbeitmit Kooperationspartnern verhindern.

AucheinBlickaufdasVerhältnisvoneinerVollzeitstelleinderTheaterpädagogikzuüberzwanzigbisdreißigfestangestelltenSchauspielernimEnsembleundmehralseinDutzendNeupro-duktionenproSpielzeitkönnealsMaßstabfürdenStellenwerttheaterpädagogischerArbeitgesehenwerden.Hierwirddeut-lich, dass es nicht nur finanzielle, sondern auch strukturelleVeränderungenbraucht,umEtablierungundEntwicklungderTheaterpädagogikinZukunftzuermöglichen.

Die Einstellungen von Jahrespraktikanten und Personal, das sich überdasFreiwilligeSozialeJahrKulturrekrutiert,sindvielerortsWege,zweifelhafteWege,demPersonalmangelentgegenzuwirken.NichtsdestotrotzübersteigendieAnforderungenundAufgabenvonTheaterpädagogenallzuhäufigdasMaßdesMöglichenundeinAusbauderStellenistGrundvoraussetzungfüreinequalitati-vetheaterpädagogischeArbeit,dadiekünstlerisch-pädagogischePraxisansonstenallzuhäufigunterdenorganisatorischenAn-forderungen leidet.

Mehr Theater, mehr Theaterpädagogik,

mehr kulturelle Vielfalt

Soweit,soschlecht.AberdasistnichtdieeinzigeBaustelleinderTheaterlandschaft.„IchgehesehrungerninsTheater“,schreibtder17-jährigeMouradR.demForumFreiesTheaterDüsseldorf.Warum er nicht gerne ins Theater geht, kann man im dritten BandeinerBrief-EditionunterdemTitel„AbsagenansTheater“lesen:„…ichhabeBesseresundvorallemWichtigereszutun“.TheateristfürihnwiefürvieleandereSchüler„einenervendePflichtveranstaltung“.Vor allemMenschenmitMigrations-hintergrund fühlen sich von den Darstellenden Künsten nicht angesprochen.Das Interkulturbarometer, das vomZentrumfür Kulturforschung im Auftrag von BKM und dem Land Nie-dersachsen durchgeführt und am Institut für Kulturpolitik der UniversitätHildesheimwissenschaftlichbegleitetwurde,stelltfest:„AnteiligwenigeroffenistdiemigrantischeBevölkerungs-gruppevorallemfürTheateraufführungen,was insbesondereauchfürdiedritteGenerationgilt.“(2)

Anscheinend hat unsere viel gerühmte Theaterlandschaft nicht angemessenaufZuwanderungreagiertundkulturelleVielfaltnichtentsprechendaufderAgenda.DabeibezeichnensichdochinsbesonderedieStadt-undStaatstheatergernealsSelbstverge-wisserungderGesellschaft.SiewollenSpiegeldesLebenssein.InunseremKulturstaatistdasSchauspielaberziemlichdeutschgeblieben.NichtnurdasPublikumentsprichtnichtderbuntenRepublik,auchimPersonalundindenProduktionenistdasTheaterwenigmultiethnisch.

Mehr Drama, Baby 2015: Theater- und Spielberatung Heidelberg, Mehr Drama, Baby 2015: Jugendclub Theater Hagen

, 8. Kulturpolitik

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201634

Theaterpädagogik braucht Kulturpolitik. Überlegungen zu einer Reform der darstellenden Künste

Die großenBühnen hätten es versäumt, die interkulturelleWirklichkeitauchimeigenenBetriebabzubilden,kritisiertzumBeispieldertürkischstämmigeRegisseurNurkanErpulat.Indergleichen dpa-Umfrage konstatiert der Direktor des Deutschen BühnenvereinsAnstrengungen; denndie IntendantengruppemachesichGedankenundvieleEnsemblesbegäbensichindieStadt,oftanganzungewöhnlicheSpielorte:„Kurzum:DerWille,etwaszutun,istgroß,Erfolgesindabernichtleichtzuerzielen.“Ulrich Khuon vom Deutschen Theater in der Hauptstadt könnte sichsogareineQuoteoderdieSelbstverpflichtungderBranchevorstellen.„ImGrundebrauchtessolcheInstrumente,weilIn-stitutionensichnurmühsamvonselbständern.“(3)

Esgiltalso,insbesondereseitensöffentlicherKultureinrichtungen,einerVermittlerrollegerechtzuwerden.Dabeiistdieinterkultu-relle Öffnung aufgrund ihres gesellschaftlichen Auftrages nicht mehrnureineOption,sondernwirdzumHandlungsimperativ.All dieseEntwicklungen,begleitet durch zahlreicheUntersu-chungen,sindeingebettetineineKrisedesKulturstaates.90% öffentlicherFörderunggehenindiestädtischeKultur,90%derstädtischenKulturfindetindeninstitutionalisiertenKunstbe-triebenstatt,abernur10%derBevölkerungbesuchendieseregelmäßig.HinzukommendiepermanentenFinanzierungsnötederKommunen.EinnahmeausfällestehenAusgabenerhöhungengegenüber.EinigebefürchtendieweitereKommerzialisierungder Freizeitgesellschaft, dass derMarkt reguliert,wasKulturist, dass etwaTheaterförderung so etwas sei,wiewennmanseit25.000JahrendieHöhlenmalereisubventionierenwürde.AnderesehenDeutschlandsFreiheitgefährdet,dieesnichtamHindukusch zu verteidigen gelte, sondern in Wahrheit in den Theatern,Konzertsälen,Opernhäusern,MuseenundBuchlädenund natürlich in den Schulen.

Kulturpolitische Maßnahmen für

kulturelle Teilhabe

DieEnquête-Kommission„KulturinDeutschland“desDeut-schenBundestageshatinihremAbschlussberichtdieRollevonKunst und Kultur für Individuum und Gesellschaft eindrucks-vollbekräftigt.„DennwennirgendwerdieFreiheitundWürdedes Einzelnen diskutiert, einfordert, in aller Widersprüchlich-keitdarstellt,diesymbolischenFormenbereitstellt,indenensieüberhauptgedachtundvorallemerlebtwerdenkönnen,danngeschieht dies vor allem im Medium der Künste. Durch die Künstewerden Individualitätund sozialeGebundenheit the-matisiert.DamitwirkendieKünsteweitüberdieSphäreder

künstlerischenKommunikation in dieGesellschaft undprä-genderenmenschlicheSinn-undZwecksetzung.Unddeshalbbedarf es einerKulturpolitik, die sich alsGesellschaftspolitikversteht und daher Kunst und Kultur ermöglicht, verteidigt undmitgestaltet.“(4)

EsgibtguteGründe,eineallumfassendeNeudefinitionderDar-stellendenKünstevorzunehmen,längstüberfälligsindReformeninderTheaterlandschaft–einTerminus,dersicherstlangsamdurchzusetzenscheint,obwohlesdochsohilfreichwäre,The-ater endlich einmal auch von der Bevölkerung her zu denken und zu gestalten. Auch die Darstellenden Künste sollten in der Demokratie für alle da sein. Denn sie können eine gesellschaft-liche Rolle spielen. Um der Bedeutung der Künste gerecht zu werden,bedarfeskulturpolitischerMaßnahmen,dieinsbeson-derediekulturelleTeilhabefördern.DasProblemist,dassnichtjederinderLageundwillensist,ausKunsterlebnissenideellenGewinnfürsichselbstzuziehen.DieWeltderKunstistkeinOrt,wosichjederzuHausefühlt.NichtjedembietetsichhiereineGelegenheit,denSinndesLebenszuhinterfragen,nachindividueller geistiger Bereicherung zu suchen oder einfach nur Spaßzuhaben.

DieDarstellungvonDingen,diebisherunsichtbarwarenoderdie zudenkenwirnie gewagthätten, istbesondershilfreich,wennesdarumgeht,unsindieLagezuversetzen,derWeltnä-herzukommenundnachAntwortenaufdaszusuchen,wasunsbewegt.DieindenKulturwissenschaftendiskutierteKate-goriedesKontingenzbewusstseinsmeintdieSuchenacheinerMöglichkeit, unsere reale Welt zu formen, die in sich eine Vor-stellungderZukunftträgt.KunstsolltediebestehendeRealitäthinterfragenundneueAnstößegeben.AnderenakademischenDiskursen zufolge ist die Kunst seit Jahrhunderten der sensi-belsteSeismographderkommendenMenschheitskrise.KunstkannneueThemeneröffnenundunsdahinführen,dasswirdieWelt anders sehen und vielleicht auch anders mit ihr umgehen.

Wo sich die Darstellenden Künste einmischen, können sie in denöffentlichenRaumhineinwirkenunddiegesellschaftlicheundpolitischeEntscheidungsfindungbeeinflussen.TheateralsTheaterpädagogikverstandenkannzueinemMeinungsaustauschführen und zum Nachdenken anregen. Sie kann sogar unser Ver-haltenimAlltagunddierealeWeltumunsherumverändern.Im Idealfall kannTheaterpädagogik den öffentlichenRaumwiederbeleben;wasfrüheralsnormalgalt,kannsomitineinemanderenLichterscheinen,etwadurchüberraschendanregendeAssoziationen, Irritationen oder gar Provokationen.

Mehr Drama, Baby 2015: Jugendclub Piccolo-Theater Cottbus „Der Raum“

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35Rahmenbedingungen theaterpädagogischer Arbeit

Theaterentwicklungsplanung als Auftrag

Modell einer konzeptbasiertenKulturpolitik könnte eineTheaterentwicklungsplanungsein.WasheißtdasfürdieTheater-landschaft?Zunächsteinmal:Bestandsaufnahme.DieWerkstatistikausKölndientalsBasis,aberDatenundFaktendesfreienThea-terswärenebensozuergänzenwiediedesAmateurtheatersunddas,wasTheaterpädagogikalsTheatervermittlungbereitstellt.Wasfehlt,isteinJahrbuchderDarstellendenKünste,dasseinenNamenverdient!Wasfehlt,isteineTheaterentwicklungsplanung,diezusammendenkt,waszusammengehört!Die„ChampionsLeague“undden„Laiensclub“,dieStaatsoperunddieWaldbüh-ne,dasTheaterpädagogischeZentrumunddasFreieTheater.Wasfehlt,isteinekonzeptbasierteKulturpolitik!(5)

AberKulturpolitikinDeutschlandhatvorallemeinProblem:„Kulturfüralle“istnochlangenichtrealisiert!UnddasistdiegroßeChancederTheaterpädagogik.WermachtdennTheatervorOrt,inderDiaspora,imkulturellenNiemandsland?Werschicktsichan,Zugängezuschaffen,dieBreitederBevölkerungzuerreichen,KulturfürallealskulturelleBildungzuverstehen?WeristdenndesBürgersBühne?Partizipationwirdalsdrama-tischesEreignisderzeitneuerfunden,aberdasPatent fürdiePraxishatdieTheaterpädagogik.DasZielmussalsosein:MehrTheater fürmehrMenschen! In einerTheaterlandschaft, dievielfältigstrukturiertistunddiverseFormenderDarstellendenKünstezuermöglichenweiß,Theaterpädagogikinklusiv.

Noch einmal:Es braucht eine konzeptbasierteKulturpolitik.DasZiel könnte eineTheaterentwicklungsplanung sein.DasProfilkönntedieStandortsensibilitätwerden.DasTheater,dasmitderjeweiligenRegionoderStadtzutunhat,mussdabeiimMittelpunkt stehen, vor Ort recherchieren, suchen, Themen aufspürenunddasnutzen,wasregionalwichtigerscheint.Dasmussnichtnurgeschehen,umregionalesPublikumzubekom-men,sondernweilmanandieserStelleeinentieferenEinblickindieGesellschaftnehmenkann.DasPrinzipdabeimusssein,einekulturelleVielfaltzugewährleisten,nämlichverschiedeneFormen und auch verschiedene Strukturen von Theater. Theater-pädagogikwirdimbestenSinneInstrumentvonTheaterpolitik,indemdiesetheaterpädagogischeMethodenfördert.

EinekulturpolitischeAufgabewäredann,TheaterförderungauchalsRisikoprämiezuverstehen.Dasheißtnichtdas,wassowiesofunktioniert und erfolgreich ist, sondern auch den Prozess und dasScheiternzubelohnen.DieseFörderkategorieistvölligver-nachlässigtworden.DassdiefreienTheaterevaluierenmüssenundnachweisenmüssen,dass sieguteArbeitgeleistethaben,undbelegenmüssen,was alles stattgefundenhat, ist positivzuwerten.AberwarumgiltdasnichtfüralleTheater?WarummüssensichnichtauchdieStadt-undStaatstheaterregelmäßigbefragenlassen,wassiegetanhaben,umeinneuesPublikumzuentwickelnoderumbeispielsweiseTheaterundSchulezu-sammenzubringen?

EinkulturpolitischesKriteriumeinersolchenTheaterentwick-lungsplanungwäre Interdisziplinarität.Das jetzigeSystem istdiesbezüglichvölligüberholt.Warumgibtesdasnoch,dasswir

vom Sprechtheater reden, dass das Musiktheater ein eigener her-metischerKomplexistgenausowiedasBallett,dasTanztheaterundauchdasKinder-undJugendtheatersowiedasFigurentheaterundalsAppendixdieTheaterpädagogik!GeradedieAvantgardearbeitetvonjeherinterdisziplinärundselbstverständlichaucham Stadt- und Staatstheater.

Theater braucht Substanz, Brisanz, Relevanz

Theateristabermehr,alsdassjedenAbendderLappenhoch-gehen muss. Theater ist mehr als nur Produktion, Theater ist auch Rezeption, und Theaterpolitik sollte auch immer die gesell-schaftlicheBedeutungdesgefördertenGegenstandsbedenken.In Zeiten der Zeichen, die massenhaft auf uns einstürzen, macht esSinn,dasSehenzuschulen.UnddiebesteMethodescheintimmernochdiezusein,InteressefürdaszuSehendezuwecken.

DasTheater und insbesondereTheaterpädagogik bieten dieMöglichkeit, das Sehen in einen Kommunikationsprozess ein-zubinden,derzwischenSchauspielerundZuschauspielerndieZeichen der Zeit kodiert und dekodiert. Voraussetzung ist al-lerdings,dassdas,wasimTheaterverhandeltwird,interessantgenugist,vielleichtsogarneugierigmacht,vorallemaberetwasBedeutsameszubietenhat.EsbrauchteinMotiv,umAufmerk-samkeitzuerzeugen,dienichtoberflächlichbleibt,sonderndenZuschauerbewegt,an-undumtreibt.EsbrauchtMotivation,einSich-gegenseitig-Bedingen,wieesdiePsychologiedefiniert.EsbrauchtSubstanz,BrisanzundRelevanz,umsichangespro-chen zu fühlen und sich Gedanken zu machen. Das alles könnte Theater,diessollteauchdasCredoderTheaterpädagogiksein.Wenn,jawenneineReformderTheaterlandschaftkulturpoli-tischendlichangegangenwird.

Theaterpädagogik braucht Kulturpolitik. Überlegungen zu einer Reform der darstellenden Künste

Mehr Drama, Baby 2015: Theater für junges Publikum Linz

Mehr Drama, Baby 2015: Theater für junges Publikum Linz

, 8. Kulturpolitik

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201636

Anmerkungen

(1) Die Ergebnisse der Studie „Theaterpädagogik an Stadt- und Staatstheatern in Deutschland“ werden unter www.theaterpolitik.de veröffentlicht.

(2) Wolfgang Schneider: Von der Angebotsorientierung zu Teilhabeermöglichung. Kulturpolitische Konsequenzen aus dem 1. InterKulturBarometer 2012. In: Susanne Keuchel (Hg.): Das 1. InterKulturBarometer. Migration als Einflussfaktor auf Kunst und Kultur. Köln 2012, S. 123 - 132

(3) Vgl. http://www.sueddeutsche.de/kultur/zur-interkulturellen-wirklichkeit-an-den-theatern-herkunft-spielt-keine-rolle-1.1315732 [06.11.2013]

(4) Deutscher Bundestag (Hg.): Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages. Regensburg 2008, S. 93

(5) Vgl. Wolfgang Schneider (Hg.): Theater entwickeln und planen. Kulturpolitische Konzeptionen zur Reform der Darstellenden Künste. Bielefeld 2014

DerTextbasiertaufdemFestvortragvonProfessorDr.WolfgangSchneiderzum25.JubiläumdesBundesverbandesTheaterpäd-agogikam30.Oktober2015inBerlin

Theaterpädagogik braucht Kulturpolitik. Überlegungen zu einer Reform der darstellenden Künste

KulturpolitikundStandorte–Notwendig:

TP ist Teil allen Kulturschaffens. TP gehört zum kontinuierlichen Bestandteil des An-gebotesvonStadtteil-bzw.soziokulturellenZentrenwieauchvonöffentlichenTheaternundMuseen.TP anTheatern haben künstlerisch-pädagogischeProjekteundAngeboteimZentrumihrerTätigkeitund sind Teil der Gesamtplanung. Zielgruppen-undStandortanalysebestimmendasAngebot.Strukturen für Vernetzung und Austausch von Kul-turschaffendenerhaltenundausbauen.Europäischeund internationale Vernetzung. InterdisziplinäreVernetzungmitpädagogischenundwissenschaftlichenEinrichtungen.

Kulturpolitik und Standorte

KulturpolitikundStandorte–Wünschenswert:

Städte schließenKooperationsverträgemit ihrenKulturpartnern.Förderung tp. Koordinatoren auf dem Land. StärkungderAngebote in strukturschwachenRe-gionen. EinrichtungundFörderungvon„Theatermobilen“imländlichenRaum.AngebotefreierTheaterbildenAlternativenzurTPder Stadt- und Staatstheater und sind daher zu er-haltenundzustärken.FreiesTheaterindenländlichenRegionenfördern.Theater-Sommercamps. Tp. Festivals (z.B. unkura-tierteFormatenachdemModell„100Grad“)stärkenund initiieren. Tp. Begleitung von Festivals ermög-lichen.Ortepartizipativerundinterdisziplinärertp.Forschung schaffen.

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37Magazin

MAGAZINErfahrungsberichte und Konzepte aus der theaterpädagogischen Praxis

Vom schönen Schein. Kunstbasiertes Lernen in den Naturwissenschaften am Beispiel eines Performance-Projektes über verschiedene Aspekte der Galvanisierung

Lydia Schulze-Heuling

34 europäischenLänderndurchgeführtwurde,diagnostiziertbeispielsweise,dasseinGroßteilderbefragtenJugendlicheneinezurückhaltendeodergarabweisendeHaltung gegenüber naturwissenschaft-lichen und technischen Disziplinen hat [5]. Die Autoren vermuten, dass sich diese Abneigungdadurcherklärt,dassdieArtundWeise,wie naturwissenschaftlicheFächer anSchulenunterrichtetwerden,nicht mit der Jugendkultur und den Iden-titätenJugendlicherderwestlichenWeltkompatibelsind.DarüberhinausstimmtauchdasBerufsbildeinerIngenieurin,einesTechnikersodereinerPhysikerinnichtmitdenIdentitätenderJugendlichenüberein.

Der Beginn

ImJahr2013warfdieKulturagentinStinaK. Bollmann auf der Jahrgangskonferenz der StadtteilschuleHamburg-Mitte dieFrage auf, ob „künstlerisch-forschendesLernenzujedemThemaumgesetztwer-den“kann.Bollmannargumentierte,dassSchüler*innenihreDarstellungsformenausder thematischenBeschäftigung herausentwickeltenunddeswegenkeinegrund-sätzlichen thematischenBegrenzungenfürkunstbasiertesforschendesLernenindenNaturwissenschaften vorlägen.DieKlassenlehrer*innenfühltensichvondie-sem perspektiveneröffnenden Standpunkt „sehrangesprochen“undberichteten,dass„das Lehrerteam selbstUnterstützungbrauche,umdieJugendlichenanderszuerreichen“[6]. Die Klassenleitung einer achten Klasse sprach Frau Bollmann mit der konkreten Projektideean,einkünstlerisch-performati-vesProjektüberdasThema„Galvanisieren“realisieren zuwollen.DerKontakt zueinemMetallveredelungsbetrieb beste-

hebereitsunddasThemaseigutindenLehrplan der achten Klasse zu integrie-ren. Entwickeltwerden sollten in demProjekt performative Szenen über dasBerufsbild „Galvaniseur*in“ und auchnaturwissenschaftlicheInhaltesolltenper-formativadaptiertundgestaltetwerden.FrauBollmannstelltedanneindreiköpfigesexternesTeamzusammen,dasumfassendeErfahrungenausdenBereichenTheaterpä-dagogik,Tanzpädagogik,Choreographie,PerformanceundPhysiksowiePhysikdi-daktik vereinigt.

Projektvorbereitung

und –planung

DiekonkreteAusgestaltungdesProjektsgingvondreigesetztenDesideratenbzw.Inhalten aus:Zum einen sollte,wie imKulturagenten-Programm angelegt und im Kulturfahrplan der Schule festgehal-ten[7], ein künstlerisch-kultureller Prozess inKooperationgestaltetwerden.DarüberhinaussolltedasProjektdenAspektderBerufsorientierung aufgreifen und drittens einen fachinhaltlichen Lernprozess ansto-ßen und fördern. Das konkrete Themenfeld „Galvanisierung“solltealsonichtnurimRahmeneinesnaturwissenschaftlichori-entiertenBerufsbildes, sondern auch inseinennaturwissenschaftlichenGrundlagenperformativverhandeltwerden.In einemAuftaktworkshop imSommer2013wurdendieSchülerinnenundSchü-leranszenischesArbeitenmitBewegungundSprachesowieandiePrinzipiendesShow and Tell herangeführt. Show and Tell kombiniertElemente desVortrags undTheaters zurPräsentationundVermitt-lung von Forschungsprozessen, Wissen und Erkenntnissen. Durch das Verfahren unddieszenischeKombinationdesSagens

„EsistnichtallesGold,wasglänzt“isteinkünstlerisch-performativesSchulprojekt,dasandiesemdisziplinenübergreifendenSchnittpunkt ansetzt. In der tanz- und theaterpädagogischenProjektgestaltungwurdenzweiwesentlicheAnliegenverfolgt:Zum einenwurdedie in denStadtteil-schulen integrierte Berufsorientierung in künstlerischeAuseinandersetzungenüber-führt, um einen kreativen und vertieften Prozess der Berufsorientierung anzustoßen. ZumanderenwurdedenSchüler*innendurch die Hinführung zu eigenen künstle-rischen Ausdrucksformen angstfreies und sinnstiftendesLernenineinemnaturwis-senschaftlichenKontext ermöglicht. ImZentrumdesProjekts standdasThema„Galvanisieren“.Dabeiwurden sowohlperformativeSzenenüberdasBerufsbild„Galvaniseur*in“entwickelt,alsauchna-turwissenschaftlicheInhaltekünstlerischadaptiert und gestaltet.ZumAbschlussderProjektwochekamdasSchulprojektimForschungstheater inHamburg zurAufführung.

Das Projekt im Rahmen des

Programms „Kulturagenten für

kreative Schulen“(1).

Neben derVermittlung kulturellerBil-dung[2]gingesindemkonkretenProjektauchdarum, exemplarisch einenkünst-lerischenProzess („arts based learning“oder„learningthroughthearts“,vgl.[3]) zumnaturwissenschaftlichen Lernen zugestalten.Denndie naturwissenschaft-lich-technischenFächerzählennachwievor zu den unbeliebteren Schulfächern[4].EineStudie,die2006imRahmendeseuropäischenForschungsprojektes„Rele-vanceofScienceEducation“(ROSE)in

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38 Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 2016

Vom schönen Schein.

undZeigenswerdendieProzesshaftigkeitvonErkenntnissen undExperimentensowieRechercheprozesse erfahrbar undsichtbargemacht[8].DarüberhinauswurdenalsZieledesAuf-taktworkshopsformuliert,dieSchülerinnenund Schüler zum freien Assoziieren zu ermutigenundVorfreudeaufdieProjekt-wochezuentwickeln.DaunmittelbaramEndederProjektwochedieAufführungs-termine angesetztwaren, ging es auchdarum, dass eine Materialsammlung ent-steht,aufderdieProjektwocheaufbauenkann.DeswegenwarfürdiezweiteHälf-tedesAuftaktworkshopsdasArbeiteninKleingruppenvorgesehen.Undzwarsolltein drei Gruppen zu den Unterthemen i) Berufsbild,ii)physikalischePhänomeneinBewegungundiii)Schülerstandpunk-tegearbeitetwerden,dievonjeweilseinerderexternenExpertinnengeleitetwurden.

Der weitere Verlauf

DerProjektverlaufgestaltetesichinvierwesentliche Projektphasen.Damit dieSchulklasse möglichst früh mit dem Berufsbild derGalvaniseurin bzw. desGalvaniseurs in Berührung kommt und auch dem Prozess der Metallveredelung unmittelbarbeiwohnenkann,waralsPro-jektphaseeinsdieBetriebsbesichtigungderFirmaGebr.BögeinHamburg-Bergedorfvorgesehen.DieExkursionfandEndeOk-tober2013statt.AuchdieKulturagentinundeinTeildesexternenTeamswarenbeiderBetriebsbesichtigungdabei.EineWochenachderExkursion trafensichdieSchüler*innen,dieexternenEx-pertinnen, dieKlassenleitung sowie dieKulturagentinzurProjektphase2fürdenfünfstündigenAuftaktworkshopimFor-schungstheater des Fundus Theater e.V.. NachdemgemeinsamenAufwärmenwurdedie Lerngruppe mit den Grundlagen, des Show and Tell vertraut gemacht. Nach einer kurzen Diskussionsrunde und Pause folgte eineLecture-PerformanceüberGalvanisie-rung,diestarkinteraktivkonzipiertwar.PerformativwurdenhierdieGrundlagen,beginnendbeiElektronenundAtomen,Ladungstransport,überIonisierungundElektrolysehinzurGalvanisierung,ver-handelt. Auf diesemWegewurde derSchulklasse an einem konkreten Beispiel verdeutlicht,wiedurchkünstlerischeMit-telalternativeUmgangsformenmit–und

Perspektiven auf naturwissenschaftlicheThemen entstehen können. ZumAbschlusswarendieSchülerinnenund Schüler dazu aufgefordert, ihre Ide-en,WünscheoderauchungeklärteFragenaufzuschreiben.DieseNotizennutztendiedrei externenExpertinnen alsBasis fürdieKonzeptionierungderProjektwoche.DieAuswertungderZettelergab,dassderAuftakt die Jugendlichen inspiriert und mo-tivierthatte,undsiebotenstichpunktartigeVorschläge,welchekünstlerischenMittelund thematischen Interessen in der Pro-jektwocheintensiviertwerdensollten.ProjektphasedreiwardieProjektwoche.Diese begannmit einem ausgiebigenAufwärmtraining, indas tanz-undthe-aterpädagogischeElemente zumThemaeingeflochtenwaren.Nach und nachfanden sich Kleingruppen zusammen, die eigene Ideen zu kleinen Szene hatten und dieseweiterverfolgenwollten.Dievertie-fendeArbeitandendreiSzenenmitdenArbeitstiteln„Transport“,„Gangster“und„Modenschau“wurde jeweils von einerderKünstlerinnen/Wissenschaftlerinnenbegleitet(s.Infokasten)

Zudem hatte die Klassenleitung eine Ideeentwickelt,wiemandenProzessderGalvanisierung inszenieren könne: sichvonderKathodezurAnodebewegende„Menschenteilchen“ nehmen bei ihrerWanderung von der Kathode zur Anode stets ein Stück Lametta mit und legen es anderAnodeab.WährenddieKathodeimmermehrGlitzermaterialverliert,wirdes an der Anode immer mehr.DasBerufsbildderGalvaniseur*inwurdedarüberhinaus inFormvon Interviewsverhandelt,diedieSchüler*innenanhandihrerNotizen,diesienachdemBetriebsbe-suchbeiderFirmaGebrüderBögegemachtund, unter Hilfestellung der Klassenleitung, weiterentwickelthatten.Da im Projekt allerdings auch diephysikalischenPhänomeneeinemkünst-lerisch-kreativen Lernprozess unterzogen werdensollten,entwickeltedieganzeKlasseunterAnleitungeinerChoreografinundeinerPhysikerinvierkurzechoreografischeSzenen.Die erste choreografischeSzeneist von den visuellen Modellen der Atome undMoleküleinspiriert,wiesieinfastje-demLehrbuchabgebildetsind.NachdemaufdieseWeisederAufbauvonAtomen

Szene „Transport“ GemeinsammiteinerChoreografinerarbeitetedieersteKleingruppedieSzenemitdemTitel„Transport“.DieseSzenehandeltvoneinemBanküberfall,beidemdreiBankräuberdieGoldreserveneinerBankklauen.AufdemWegzumBossgeratensieineinePolizeikontrolle.DamitkeinÄrgerentsteht,teilensieihreBeutemitdenPolizisten.MitderverbleibendenHälftekommensieimgoldenenBürodesBossesanundüberbringenihmdieBeute,indemsieihnvonobenbisuntenmit„Gold“-Lamettagalvanisieren.

Szene „Gangster“ AusgangsideederzweitenSzenewares,Galvanisierungeinmalandersherumzudenken.Dasheißt,eineOberflächenichtindemSinnezuveredeln,umsiewertig,glänzendoderneuaussehenzulassen.SondernetwasSchönesmittelsGalvani-sierunginetwasAlltäglicheszuverwandelnundesdadurchzutarnen.KonkretdrehtesichdieseSzeneumdenRaubeineswertvollenSchatzesauseinemMu-seum,derzurTarnungvoneinemGalvaniseurmitSchokoladeüberzogenwird.

Szene „Modenschau“ InderSzenemitdemArbeitstitel„Modenschau“wirdeineüberdenBegriff„Oberfläche“assoziativentwickelteProblemstellungverhandelt.SchönejungeMenschen inmodischerKleidung laufen schwer behangenmit glänzendemBilligschmuckvordemPublikumaufundab.

Infokasten: Die Schüler/innen entwickelten eigene kleine Szenen zum Thema. Sie wurden mit den Interviews und tänzerischen Szenen in einer Collage zusammengeführt.

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verhandeltwordenwar, setzten sichdieAtome in der zweiten choreografischenSzeneinBewegungundverbandensichzu einem Molekül. Die dritte choreogra-fischeSzenebasiertaufVorstellungenzumLadungstransport von Elektronen und Io-nen, die in der vierten Szene durch den zusätzlichenEinsatzvonLamettaaufdasGalvanisierenverweist.DiebeteiligtenSchülerinnenundSchülerhattenmitjedemweiterenTagzunehmendFreudeandemProjektundwarenhochmo-tiviert,ihreeigenenSzenenzuerarbeitenund zu verfeinern. So entstanden in drei Kleingruppen Szenen, die im Infokasten zusammengestelltsind.Ebensoengagiertbeteiligten sich die Schülerinnen undSchüler an den choreographischen Grup-penszenen, in denen die gesamte Klasse gemeinsammitwirkte.AmEndederProjektwocheentstandeineCollage,dieanzweiTagenimForschungs-theater zur Aufführung kam (Phase vier). IndenAbschlussvorstellungenzeigtendieSchüler*innenihreArbeitöffentlich.SiepräsentiertenihrKönnenundihreTalentedemPublikum,denFamilien,Schulklas-sen,LehrkräftenundFreunden,was imkonkreten Fall zu positiven sozialen und motivationalen Effekten führte.

Schlussbetrachtung

Das Projekt „Es ist nicht allesGold,was glänzt” war ein Pilotprojekt, daskünstlerische Arbeitsweisenmit demnaturwissenschaftlichenThemaGalvani-

Vom schönen Schein.

sierungzueineminterdisziplinärenProjektverbinden,innerhalbeinerProjektwocheerarbeitet,darüberhinauszueinemStückkombiniertwerdenundöffentlichimThea-tergezeigtwerdensollte.DadurchherrschtevonAnfanganeingewisserErfolgsdruck.Personellwar das Pilotprojekt sehr gutausgestattet(insgesamtfünfErwachseneund die Unterstützung der Kulturagentin für 28 SchülerinnenundSchüler).Die

Zusammenarbeitmit dendrei externenExpertinnenwar für das Schulprojektgewinnbringend, da jedePersönlichkeitihre eigene Perspektive und Erfahrun-gen beisteuerte. Künstlerisch-kreativePartnerschaften mit Schulen sind für alle BeteiligteneinZugewinn,derinsbesonderefür die Schülerinnen und Schüler kultu-relle Erfahrungen und die Möglichkeiten deskreativenLernensbereithält.

[4] acatech/VDI (Hrsg.) (2009): Nach-wuchsbarometer Technikwissenschaften – Ergebnisbericht. München/Düsseldorf. Vgl. auch: Deutsches Institut für Interna-tionale Pädagogische Forschung (DIPF) (2012): Tabellen zum Bildungsbericht 2012. E3: Ausbildungsverhältnisse nach Berufen und Vorbildungsniveau. http://www.bildungsbericht.de/index.html?seite=10217 (letzter Zugriff am 24.3.2015).

[6] Schreiner, Camilla; Sjøberg, Svein: Sci-ence education and young people’s identity construction: Two mutually incompatible projects?, 2006, online: http://www.ro-seproject.no/network/countries/norway/eng/nor-schreiner-values2006.pdf (letzter Zugriff am 05.03.2015).

[7] Bollmann, S. K. (2013). Persönliche Kommunikation.

[8] „Das persönliche Anliegen (von Schü-lerinnen, Schülern, Lehrerinnen und

Lehrern) in der Auseinandersetzung wecken, fördern und unterstützen. Kul-turelle Auseinandersetzung als festen Bestandteil und weit aufgefächert im Unterrichtsgeschehen zu verfolgen.“, Kulturfahrplan der Stadtteilschule Ham-burg-Mitte Stand 18.12.2014, online: https://schule361.schul-cms.eu/index.php/file/download/2192 (letzter Zugriff 20.01.2015).

[9] Forschungstheater (2009). Show-and-Tell / Sagen-und-Zeigen. Eine Anleitung zum Theater des Wissens. http://www.fundus-theater.de/wp-content/uploads/2011/06/brsch_showandtell.pdf (letzter Zugriff am 23.3.2015).

Literatur

[1] Kulturagenten-Programm, Positionspa-pier. http://kulturagenten-programm.de/assets/Uploads/Kultur-und-Bildung-zusammen-denkenPositionspapier-Beirat.pdf (letzter Zugriff am 23.03.2015).

[2] Kulturagenten-Programm (2013). Ko-operationsprozessor – Gemeinsam etwas bewegen. Halbzeittagung des Modell-programms „Kulturagenten für kreative Schulen“ am 21. und

22. November 2013 im Depot Dortmund. http://www.kulturagenten-programm.de/assets/Uploads/Kulturagentenprogramm-Tagungsdokumentation-2014.pdf (letzter Zugriff am 24.3.2015).

[3] Barone, T., & Eisner, E. W. (1997). Arts-based educational research. In R. M. Jaeger (Hg.), Complementa-ry Methods for Research in Education. Washington: AERA.

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Tagen im Labor - über die Labortagung „Anstecken! Das Künstlerische in der Kulturellen Bildung“ vom 30.8 bis 1.9.2015 in der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel

Ursula Jenni

Ergebnisse lassen sich nicht inszenieren –nur die Bedingungen, in denen etwas geschehen kann.

Anne Bogart

tischenPraxisinderKulturellenBildungunddiespezifischenHandlungsweisen,diePraktiker*innendarinentwickeln,zuihrenwesentlichenQualitätenunddamitzuih-rerGütebeitragen?Istnichtdenkbar,dasssichwesentlichesgestalterischesWissenderAkteur*innennurschwerimModusderPräsentationerfassenlässtunddadurchaufvielenFortbildungenundFachtagungenallenfalls in der kleinen Öffentlichkeit von KaffeepausenWürdigungerfährt?DasKonzeptdes„tacitknowing“desChe-mikersundPhilosophenMichaelPolanyverweist auf solch praktischesWissen,dasnichtohneweiteresinDiskussionenundPräsentationenverfügbarist.EswirdaktuellwiederkehrendinArtikelnzuWis-sensformationenundForschungszugängeninderKulturellenBildungbenannt(vgl.Seitz 2012,Hentschel/Pinkert 2014).Doch im Rahmen von Fachtagungen und KongressenherrschenbeimAustauschun-terKolleg*innenletztlichmeistdiskursiveFormate vor.DabeiklammertdieeinseitigeOrientie-rungaufdiePräsentationvongutenundbestenProjektenderKulturellenBildungnicht nur relevantesPraxis-Wissen aus.InsbesonderedieMethodederbest-practi-ce-Orientierung, die dem Katalog des Benchmarking – also einem standardi-siertenLeistungsvergleich–entstammt,erscheint bei genauerBetrachtung zur

Reflexionderkünstlerisch-pädagogischenProzessekaumgeeignet.DieArbeitinPro-jektenderKulturellenBildungfindetinsichstetigveränderndenZusammenhän-genstatt,diesichnichtinvergleichbareMessgrößen zusammenrechnen lassen. DiemitderMethodeverbundeneInten-tion,das„systematischeLernenvondenBesten“ (Vahs/Weiand2010: 78),wirdselbstvonVertreter*innenderOrganisa-tionsentwicklung kritisch reflektiert. SomerktederOrganisationspsychologePeterKrusebereits2004an,dassdieeinseitigeOrientierung auf best practicezwarzuei-ner befristeten „Funktionsoptimierung“führenkönne(vgl.Kruse2004:20).Diealleinige „LeistungssteigerungdurchdieVerbesserungbestehenderVerhaltensmus-ter“würdenallerdingsdann,„wennwirmit völlig neuen Anforderungen oder der NotwendigkeitgrößererLeistungssprüngekonfrontiertwerden“(ebd.),kaumzumErfolgführen.Der„Prozessmusterwech-sel“, denKruse fürOrganisationen alszunehmendbedeutsameEntwicklungsformbeschreibt,dürftefürPraktiker*innenderKulturellenBildungzumAlltagsgeschäftgehören, denn die Anforderungen an die künstlerisch-bildendePraxis ist geprägtvon und inspiriert durch stetig neu zu-sammenwirkende Bezugsgrößen wieRaum,Zeit,Projekt-Akteur*innen,derenVorwissenundKönnen,eigeneberufliche

Funktionieren oder Gestalten?

Praktiker*innenderTheaterpädagogikken-nendasPhänomenausProben:Stocktdergemeinsame schöpferische Prozess, fehlt die passendeweiterführendeIdee,kriseltesbeidenTeilnehmer*innendesProjekts,dannwirktdasPrinzip„mehrvomGleichen“imharmlosenFallwiePlacebo,imschlim-merenwieGift.Gebrauchtwirdeigentlichetwas anderes: einQuantensprung, einGeistesblitz,einephantastischeInterventi-on–etwas,vondemeinemnichtsorechtklarist,wasesistundwohereskommenkönnte.Bis„es“danndochaufeinmaldaist,hervorgebrachtdurch–Zufall,Erfah-rung,ZeitoderZauberei?InderPraxiserfahreichdieseirritierendenProzess-BruchstellentheaterpädagogischerProjektealsunglaublichspannendeundfordernde Phasen, die gleichzeitig Ener-gieabziehenundwiederfreisetzen.Abergehtesdanurmirso?Wiemachenesdieanderen?OderhabendievielleichtdocheinGeheimrezept?WannundwogibtesüberhauptGelegenheit,sichübersolchePhänomeneauszutauschen?Organisator*innen von FachtagungenzurKulturellenBildung haben auf dasverstärkteBedürfnis,diePraxisKulturel-lerBildung zu reflektieren, reagiert. SiehabenFormatewiebest-practice-Beispiele oder den Markt der Möglichkeiten in ihre Tagungs-Dramaturgie aufgenommen, um gegenseitigesLernenanzuregen.DochobdieseFormatenundasWörtchen„best“imTiteltragenodernicht-inihremKontextschwingtdasAttributmeistwahrnehmbarmit.EsisteinenachvollziehbareIntention,dassPraktiker*innenbeieinerPräsenta-tionihrProjektvonseinerinteressanten,wirksamenundsinnstiftendenSeitezeigenwollen.ProzessedesZögerns,FragensundVorher-Nicht-So-Genau-Wissens können hierkaumResonanzraumfinden.Doch könnte es nicht sein, dass gerade diese wenigerschillerndenMomentederästhe-

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Entwicklung,OrientierungandenKüns-ten,Alltagsästhetiken,BildungsverständnisundFörderrichtlinien–umhiernureini-ge zu nennen. Es ist erstaunlich, dass im Rahmen vonReflexionsveranstaltungendennochsohäufiggeradeaufdiesesaufdemVergleichbasierendeInstrumentzu-rückgegriffenwird.DemgegenüberentwickelnPraktiker*innen,umsituativeine sinnige,ästhetisch-wir-kungsvolleundfürdenjeweiligenKontextmöglicheGestaltungspraxiszufinden,häu-figeigeneKoordinatennetzezurFörderungvonGelingenundQualität.DieseNetze ausErfahrungswerten undpersönlichenOrientierungspunktenwa-renes,dieBirteWerner,GabidanDrosteundmichinteressierten,alswirdieTagung„Anstecken!“planten.

Verknapptdargestellt,warenunsereAus-gangspunktediefolgenden:DieAnnahme,dasswesentlichesWissenzum Gelingen Kultureller Bildung stilles, implizites praktisches Wissen sei.Der Plan, in einem Setting des Handelns undGestaltens jenseits vonWorkshop(Lernen von einemExpert*innen) undProbe(erprobenvonästhetischenLösun-genfüreinePräsentation)einenAustauschzubefördern.DieVermutung,dassesmöglicherweisesogelingen könnte, relevante künstlerische Begriffe und Prozesse aus der Perspekti-vederPraxisKulturellerBildungherauszu fassen. Der Wunsch, eine Tagung zu schaffen, in derdiekünstlerisch-bildendeExpertisederPraktiker*innendenKerndarstellt,unddiedasPotenzialhat,dievielfältigangezapf-tenEnergie-ReservenvonPraktiker*innenwiederaufzufüllen.Dass dies gelingen kann, davon konnten wirunszweiJahrezuvorbeiderfürdenLandesverband FreierTheater Baden-Württemberg e.V. konzipiertenTagung„Erfahrungtauschen“erstmalsüberzeugen(vgl.dazuDroste/Jenni2013).

Wie kann es angehen, dass ich mir auf den Kopf schauen kann?

DieVerschränkung von künstlerischemExperimentierenundgleichzeitigeminner-lichenundäußerenBeobachtendessen,wassichimLaborereignet,ähneltingewisserWeise der Fragestellung, die Büchners Le-

onceinseinemMüßiggangverfolgt,wennersagt,erhabe„darübernachzudenken,wie eswohl angehenmag, daß ichmireinmalaufdenKopfsehe“.NachunsererErfahrungwareneszweiSet-zungenvon„Anstecken!“,dieesmöglichmachten,dasssichdieTeilnehmer*innenin ihren künstlerischen Versuchanlagen selbstüberdieSchulterschauenkonnten.EinerseitswardiesdastemporäreKollektivdergemeinsamlaborierenden–alsokolla-borierenden–Expert*innen,diesichunddensichentwickelndenProzessgegenseitigwahrnehmen,beobachten,beschreibenunddamit auch neu steuern konnten. Zum an-derenwarenesdieKünstler*innen,diehiernicht als An-Leitende und Vor-Wissende gefragtwaren,sondernalsGastgebendeundVor-BereitendeeinesExperimentier-undReflexionsraumes.DiespezifischeArtundWeise,wiesiedenRaumdesLaborsgestal-tetenundwiesiesichgemeinsammitdenTeilnehmer*inneninihrerVersuchsanlagebewegten,war vonwesentlicherBedeu-tung für das Gelingen der Tagung. Für „Anstecken!“habendieseAufgabeMartinNachbar,EvaPlischke,MelanieHinzundFredPommerehnmitjeweilseinerspezifi-schenFragestellungübernommen:WoherkommtdasNeue?Wasprobenwir,wennwir proben?WelchesKnow-howhabenwir uns über kollektiveArbeitsformenund partizipative künstlerische Strategi-en erarbeitet?Why are people so afraidofnewideas?DieBerichteder teilnehmendenLabor-beobachter*innenwerden inKürze imRahmenderWolfenbüttelerAkademie-TexteimTagungsbanderscheinen.

MitderTagung„Anstecken!“wolltenwirnocheinenSchrittweitergehenundaus-gehendvondenLaborenwiederumeinenDiskursderPraxiszumKünstlerischeninder Kulturellen Bildung anstiften. Die entscheidende Frage, die sich für uns hier stellte,war,wie sich aus demexperimentellenkünstlerischenHandelnein experimentelles fachliches Sprechenergeben konnte.Geeignet schien unshierfür das Format des Open Space, das vonseinemErfinderHarrisonOwenalseine Art institutionalisierte Kaffeepause entwickeltwurde.DasPrinzip,dassjede/rTeilnehmer*infreiThemen zur gemeinsamenWeiterbear-beitunginGesprächsrundenvorschlagenkonnte,botdieGrundlage,umwesentli-che Erfahrungen und Begriffe, die in den Laborenbewegtwurden,zuverdichten.DieOffenheitderMethodekonsequentzuEndedenkend,hattenwirzwarangeregt,überdasKünstlerischeinderKulturellenBildung nachzudenken, luden die Teilneh-mendenabergleichzeitigein,auchjedesandereThema,dasfürsieindenzweiTa-gendesExperimentierensanBedeutunggewann,zumGesprächvorzuschlagen.GeradeweilderOpenSpaceinseinerur-sprünglichenundauchvonunsgewähltenForm Hierarchien des Wissens suspen-diertundOffenheitgegenüberdenZielenpropagiert,warhierdie‚PerformancederModeration’ von zentraler Bedeutung. Gert Fieguth hat als erfahrener Open-Space-ModeratorwesentlichzumGelingendesÜbergangs vom experimentellen künst-lerischenHandelnzumexperimentellengemeinsamenWeiter-Denkenbeigetragen.

Tagen im Labor - über die Labortagung „Anstecken!

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Verdichtung von Erfahrung,

Interessen und Wissen zu

einem neuen Ausgangspunkt

Es scheint, dass unser Kalkül aufgegangen ist.EsgabamletztenTagvon„Anstecken!“kaumfrühzeitigAbreisende.ImMühlen-foyerderBundesakademiefürKulturelleBildungverbreitetesichimGegenteileineAtmosphärederKonzentration,LockerheitundIntensitätunterdenAnwesenden.IndenRundenwurdeintensivdiskutiert,ei-neReihevonThemenkomplexenwurdeausunterschiedlichenPraxis-Perspektivenneu umrissen.Dabei umkreiste dieHälfte der vorge-schlagenenThemen tatsächlich Fragendes Künstlerischen in der Kulturellen Bil-

dung. Als Beispiele seien hier die Runden zu„KonkretionundOffenheit“,„SozialeKunst“ oder zur Frage „Wann geht dieKunst kaputt?“ genannt. Auch die all-täglichenRahmenbedingungenunddasFormatdesLaborsrückteninsInteressedes kollektivenWeiterdenkens, so bei-spielsweiseindenRundenzuThemenwie„LangfristigeSpielräumeöffnen“,„Zeitge-ben,Zeitlassen“,„BeobachtungsverfahreninderArbeit“,„WasisteinLabor?“oder„Tagungsformate“. Es zeigte sich, dassdieErfahrungen aus den zwei vorange-gangenLabortagenproduktiveSpurenindieGesprächehineintrugen.ImAbgleichzwischenProzessendesLabors,Beobach-tungenimRahmendesLaborrundgangsund den durchaus unterschiedlichen Er-fahrungswertenausderalltäglichenPraxisließensichGesetzmäßigkeitenerkunden,MethodenkritischbeleuchtenundneueFragenaufwerfen.Der inneren Logik des Open Space fol-gend,manifestiertsichdabeidaseigentlicheErgebnisdesFormatsimMomentdesge-meinsamen Sprechens und Denkens und wenigerinzurweiterenLektüreverfertig-ten, ausgeklügelten Dokumentationen. Die imRahmen derGesprächsrundenverfertigten Protokolle hatten so im We-sentlichen die Funktion, das Potenzial für weiterführende–individuelleoderauchgemeinsame –Realisierungen für dieGesprächsteilnehmer*innenfestzuhalten.„Kreationenhabennichtnurmiteinemüberschwänglichen Ideenreichtum ein-zelner Menschen zu tun, sondern auch mitderFähigkeitdeskollektivenWün-schens“,schreibtdieKulturtheoretikerin

GesaZiemer.„Wünschesindbeharrlich,vielleichtimmerstärkeralsmanselber,siezwingen zurAktivität,wennmannichtnur schwelgen, sondern auch handelnwill.BeharrlichesWünschen, das keineErfüllungfindenwill,lähmtodermachterfinderisch.Manmussesnichtunbedingtzupsychoanalytischdeuten,sondernviel-leichtehersportlich-alsTrainingeben“(Ziemer2009:56).MitderTagung„Anstecken!DasKünstle-rischeinderKulturellenBildung“wolltenwirinbesondererWeisedasvonZiemerangesprochene Gemeinsame in seinem Ak-tivierungspotenzial ausloten. Wir hatten denEindruck,dassunsdiesimSeptember2015gelungenist,undsehennunmitfreu-digerErwartungderweiterenVerbreitungdes Virus entgegen.

Tagen im Labor - über die Labortagung „Anstecken!

Literatur

Droste,Gabidan/Jenni,Ursula/Werner,Birte(2015):Anstecken!ÜberdasKünstle-rische in der Kulturellen Bildung. Eine Labortagung.AusderReihe„Wolfen-büttelerAkademie-Texte“.Zubeziehenunter:www.bundesakademie.de/pub-likationen

Droste, Gabi dan/Jenni, Ursula (2013):Agieren mit Kunst. Eine Studie des Landesverbandes Freier TheaterBaden-Württemberge.V.Baden.Ba-den-Baden.Downloadunter http://www.laftbw.de/publikation/agieren-mit-kunst-eine-studie-des-laft. (Stand 30.11.15).

Hentschel, Ulrike/ Pinkert, Ute (2014):TheaterpädagogischesWissenundge-sellschaftlichesHandeln.ÜberlegungenzueinerreflexivenTheaterpädagogik.In:ZeitschriftfürTheaterpädagogik.30.Jg.Heft64.S.4-9.

Kruse,Peter(2004):nextpractice.ErfolgreichesManagementvonInstabilität.Verän-derungdurchVernetzung.Offenbach.

Seitz,Hanne: (2012):PerformativResearch.In: Fink,Tobias /Hill, Burkhard /Reinwand,Vanessa-Isabelle/Wenz-lik,Alexander(Hg.):DieKunstüberKulturelle Bildung zu forschen. Theo-rie-undForschungsansätze.München.

Vahs,Dietmar/Weiand,Achim(2010):Work-bookChangeManagement.Methodenund Techniken. Stuttgart.

Ziemer,Gesa(2009)ForschenanstattWissen.Komponieren:Ein kreativesPrinzipinKunstundWissenschaft.In:WolfLotter (Hg.). Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapi-talismus?Hamburg.

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Partizipation: Teilhaben/Teilnehmen – Arbeitstagung „Theater als Soziale Kunst“ an der FH Dortmund

Skadi Gleß

ZurOrientierung sei vorangestellt: Be-greiftmanPartizipation als dynamischeBeziehung,dieesimmerwiederneuaus-zuhandelngilt,dannistinsbesonderedasTheater, dessenProduktionsweisen undHierarchien erst oft im Prozess des ge-meinsamenAgierensdefiniertwerden,eineMöglichkeitkünstlerischerPraxis,dieaufdiesemWegeIntegrationsweltenerzeugenund herstellen kann.Folgt man einer zeitgenössischen Idee des Partizipativen im Theater, dann drückt sichPartizipationweniger imRechtaufTeilhabealsvielmehrimRechtaufTeil-nahme aus. In diesem Zusammenhang erscheinthierdasPartizipativesowohlalseine Aktivierung des Einzelnen und damit eineÜbertragungvonVerantwortungalsauchein indieVerantwortungnehmen- einer sogenannten Aktivierungspolitik. EinelebhafteDiskussionentzündetesichbeimzweitenPanelmitderthematischenÜberschrift:Nazis eine Bühne geben? Zur Frage der Partizipationsfähigkeit. Was passiert,wennIndividuenihrRechtaufTeilhabe undTeilnahme in Anspruchnehmen, die nicht zu den zur Teilnah-meaufgefordertenZielgruppengehören?Hierwurdekritischdanachgefragt,werinPartizipationmiteinbezogenist.WemwollenwireineStimmegebenundwemnicht?WoistdasUnbequeme?WoistdieDifferenz?AlsdurchgängigeHerausforderungindenDiskussionengestaltetesichdieSchärfungbezüglichderdiversenPartizipationsebe-nen:UmwelchePraxendesHandelnsgehtes im jeweiligenPartizipations-Projekt?Sprechenwir vonpolitischer, pädagogi-scheroderästhetischerPartizipationundwelchenormativen Setzungen sinddenjeweiligenAusrichtungeneingeschrieben?DieErgebnisse derTagungund vor al-lem die Weiterführung der angestoßenen Gedanken zuPartizipation imKontextvonTheateralssozialerKunstwerdenimHerbst 2016 imKopaed-Verlag (Reihe

Kulturelle Bildung) veröffentlicht. Die ErgebnissedeserstenTeilsderTagungs-trilogie BIOGRAFIEren auf der Bühne sindbereitsimHerbst2015ebenfallsimkopaed Verlag erschienen2).AlsdritterunddamitabschließenderZu-griffaufeinTheaterderSozialenPraxiswird imHerbst 2016dasThema „For-schendesTheater in Sozialen Feldern“an der FH Dortmund im Fokus stehen. Ansprechpartnerin:[email protected]

BereitszumzweitenMalinFolgeluddieFHDortmund zu einerArbeitstagungimRahmenderTrilogie„Theateralsso-zialeKunst“ ein.AndieserHochschulehat dieTheaterarbeit nebenBildenderKunst, Medien und Musik in der perso-nellen Ausstattung und damit auch in der inhaltlichenOrientierungeinenbesonde-renStellenwert.SieistverbundenmitderNeustrukturierungdesProfilstudiengangsTaSK–TheateralsSozialeKunst,deramFachbereichAngewandte Sozialwissen-schaftenderFHDortmundSozialeArbeit(B.A.)undTheaterpädagogik(ZertifikatBuT)imStudiummiteinanderverbindet(Doppelabschluss).Vom19.–21.November2015fandinKo-operationmitder„StändigenKonferenzfürTheaterpädagogikanHochschulen“indenRäumendesTheater-LaborsdiezweiteZu-sammenkunftzumThema„Partizipation:Teilhaben/Teilnehmen“(1)mit60Teilneh-menden statt. Es handelte sich um einen heterogenen Kreis, der sich aus Kultur-, Theater-undSozialwissenschaftler*innen,Vertreter*innen der Freien Szene, derBürgerbühnen,deraußer-undinnerschu-lischenTheaterpädagogikundderSozialenArbeitzusammensetzte.Ermöglichtwurdedie Tagung durch die Kooperation und Unterstützung der BAG Spiel und Thea-ter, der LAG Spiel und Theater NRW und der Fachhochschule Dortmund.In verschiedenen Fachimpulsen, Panels und Diskussionsformaten gelang es in produktiver Weise, den erfolgreichen, allerdingswenig reflektierten undmitt-lerweile inflationär gebrauchten Slogandes Partizipativen, der vor allem in der Theaterpädagogik gängig ist, in seinerKomplexitätundprimärimästhetischenFelddesTheaters zubeleuchten.DabeibestimmtendieTagungfolgendeüberge-ordneteFragen:WasmeintimKontextvonTheateralsSozialerKunstPartizipation?WemnutztPartizipation?UndwernutztPartizipation?

Anmerkungen:

(1) Die Referent*innen-Liste sowie das Tagungsprogramm ist unter www.partizipation-teilhaben-teilnehmen.de einzusehen.

(2) Köhler, Norma; Scheurle, Christoph; Hinz, Melanie (Hrsg.): BIOGRAFIEren auf der Bühne. Theater als Soziale Kunst I, Kulturelle Bildung vol. 48, kopaed 2015.

Veranstaltungsankündigung

Labortagung„ForschendesTheaterinSozialen Feldern - Theater als Soziale KunstIII“anderFHDortmundFreitag,25.11.bisSonntag,27.11.2016Kontakt:[email protected]

Vom25.-27.November 2016findetnach „Biografieren auf der Bühne“(2014)und„Partizipation:teilnehmen/teilhaben“ (2015) der dritteTeil derTagungstrilogie „Theater als SozialeKunst“ an der FHDortmundunterder Leitung von Melanie Hinz, Norma Köhler und Christoph Lutz-Scheurle zumThema„ForschendemTheaterinSozialenFeldern“ statt.Wie könnenin Theaterprozessen Soziale Felder erforschtwerden?Wann kann über-haupt von Forschenden Theater statt DevisingTheatregesprochenwerden?WelcheBildungspotenzialebirgtdieserästhetisch-forschendeZugriff?DiesenFragenwirdaufderTagunginLabo-ren und Diskussionsforen praktisch und theoretisch forschend zusammen miteingeladenenKünstler*innenundWissenschaftler*innennachgegangen.

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44 Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 2016

Brauchen wir jetzt Theaterpädagogik? Was brauchen wir jetzt für die Theaterpädagogik?

Antje KlahnDieTeilnehmer*innendiskutiertenimPle-numundinwechselndenKleingruppenviermitFragenuntersetzteThemenblöcke:„HeterogeneAkteure“(neueZielgruppen,andere Theater- und Seherfahrungen, neue Themenfelder,möglicheMissverständnis-se)„Sprache“,(Sprachbarrieren,Eignungunterschiedlicher künstlerischer Sprachen), „Spielleiter*innen/Theaterpädagog*innen“(Funkt ion und Verantwortung,eigene Grenzen, Evaluations- und Re-flexionsmöglichkeiten, neueAus- undWeiterbildungsmöglichkeiten), „Mitein-ander“(Vernetzungen,Perspektivwechselund gelingender Dialog).

Der Fokus des Austauschs lag auf der FragenachderNotwendigkeitundDefi-nitionbesondererRahmenbedingungeninderArbeitmitheterogenen,interkul-turellenGruppen.InjedemFallemüssten–unddarüberherrschteKonsensbeial-lenTeilnehmenden–zunächsttragfähigeStrukturenentwickelt,Netzwerkegebildetund nachhaltige Finanzierungsmöglich-keitengesichert, aber auchdieGrenzentheaterpädagogischerHandlungsmöglich-keitenausgelotetwerden.

DasFORUMTHEAERPÄDAGOGIK(1)

im Rahmen des Festivals WILDWECH-SEL2015 inWeimar standunter demThema „ÜberGrenzenhinaus –Thea-terpädagogischeArbeitalstranskulturellerDialog?“Gemeinsammit demBundes-verbandTheaterpädagogik e.V. (BuT)lud es dazu ein, Fragestellungen aufzu-werfen,ErfahrungenauszutauschenundVisionenfüreinvielfältigesMiteinanderin der täglichen theaterpädagogischenPraxis zu formulieren.DabeiwurdedasThemaderFrühjahrstagung2015desBuT–Rahmenbedingungentheaterpädagogi-scherArbeit–vorallemimspezifischenKontextinterkulturellerbzw.transkultu-rellerArbeitbeleuchtet.DaszweistündigeNetzwerktreffenderetwazwanzigTheater-pädagoginnenundTheaterpädagogenwargegebenermaßenthematischstarkvonderaktuellenFlüchtlingsthematikbestimmt.ModeriertwurdedasFORUMvon Me-lanie Peter (LeitendeTheaterpädagoginder Bühnen Halle), Skadi Gleß (Dozentin fürTheaterpädagogikanderHochschuleMerseburgundInterkulturelleTrainerin)sowieAntjeKlahn(StellvertretendeVor-sitzende des BuT).

Dazubrauchees–nebendenallgemeinenGelingensbedingungen für theaterpäda-gogischeArbeit–vorallemZeit,GeduldundGeldsowiezusätzlicheExpertenwieSprach- und KulturmittlerInnen, Sozial-pädagogInnen,TherapeutInnenetc.DieTheaterpädagogikwurdeindiesemKontextvorallemals„Ermöglicher“interkulturellerBegegnungen gesehen. Die zunehmende Begegnung undZusammenarbeit vonMenschenvielfältigsterHerkunftwurdeinsgesamt als Chance und Herausforde-rungzugleichwahrgenommen.Esstellesich gar nicht die Frage, ob man sich mit interkulturellenFragestellungenbeschäf-tigt, sondern wie interkulturelle Kompetenz entwickeltundaktivgestaltetwerdenkann.WelcheNotwendigkeitenundMöglichkei-tendieinterkulturelleEntwicklungfürdietheaterpädagogische(Projekt)ArbeitundihreAkteureimEinzelnenbirgt,wirdindiesem Jahr auch auf den Tagungen des BundesverbandesTheaterpädagogike.V.beleuchtetwerden.

Anmerkung:

(1) Das FORUM THEATERPÄDAGOGIK ist eine feste Einrichtung im Rahmen von WILDWECHSEL, dem neuen Kinder- und Jugendtheaterfestival im Osten Deutschlands. Ausrichter ist der Arbeitskreis OST der ASSITEJ Bundesrepublik Deutschland e.V. Das FORUM lädt freie TheaterpädagogIn-nen und solche an Theatern zu Vernetzung und Austausch ein.

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„Bemerkenswerte 6“ - das 26. Bundestreffen „Jugendclubs an Theatern“:

Friedhelm Roth-Lange

DokumentationdesBundesverbandsThe-aterpädagogikzu25JahrenBundestreffenJugendclubsanTheatern.SieversammeltprägnanteStatementsvonSpielleiter*innen,Dramaturg*innenen, ehemaligenDarsteller*innen,Workshopleiter*innenzuwichtigen ästhetischenAspektenderTheaterarbeitmitJugendlichen:Text,Re-gie, Bühnenraum, Musik, Dramaturgie, Film,Spieler*inundSpiel.SichtbarwirdhiereinsehrreflektierterUmgangderJu-gendclubszenemitdenheutegeläufigentheatralen Formensprachen und künstle-rischen Mitteln.

Was ist „bemerkenswert”?

„...das soll hierWunderland, bitte, dashatte ichmir aber anders vorgestellt.”So schimpfen siebzehn Jugendliche ausLeipzig in derCollage „Wunderland”(YvesHinrichs)nachTextenvonGesineDanckwart.DiefünfjungenAkteureausLübecksindinTinaMüllersStück„FalkmachtkeinAbi“(VincenzTürpe–KnutWinkmann)abwechselndFamilie,FreundeundebendieserFalk.In„FreieSicht”(nacheinemHörspielvonMariusvonMayenburg)zeigtdasJungeEnsemble des BonnerTheatersMara-bu(TinaJücker–ClausOverkamp)dieparanoiden Angstvorstellungen aus der Perspektive einer völlig verunsicherten El-terngeneration.NebendieseneigenwilligenInszenierungenvonGegenwartsdramatikversuchten sich andere JugendclubsmitErfolgangroßenaltenGeschichten:derJugendclub des LandestheatersCoburg(Luca Pauer – PeterMolitor) ließ diegrenzenloseLiebevonTristanundIsolde

aufleben.IneinemszenischenReiseberichtuntertdemTitel„ComingofAge”heftetsich das Berliner Theater an der Parkaue (JoannaPraml)OdysseusandieFersen.IndemTanztheaterstück„Selbstbaukas-ten”zeigtenJugendlichevomDresdenerTheater JungeGeneration (Anke-JennyEngler)dieErgebnisseeinertänzerischenBefragung ihrerKörper-Identität.DerJugendspielclubdes gastgebendenHau-ses(Mai-AnNguyen,FriedrichRößiger)schließlich präsentierte „DasTierreich”vom Autorenduo Nolte Decar. BerkenswertandiesenInszenierungen:dasraffinierteSpielmitderLive-Camera,diemitreißendeMusikalität, einfallsreicherUmgang mit dem Raum und minimalen Requisiten,bildstarkesBewegungstheater,chorischePräzision.Undimmereineen-gagierteAuseinandersetzungmitdem,wasdenJugendlichenunterdenNägelnbrennt.

Das Bundestreffen - eine Er-

folgsgeschichte

1990amThaliaTheaterinHamburggabes das Treffen zum ersten Mal. Damals konntemanJugendcubsanTheaterninWestdeutschlandanzweiHändenabzäh-len.InzwischenistdasTheater,dasvonJugendlichen und nicht nur für Jugendliche gemachtwird,längstausdenKatakomben,KulissenlagernundProberäumenherausge-wachsen,hatheuteselbstverständlichauchindenSpielplänenseinenPlatz,begeistertnichtmehrnurdenKreisdereingeweihtenFansundFreundeundwird,jaendlich,auch in der Theateröffentlichkeit registriert. Bemerkenswertauch,dassmitdieserAr-beitinzwischennichtnurdieKinderder

SechsTageTheaterspielflow: den erleb-tenbeimdiesjährigenBundestreffenvom19.bis24.JanuarinSenftenbergfast200Teilnehmer*innenausganzDeutschlandbei außergewöhnlichen Inszenierungen,Workshops, Aufführungsgesprächen,verrückten Partynächten undwildenSchneeballschlachten.Gastgeber diesesFestivalswar dieNEUEBÜHNE, diedamiteinensehrbeschwingtenAuftaktzudenFeiernihres70.Gründungsjahrespräsentierte.“Bemerkenswert”–aufdiesesPrädikathattesichdieJurydesBundestreffensverständigt,umdiesechsausgewähltenInszenierungenzu kennzeichnen.Alsonicht „herausra-gend“,„professionell“,„richtungsweisend“,„innovativ“undschongarnicht„besonderswertvoll”.MitdiesemPrädikatsolltevonvornhereindeutlichgemachtwerden:esgehtbeiderAuswahlnichtumeinBESTOFderJugendclubszene.Zielistimmer,die Vielfalt der aktuell virulenten The-men, der künstlerischen Mittel und der theaterpädagogischenAnsätzeabzubilden,dieinderTheaterarbeitmitJugendlichenzubeobachtensind.Was aber ist denn nun für die neunJuroren im Jahr 2016 bemerkenswert?„UngeschliffeneRohdiamanten-wennaufeinmalUnpassendesPlatzfindet-essollmirgefährlichwerdenkönnen-essollenHerzensangelegenheiten sein -weniger‘ich?’undmehr‘Welt’,wenigerKlavier,mehr E-Gitarren - Bruchstückhaftes - es soll explodieren - uneitel, ungehobelt,ungehalten,ungekünstelt–berührend...”SolauteneinigederAntwortenderJuro-rendesBundestreffensaufdieFrage:wasbesticht?DieUmfrageistnachzuleseninder„#fest-schrift”(1), einer umfangreichen

Jugendclub Leipzig „Wunderland“ TjG Dresden „Selbstbaukasten“

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Bildungsbürgervongestern,sondernaucheher theaterferne Teile der Gesellschaft wiezumBeispielMigranten,Strafgefan-gene oder Menschen mit Behinderung angesprochenwerden.BeiallererreichtenSensibilisierungfürderenRechtaufkultu-relleTeilhabeistdieWarnungvonThomasLangandieJugendclubszeneaberimmernochaktuell:sichnichtzur„bildungsbür-gerlich-intellektuellen Variante von DSDS fürOberschülerdegradieren”zulassen(2).

KaumeinKennerderSzenewird aller-dings heute noch fragen,was für einenrenommiertenTheaterkritiker 1998 einwichtiges Problemwar: „lassen sich Ju-gendclub-Aufführungen rezensieren?”(3)

DieNotwendigkeit vonKritik steht in-zwischen außer Frage,wohl aberwird(nochzuwenig)darüberdiskutiert,waseinangemessenerMaßstabfürdiebesondereästhetischeQualtiätderTheaterarbeitmitJugendlichen sein könnte. Liegt er in der

„Stimmigkeit,einergelungenenWechsel-wirkungzwischenkünstlerischerIdeeunddensozialenBedingungenderjeweiligenGruppe”,wieUte Pinkert vor kurzemvorgeschlagen hat (4)?ZubeurteilenwäredemnachnichtetwadieFestivaltauglich-keit,sondernobundwie„diekonkretenBedingungender jeweiligenGruppe indentheatralenGestaltungsprozesseinflie-ßenunddieFormgebungbestimmen.”(5)

„Bemerkenswerte 6“ - das 26. Bundestreffen „Jugendclubs an Theatern“:

Theater an der Parkaue „ Coming of Age“

Junges Ensemble Bonn „Freie Sicht“ Jugendclub Coburg „Tristan und Isolde“

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47Magazin

Mit „shortacts” zu neuen Ufern

DassausgerechnetdieAusrichtungdes25.Bundestreffens2014langeZeitunsicherwarundsichfürdasJahr2015danngarkeinAusrichterfindenließ,verweistaufein strukturelles Problem: die knappeFinanzierung des Festivals, die mit der Un-terstützung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nurzueinemDrittelabgesichertist.DerRest muss vom ausrichtenden Haus einge-worbenundmitEigenleistungenbestrittenwerden,eineenormeHerausforderung.DerBundesverbandhatdieZwangspau-seimletztenJahrfüreineselbstkritischeBestandsaufnahme genutzt. In einer Zu-kunftswerkstattwurde untersucht,wassich ändernmuss, damit dieArbeit inden Jugendclubs ihrNiveau hält odermöglichstnochbesserwird.DieErgeb-nissefindensichgebündeltinderbereitserwähnten #fest-schrift.VorallemaberhatdieJurymitdenimSeptember2015amPiccolo-Theater inCottbus aus derTaufegehobenen„shortacts”einFormatentwickelt,dasderTheaterarbeitindenJugendclubsunddemBundestreffenneueWege erschließt.

„WirräumendasFeld”, sohießespro-grammatisch in der Ausschreibung zueinemAngebotandieJugendclubszene,einmal selbst dasHeft in dieHand zunehmen.Zwarsagtman,dasses indenJugendclubsTheatervondenJugendlichengemachtwird.AberoftgenugsetzendadochjungeRegisseureoderTheaterpäd-agogen als Spielleiter ihre künstlerische Handschrift durch.Was passiert,wennmandieJugendlichennunwirklichallesselbstmachenlässt?DasistdieIdeeder„shortacts”:VonderIdeebiszurAuffüh-rung nehmen Jugendliche das Heft in die Hand.SiebewerbensichmiteinemRegie-konzept,ummitzehnDarsteller*inneninachtStundenProbenzeitaufeinerleerenBühneeinemaximal15Minuten langeszenische Präsentation zu entwickeln.Räume,Material und (nur notfalls be-ratende) professionelleCoacheswurdendenSpieler*innenundRegisseur*innenzur Seite gestellt, um die künstlerischen Ideen umzusetzen. „Empörung”,„GenerationGrößenwahn”,„Abschied”, „BrauchtKunstGrenzen?”,„AbhängigkeitundAnpassung”, „MobyDick”, daswaren einige der Stoffe und

Themen, die in den Regiekonzepten der Jugendlichenvorgeschlagenwurden.DieszenischenErgebnisse,dieamEndeeineslangenTages in dichtenPräsentationenzu erlebenwaren,habenalleErwartun-gen übertroffen: sehr körperbetontes,handgreifliches, physischeGrenzen aus-testendesTheaterwardazusehen,aberauchpräziseChoreographienundschrilleKomik(6).DemCharaktereinesexperimen-tellenRegie-Laborsentsprechend,wurdemit allen Festivalteilnehmern ausführlich überjedePräsentationdiskutitert(7). Ein rundumgelungenesExperiment,dassichals vielversprechendeErgänzung zudentraditionellenWorkshopsanbietet.BeimnächstenBundestreffen 2017 bei den„JungenAkteuren”inBremensollendie„shortacts”aufjedenFallindasProgrammeingebundenwerden.Alsobitte„Nicht-schubsen”,dieJugendclubszeneistschoninBewegung.

Anmerkungen:

(1) Bundesverband Theaterpädagogik (Hg.) (2016): #fest-schrift. 25 Jahre Bundestreffen Jugendclubs an Theatern. Köln. Erhältlich bei der Geschäfts-stelle des BuT.

(2) Lang, Thomas (2012): Interest me! Theaterpädagogische Projektarbeit und die „interessierte Öffentlichkeit”. In: Nix, Christoph u.a. (Hg.): Theater-pädagogik. Lektionen 5. Berlin (Theater der Zeit), S. 163.

(3) Jahnke, Martin (1998): Lassen sich Jugendcub-Aufführungen rezensieren? Anmerkungen zum schwierigen Verhältnis von (professioneller) Theater-kritik und theaterpädagogischer Praxis. In: Korrespondenzen. Zeitschrift für Theaterpädagogik 32, 36-46.

(4) Pinkert, Ute (2015): Jugendclubs am Theater – Kartierung eines theaterpädagogischen Formats. http://was-geht-berlin.de/sites/default/files/vortrag_ute_pinkert_jugendclubs_am_theater.pdf (2.2.16), S. 12

(5) ebd.

(6) Eine ausführliche Video-Dokumentation von Erik und Clemens Schiesko unter dem Titel „[2015] Doku shortacts - Ein Theaterexperiment” auf: https://vimeo.com/146393222 (1.2.2016).

(7) Vor allem der Laborcharakter ist ein wichtiger Unterschied zu dem „unart” – Wettbewerb, der seit 2007 alle zwei Jahre in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Dresden stattfindet. Vgl. dazu Scherer, Sigrid u.a. (2015): Forma „unart” – Gespräch über einen künslerischen Jugendwettbewerb. In: Korrespondenzen 66, S. 50 – 54.

„Bemerkenswerte 6“ - das 26. Bundestreffen „Jugendclubs an Theatern“:

Jugendclub Lübeck, „Falk macht kein Abi“ Shortacts 2015, Cottbus

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Theater in Frage stellen Der „Theatercampus“ am Schauspiel Essen rückt die Reflexion von Theater in den Mittelpunkt praktischer Arbeit.

Katharina Feuerhake

Bewegung,Text,Bühnenbild,Versatzstü-cke,Kostüm,Requisite,TonundLicht. AufgabefürdieTeilnehmer*innenwares,diese„Sonne“nachjedemTheaterbesuchmit den konkreten Mitteln der Insze-nierungzufüllen.InderProbeoderimdirektenGesprächnachderVorstellungwurdendieEinzelaufzeichnungendanninderGruppe,oftmitBeteiligtenderjeweili-genInszenierung(Schauspieler*innenundDramaturg*innen),zusammengeführtunddiskutiert.AusdiesenGesprächenfilterteich Interessenschwerpunkte heraus, dieichfürdienächstenProbenaufarbeiteteundmitbrachte: Szenische Improvisati-onsaufgaben(diesichaufInhaltund/oderArbeitsweisebezogenund/odereinenBezugzudenLebensweltenderTeilnehmer*innenherstellten), Materialien, die in den Stücken eine wichtige Rolle spielten, konkre-te Szenenausschnitte zum praktischen NachvollziehenoderFremdtextefüreineWeiterbeschäftigung.SoentstandenSzenen(imFolgenden„Stück-Szenen“genannt),die sich als Zitate, Kommentare oder Wei-terentwicklungenmitdenInhaltenundFormender Stücke auseinandersetzten:u.a.einSprechchorüberdieKritikamStudium auf Basis des Chor-Ansatzes von VolkerLöschs Inszenierung„DieOdys-see“odereineFrustessen-PerformanceaufGrundlagederInszenierung„DieLeidendesjungenWerther“,indersichWertherwährend seines Selbstmord-Monologesmit Essen vollstopft.

DieSzenenwurdeninderGrundanlagevondenTeilnehmer*innenerarbeitet,danningemeinsamerArbeitdurchformaleundinhaltliche Zuspitzungen, Fokussierun-genundÜberhöhungenabgerundet.Vorjeder szenischenEinheit leitete ich eingruppendynamischesBasistrainingsowietheaterpraktischeÜbungen an, die dieTeilnehmer*innenaufdiejeweiligenIn-halteundFormen,mitdeneninderProbeexperimentiertwerdensollte,vorbereiteten. ZusätzlichzurBeschäftigungmitdenkon-kreten Stückinhalten und Theatermitteln spielteindenGesprächenundProbendieallgemeine Auffassung von Theater, und die Frage„wieTheaterzuseinhabe?“,immerwiedereineRolle.EinTeilvertrateherdenAnsatz des Regietheaters, der andere konnte experimentellen,performativenAnsätzenmehrabgewinnen.AußerdemschwangdieReflexionderGesamtsituationeinesThe-aterbesuchsmit:dieBequemlichkeitderSitze,derGeruchdes/derSitznachbar*in,die Reaktionen undGespräche ande-rerZuschauer*innen indenPausenetc. Ichbeobachtetejede/nTeilnehmer*ininallenProzessensehrgenau:WelcheThemeninteressiertensie/ihn?WelchepersönlichenInteressenbrachteer/siemit?WelcheStär-ken?WerübernahmwelcheRolleinderGruppe?DieseBeobachtungenflossenindie konkreten szenischenAufgabenstel-lungen oder in die Stückkonzeption ein.

Seit der Spielzeit 2014/2015 entstehengemeinsam mit Studierenden auf Basis derInszenierungentheatraleReflexionen,die in eine Gesamtinszenierung münden –inderletztenSpielzeitunterdemTitel„Scampisfischen“.

Zur Intention des Projektes//

Startpunkt

AusderÜberzeugungheraus,dassdasThe-atersehenund-reflektiereneinnotwendigesMittelfürdasTheatermachenist,wollteicheinProjektstarten,dasLustaufeineAuseinandersetzung mit Theater macht. Als vorrangige Zielgruppe sind Studieren-de(19-29Jahre)angesprochen,deneneinreflexiver undwissenschaftlicherAnsatzdurchihrStudiumbereitsvertrautist.

Reflexionen durch Proben

erfahrbar machen//

Materialsammlung

BasisallerReflexionenzu„Scampisfischen“istdasanalytischeMittelder„Theaterson-ne“:InderMitteeinesBlattesstehtderTitel des Stückes, von einem Kreis umzo-gen. Von diesem Kreis gehen dann neun Striche(„Strahlen“)ab,anderenEndenjeweilseinTheatermittelsteht:Sprache,

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49Magazin

Reflexionen auf die Bühne

übertragen//Stückkonzeption

und -umsetzung

NachdenerstendreiMonatenhattenwiralso eine Sammlung von Stück-Szenen erarbeitetund stellten fest,dassdieRe-flexionen auf unterschiedlichenEbenengeführtwurden:zumStück,zuTheateran-sichtenallgemeinundzumTheaterbesuchan sich. Hinzu kamen die persönlichen Beobachtungen,die ichzu jederPersongesammelt hatte sowie schriftlicheAus-wertungen derTeilnehmer*innen zumbisherigen Probenstand (u. a. zu denFragen„Washatdirbishergefallen?Wel-cheRolle und/oder Szene hast du amliebstengespielt?Waswürdestdugernenoch ausprobieren oder einbringen?“).

Aus Sichtung des Materials und dem Wunsch,dieReflexionvonTheatertrans-parentzumachen,ohnedabeieineCollagevon Stück-Szenen zu produzieren, ent-stand die die Idee, eine Gruppe zu zeigen

(nämlichden„Theatercampus“),diedemPublikumseineErgebnissemitdenStück-Szenenpräsentierenmöchte, sichdabeiaber immerwieder selbst unterbrichtundkommentiert,bisdieSpieler*innenschließlichinStreitüberihreeigeneAuf-führung geraten unddiese „sprengen“.Der Wandel von Struktur zu Chaos sollte sichauchimBühnenbildwiderspiegeln:Esbestehtanfangsausfünfordentlichan-einandergereihten Tischen, hinter denen zehnnebeneinandergereihteStühle(fürdiezehnDarsteller*innen)stehen,diewährendder Inszenierung nach und nach ihre An-ordnungverlieren.EinTeilderRückwandderBühneistmiteinergroßenFlächeausPackpapier verkleidet, die sichwährendderAufführungmitder„Theatersonne“sowieweiterenDefinitionenund Ideenfüllt (am Anfang noch sehr geordnet, am EndeüberlappensichverschiedeneSkiz-zen,Definitionen fallen ab etc.).Diesevisuell-illustrierendeEbenewirddurcheinkleinesTheaterlexikonmitalleninderIn-szenierungverwendetenTheaterbegriffen,dasdemProgrammheftbeiliegt,ergänzt.

DieHerausforderung bei der Stück-entwicklung lag in den permanentenWechseln der verschiedenen Ebenen:Stück-Szenen,Kommentar-Szenensowievermeintliche Spontan-Szenen (die mit der„Sprengung“desStückesbeginnen).DazubedurfteesklarerformalerSetzun-gen (z.B.ZeichenderDarsteller*innenzumÜbergangder Szenen) sowie einerEntwicklung differenzierterHaltungenfürjedeEbene.Dabeihalfes,dassjede/rDarsteller*in,ausgehendvonseinen/ihrenInteressenundStärkensowiederRolleinderGruppe,eineAufgabebekam,dieau-ßerhalbderStück-Szenenzuerfüllenwar.UnteranderemgibteseineFigur,diedasStückständigunterbricht,weilesihrzuperformativistodersiedurchsetzenwill,dassjede/reinenRollennamenbekommt(„zumSchutz jedesEinzelnen“).DieseAnlage gipfelt darin, dass sie versucht, der Aufführung durch ein Live-Harfenspiel mehr„Klassik“zuverleihen.HiergriffenwirdieschonindenProbenthematisier-tenunterschiedlichenTheaterbilder(die„Experimentellen“versusdie„Klassiker“)

Theater in Frage stellen

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auf. Diese Situation führt dann schließlich zueiner„Unterbrechung“derVorstellung,nachdemdasEnsemblevermeintlichspon-tanbeschließt,nichtmehrweiterspielenzuwollen,sondernersteinmal„eineRundezuchillen“,schließlich„dürftenLaienjascheitern“.AusdenvorangegangenBeschreibungenundZitatengehthervor,dasswirversuchthaben,mitTheaterkonventionenundver-meintlichenRegelntheaterpädagogischer

ArbeitdurcheineüberhöhteDarstellunghumorvoll umzugehen. So ist es vielleicht auchnichtverwunderlich,dassdieInsze-nierungmiteinem„Striptease“endet.NacheinemMonologüberdieeigeneErfahrungmitLangeweileimTheaterkommendieSpieler*innenzumSchluss,dassdieAuf-führung nur noch durch Nacktheit zu rettensei.DieshättejaschließlichbeidemSchauspielerausdemLangeweile-Berichtauchfunktioniert.(EbenfallseinThemain

Reflexionsmöglichkeit auch für

das Publikum?// Weiterführen-

de Gedanken

DieInszenierungwurdeimRahmendesFestivals„SpielschauEssen“(FestivalzurPräsentation derTheaterlabor-Projekte

denProben:Wannistesokay,wennsichSchauspieler*innenaufderBühneauszie-hen?)DieSpieler*innenverlassenalsodieBühne. Und treten mit mehrfachen Lagen KleidungundeinerChoreografiezudemSong„SweetDreams“wiederauf.Obundwieweitsiesichdannwirklichausziehen,bleibtderInterpretationderLeserin/desLesersdiesesArtikelsselbstüberlassen.

amSchauspielEssen)vom8.bis10.Mai2015undbeimUnruhr-Festival(Festivalder Jugendtheatergruppen im Ruhrge-biet) am6. Juni 2015 aufgeführt sowiezumTheaterfestimAugust2015wiederaufgenommen. Bei der Bundestagung Theaterpädagogik übertrugenwir dieMethoden von „Scampis fischen“ aufdieInszenierung„DerGastistGott“des

Grips-Theaters.ImNachgesprächzuun-sererkurzentheatralenReflexionwurdenfrühereÜberlegungen, dieseMethodenalsImpulsefürPublikumsgesprächeoderpraktische Einführungen für Schulklassen zunutzen,bekräftigt.DieseIdeenwerdenimHinblick auf neue Formate für dienächsteSpielzeitmitgedacht.

Theater in Frage stellen

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Bedenkenswertes zur Durchführung von Erzähl-Cafés

Gerd Koch

Erzähl-CaféshabenihrenZweckzuersteinmal inderTatsache ihrerpurenPrä-senzalskleineStättendesunmittelbarenAustausches vonMenschen, etwa vonKolleginnen und Kollegen, Theaterma-cherinnen und -machern.DabeiwerdenneueDokumentegeschaf-fen(sieheZeitzeugen-Erzählungen),neueFragestellungen generiert (Alltags-und Mentalitätsdimensionen) – alles in derFormvonlebendigemWissen.Erzähl-Cafés sind in zweierleiHinsichtanschlussfähig: einmal an die typische,informelle Kommunikations-Kultur von Kaffee-Häusern traditionellerArt.UndzumanderenaneineMethodederqua-litativenSozialforschung,nämlichandaslebensgeschichtliche,erzählende(narrati-ve)Interview:

„Das Kaffeehaus ist eine pla-

tonische Akademie“ (Claudio

Magris)

„IndieserAkademiewirdnichtsgelehrt,abermanlerntGeselligkeitundErnüchte-rung.Mankannplaudern,erzählen,doches ist nicht möglich zu predigen, Versamm-lungenabzuhalten,Unterrichtzuerteilen.JederanseinemTischistdemNachbarnzugleichnahundfern…AndiesenTi-schen ist es nicht möglich, Schulen zu begründen,Lagerzubilden,AnhängerundNacheifererzumobilisieren,eineGefolg-schaftzurekrutieren…AndiesemOrt…ist kein Platz für die falschen Meister, die mit falschen Erlösungsverheißungen den verführen,dervoneinemängstlichenundunbestimmtenVerlangennachmüheloserundunmittelbarerErlösung erfüllt ist.“(Magris2004:17)

Der drei-schrittige Ablauf eines

Erzähl-Cafés – angeregt durch

die Methode des narrativen,

biographischen Interviews

AmAnfangdesErzählterminssollte ichdemPublikumund derErzählerin dieSpielregeln des heutigen Tages und den dreischrittigenAbkauf bekanntmachen.Schritt1:DieErzählung,inderderEr-

zählende/dieErzählende(meistaufgrundeinesverabredetenErzählimpulses)seine/ihreErzähl(ungs)gestaltperformiert–oh-neUnterbrechungundKommentierungseitens Moderation und Zuhörerschaft. Von der Form und dem Inhalt der Ein-zigartigkeitgeradedieserErzählunggehtallesweitereaus!Schritt 2:Das ist dieNachfragephaseseitens der Moderation nur aus dem Er-zähl-Materialheraus:immerganznahan/inderErzählung(gewissermaßen:Ver-ständnisfragen).Schritt3:ImErzähl-Caféwirdnunüber-geleitet in eine gewissermaßen offenePhase.Jetztkanndasbehandeltwerden–möglichstinerzählenderForm–,wasder/dieInterviewtevonsichausnichtange-sprochenhat,wasaberderinteressiertenZuhörerschaft,diesichnunbeteiligt,be-deutsamundwissenswerterscheint.HierdarfüberdasErzählte/dasebenGehörtehinausgegangenwerden.ErfahrungenmitErzähl-Cafés(vgl.Koch/Schmidt/Weßeling2006)habengezeigt,dassvordem3.SchritteineunterbrechendePausewichtig sein kann– zurNeustif-tungvonKonzentrationund/oderzurErmöglichungdessen,wasauchineinemCafémöglichist,nämlichamKaffeehaus-Tischen untereinander in einen small talk (auch ‚Tratschen‘ genannt) zu kommen= beiKaffee undTee eine subjektnaheTransformation/AneignungdessoebenErlebtenundGehörtenzuermöglichen.Am Tisch geschieht dann manchmal so etwaswieeinkleines,spontanesErzähl-Café:denndievorherigenSchrittehabenderZuhörerschaftihrerseitsErzähl-Stimuligegeben,dienunzurAus-bzw.Aufführungdrängen.Vielleicht entstehtdaraus eineVerabredungfüreinneuesErzähl-Café...(ParalleldazukannauchzwischenMode-rationundErzählereinsogenanntersmalltalküberdasebenStattgehabtefolgen.)

Vielfältige personale Anforde-

rungen an die Moderation

Ich alsModerator /Moderatorinmusspräsent(undpsychischundintellektuell)undgutbeisammensein.Icherbringeeineservice-Leistung,habedie-nende,nichtselbst-darstellendeFunktion.

Ich achte auf die methodische Durchfüh-rungundschützedadurchdieerzählendePerson.Ichsolltenichtvergessen,michzubedan-kenfürGesprächsbeiträge.Dem Gast muss ich mich (körperlich und mental)sympathischzuwenden(können).Manchmal sitze ich mit dem Rücken zu Teilendessog.Publikums,umdichtbeimErzähler / bei derErzählerin / bei denErzählerInnenseinzukönnen.DieSitz-haltungmussgewechseltwerden(können).Mit einer eventuellen Co-Moderatorin (wasmanchmal zu empfehlen ist)mussichmichverständigen,vorherabsprechenundwährendderDurchführungderEr-zählungundModerationinKontaktsein.Augenkontaktistzupflegen.Wirmüssenunsabsprechen:lockerregeln,werwanndranseinkann;welcheSignalegeltenfürwas?Wiekannmansichauseinereven-tuellenkommunikativenNotlagebefreien(lassen durch die Co-Moderation), ohne sichblamiertzufühlen?KannmichmeinCo-Moderator spiegeln –wenn ja,wieerkenne ich, dass er es tut?AbsprachensolltengetroffenwerdenauchimHinblickauf körpersprachliche Signale. Weiteres: Ist es nützlich,mit derCo-Moderatorin im Vorfeld ein Rollenspiel zumachen, umdieErzählsituation zusimulieren?Sollte ichmich selberdabeiprobehalberindieSituationeinerErzäh-lerinbegeben?Wichtigist,soetwasruhigundprofessionellzumachen.Abereskannauchentkrampfendsein,wennmaninderWeise ‚spielt’, dassmankurz vor seinerÄußerungsagt:‚IchsprechejetztmalalsErzählerin’oder‚Ichspringejetztwiederin die Rolle der Moderatorin’. Die Part-nerin muss dann schnell darauf reagieren. Bitteimmerbedenken:So,wieetwasge-übtwurde,wirdes(undsolltees)imsog.Realfallnichtsein.InsofernhatdasÜbenimVorfeldimmeretwasSpielerisches,isteine Simulation und hat den Charakter des ‚Alsob’oderdes‚es-geht-so-und-Anders’.DasPublikummussichimBlickundGe-fühlhaben;dennichbinauchAnwaltdesPublikums,binauchTeildavon.AuchsollichdasPublikumzurBeteiligungermun-ternkönnen:Wiesprecheichesan,wieleiteichevtl.übervomErzähltischzudenPublikumsplätzen?Steheichauf,wennich

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52 Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 2016

michdemPublikumzuwendenwill?Tre-teichinsFeldderSitzplätzederBesucherund‚verlasse‘dieErzählerin?

Ich muss Impulse aufnehmen können und dieFädenaufgreifenundzumErzähler/zurErzählerinhinspinnen.MeineAufmerk-samkeit muss dem Ganzen des Geschehens dienen (können). Ichmussnichtnurdersozialenundäs-thetischen Kommunikation folgen. Ich mussauchdemInhaltderErzählungge-wachsensein,mussdemoffenGesagtenneugierigfolgenkönnen,aberauchdenunterschwelligenGefühlsebenen.DasempfehlenswerteVorgesprächmitderErzählerin dient nicht nur der sozialenund inhaltlichenAnbahnung, sondernsollteebensodafürgenutztwerden,eineemotionaleVerbindungherzustellenbzw.sich auch damit vertraut zu machen. Das bedeutet,dassauchichalsModeratorinmichteilweiseöffne,z.B.indemichmichverwundertzeige,neugierigbinoderauchetwasvonmirerzähle/preisgebe.Manch-malnenntmandas nicht ganz richtig:Echt-Sein. Zu erinnern ist an eine Erfahrung aus der professionellen Durchführung von Presse-, Rundfunk-oderFernsehinterviews:Nichtzu viel vorab ansprechen – denndabeikannderReizdesErzählens/BerichtensundderdesneugierigenFragensabhan-denkommen.WenneinVorgesprächzuumfangreichwird,bestehtdieGefahr,dasseineArt‚Geheimwissen’zwischenErzäh-lerinundModerationentsteht,währendesdochdarumgeht,im‚Hier-und-Jetzt’der Erzähl-Café-SituationErzählungenundeventuellgeradejetztneuePassagenzuentwickeln.InallenFällengiltes,denKontext,indemdasErzähl-Cafésteht,zuwürdigenbzw.sichaufdemLaufendenzuhalten,umetwaauchgeschichtlicheErzäh-lungenandasHeuteanbindenzukönnen.Ähnlichgünstigkannessein,sichetwas

mitdengeographischenLebenshintergrün-denderErzählerin vertraut gemacht zuhaben(odermanbekenntsichöffentlichals‚ganzdumm‘indieserHinsicht,manspieltdamit,mankokettiert…).DieErzählsituationsolldurchRespekt,aberauchdurcheinegewisseVergnüglichkeit,Leichtigkeit gekennzeichnet sein. Unter-haltung soll gestiftet undVerbissenheitsolltevermiedenwerden.Lebensgeschichtliches, auch berufsge-schichtliches,Spielerfahrungs-Erzählenisteineoffene,etwasandereArtderKommu-nikationalsz.B.eineAnalyse.ErzählenwillDetailsvermittelnundnichtunbedingteinen roten Faden spinnen. Manches kann manschönerzählen,abernochnichtaufdenPunktbringen.ErzählenundErin-nernundZuhörenpassen– schwebend– zusammen.Bewertungen sind sichergar nicht das Wichtige.

Einladung von ErzählerInnen

Amkonzentriertestenwirdessein,nureinePersonjeweilsbeimCafé-Terminzuhaben.Oderhöchstens2,3Personen…wobeidannalleaneinemErzähl-Tischsitzen.

PublikumDasPublikumsolltesichindreierleiHin-sichtalseinaktivesPublikumbeteiligenkönnen:a) alsFragesteller,dereinweiteresErzäh-lenundErinnernanregt–beiErzählerwiebeimPublikum.

b) Dabei kann es gut sein,wennmanselbstetwaserzählt.

c) DasPublikumistzugleichMitveran-stalter–etwadurchseineerzählendenGesprächsbeiträge.Mandenkedaran,wieesimKaffee-oderWirtshausist:Manhört somancheGespräche anNebentischenmit…

RaumgestaltungDerSitzplatzmitderErzählerinkannet-washervorgehobenwerden(durchLicht,Podest,LageimRaum)–abernichtbe-sonders. Auf den nicht symmetrisch platziertenTischen (man sitzt nicht in Bank- oder Stuhlreihen) können Kerzen oder Blumen sein,aucheinTellermitKeksenoderObstund evtl. schon Tassen, Wasser, Thermos-kannen.WährenddesTerminsschauen,obKaffeeetc.nachgeschenktwerdenmuss;werübernimmtdas?Auf den Tischen könnten auch Zettel (Postkartenformat) ausliegen, die den Gast nennen, auch die Moderation und einen eventuellnächstenErzähl-Café-Termin.

„Sagen lassen sich die Menschen nichts, aber erzählen lassen sie sich alles“ [Bernard von Brentano (1901 – 1964), Romanautor, Dramatiker, Journalist]EinErzähl-CafékanndasIntimemitdemÖffentlichenkommunikativ-sensibelver-binden.AuchisteseinkonzentriertesunddezentriertesVerfahrenzugleich.Erzähl-Cafés sind inderLage,dasWissenvonMenschenlebendigananderezuvermit-teln.Und:Währendicherzähle,sprecheich–auch–zumir.

Literatur

Flick,Uwe(2009):Sozialforschung.MethodenundAnwendungen. EinÜberblickfür die BA-Studiengänge.ReinbekbeiHamburg.

Gieschler,Sabine/Lange,Andreas(1991):DasErzähl-Café-LesebuchI.DieWeddin-ger Themen. Berlin.

Hentschel,Ulrike /Mattenklott,Gundel(2009): Erzählen.Narrative Spurenin den Künsten. Uckerland.

Koch,Gerd (1992):ZurMethode des nar-rativen Interviews, in:Marlis Jeske,

BerndRuping,EckardSchöller(Hrsg.):Geschichte(n)derTheaterpädagogik.Zwischen Anspruch, LegitimationundPraxis. Lingen (BundesverbandTheaterpädagogik, LandesverbandSpiel und Theater in Niedersachsen), S.166–172.

Koch,Gerd/Schmidt,Birger/Weßeling,Ste-phan(2006):ErzählCafés.Einrichtungnarrativer & szenischer Situationen im FeldeeinerHochschule.In:Steinweg,Reiner(Hg.inZusammenarbeitmit

GerdKoch):Erzählen,wasichnichtweiß.Uckerland.

Koch,Gerd (2015): Erzählcafé, in:ReginaRätz,BettinaVölter(Hrsg.):Wörter-buchRekonstruktive SozialeArbeit.Opladen,Berlin,Toronto,S.58–60.

Magris,Claudio(2004):DieWeltengrosundendétail.München.

Sieder,Reinhard (2004):DieRückkehr desSubjekts in denKulturwissenschaf-ten. Wien.

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53Nachlese

THEATER UND EIGENSINN – eine freundschaftliche Perspektive

Manfred Schewe

undberichtetvoneinemErlebnis,dasseinganzesLebenent-scheidendbeeinflussensollte.InderTheatergruppeseinerSchulekameszueinemWettstreitzwischenihmundeinemanderenTeilnehmerumdasRecht,einbestimmtesGedichtvorzutragen.

“… ich war der Unterlegene, und zwar da, wo es für mich zähl-te, und fühlte mich dementsprechend. Aber seltsamerweise nicht geschwächt, nicht entmutigt. Im Gegenteil: ein überraschend näh-render, zukunftsorientierter Trotz erhob sich aus meinem Versagen, eine Gewissheit, dass ich etwas gefunden hatte, was mir die größte Befriedigung und meinem Leben vielleicht sogar eine Richtung gab. … Ich setzte fort, was mir, wieder und wieder, das Glück und das Abenteuer der Selbsterweiterung bescherte, den Dienst am Wort, dem dichterischen Wort, mit den begrenzten Mitteln, die mir zur Verfügung stehen—Stimme, Einsicht, Vorstellungsvermögen. Ge-dichte und Geschichten zu lesen und vorzutragen wurde zum roten Faden, der durch mein gesamtes Leben lief und es vielleicht sogar vor dem Auseinanderfallen bewahrt hat. ... Der Faden half mir sogar, über die Kluft zwischen zwei Ländern, zwei Kulturen, zwei Sprachen zu kommen” (2).

Von1959bis 1962 absolviertePeter Jankowsky sein Schau-spielstudiumanderMaxReinhardt-SchuleinBerlin.EsfolgtenerfüllteBerufsjahreanTheaterninHannover,CuxhavenundKiel.

Aberinden1970erJahrenkehrteerdemBerufstheaterdenRü-cken.Warum?ErseizueigenbrötlerischfürdasTheater,tiefvonderproduktivenKraftderEinsamkeitüberzeugtgewesen—sodiePerspektivedesirischenSchriftstellersBrianLynch,dermitPeterJankowskyu.a.Celan-GedichteinsEnglischeübersetzte.

Peter Jankowskywar auf seinenReisendurchdas Irlandder50erund60erJahre—ähnlichwieHeinrichBöll—zumgroßenLiebhaberdiesesLandesgewordenundbefandsichscheinbarzurrichtigenZeitamrichtigenOrt.AmGoetheInstitutDublinwurdeihminden70erJahreneineStelleimBereichderSprach-,Literatur-undKulturvermittlungangeboten.

DiesesBeispieleinesTheaterprofis,derkeineBerührungsproble-memitderPädagogikhatte,sonderninihreinneuesZuhausesuchte,findeich—vordemHintergrundvonoftkontroversge-führtenDiskussionenüberdasVerhältniszwischenPädagogikundTheaterkunst—rechtbemerkenswert.InseinemneuenberuflichenUmfeldblieberbiszuseinerPen-sionierungtätigundschafftesichimLaufederJahreRäume,indenen er seinen gelegentlichen Heißhunger nach Theater stillen konnte,letztmaligimMai2014,alsinCorkeineKonferenzzumThema Performatives Lehren, Lernen und Forschen stattfand. (3)

NACHLESEzu Heft 67 „Theater-Pädagogik & Eigensinn“

Wennjemand,derinDublinlebtundeineSolo-PerformancevoruniversitäremPublikuminCorkplant,sichzurVorberei-tungseinesAuftrittsaneinenganzbestimmtenOrtinBerlin(Schöneberg)begibt—das ist schoneineetwaseigensinnigeUnternehmung,oder? “AlsichdenWinter1801inM...zubrachte,trafichdaselbsteinesAbends,ineinemöffentlichenGarten…”—

so beginnt derText, denmein FreundPeter Jankowsky imKleistparkvorsichhinspricht.Ichstellemirvor,wieerindie-semöffentlichenBerlinerGartenbedächtigseineRundengehtund—amWegesrandoderaneinerdergroßenBuchen—hinundwiederverharrt,umeineGesteodereinezudiesemTextpassendeBewegungzuproben.

“JedeBewegung,sagteer,hätteeinenSchwerpunkt;eswärege-nug,diesen,indemInnernderFigur,zuregieren;dieGlieder,welchenichtsalsPendelwären,folgten,ohneirgendeinZutun,aufeinemechanischeWeisevonselbst.”

Jogger,SpaziergängeroderauchdieumihrPicknickimGrassitzenden türkischen Frauen und Kinder schnappen einzelne WörteroderSätze auf,wundern sichvermutlichüberdiesenälterenHerrnimirischenWollpullover.

In denBerlinerTagenwirdPeter sich intensivstmitKleistsÜberdasMarionettentheater(1810)(1) auseinandersetzen und jedemWort(etwa‘Rapier’oder‘vismotrix’),jedemPunktundKomma,dasdieser außerordentlich sprachmächtigedeutscheDichtergesetzthat,eigenenSinnverleihen—umàlaKleistdenSchwerpunktzufinden,vonwoaus“Ebenmaß,Beweglichkeit,Leichtigkeit”imSpielerstmöglichwird.

EineWochespäteranderUniversitätCork.

WiebeiähnlichenVeranstaltungeninvergangenenJahren(Heine-,Kafka-oderGrimmelshausen-Abende)klebendieGermanistik-StudierendenandenLippendiesesSchauspielers;siesindsichtlichbewegtvomRhythmus,indemerspricht,vomKlangderWörterundderMelodiederSätze.Augenblick,verweiledoch…dennsowundervollschönistsie,diedeutscheSprache.

EigensinninderBedeutungvonTrotzwarscheinbarandemTagimSpiel,alsderHermannHesse-GymnasialschülerPeterJankowskyerkannte,dassfürihnderWegindieSchauspielkunstderrichtigesei.IneinemautobiografischenTextmitdemTitelNiederlage mit Folgen geht er in seine Teenager-Jahre zurück

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201654

PeterJankowsky,mitdemichbereitsöfterundimmergerneinProjektenzusammengearbeitethatte,schlugvor,aneinemderKonferenzabendealsSolo-Performeraufzutreten.

Ichhatte leichteZweifel, ob seinVorhaben,unterdemTitelLifeand/orDeath—AClassicCaseimCorkerGranaryTheatredie volle Verteidigungsrede des Sokrates zu halten, im Rahmen dieserKonferenzeineguteIdeesei.Aberichspürte,dassesihmeingroßesAnliegenwar,alsSokratesaufzutretenunddieRollezuspielen,mitdererseineseineKarrierealsRezitatorbegon-nen hatte.

LeiseAhnungenhatteichbereitsbeidergemeinsamenPlanung,abererstjetzt,imRückblick,gibtesfürmichkeinenZweifeldar-an,dassPeterJankowskymitdieserPerformance(endendmitdenWorten:„Jedoch—esistZeit,daßwirgehen:ich,umzusterben,undihr,umzuleben.”)seinLebenganzbewusstabgerundethat.

EsgibteinYouTube-VideovonseinemAuftritt.(4)DaraufwurdeletzthinzufälligeineinDeutschlandlebendeIrinaufmerksam.Alsichihrzurückschrieb,dassereinVierteljahrnachderKon-ferenzplötzlichverstorbensei,antwortetesie,dassdieservomTheatergeprägtePädagoge“derbeste,derunterhaltsamste,derscharfsinnigsteLehrer”gewesen,densiejegehabthätte.Undsieergänztenoch:

„beiMinute9:30herum,woerüberdenTodspricht,hatteichdasGefühl:ErsprichtüberseineeigeneHaltung”.

PeterJankowskylebte(eigensinnig)ohneAuto,Internet,Mo-biltelefonundFernsehen.ImRückzugvonderReizflutunserermodernenWeltgelangihmimmerwiederdieBesinnungaufdasEigene.EinebesondereFähigkeit—vielleichtderSchlüsselfürherausragendeLeistungeninTheaterundPädagogik?

Am Ende meines Erinnerungsspaziergangs durch den Kleistpark kommeichaneineReihevonSäulen,dieeinstmalsschwereLasttrugen.InihrerNäheisteineTafelangebracht:

„In diesemGebäude tagte der berüchtigteVolksgerichtshof,derhierdieUrteilegegendieWiderstandskämpferdes20.Juli1944fällte.”

DieKriegs-undNachkriegszeithatPeterJankowskyunweitvondiesemParkinBerlinerlebtundinsehrberührendenautobio-grafischenErzählungenfestgehalten.ErschriebsiefürIrlands

nationalen Radiosender (RTE)(5), unter dessen Hörern eine re-gelrechteP.J.-Fangemeindeentstand.DieArtundWeise,wieeranhand eigener Erfahrungen die Geschichte seiner Stadt und seinesLandesnahebrachte,wareinzigartig.

Peter Jankowskywäre ein idealerGesprächspartner gewesen,umdasThemaEigensinn—übereinepersönlicheEbenehin-aus—auseinerweiteren,geschichtsphilosophischenPerspektivezubetrachten.Ichstellemirvor,wieerinseinergeliebtenirischenTageszeitungblättertundmitwachemInteresseeinenKommentarübereinerelativ neue, etwa400seitigeVeröffentlichungmit demTitelHistoryandObstinacyliest.(6)SofortkommenihmdabeiÜber-legungenwie:Wasistmit‘obstinacy’genaugemeint?EtwaeineArtvon‘EnergiedesWiderständigenimVerlaufeunserereuro-päischenGeschichte?Weltgeschichte?Menschheitsgeschichte?Ist‘obstinacy’überhaupteinetreffendeÜbersetzung?ErschautnochmalsaufdieStellemitdemVerweisaufdenTitelderetwa1200seitigenOriginalfassung:GeschichteundEigensinn.(7)—MeinFreundPeterJankowsky,denkeich,nimmtsichvor,indennächstenTagensorgfältigzuprüfen,wasOskarNegtundAlexanderKlugegenauunterdiesemWort verstehen:Eigen-sinn?!PeterJankowskyverkörperteihnexemplarischinseinerberuflichenundLebens-Haltung.

Peter Jankowsky in der Rolle von FATHER WISE in einer Aufführung von Cork’s World Theatre (2010)

Anmerkungen

(1) Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater. http://gutenberg.spiegel.de/buch*593/1 –15.02.2016.

(2) Der volle Text kann unter folgendem Link eingesehen werden: http://research.ucc.ie/scenario/2008/01/jankowsky/01/de - 29.5.2015. Der Mitschüler, auf den sich P. Jankowsky bezieht, dürfte vielen Lesern dieser Zeitschrift bekannt sein: Klaus Hoffmann, der in der deutschen Theaterpädagogik nach wie vor wichtige Akzente setzt.

(3) Die Konferenz wurde im SCENARIO Archiv dokumentiert unter: http://www.ucc.ie/en/scenario/scenarioarchive/. Ein bilingualer Konferenzband mit den Plenarbeiträgen (Fleming, Lutzker, Sambanis, Vassen) wird 2016 im Schibri Verlag erscheinen.

(4) https://www.youtube.com/watch?v=d5GSqypyjxE – 1. Juni 2015.

(5) Peter Jankowsky (2000): Myself Passing Myself by–a memoir in moments. Dublin: New Island.

(6) Alexander Kluge & Oskar Negt (2014): History and Obstinacy. New York: Zone Books. Edited with an introduction by Devin Fore. Translated by Richard Langston with Cyrus Shahan, Martin Brady, Helen Hughes, Joel Golb.

(7) Oskar Negt & Alexander Kluge (1981): Geschichte und Eigensinn. Frankfurt: Zweitausendundeins.

THEATER UND EIGENSINN – eine freundschaftliche Perspektive

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55Nachlese

Theater und Eigensinn – Alexander Kluges „Umwege zum Realismus“

Florian Vaßen

anunwahrscheinlichen,glücklichenFällenaufbewahrenswert,erzählenswertist.DasistnichtdasselbewieSchuleunddasGe-genteilvonWissenschaft.[…]DieeineSäuleistspielerischundbedeutetBefreiungvonSinnzwang,dieanderebedeutetReka-pitulation,dieernsteBemühung,etwaszusammenzufügen,waszusammengehört,zumBeispielRhythmusplusGedanken,MusikplusWissenschaft.UndschließlichdiedritteSäule:DasistdasTheateralsKampfeinheit.DieseSäuleläuftGefahr,sofortdieSäuleNummereinszuinstrumentalisierenundaufSäuleNum-merzweizuverzichten.“KlugemodifiziertunderweitertdiesesBildvondendreiSäulensogleichdurchmöglicheweitereSäulenin„Keller[…]DachundNebengeschosse(n)“undresümiert:„DiesedreiSäulen[…]sinddasjenige,wasmanimGleichge-wichthaltensollteundzwischendenenmanwechselnkann.“(1)Der„AnspruchaufEigenes“undder„VersuchvonderPersonundihrerbesonderenPotentialitätausgehendzuhandeln“,verbundenmit dem Sinn, den Sinnen und der Sinnlichkeit des Eigensinns als einDritteszwischen„HerrschaftundWiderstand“,umnochmalsausdemEditorialzuzitieren,materialisiertsichinbesonderemMaßeimTheater-undSpiel-Prozessals„Phantasietätigkeit“und„Schwingungen“,wieAlexanderKlugeesnennt.AlexanderKlu-gesÜberlegungenzuTheater-Praxisals„Eigensinn“,Erinnern,AufbewahrenundZusammenfügensowieKampfkönnenunszumWeiter-DenkenundWeiter-Probierenanregen.

„TheateralsästhetischesMateriallebtvomEigensinn,undimTheaterwerdenSelbstbilderundFremdbilderalsErprobungvonSelbstbestimmung,SelbstfürsorgeundSelbstermächtigunginderVerschränkungmitanderenundderenEigensinnentworfen.“Dabeibestehen„sehrunterschiedlicheSichtweisen–Eigensinnaus der Perspektive von Autor_innen, von Theatermacher_innen, Schauspieler_innenundSpielendensowievonZuschauer_in-nen.“SoformuliertenGerdKochundichimEditorial„Theater–Pädagogik&Eigensinn“vonH.67dieserZeitschrift.UnsereIntentionwares,„Eigensinn“,einBegriff,derseitNegt/KlugesBuch„GeschichteundEigensinn“von1981immervonBedeu-tungwar,aberdochüberJahreeherverdecktbliebundsubversivgewirkthat,fürdenTheater-ProzessfruchtbarzumachenunddieDiskussiondazuneuzubeleben.Wiewichtig „Eigensinn“ ist, zeigen nicht nur die aktuellefranzösischeundenglischeÜbersetzungvon„GeschichteundEigensinn“,auchKlugeselbsthatvorkurzemineinemGesprächmitNicoleGronemeyerin„TheaterderZeit“EigensinnundTheatererneutzusammengedacht:„DasTheateristindreierleiHinsichttätig:Erstensistesfähig,einenBeitragzumnotwen-digenEigensinnzuleisten.EsgibtdemEigensinn,indemsichderMenschbewegt,eineSchwingunghinzu.WirbrauchendenTheaterabendzuunseremLeben.TheaterhatdieFunktion,derPhantasietätigkeiteinenTempelzugeben.ZweitenshatesdieFunktion,diediewichtigsteist,nämlichzumemorieren,was

Anmerkung

(1) Tschukowskis Telefon. Umwege zum Realismus. Alexander Kluge im Gespräch mit Nicole Gronemeyer. In: Theater der Zeit (2015), H. 12, S. 18.

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201656

FOTONACHWEISE

Umschlag „23PflegekinderraubenDirdenSchlaf“–P14-VolksbühneBerlin A.SimonowSeite4: Theater,undwie!?Berlin2015 B.NicklSeite5: Theater,undwie!?Berlin2015 U.BehnenSeite6: Theater,undwie!?Berlin2015 B.NicklSeite6: Theater,undwie!?Berlin2015 U.BehnenSeite9: Tempusfugit:neuerTheaterSaal TempusfugitSeite15: Theater,undwie!?Berlin2015 U.BehnenSeite16: Blumen M.PickSeite18: Forumtheater„Zukunftsmusik“ T.BaumannSeite19: IfanTWien:Zweig-PerformanceimTheatermuseum J.MüllerSeite19: IfanTWien:Zweig-PerformanceimTheatermuseum J.MüllerSeite19: IfanTWien:Zweig-PerformanceimTheatermuseum J.MüllerSeite21: GrafikImageKlahn A.KlahnSeite23: Wildwechsel-Moderation H.SowinskiSeite24: GrafikGrazWorldcafé L.HippeSeite25: GrafikRRL BuTSeite26: TempusfugitLörrach TempusfugitSeite28: Meyer„ProberaumLeben“ D.KüsterSeite28: Meyer„ProberaumLeben“ D.KüsterSeite30: „Liebeinklusiv“Berlin F.JentschSeite30: „Liebeinklusiv“Berlin F.JentschSeite31: Meyer„ProberaumLeben“ D.KüsterSeite32: MehrDrama,Baby2015:„Burgschauspieler“Landstuhl GillenSeite33: MehrDrama,Baby2015:Theater-undSpielberatungHeidelberg P.BösselmannSeite33: MehrDrama,Baby2015:JugendclubTheaterHagen K.LefebvreSeite34: MehrDrama,Baby2015:JugendclubPiccolo-TheaterCottbus„DerRaum“ M.HelbigSeite34: MehrDrama,Baby2015:JugendclubPiccolo-TheaterCottbus„DerRaum“ M.HelbigSeite35: MehrDrama,Baby2015:TheaterfürjungesPublikumLinz C.HodanekSeite35: MehrDrama,Baby2015:TheaterfürjungesPublikumLinz C.HodanekSeite39: VomschönenSchein S.K.BollmannSeite40: „Anstecken“W-Installation U.JenniSeite41: Gedeck-Installation U.JenniSeite42: Speisekarte U.JenniSeite42: Pinwand1 U.JenniSeite44: WildwechselRaum1 H.SowinskiSeite44: WildwechselRaum2hoch H.SowinskiSeite45: TjGDresden„Selbstbaukasten“ D.GroßmannSeite45: JugendclubLeipzig„Wunderland“ R.ArnoldSeite46: TheateranderParkaueBerlin„ComingofAge...“ C.BrackwitzSeite46: JungesEnsembleBonn„FreieSicht“ U.KaufmannSeite46: JugendclubCoburg„TristanundIsolde“ A.KremperSeite47: „Shortacts2015“Cottbus M.PickSeite47: JugendclubLübeck„FalkmachtkeinAbi“ U.K.NeelsenSeite48: „Sacmpisfischen“Gesamt D.KüsterSeite48: „Scampisfischen“Nervchor D.KüsterSeite49: „Sacmpisfischen“Chaos D.KüsterSeite50: „Sacmpisfischen“Striptease D.KüsterSeite52: G.Kochmoderiert B.NicklSeite54: PeterJankowskyinderRollevon„FatherWise“-Cork‘sWorldTheatre2010 S.KochSeite58: EinblickinTextsammlung DATP2010Seite59: Paris2016 F.Roth-Lange

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57Aus dem Archiv

Fundstücke spielen

Von Katharina Kolar (DATP)

meinschaftsproduktioninkollektiverArbeitentstanden“11 ist. Die Szenen-Montage12ohneTitelbehandeltu.a.innerfamiliäreKonflikte(insbesonderemitdemVater),schlechteNoten,dieersteLiebe,Fluchtvonzuhause,VersuchemitDrogensowiedasThemaPilleundAbtreibung.13 Die Collage ist das erste voninsgesamtrundhundertaufdieseArtindenFolgejahrenentstandenen Stücken. DieAuswahl14stellteinenerstenexemplarischenZugriffdar,derinsbesondereden(indenNebentextenenthaltenen)Hin-weisen zuProduktionsprozess, Spielweisenund Intentionen,zuTeilnehmerInnen-Anzahl sowieder „Handhabbarkeit“ imRahmeneinerzeitlichbegrenztenUnterrichtseinheitgeschuldetist.DieStücktextewerdenzunächstvondenStudierendeninKleingruppengelesenunddiskutiert.AnschließendwirdjeweilseineSzene(ineinerfreiwählbarenForm15)erarbeitetundpräsen-tiert–undmitihralleentstandenenFragen.DieSpielversuchezielenaufeineaktive,lebendigeAuseinandersetzungmitdemQuellenmaterialab.AufBasisderTextesowiedendarinenthal-tenenHinweisen(zuBühnenbild,Kostüm,SpielweiseoderaberauchIntention,Pressestimmenetc.)werdenersteVermutungenüberdieAufführungspraxis,denKontext,aberauchdietheore-tischenbzw.ideologischenHintergründeangestellt.SiefließenindieszenischenVersucheein,beidenensichautomatischeineVielzahlanFragenergibt–oftmalsausDiskrepanzenzwischen„Theorie“und„Praxis“.Beispielsweise,wennesdieAnweisunggibt,Zeilenwie„AusdemGemeinschaftsgeistheraus,ausdemGemeinschaftswillen/entsprangunsderGedanke,/demVolkzuschaffendieGemeinschaftsbühne“16seienzwarnichtin„desAlltagsSprache“17geschrieben,solltenaber„nichtgekünstelt,nein–inReinheitundNatürlichkeit(…)ausunsrerSprecherMunde“18fließen.WelchengedanklichenTopoietwahinsichtlichIdealenwieGemeinschaftbzw.Natürlichkeitwirdhiergefolgt?Warum hielt man es im ersten Beispiel für angeraten, sich vom antikenGebrauchdesChoresabzugrenzen?WelchesVerhält-nisvonSpielleitungundGruppeoffenbarendieTexte?WelchetheaterpraktischenFolgenhabendieHinweise?Undsoweiter.In der chronologischen Zusammenschau markieren die drei FundstückeübrigensdenWegdesProduktionsprozessesvomeinstudierten,vorab(wennauchfürAnlassundSpielerInnen)verfassten„Spiel“hinzuheuteindertheaterpädagogischenAr-beitgängigen„materialbasiertenTheaterproduktionen“19,wieihnUtePinkertjüngstbeschriebenhat.20

AUS DEM ARCHIV

„Lesenalleintutsebennicht,esmussgespieltwerden“1,schreibtGerhardValentin,der1962darübernachdenkt,wasSpielleiterundGruppe„BiszurerstenProbe“tunsollten.DabeisolltendieSpielendenzugleichauch„dieGestalterkennen,diedasPa-pierdaalsgespieltesSpielhabenkönnte.“2 So geschieht es im RahmendesModuls„ArchäologiederTheaterpädagogik“imStudiengangTheaterpädagogik inLingen, indendasDATPcurriculareingebundenist.3

EswerdendabeiFundstückeausdemArchivausgewählt4, die sinnlicherfahrbarund intellektuelleinenZugangzuhistori-schen und geographischen Fundorten aus der Geschichte der Theaterpädagogikermöglichen.IndiesemJahrwarendas(1.)Der chorischeVorspruch „Waswirwollen“ zudemSprech-chor-Werk vonFelixRenker „AmWebstuhl derZeit“5, der 1931vomSpielleiterderUraufführunginDresden,HerbertZüllchner,demStückvorangestelltwurde.DieserTextweistaufdenZusammenhangzur „Arbeitertheaterbewegung“der1920erJahrehin,inderderSprechchorüberauspopulärwar.MitdemSprechertext,dervon„StimmenausdemPublikum“unterbrochenwird,wirdIdee,AbsichtundFormdesSprech-Choreserläutert,zugleichgrenztmansichvomantikenChorab.Daheißtes„StimmeausdemPublikum:Dumeinst,esseidasChorischeeuchkeinantikesVorbild?/(…)KeinSprachgewoge(…)/undkeinExperimentinschulgedrillterArt?/–Sprecher:Dasallesistesnicht!“6

(2.)AusderLaienspiel-BewegungMarianneundHeinerGarffs„FrauHolle“,einSpielfürundmitKindern,dasalsNr.46der„BärenreiterLaienspiele“1949vonRudolfMirbt7herausgegebenwurde.Dabeihandeltessichumein„mitdenKinderngemeinsamgeformt[es]“8Spiel,das„nichtimStilüblichenKindertheaterseingeübtwerden“9sollte.Eswurde„vonKindernimAnfangdes2.SchuljahresderFreienWaldorfschuleinKasselgeübtundbeieinerdermonatlichenSchulfeiernaufgeführt.(…)SiekanntendasMärchenderBrüderGrimmgut.(…)DieVerseimSpiellerntensieimChornachsprechen.(…)DieRollenübernah-menvieleverschiedeneKinderwechselweise.(…)Vieleskamaus der Nachahmung des von dem Lehrer in Wort und Geste Angedeuteten;vielesaberauchausfreierPhantasietätigkeit,diesichfröhlichimAufschauenzurLehrerautoritätentwickelte.“10

Und(3.)alsBeispielfürdasLehrlingstheaterderfrühen1970erJahreinderBRDalsjüngeremKapitelderGeschichtederThea-terpädagogikdas„ProtokolldesgemeinsamenAbschlussstückes“einesTheaterkursesfürPostlehrlinge,dasimMai1971als„Ge-

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58 Zeitschrift für Theaterpädagogik / Oktober 2015

Anmerkungen

Die Textheftsammlung umfasst inzwischen mehr als 2600 Exemplare aus der Laien- und Bühnenspielbewegung vom späten 19. bis ins 20. Jahrhundert.

(1) Valentin, Gerhard (vermutl. 1962): Bis zur ersten Probe. In: Kaiser, Hermann (1972): Laienspiel und Amateurtheater seit 1945. Herausge-geben von der Landesarbeitsgemeinschaft für Spiel und Amateurtheater in Nordrhein-Westfalen. Recklinghausen, S. 64.

(2) Ebd.

(3) Als Ergänzung zur im Mittelpunkt stehenden „wissenschaftlichen“ Arbeit mit den Archivalien, die auf folgendem Dreischritt beruht: 1. Beschreiben und Zusammenfassen des Materials, 2. Herausarbeitung bestimmter, wesent-licher Merkmale, 3. Relevanz in Bezug auf die aktuelle theaterpädagogische Praxis sowie ggf. Ableitung möglicher weiterführender Forschungsfragen.

(4) Für die jüngste Durchführung im Dezember 2015, die den Ausgangspunkt dieses Textes bildet, wurden Materialien aus der sog. Textheft-Sammlung so-wie aus der Sammlung Praml verwendet – s.u.

(5) Erschienen im 1910 gegründeten, sozialistisch orientierten Arbeiter-Theaterverlag Alfred Jahn.

(6) Renker, Felix (vermutl. 1931): Am Webstuhl der Zeit. Sprech-Chor von Felix Renker. Uraufgeführt vom Sprech-Chor der freien Gewerkschaftsjugend im ADGB zu Dresden am 14. Mai 1931. Leipzig: Arbeiter-Theaterverlag Alfred Jahn, S. 7.

(7) Vgl. dazu Schülter, Andreas (2010): Bruch oder Anschluss? Fragen an einen „Vorfahr“ der Theaterpädagogik. In: Zeitschrift für Theaterpädagogik/ Korrespondenzen, Heft 57, Oktober 2010, S. 22f sowie Streisand, Marianne (2012): Theaterpädagogik im 20. und 21. Jahrhundert. In: Nix, Christoph/ Sachser, Dietmar/ Streisand, Marianne (Hrsg.) (2012): Theaterpädagogik. Lektionen 5. Berlin: Theater der Zeit, S. 21-23.

(8) Garff, Marianne und Heiner (1952): Frau Holle. Ein Spiel für Kinder. 2. Aufl. Kassel u.a.: Bärenreiter-Verlag, S. 14.

(9) Ebd.

(10) Ebd., S. 13.

(11) Hessische Jugendbildungsstätte Dietzenbach (1971): Protokoll des

gemeinsamen Abschlussstückes. Theaterkurs für Postlehrlinge vom 5.-7.5.1971 im Jugendhof auf dem Dörnberg. DATP-4, lfd. Nr. 173, S. 1.

(12)Grundlage waren Improvisationen zu Erlebnissen und Ereignissen der Teilnehmenden während ihrer Jugendzeit. Vgl. Hessische Jugendbildungsstätte Dietzenbach (1971), a.a.O., S. 1.

(13) Vgl. ebd.

(14) Um dem möglicherweise bei Betrachtung der Jahreszahlen entstehenden Eindruck „Das deutsche Volksspiel“ im Nationalsozialismus wurde bewusst ausgeklammert zu entgegnen: Dieses Kapitel der Geschichte der Theaterpä-dagogik wurde ausführlich im Rahmen einer ganztägigen Lehrveranstaltung mit Vorlesung, Übung und einem kleinen Forschungsprojekt unter der Lei-tung von Anne Keller behandelt, das demnächst Gegenstand dieser Rubrik sein könnte. Anne Keller hat dazu eine umfassende Dissertation unter dem Titel „Das deutsche Volksspiel. Über die Programmatik nichtprofessionellen Theaterspiels innerhalb der ‚Hitlerjugend‘-Spielscharen am Beispiel der Zeit-schrift ‚Die Spielschar‘“ verfasst, die 2016 erscheinen wird.

(15) Diese ermöglicht neben dem Versuch der Rekonstruktion einer möglichen Aufführungspraxis auch bereits die subjektiven Eindrücke oder besonderen Merkmale in die Art der Darstellung einfließen zu lassen, wie z.B. eine beinahe karikierende Darstellung der Figuren, die bei der Lektüre als Ste-reotypen empfunden wurden.

(16) Renker 1931, a.a.O., S. 5.

(17) Ebd., S. 8.

(18) Ebd.

(19) Pinkert, Ute (2012): Transformationen des Alltags. Materialbasierte Theaterproduktionen in der Theaterpädagogik. In: Nix, Christoph/ Sachser, Dietmar/ Streisand, Marianne (Hrsg.) (2012): Theaterpädagogik. Lektionen 5. Berlin: Theater der Zeit, S. 72-81, S. 72.

(20) Vgl. ebd.

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59Ankündigungen

28.—30.Oktober2016,EberswaldeTheaterarbeit mit Geflüchteten (Arbeitstitel)

30.BundestagungTheaterpädagogik

ImZugedersogenannten„Flüchtlings-krise“habensichindenletztenMonatenzahlreicheTheater-undtheaterpädagogi-scheInitiativenfürFlüchtlingeentwickelt.DieTagungmöchteausgewählteProjektevorstellenunddiskutieren:WelcheThemenwerdenindiesenProjek-tenbehandelt?WelcheRollespielendieFlucht/dieFlucht-hintergründe?WelchetheatralenMethoden,ästhetischenFormenundStilewerdenangewandt?Wie stellt man sicher, dass die MigrantIn-nensichselbstartikulierenkönnen?

Formate derTagung sindu. a. Projekt-präsentationen, Impuls-Workshops undDiskussionsforen.AlleInfosundAnmeldung:www.butinfo.de

Termine 2016

15.04.,überall:»MehrDrama,Baby!“2.BundesweiterTagderTheaterpädagogik22. - 24.04.,Gelnhausen „Sich ein-mischen“ – GesellschaftspolitischeVeränderungdurchTheaterpädagogik?FrühjahrsfachtagungdesBuT27.05., Berlin:TheaterpädagogischesDschungel-Camp. Fortbildung&Info-Veranstaltung04. - 05.06.,Neuwied:TheaterDirekt–Das Theater der Zuschauer. FortbildungmitLorenzHippe06. - 08.06.,Wolfenbüttel:Wasimmerfehlt:TextarbeitFortbildungmitSebas-tian Fuchs25. - 26.06.,Essen:TheaterpädagogikSys-temisch.FortbildungmitMirjamStrunk16. - 18.07.,Wolfenbüttel:Rhythmtodance. FortbildungmitRoystonMal-doom/TamaraMcLorg03. - 04.09.,Remscheid:Thedarkside—Theateredition.FortbildungmitSandraAnklam07.-11.09.AarauSchweiz.3.JugendThe-ater Festival mit Fachtagung. Infos und Anmeldung:www.jugendtheaterfestival.ch14.10.,Reutlingen:TheaterpädagogischesDschungel-Camp. Fortbildung&Info-Veranstaltung28. - 30.10., Eberswalde,TheatermitGeflüchteten(Arbeitstitel).30.BundestagungTheaterpädagogik04. - 05.11.,Wolfenbüttel:Theaterpro-jektemitjugendlichenFlüchtlingenTagungderBundesakademieWolfenbüt-tel/BAGSpielundTheater11.-13.11.,Himbergen:Werkstatt-Fachtagung der Gesellschaft für TheaterpädagogikNiedersachen12. - 13.11.,Kassel:WiekommtmeinProjektindieMedien?FortbildungmitAntjeKlahn23. - 27.11.,Stuttgart:Szenenmachen–LiteraturimDialog.SymposiumdesLiteraturhausesStuttgart03. - 04.12.,Magdeburg:Sprache–Be-wegung–TextFortbildungmitAlexandraSelonke

ANKÜNDIGUNGEN

… ob der Mensch dem Menschen hilft … (Bertolt Brecht 1929) / …wie der Mensch dem Menschen hilft … (jetzt!)

Einladung zu einer offenen Werk-statt-Fachtagung der Gesellschaft für TheaterpädagogikNiedersachsene.V.vom11.-13.November2016imTagungshausHimbergen

Die heutigen kriegerischen, ökonomischen, klimatischen, religiösen, pädagogischen,mentalen,gendermäßigenUmwälzungenverlangen neue, risiko-feste, differenz-aktive, eigensinnigeundexistenziell-mutige,auchkleinformatige,menschlich-naheästhetische(wahrnehmende)Haltungen,Handlungs-weisen, diemittelsTheaterpädagogik alsalltagstaugliche, anwendungs-orientierteund -orientierende Disziplin praktisch entfaltetwerdenkönnen.

Während der offenenWerkstatt Fachta-gung, zu der keine speziellen Vorkenntnisse nötigsind,wirdinGruppenaneinunddemselbenTheater-Text parallel, abermethodisch unterschiedlich theaterpä-dagogisch gearbeitet (Improvisation,Lehrstück,comedyetc.).DasTheaterstückstammtbewusstNICHTausdemReper-toire des politischen Theaters im engeren Sinne, sondern ist ein komödiantisches Konversations-Stück, thematisiert aberu.a.dieSituationenvonFremdheitsowieAusgrenzung und Vorurteile.DerTextwirdbeiAnmeldungundZahlungdesTeilnahmebeitragszugesandt.

Anmeldung bis 1.Oktober 2016 beiFlorianVaßen, Immengarten 5, 30177Hannover, [email protected]ürdasVersendendesSpiel-Textes.

Teilnahmegebühren € 160,-- für Berufstätige, € 110,- fürMitgliederderGesellschaftfürTheaterpäd-agogik, €80,-fürStudierende,Arbeitsloseusw.

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201660

Rezensionen

REZENSIONEN

Katharina Weyland: THEATER mit Jugend-lichen. Ein Handbuch aus der Praxis für die Praxis. 2. Auflage. Selbstverlag: Tübingen 2015. [144 S., ISBN 978-1-50840-366-1]

THEATERwird indiesemkleinenBüchleingroßgeschrieben.THEATERistHandwerk,dases zu erlernen gilt, und Erfolg im THEATER hatvielwenigermitTalentzutunalsmitArbeitundDisziplin.DasvorliegendeHandbuchgibteinenEinblickindiesenhandwerklichenProzessdesTheatermachens,wobeiKatharinaWeylandvier ihrer eigenen Inszenierungen mit Schüle-rInnen in derEingangsphase einesTübingerGymnasiumsbeschreibt.TheaterlehrerInnen,dieeineAufführungmitihrerTheater-AG(bzw.Kurs) in Kooperation mit einem Stadttheater planen,erhaltenmitdemHandbucheineFüllevonpraktischenRatschlägen.DiesreichtvonderStückauswahlüberdenProbenprozessbishin zur Ausgestaltung eines Gastspielvertrags. Anhand ihrer Inszenierungen geht die Autorin, eineausgebildeteSchauspielerinundLehrerin,denAblauf einer Schultheaterinszenierungdurch.UndaufgrundihrerDoppelqualifikationkommthierbeiwederdieTheaterpraxisnochdieSchulpraxiszukurz.ImHandbuchwird sehr energisch für einenästhetischenAnsatzdesSchultheatersplädiert,der sich vorhandenerTheaterstücke bedientund sich am (Stadt)theater orientiert. Theater-pädagogInnen,dieaufStückentwicklungundErlebnispädagogiksetzen,werdensichaneini-genStellenverwundertdieAugenreiben,wiesouveränhiereinigesanÜberzeugungenüberBordgeworfenwird.DasSpannendedaranist,dassdiesnichtunbegründetgeschieht,sondernmitzumeistnachvollziehbarenpragmatischenArgumenten. Auf diese Weise kann dies sorg-fältiglektorierteunddurchgehendverständlichgeschriebeneHandbuchsowohlpraktischeRe-zeptsammlung für suchende TheaterlehrerInnen alsauchargumentativeReibeflächesein.PraktischsindvorallemdaskleineTheaterfachvokabular,dieimmerwiedereingestreutenBühnenregelnunddievielenkleinenHinweisewiediezumSchminkenoderaberzumEinrichtendesLichts.Damit kann aus Theater dann auch THEA-TERwerden!

Maik Walter

Funcke, Amelie; Havermann-Feye, Maria: Training mit Theater. Wie Sie Theaterelemente in Trainings und Unternehmensveranstaltungen erfolgreich einsetzen. Bonn: managerSemina-re 2015. [360S., ISBN: 978-3-95891-007-2]

Amelie Funcke undMariaHavermann-Feye

zeigeninsiebenAkten,wiemaneinkomple-xesUnternehmenstheaterprojektaufdenWegbringt.ZunächstwirdderEinsatzvonTheater-elementen im Rahmen des Unternehmenstheaters begründet,umdanninknapperForm26ver-schiedene Theaterformen vorzustellen. Keine Angst, es handelt sich um kein Buch, das zum wiederholtenMaleKlassikerwiedasStandbilderklärt.AndiesenStellenwirderfreulicherweiseaufbewährteÜbungssammlungenverwiesenundderPlatzfürwichtigereInformationenaufge-spart:WiesiehtbeispielsweiseeinAngebotaus,dasmanbeimAuftraggebereinreichenkann?Welche Ziele kann man mit Theaterelementen erreichenundwiekannicheine/nAuftragge-berIndavonüberzeugen?Und vor allemwiekommeichalsMenschdesTheatersüberhauptandieseKundInnenausderWirtschaft?Exem-plarischwirdimmerwiederbest practisewiediedesHamburgerImprovisationstheaters„SteifeBrise“präsentiert und indenumfangreichenäußerstpraktikablenListenimAnhangunter-schiedlicheAnkerausgeworfen,andenenmansich in der konkretenArbeitweiter hangelnkann. Dies reicht von Zusammenstellungen von GenresundRequisitenfürbestimmteFigurenüberdieaktuelleFachliteratur(leiderohneJah-resangaben)bishinzukonkretenAnbieternfürUnternehmenstheater.DanebenfindetmanauchkonkreteHilfsangebote fürdieKonzipierungeines allgemeinen Trainings mit Theaterelemen-ten. Besonders gut gelungen sind hierfür die Bühnenweisheiten(z.B.„DieZuschauerhabenimmerrecht.“)undderTransferaufdenBereichdes Trainings. Auf den Punkt genau visualisiert ist auch der Vergleich des Bühnenraums mit denentsprechendenBewegungsmöglichkeitenund deren Pendants im Seminarraum mit den entsprechendenKonsequenzenfürden/dieTrai-nerIn.DiesesTrainingsbuchgibteineFüllevonvielfältigenAnregungenundbewirkt,überdenSinn und Unsinn des Unternehmenstheaters nachzudenken. Viel mehr kann ein Buch zu diesem Thema kaum erreichen.

Maik Walter

Peter Staatsmann: Theater des Unbewussten. Der selbstanalytische Prozess im Schreiben Heiner Müllers. Frankfurt a.M. / Basel: Stroemfeld 2015. [369 S., ISBN: 978-3-86109-201-8]

WersichfürPsychoanalyseundLiteraturin-teressiert, dürfte einbesonderes Interesse andieserPublikationhaben.Es geht dabei vorallemumdie ‚andere’Dimension imWerkHeinerMüllers,d.h.umKindheit,Selbstana-lyse,dasUnbewusste,ergänztdurchMythos

undTraum,kurz–mitdenWortenvonKlausHeinrich–umdasTheater‚desUnbewussteninAktion’.StaatsmanngehtesinseinenAnaly-senwenigerumeinePsychoanalysedesAutorsalsumdessenSelbstanalyseinseinenTexten,dieAuswirkungenhatbisindiedramatischeForm,denn:„FürdasTheaterschreibenheißt“,soMüller, „daß alles,was beimProzeßdesSchreibensvorgeht,zumTextgehört.“Müllers„Triebdynamik“verschiebtsichdemnachvonderInhaltsebenenichtnuraufdieFormebene,sondernauchaufdieSchreibebene.InsiebenKapitelnplusEinleitungundNach-wortentwickeltStaatsmannaufderGrundlageder Forschungsliteratur und eigener Recher-chen imHeiner-Müller-Archiv –wichtigeManuskriptewerdenhierzumerstenMaltran-skribiertvorgelegt–eineneuePerspektiveaufdas postdramatische Theater im Allgemeinen und Heiner Müller im Besonderen. Gezeigt wirddiespezifischeFaszinationdesUnbewäl-tigten undVerdrängten inMüllersTexten,insbesondere–hochaktuell–MüllersVersuchderVerarbeitungvonKriegundTodsowievonGefühlenwieRacheundHass.MüllersThe-aterderTrauerbeinhaltetdieHoffnungdes‚rettenden’UmschlagsohneVersöhnung;dabeidienenihmdieantikenMythenundTräumeals Mittel der Reinszenierung. Außerdem ana-lysiertStaatsmannsowohldiepoetischeForm(TableauversusMontage)wiedenAspekt„Ter-rorderSeele“,diewechselseitigeTäter-undOpferperspektivesowieeinnichtintrinsischesKonzeptdesBösen;weiterhinwerdenKomik,Slapstick, Groteske und Karikatur untersucht. Indiesem„PanoptikumvonPhantasienundSpaltungen“vermischensichinderantireprä-sentativenÄsthetikundimSchockinfantile,männlich-patriarchalischeundweibliche(Ra-che-)Phantasien.In dem Zusammendenken von Heiner Müllers Textenund (post-)kleinianischerpsychoana-lytischerTheoriegelingt esdemAutor, eineerweiterteDimensionvonMüllers(Theater-)TextenherauszuarbeitenundneueBereichesichtbar zumachen:aufder Inhaltsebene inTraumundMythos,aufderformalenEbenedessynthetischenFragments,derMontage,desTableausunddesKommentars,aufderSchrei-bebenedesAutorsundderKoproduktionsebenedesZuschauers.DieoffengelegteSelbstanalyse,dassichtbargemachteUnbewussteunddessengleichzeitigeMaskierungerklären,warumsichdie Rezipienten, sprich die Leser_innen und die Theaterbesucher_innen,inbesondererWeiseangesprochen und aktiviert fühlen.

Florian Vaßen

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Rezensionen

Rezensionen

Matthias Neumann /Mayte Zimmermann (Hg.): In Gemeinschaft und als Einzelne_r. Berlin: Neofelis 2014 (Mülheimer Fatzerbü-cher 3). [202 S., ISBN: 978-3-943414-45-5]

AllegutenDingesinddrei!NachdenMülheimer Fatzerbüchern 1 und 2 von2012und2013überKommando Fatzer bzw.Räume, Orte Kollektive (siehedieRezensioneninH.63und65)gehtes nun um den Aspekt der Gemeinschaft aus historischer, soziologischer, politischer und vor allemliteratur-undtheaterwissenschaftlicherSicht, ein Begriff der mit der community-Be-wegungwiederanAktualitätgewonnenhat.Am aktuellsten sind aber sicherlich dieAb-schnitteüberFatzer und das politische Theater in Athen. Wegen der geopolitischen Situation inEuropasowieangesichtsderpolitischenLagein Griechenland und dem Elend der dortigen Flüchtlinge(siehederenTexte)istdieDarstel-lungderWorkshopsundder(Theater)arbeit„zwischenVerweigerung undOrganisation(S. 145) von „FATSA /KOINA“ inAthenbesonders spannend, hier erhält das „Ver-hältnisdes_derEinzelnenzurGemeinschaft“eineganzbesondere„Dringlichkeit“(S.146).Durch„denRundgangdesFatzerdurchdieStadtAthen“wirdGriechenland„alseinOrtder ‚Krise‘ gegenwärtig“ (S. 17): „Athen ist heutedasArschlochEuropas–einLabordesKapitalismus“undd.h. „ein technokratischverwaltetesExperimentierfelddesinsStockengeratenenTriumphzugesdesNeoliberalismus.“(S. 154)Das „selbstverwaltete EMBROS-TheaterinAthen,welchesimNovembernachjahrelangemLeerstandvonKünstler_innenundAnarchist_innenbesetztundreanimiertwur-de“,stehtdemalseine„’InselderUnordnung‘oderalsein()‚positive(s)Loch()‘“(S.159)ent-gegen.DasNachdenkenüberdasTheaterinderKrise,verbundenmitÜberlegungen,wieman„politisch politischesTheatermachen“(S.181)kann,führtinFlorianThamersundTinaTurnheimsÜberlegungenzueinem„TheaterderSorge“(S.181):„unterBerücksichtigungeineserweitertenSorge-Begriffs(alsInteresse,AnteilnahmeundSolidarität)“soll„einTheaterderAufmerksamkeitundSensibilisierung“(S.199f.)entstehen.DervorliegendeBandbeziehtsicherneutaufdieMülheimerFatzer-Tage,erenthältnebendenAbschnittenzumpolitischenTheater inAthenviertheoretischeTextevomSymposium.Diesewiedermit vielenFarbfotos verseheneundsosehranschaulichundlebendigwirken-dePublikationliefertamBeispielvonBrechtsFatzer sehrunterschiedlicheZugängezudemAspekt Gemeinschaft und deren Möglichkei-ten und Grenzen, auch und gerade mit Blick aufdiepolitischeTheater-ArbeitvonGruppenoder Kollektiven.

Florian Vaßen

Ralph Buchenhorst (Hg.): Von Fremdheit lernen. Zum produktiven Umgang mit Erfahrungen des Fremden im Kontext der Globalisierung. Bielefeld: Transcript 2015. [299 S., Print-ISBN: 978-3-8376-2656-8, ebook-ISBN: 978-3-8394-2656-2]

„VonFremdheitlernen“–daswärezweifelsoh-neeinegroßeChancefürjedeneinzelnenundfürjedeGesellschaft,aberesistnichtnureinewichtigePerspektive,sondernaucheinkomple-xerVorgang,wiedieserSammelbandaufzeigt.Inden fünfAbschnitten „Fremdheit inBil-dungs-undErziehungsprozessen“,„FremdheitimRechtsdiskurs“,„Literarischeundliteratur-theoretischeVerarbeitungvonFremdheit“,„DasFremde inKunst undKulturtheorie“ sowie„ErzeugungundVerarbeitungvonFremdheitbeiErstkontaktenundimTourismus“versam-meltderHerausgeber11Texte. ImKontextdieserZeitschrift ist eswohl vertretbar, denjuristischenunddentouristischenAspekt(4Beiträge)beiseitezu lassen.Wichtiger schei-nenmir da dieBeiträge zu „Bildungs- undErziehungsprozessen“,besonders:KokemohrzeigtdieproduktiveKollision„schulischerBil-dungokzidentalerPrägung“mit„RegelnundHandlungsmusternlokalerEthnien“;Thomp-sonwendetsichgegendie„NivellierungderFremdheitinderPädagogik“undplädiertfürdie Relevanz von Fremdheit in differenzierter Form als deren „Grundmotiv“.Hummrichschließlich kritisiert die naive Anerkennung vonFremdheitundsiehtinihreraffirmativenVerwendung dieGefahr, dass „bestehendeDifferenzen lediglich reproduziert“werden.IndiesenTextenwirddieproduktiveAmbi-valenz von Fremdheit aus unterschiedlichen Sichtweisenreflektiertundproduktivgemacht.DerzweitlängsteundmeinesErachtensfastderwichtigsteBeitragaberistdieEinleitung„DasFremdeimÜbergang.LernimpulsedurchBe-fremdeninglobalenWanderungsprozessen“,inderderHerausgebersehrdifferenziertundklardiePotentialitätvonFremdheit,insbesonderedie Möglichkeit von Lernprozessen darstellt. ChancenundRisiken,NeugierundAbwehrinBezugaufFremdheitzeigenderenAmbivalenz,die sich gerade auch in der Beziehung von Ei-genemundFremdenmanifestiert.Geradeaberdas Krisenhafte von Bildungsprozessen hat po-sitiveAuswirkungenaufdenunabschließbarenund nicht homogenen Konstruktionsprozess vonIdentität,beidemFremdheiteinezent-rale Rolle spielt.Wir erleben zurzeitWanderungsprozesse inradikaler Form, sodass die positiven (Lern-)Impulse durch Fremdheit auch von den The-aterpädagog_innenzunehmendinsZentrumihrerArbeitgestelltwerden(sollten).

Florian Vaßen

Ingrid Buchloh: Hilde Körber – Berlin war ihre Bühne. Berlin: Nicolaische Ver-lagsbuchhandlung 2013. [240 S., ISBN 978-3-89479-740-9]

Die im Nicolai Verlag erschienene Biographie „HildeKörber“vonIngridBuchlohträgtdenUntertitel„BerlinwarihreBühne“.DasBuchwidmetsichdemLebenderTitelheldinvondenGoldenenZwanzigernüberdieNS-ZeitbiszurNachkriegszeit.AlsDirektorin derMax-Reinhardt-Schule(1951–1964)prägtesiemitihrerpersönlich-keitszentriertenundderWerktreueverpflichtetenTheaterpädagogikeineganzeSchauspielerge-neration,zuderbekannteFernseh-,Film-undBühnenstars gehören.AlsPolitikerinsetztesichHildeKörberfürdiepolitischeBildungderJugendein.UntrennbarverbundendamitwarenAussöhnungmitdenOpfern des NS-Staates und Wiedergutmachung.BuchloharbeitetaufderBasisgenauerRecher-chenMerkmalederkomplexenPersönlichkeitvonHildeKörberimWandelderZeitenheraus.Siemachtdeutlich,dassderBegriff„Seelchen“,mitdemFriedrichLuftsieals‚DarstellerinderdirektenRührung’beschrieb,ihrenFührungs-qualitätennichtgerechtwird.AlsMeisterinim Bohren dicker Bretter hat sie den Erfolg ihrer vonAnfang an erhobenenForderungnach einer Integration derMax-Reinhardt-Schule in die Staatliche Hochschule für Musik 1964nochmiterlebenkönnen.DasmitvielenPhotos und einer CD mit Chansons ausgestat-teteBuchpräsentiertsichalseinbibliophilesJuwel.Es ist eineHommage für eine starkeFrau,die ihreKraftdemWiederaufbau,derFreiheitunddenMenschenrechtengewidmethat.EinetheaterpädagogischbedeutendeundberührendeLektüre.

Heiko Steffens

Wiebke Lohfeld/ Susanne Schittler (Hg.): Grenzverhältnisse. Perspektiven auf Bildung in Schule und Theater. Weinheim und Basel: Beltz Juventa 2014. [252 S., ISBN 978-3-77992-976-5]

Wie lassen sich Bildungsprozesse denken, die alsGrenzverhältnissebestimmbarwerden?UndinwiefernkönnenVersuchederVerhältnisbestim-mungGrenzeninBewegunghalten?DiessindzentraleFragestellungen,welchedieBeiträgedesSammelbandesrahmen,deralsFestschriftzum60.GeburtstagvonKristinWestphalerschienenist.DieMetapherderGrenzüberschreitungalskonstituierendes Moment von Bildung dient dabeieinigenBeiträgenalsAusgang.AuffälligistdiethematischeSpannbreitederTexte,u.a.mitbildungstheoretischerPositionierung,derenQuerverbindungenzubefragensind:DieheterogenenBeiträgeermöglicheneineninterdisziplinärenDialog, derGrenzberei-che von Schule, Theater und Performance in

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201662

Rezensionen

denBlicknimmt.Ausphänomenologischen,anthropologischen und qualitativen For-schungsperspektivenwerdenGrenzphänomeneim Rahmen von Schule und Hochschule, in denKünstenoderimhistorischenRückblickbeleuchtetundspannendeinhaltlicheSchnitt-punkteeröffnet.DabeispiegeltdieFestschriftauchdasbreitgefächerteForschungsinteressevonKristinWestphalwiderundrichtet sichan alle, diePerspektivverschiebungen schät-zenundMußezumQuerdenkenmitbringen.DieBeiträge reichen von anthropologischenAnnäherungen zumVerhältnis vonMenschundNatur(HanneSeitz)überBetrachtungenästhetischerErfahrungen,z.B.alsBewegungenentlangvonGrenzen(JörgZirfas),bishinzuPhänomenenderEntgrenzung etwa in denKünsten (Hans-Thies Lehmann oder Peter W. Schatt).Mit dieser inhaltlichen Spannbreitesind die Leser_innen gefordert, Verknüpfungen zwischendenBeiträgenherzustellen.AuchindemVersuchderVerhältnissetzungzwischendenTextenkönnenGrenzenfrag-würdigwerdenundinBewegunggeraten–waseinbesonderesPotenzialdesSammelbandesausmacht.

Evelyn May

Stecher, Gerta: Nur der junge König Lear hat noch was zu lachen. Berlin: trafo 2007 [259 S., ISBN 978-3-89626-675-0]Winkler, Gisela: Von fliegenden Menschen und tanzenden Pferden. Gransee: Edition Schwarzdruck 2015 [2 Bände, 1185 S., ISBN 978-3-935194-70-9]

DieJournalistin,DokumentarfilmdramaturginundSängerinwie SprecherinGerta Stecherführtundverführtunsvergnüglichindas„In-nenlebenderTheater- undBühnenwelt“ zu„denimDunkelnderKunstszeneagierendenPersonenundablaufendenVorgängen“und:„Nicht unbeachtet“ bleiben in ihremBuch“weiterreichendeGebiete dieserKulturland-schaftwieVarietéundZirkusalsoriginärzumKunstkanongehörendeBereiche“.Zuletzteremnunbrachte2015GiselaWink-ler,dieausgewieseneExpertinfürGeschichteundKünsteundGenresdesZirkus’ihreBände(einschl. ausführlicher Register und Litera-turverzeichnisse undbebildert) heraus.Eineimponierende Leistung, die auch für Theater-pädagogInnenvielesbringt,z.B.inBand2zu„Theater-Volkstheater-Zirkus“;„Akrobatik“,„Clownerie“,„ImitationundParodie“,„Hand-schattenspiele“,„Stepptanz“,„Fechtkunst“undinBand1zu„ZirkusschulenundJugendzirkus-se“,„NeuerZirkus–CirqueNouveau–NewCircus“; „Zirkusschulen, Jugendzirkus undSozialerZirkus“.EsgiltfürbeideBücher:Bücheraufklappen,lesen,indasUnerwarteteeintauchen!Manegefrei!Vorhangauf!

Gerd Koch

Regina Rätz, Bettina Völter (Hg.): Wör-terbuch Rekonstruktive Soziale Arbeit. Opladen u. a.: Budrich 2015. [406 S., ISBN 978-3-86649-383-4]Hans-Uwe Otto, Hans Thiersch (Hrsg.): Handbuch Soziale Arbeit. München: Rein-hardt 2011. 4., völlig neu bearb. Aufl. [1817 S., Print-ISBN 978-3-497-02158-1, eBook-ISBN 978-3-497-0222-9]

Das„HandbuchSozialeArbeit“,einStandard-werk, erschien zuerst 1984und kam2011in4.,völligneubearbeiteterAuflageheraus.HandbüchersindKompendien,dieStichworte/Aussagenzu/umThemenfeldergruppieren(z.B.Arbeitsbereiche,Techniken).DasvermeidetdiesesHandbuchbegründet.Dieselbständige,interessen-gesteuerteHanddesBenutzers/derBenutzerin ist gefragt - nicht nur im Blick auf dieRessourcenstärkungundeinempowerment von KlientenInnen und AdressatInnen Sozialer Arbeit/Sozialpädagogik,sondernauchinden„HandlungenprofessionellerHelfer_innen“(S.7)undPädagog_innenverschiedenerProvenienz.DieBedeutungdesAkteurs-PrinzipswirdnunkonzeptionellsichtbarinderPionierarbeitdes2015erschienenen„WörterbuchRekonstruk-tiveSozialeArbeit“.Alltags-undLebenswelt,Intersubjektivität,Dialogizität,Selbstdeutun-genund-reflexivitätsindFundierungen,dieinterpretativer, verstehender (vs. technisch-erklärender, technologischer), subjektnaher,qualitativerSozialwissenschaftundPraxisfor-schungentstammen:„MitdiesemBlickkönnenauchHandlungsgrenzenundRisiken sowieStärken undRessourcen desHilfeprozessesbenanntwerden.“(S.7)DasWörterbuch ist gegliedertineinenalphabetischen,lexikalischenStichwortwortteilundliefertzusätzlicheinen„Serviceteil“,derdasspezielleHandlungs-undVerstehensfeld„RekonstruktiveSozialeArbeit“vorstelltdurch„InformationenrundumdieRekonstruktiveSozialeArbeit“(S.253ff.)und„Klassikerstudienzusammengefasst“(S.291ff.).DamitwirddiesesWörterbuch-Unternehmen ergänztumeinenHandbuch-Teil.Beide hier angezeigten Bücher zeigen sich the-matisch offen und fachlich dialogisch. Vielleicht kannichihrejeweiligenAnsätzetypologischso fassen:Das schon klassisch zunennende„Handbuch“ bevorzugt einemakrologische (makrosoziale,-politische)sowiegeneralisti-schePerspektive;dasganzneue„Wörterbuch“liefert eine mikrologische (mikrosoziale, -politi-sche)sowiespezielle Richtung des Blicks in die Wirklichkeit(en) der Konstruktion(en) sozialer Welt(en)unterstrukturierten/strukturierendenSystembedingung(en):Ichkonstruiere(michundandere)&ich(wir)werde(n)konstruiert…NunmacheichalsTheaterpädagogeein(Be-rufsrollen-)Spielmitmir: Ich stellemir vor,ichsei2014Teilnehmerdertheaterpädagogi-schen Konferenz an der FH Dortmund (siehe Heft66derZfTP)zumThemaBiografierenaufderBühnegewesenundwillnuneiniges

nacharbeiten. Schlage ich das „WörterbuchRekonstruktiveSozialeArbeit“auf,‚werdeichgeholfen’(nachVeronaFeldbuschformuliert):ReichhaltigausdifferenziertfindeichAuskunftrundum„Biografie“(abS.26),zu„Lebenslauf“,Erzählen“, „Stegreiferzählung“, „Erzählcafé“,„Sequenz“,„Narration“…Auchdas„Hand-buchSozialeArbeit“lässtmichnichtimStich,obwohl ich das Stichwort „Biografie“nichtisoliert finde,wohl aber „Familie“, „Liebe“,„Fall“, „Leben“, „Subjekt“, „Psychoanalyti-schePädagogik“,„Tod“,„Jugend“,„Spiel“…DasGuteanbeidenBüchernist:Man/fraufindetindiesenKompendienauchdas,wasmangarnichtgesuchthat!ZumBeispielhatteichnichterwartet,im„Handbuch“einenBeitragzu„TiereundSozialeArbeit“(S.1670ff.)zufinden;undim„Wörterbuch“dasStichwort„Präsentationswerkstatt“(S.171ff.)zu„Büh-nestattHausarbeit:MethodischeErkenntnisseundPotenzialeeinerTheaterarbeitmitStudie-renden inBiographieforschungsprojekten.“BeideBüchersind(mir)enzyklopädischeLehr-Lernbücher(Enzyklopädie = eine Pädagogik im Kreis / in der Gruppe / Rund-um-Bildung / allseitige Bildung?!).

Gerd Koch

Huber, Martin: Der Text als Bühne. Göttin-gen: Vandenhoek & Ruprecht 2003 [282 S., ISBN 978-3525208267]Hippe, Christian (Hg. im Auftrag des Li-teraturforums im Brecht-Haus): Bild und Bildkünste bei Brecht. Berlin: Matthes & Seitz 2011 [279 S., ISBN 978-3-88221-990-6]Ders.: Über Brechts Romane. Berlin: Verbre-cher 2015 [224 S., ISBN 978-3-95732-083-4]Schicha, Christian: Legitimes Theater? Berlin u. a.: Lit 2007 [480 S., ISBN 978-3-8258-0292-9]

Nicht erst seitdem Frank Castorfs groß-for-matig und zeit-verschlingend Romane auf die (Volks-)Bühnebringt,hatteeinanderes(Volks-)Bildungsinstitut,nämlichdieSchule,erkannt,dasseineTheatralisierungvonerzählenderLite-ratur eine schöne (methodische, motivierende) Bereicherung darstellt. Und auch ein Theater-reformer,nämlichBertoltBrecht,arbeitetemitsolchen Vorlagen in seiner Theaterproduktion. Und:MancheRomanebotensichwegenihrerdialogischen Struktur geradezu an, auch auf derBühnerealisiertzuwerden-wiezugleich‚störrische’Literaturoder(gar)GedichteeineHerausforderung sein können für eine Büh-nen-Bearbeitung.EpischesTheater:nuretwasandersbetrachtet…AufklärungenundHintergrund-InformationenfürdiesestheaterpädagogischinteressanteFeldbietet historischHuber, der etwa theatralesErzählen um1800 diagnostiziert. Aktuellinformieren: „ÜberBrechtsRomane“ undüber „Bild undBildkünste beiBrecht“, diederverdienstvollen,fachlichversiertenArbeitdes Literaturforums im Brecht-Haus Berlin

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entstammen.IchakzentuiereausdiesenBän-denjeweilszweiBeiträge:imBildkünste-Band:„BrechtsKonzeptderTrennungunddesZu-sammenspielsderKünste“(MarianneStreisand)und„DasEpischeunddasNomadische:dasBildmaterialzum‚KaukasischenKreidekreis’“(TomKuhn)/imRoman-Band:„Wiedergelesen:Brechts ‚Dreigroschenroman’“ (AutorInnen-Gespräch) und „DerReiz derEpik.BrechtundSeghers“(HelenFehervary).DasBuch vonChristian Schicha bettet dasObige in eigensinniger und exemplarischerWeiseeindurchseineUntersuchungzur„in-szeniertenPolitikvermittlung…amBeispielder‚Zuwandererdebatte’“:Unterhaltsame,theatrale,informative, argumentative Format-Varianten einersog.Mediendemokratiewerdenuntersucht.

Gerd Koch

Herbert Fiedler, Ronit Land, Gitta Martens, Michael M. Roth, Barbara Schultze (Hg.): Ausgrenzung hat viele Gesichter. Impulse und Reflexionen aus der kulturpädagogi-schen Praxis. München: kopaed 2014. [206 S., ISBN 978-3-86736-444-7]

DiekompetentenHerausgeberInnendesBandes„AusgrenzunghatvieleGesichter“,dieprofessi-onellmitderAkademieRemscheidverbundensind,machenetwasmirsehrEinleuchtendes:Das erste Wort in der Einführung von Kirs-tenWittist„Inklusion“(S.7).DarumgehtesinderTatindiesemBuch–ABER:DieBei-trägerInnengehendialektischvor,indemsiedasvielfältig,gründlich,ansprechend (!) zumThemamachen,was„VielfaltalsNormalfall–undgerechteTeilhabechancenfüralleKinder,JugendlichenundErwachsenen“(ebd.)(zer-)stört,nämlich:AUSGRENZUNG.Daswarauch der sinnstiftende Begriff einer Tagung im November2013,dieBeiträgedieserTagungbildendenGrundstockdesBuches,dassichaufgrundseinerKompositionwieeinelecture performance in schriftlicher Form liest.Das hier angezeigte Buch liefert sozio-kultu-relle und sozio-ökonomische Basisdaten zur BeteiligungankulturellenAngeboten=einermateriellenBasiskulturpädagogischerPraxis(S.15ff.).EsliefertfernerBerichtevonSpiel-Pra-xis,diemitprofessionellerkulturpädagogischerPhantasieentfaltetwerden,z.B.TheaterinderPsychiatrie(S.73ff.),„SpielerischeRealität“(S.53ff.),„Gemeinsamesbetonen, Differenz anerkennen“ (S. 101 ff.; dieHervorhebungder Handlungsmodi erfolgte durch denn Re-zensenten), Herstellung und Nutzung eines Miteinander durchDifferenzsensibilität denjeweiligenRessourcengegenüber(S.167ff.)…Eszeigtsich,dassnichtstarkwort-dominiertekulturpädagogischePraktiken (Methoden,Themen), die sich durchRhythmus,Tanz,Bewegung,Musik,performance, Collagen u. ä.auszeichnen,eincrossover,alsoGrenzüber-

schreitungen recht gut ermöglichen und zugleich neue Sprachen als menschenrechtlich fundierte VerständigungenherzustelleninderLage,siealso zu bilden(=BildungvonneuenKulturen!).WegestrebenmehroderwenigeroffenenHori-zonten zu, so hat denn zu Recht dieser Band ein offenes Ende, in dem TagungsteilnehmerInnen zuWortekommenundihre„DenkanstößeundImpulse“(S.197ff.)andieLeserInnenwieineiner Diskussion nach einer lecture performance alsihrExpertInnenwissenweiterreichen.

Gerd Koch

Nina Tecklenburg: Performing Stories. Erzäh-len in Theater und Performance. Bielefeld, Berlin: Transcript 2014. [348 S., ISBN 383-762-431-5]

NinaTecklenburgnimmtunsmitaufeinewis-senschaftlicheHeldenreise.SiewillmitihremBuchdemErzählenaufderBühnewiederdenrechtenStellenwertimDiskurszuweisen,umdenesbesondersinderpostdramatischenÄragekommenzuseinscheint.Wiesiedasmacht?Erzählend. Sie beschreibt Arbeitsprozesse,Aufführungen und Wirkungen. Ihr geht es um diewirklichkeitsstiftendeProzesshaftigkeitdesErzählens,dasErzählenalsSprechakt.SieklärtBegriffe:Von einerErzählung erwartetmanKohärenz,ChronologieundTeleologie.AberdieKohärenzistvonErzählendenalleinnichtherstellbar.ErzählerundZuhörerkoproduzie-renimSymbolraum.DannlöstsieakribischAufgabeumAufgabe:Siegräbtkognitionswis-senschaftlicheWurzeln aus, zieht SinnfädenzwischendenspärlichgesätenErzähltheorien,untersuchtEnergien,Erzähllustgenannt,findetdenarchaischenTriebvonMenschengruppen,sich durchdieGeschichten selbst zu kons-tituieren. Sie beleuchtet die kulturbildendeVerstrickungvonSubjektundGesellschaftinihrenGeschichten.„DurchdasErzählenwerdenwirverstricktundnur,weilwirverstricktsind,könnenwirerzählen.“Wann,wo,wie,warumwirdimAlltagerzähltundwelcheWirkungenfolgendaraus?WieundwodurchdringensichSpielundErzählen?DemMenschenwohnteinnarratives Wissen inne, ein Geschichten- und Strukturrepertoire,dasseineWeltsichtkonfi-guriert,dasalsReferenzsystemfungiertundimSpielneukombiniertwerdenkann.GeschichtenhabenunabhängigvonihremWahrheitsgehaltviraleAusbreitungsstrukturen.Performer(unddas könnenwir alle sein) decken versteckteNarrativeauf,schaffenundzerstörenMythen.UnsereHeldinhatdieMechanikderMytho-logisierung in allenFacettenbeleuchtetundbeschrieben.NinaTecklenburghateinBuchgeschrieben,daswissenschaftlicheGenauigkeitundErzähllustmiteinanderverbindet.Esisteine Kopf- und Herzensfreude darin zu lesen.

Bärbel Jogschies

Tilmann Ziemke und Stephan Lipsius: Bühne und Beleuchtung. Bühne, Bühnenbau und Bühnenlicht im Schul- und Amateurthe-ater. Weinheim: Deutscher Theaterverlag 2015. [210 S., ISBN: 978-3-7695-0332-6] Wie sollte ein Probenraum aussehen?Wieentwickeltman alsTheaterpädagoge/The-aterlehrer einBühnenbild?Wie bautmanBühnenbildelemente?WiegestaltetmanmitLicht?WiekannmanmiteinfachenMittelneffektivarbeiten?UndwiekanneineFlachdü-belfräsedabeihelfen?ZudiesenundhundertanderenwichtigenFragengibtdaserfahreneTeamZiemke/LipsiusindiesemnotwendigenHandbuchAntworten,Tippsundweiterrei-chendeKonzeptesowiehistorischeÜberblicke.Klarverständlichundübersichtlichaufgebautführen die Autoren (Ziemke als Theaterleh-rer, Lipsius als Tischler und Holz-Techniker) durchihren–auslangjährigerErfahrungamGymnasiumKronwerkinRendsburg–prallgefüllten Bühnen- und Technikfundus. Von der BeschreibungderGrundeinrichtungvonPro-benraumundBühnehinzueinemfundiertenKapitelzuBühnenbildundBühnenbau.Hierzeigen gerade die Beispiele ganz verschiedener professionellerBühnenbildner,dasssichauchdas Schul- und Amateurtheater an Vielfalt und Abstraktionslustorientierenkann.GrundlegendeBühnenbildelementelassensichaufgrundderdetailliertenBeschreibungenselbstnachbauenund legen so den Grundstein für eine offene va-riableNutzungderSpielräume.Bühnenbildisthierimmerbeides:HandwerkskunstundThea-terkunst.KonkreteTippsausderHolzwerkstattfürAnfängerundFortgeschrittene,danneinekleineGeschichte derBühnenbeleuchtung,imdrittenKapiteleinedetaillierteAufzählungundBeschreibungdesbenötigtentechnischenEquipments.DieFrage„WiegestaltetmanmitLicht?“schließtnachderSchilderungzahlrei-cher grundsätzlicherMöglichkeitenwiedermitpraktischenBeispielen–diesmalausdemSchultheater.Einsorgfältiggestaltetesäußerstnützliches und angenehm sachkundigeswieunaufgeregtesHandbuch,dasunsgefehlthat.BleibtdieFrage:WannkommtderzweiteTeilzumEinsatzvonTon,VideoundOverhead?

Lorenz Hippe

Westphal, Kristin; Stadler-Altmann, Ulrike; Schittler, Susanne; Lohfeld, Wiebke (Hg.): Räume Kultureller Bildung. Nationale und transnationale Perspektiven. Weinheim, Basel 2014: Beltz Juventa. [342 S., ISBN 978-3-77993-022-8]„RäumeKulturellerBildung“.UnterdiesemweitgefasstenTitelkanneinbreitesFeldaufge-spanntwerden.DerUntertiteldesBandeszur4.TagungdesNetzwerksForschungKulturelleBildungversprichteinenReportüber„NationaleundtransnationalePerspektiven“.Mit35Bei-trägenwirddiesesVersprechenindiesemBandderReihe„RäumeinderPädagogik“uneinge-schränkteingelöst.ImerstenKapitelwerden

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201664

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verschiedene Einführungen in das Feld der KulturellenBildungundderenRäumegegeben:KristinWestphal,einederHerausgeberinnendiesesBandes,nähertsichdenvielennochof-fenenForschungsfragenbeispielsweiseüberdasTheater als einem von vielen möglichen Orten der Kulturellen Bildung. In den Artikeln des zweitenKapitelswerdennationaleundtransna-tionaleForschungsperspektivenunterbesondererBerücksichtigung der Frage nach der Koope-rationvontheoretischundpraktisch tätigenPersonen im Bereich der Kulturellen Bildung vorgestellt.DasgesamteKapitel–soheterogenesnichtzuletztaufgrundderInternationalitätanmutet–bietetAntwortenaufdieFrage,in-wiefernKunst-undKulturschaffendeausderPraxis undderTheorie voneinander lernenkönnen.DienächstenKapitelkonzentrierensich auf das Performance-Theater mit Kindern undJugendlichensowieaufdieVermittlunginverschiedenstenRäumen.ZudemgelangennunMedien-sowieKunsträumeundderenpoten-zielle Bedeutung für die Kulturelle Bildung in denBlick.DasletzteKapitelwidmetsichdemTanzimKontextvonBildungseinrichtungen.DieStärkediesesWerksistsomitdiegekonn-teVerbindungvonvielfältigstenThemenundFragestellungenausdempädagogischensowieausdemästhetisch-künstlerischenFeld.Deshalbist es sowohl fürPädagogInnenals auch fürKunst- und Kulturschaffende gleichermaßen zu empfehlen,umeinenumfassendenÜberblicküber die (Möglichkeits-)RäumeKulturellerBildungzuerwerben.

Jennifer Hahn

Martínez, Matías (Hg.): Handbuch Er-zählliteratur. Theorie, Analyse, Geschichte. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 2011. [308 S., 978-3-47602-347-6]Marx, Peter W. (Hg.): Handbuch Drama. The-orie, Analyse, Geschichte. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 2012. [348 S., 9783476023483]Lamping, Dieter (Hg.): Handbuch Lyrik. The-orie, Analyse, Geschichte. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 2011. [451 S., 9783476023469]Zymner, Rüdiger (Hg.): Handbuch Gat-tungstheorie. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 2010. [368 S., 9783476023438]

ImZentrumder vierHandbücher stehenGattungen.Dramatik,Lyrik,Epik,das sindbekanntermaßendieklassischenliterarischenGattungen,dreiPrototypen,denen auch je-weils ein eigenesHandbuch gewidmet ist.Dochwas sind eigentlichGattungen? „Gat-tungenwerdenvomMenschenerdacht.UndzwarvonMenschen,dieüberLiteraturredenoderauchschreiben[…]Gattungensindkei-nerealenSachenwieeingeerbtesBuchodereineselbstbeschriebeneFestplatte:GattungenexistierennurdurchBegriffe,diewirunsda-vonbilden.“(Zymner,7)DenÜberbaubildetdasvonRüdigerZymnerherausgegebene,vor-rangig literaturwissenschaftlichausgerichtete

Handbuch Gattungstheorie, das sich das Ziel gesetzt hat, ein „möglichstweites SpektrumgattungstheoretischerReflexion[zu]erfassen“(5).In8ThemenfeldernwerdendieGeschichteund die Theorie einzelner Gattungen im his-torischenGefügekartographiert:Aspekte der literaturwissenschaftlichen Gattungsbestimmung (7-46), Problemkonstellation der Gattungstheorie (47-130), Gattung und Gattungshistoriogra-phie (131-158), Richtungen und Ansätze der poetologischen Gattungstheorie (159-196), Zur Geschichte der poetologischen Gattungstheorie (197-220), Bezugssysteme von Gattungstheorie und -forschung (221-252), Gattungsforschung dis-ziplinär (253-310), Theorie generischer Gruppen und Schreibweisen (311-342).Austheaterpäd-agogischer Sicht interessant sind vor allem die BezügezumDramaundzurTheaterwissenschaft,diePeterW.MarxinseinenBeiträgenTheater-wissenschaftliche Gattungsforschung(298-301)und Theorien der Theaterliteratur (335-338)behandelt.DenhistorischenAnfangspunktjeglicherGattungsdiskurse bildetAristotelesmit der klaren Unterscheidung von Tragödie und Komödie, die von kreativen Geistern imLaufe derGeschichte immerwiedermit„unreinen“FormenwiedemMelodram durch-brochenwerden.Inden1890erJahrenkonntenalleinindenTheaterankündigungenüber45Theatergattungennachgewiesenwerden.DieAnzahl dürfte sich im postdramatischen Zeit-alter deutlich erhöhen und einen trennscharfen Gattungsbegriffweiteraufweichen.DasvonDieterLampingherausgegebeneHand-buch LyrikumfasstfünfKapitel:Theorie und Poetik der Lyrik (1-34), Lyrikanalyse (35-106), Typologie der Lyrik (107-228), Lyrikvermittlung (229-276) sowie das umfänglichste Kapitel zur Geschichte der Lyrik(277-427).InteressantsindvorallemdieBeiträge,dieBeziehungenderLy-rikzuanderenBereichenwieFilm(212-219),Pop(220-228)oderaberauchderDramatik (172-179)behandeln.ZwischenformenwiedasdramatischeGedicht(176)sowiedaslyrischeDrama(179)entfernensichvomPrototypenundwerfenihrenAnkerinRichtungdesTheaters.MatíasMartínezistderHerausgeberdesHand-buchs Erzählliteratur, das in drei Themenfeldern gegliedertist:Theorie der erzählenden Literatur (1-130), Grundbegriffe der Erzählanalyse (131-166) und die Geschichte der erzählenden Literatur (167-284).DieBezügezumDramatiksindzwarmarginalimVergleichzudenanderenBänden.DafürlegtdiesesHandbuchaberdieFährtezuverschiedenenGebieten,dieauchfürdieThe-aterpädagogikrelevantsind:SeiesderErwerbderErzählkompetenz(58-63),dieemotionalenWirkungendesErzählens (68-74)oderaberauchdasErzählenmitbewegtenBildern(41-49),mitMusik(53-56)undmitdemKörper(56-58).TheaterpädagogInnenwerdenabervorallemmitdiesenBandgutarbeitenkönnen,zumaldieFormendesErzähltheatersimRah-menunseresFachsanBedeutunggewinnen.AuchdasvonPeterW.Marxherausgegebene

Handbuch DramaweistdreiTeileauf:Begrif-fe und Konzepte (1-104), Annäherung an das Drama in analytischer Perspektive (105-170) sowie die Gattungen des Dramas im historischen Kontext (171-328). Es fällt schwer, einzelneBeiträge aus diesemHandbuchhervorzuhe-ben,dennsowohldieverschiedenenBeiträgezur Dramaturgie, zu den Grundelementen des DramasalsauchzurPerformativitätoderzudenGattungendesnichteuropäischenTheaterssind als Hintergrundlektüre für die Theater-pädagogikzuempfehlen.Hierbleibtmananvielen Stellen hängen, verharrt, denkt nachund gelangt zu spannendenQuerverweisen.ZwarwirddieseReihe „zumeist imLesesaaleinerUniversitätsbibliothekoderauchinöf-fentlichenBibliothekenaufgestelltundsomitentgegen der Wortgeschichte heute vermutlich indenwenigstenFälleninprivatenJackenta-schenmitgeführtwerden“(Zymner,1).DortkönnensiealsverlässlicheWissensquelleeinAnlaufpunkt für die Recherche sein, auch für unser Fach.

Maik Walter

Ralph Olsen, Gabriela Paule (Hg.): Vielfalt im Theater. Deutschdidaktische Annähe-rungen. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren 2015. [193 S., ISBN 978-3-8340-1429-0]

Die AutorInnen dieses Bandes sind in der RegelExpertInnender schulischenFachdi-daktikDeutsch.SiezeigenselbstbewusstdieNotwendigkeit, SchülerInnendie „dramati-scheundtheatraleVielfalt imUnterricht…(als)KunstformTheaternahezubringen,ihnengrundlegende Rezeptionskompetenzen zu ver-mittelnundLehrkräfteangesichtsderenormenBreitedesAngebotsnichtzuüberfordern.“(S.6)DieAutorInnengehengewissermaßenmitmehräugigem Blick (Bertolt Brecht) voran, d. h.sieblickenaufdas,wasim(herkömmlichen)Deutschunterricht schon vorhanden ist (siehe literarischeTheatertexte,Dramentheorie),sieheTheaterbesuche alsExkursionen, siehetheater-pädagogischeAngebote derTheater,die als außerschulische Lernorte fungieren (etwa„Jugendclubs“,S.67ff.),sieheVersuchederRezeption vonnicht-literaturbasiertemTheater evtl. imKontext der notwendigerwerdenden Interkulturalität schulischenLe-bensundLernens als generellesPrinzip vonSchule als Institution und aller Fächer undLerngruppenundihrerFachdidaktiken,wo-beidannauchnichtnurderFachunterrichtDeutschsichtheatral/performativorientierenwird/muss.WennTheaterformensichimmermehrintermediärrealisierenbzw.andererseits(und/oderzugleich)Leiblichkeitdominiert(nicht nur in Ballett und Tanztheater), dann sindauchandere,herkömmlicheSchulfächerund ihre Didaktik zu ihrer Neu-Konturierung aufgefordert (z.B.dieMINT-Fächer,Sport,Geographie, Geschichte, Sozialkunde, Spra-

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chen, Sachunterricht).EswerdenSynergienermitteltwerdenmüssenundauchdassichinEinführungbefindlicheSchulfachTheaterinallenSchulstufenund-formenwirdsich insfachdidaktischeKonzerteinbringen.DieAuto-rInnennehmendieseTatbeständeals„didaktischeHerausforderungen“mittels„deutschdidakti-scherAnnäherungen“an,indemsiezugleichdie didaktischen Implikationen des neuen Theatersbe(ob)achtenundsoihrArbeitsver-mögenfürdenDeutschunterrichterweitern.Einige ausgewählteBelege:Die traditionellnichtnurim(Deutsch-)Unterrichtbeheimate-teGattung„Erzählung“findetSchnittmengenmitneuerlichenFormenvon„Erzähltheater“(S.115ff.);“Textbewegung“(S.109)isteinpassender Begriff für das Zusammenspiel von Text-Theatralität&Tanz-Texturen(S.98ff.)–hierwirdsich–auch–MethodendeskreativenSchreibensbedient.Puppenspielkannindigi-talerFormalsFigurentheater‚auferstehen’bzw.(s)einezeitgenössischeFormfinden(S.143ff.):„AlseineArtPropädeutikumfürTheaterspielmitHandpuppenoderPersonenbedeutetdi-gitalesTheaterspielen,FigurenundRequisiten…mitFingernaufeinemBerührbildschirmeines Smartphones oderTablets zubewegen…DerSpielerkannzugleichdieRollendesRegisseurs und des Zuschauers seines eigenen Spiels, seiner selbst inszeniertenAufführungeinnehmen.“(S.143)ZurweiterenAnregung:„ForcedEntertainment“bringtseinen„TableTopShakespeare“mitHaushaltsutensilienwieSchwämmen,DuschgelflaschenalsAkteurenaufdenSpieltisch(siehe„Tischrollenspiel“).Zusammengefasst: „Literaturdidaktik (ist)als transdisziplinäreReflexions- undHand-lungswissenschaft“ (S. 24) zu verstehen–„DramenunterrichtistnichtTheaterunterricht“(S.23)–„TheateralsaußerunterrichtlicheBil-dungspartner“(nutzen)(S.19)–inAnlehnung,andenBuchtitelkannichdieMaximedeshiervorgestelltenBuches so formulieren:Vielfalt im Deutschunterricht. Theatrale Annäherungen.

Gerd Koch

Zamyat M. Klein: Das tanzende Kamel. Kre-ative und bewegte Spiele für Trainings und Seminare. ManagerSeminare Verlags GmbH Bonn 2008 [368 S., ISBN 3-9-360757-19] und DVD Das Tanzende Kamel. 33 kreative und bewegte Spielszenen für Trainings und Seminare. [90 Minuten, ASIN 3936075778].

EinKamelblicktdenLeservonderbereits2008erschienenenSammlungvon150Bewegungs-,Konzentrations- und Lernspielen an. Der Titel verrätesschon:DasträgeTierwirdtanzen.DastunKameleinderRegelnichtundwenndoch,so erregen sie große Aufmerksamkeit. Wie dies gelingensoll,dasistdieFrage,diesichZamy-atM.KleinseitJahrenstelltundaufS.329erhältmanfastamEndedesBuchesauchdieAntwortinFormeinermitBildernaufgelade-nenundimSpielkontextzuentschlüsselnden

Geschichte. Die Pointe soll hier nicht verraten werden,nursovielvorweg:DasKamelistnichtallein und die Wirklichkeit ist manchmal ganz anders, als sie erscheint. Die Leidenschaft der AutorinfürKamelebzw.derAufbrucheinerKarawaneufertindenAusführungenetwasaus(9-10),lässtsichabergutaufGruppenprozesseübertragen.WerwirdbeimGebrüllunddenWiderständenbeimkollektivenErhebensowiedemmajestätischeGangdurchdenSandnichtgleich an (eine sich in Gang setzende) Grup-pendynamikdenken?Das Buch verzeichnet keine Kennenlern-, Rollen- undPlanspiele.VielmehrgehtesumBewegung,genauer darum,wie Seminarteilnehmer inBewegungkommen,wiesieaktiviertwerden.NebenVorwort undEinleitung gibt einen„Stabil-Baukasten“,derzurSpielentwicklungdient,sowieeinLiteratur-undSpielverzeichnis.Kern des Buches ist die Sammlung der Spiele, der„Spiele-Basar“.DieSpielesindsehrausführlichdargestellt,wasAnfängerschätzenwerden.DieBeschreibungenfolgen einem Raster und umfassen zum einen allgemeineAnmerkungen („Methode“) zumanderen den konkreten Spielverlauf, ggf. mit Varianten.VorangestelltisteinSteckbrief,derdasSpielinStichwortenerfasst:Ziel/Wirkung,Material,Vorbereitung,Teilnehmerzahl,FormundDauer.DieZielesindinderKürzejedochnursehrvageformuliert:Derhäufigangeführ-teSprachunterrichtistbeispielsweisekeinZielund schon gar keineWirkung (bspw. 226).DieentsprechendenÜbungendienenhäufiglediglich dem Memorieren und das ist nur eine Technik des Fremdsprachenunterrichts. Mit den abschließenden „Brückenschlägen“werdenthematischeBezügezumöglichenSe-minarinhaltenhergestellt,dieübereinprimäresZielwiebeispielsweisedieKonzentrationsstei-gerung hinausreichen und auch stark kognitiv ausgerichteteSeminarteilnehmerüberzeugenkönnen.Darüber hinaus erleichterndie fil-mischdokumentiertenSeminarsequenzendenEinsatzderschwerbeschreibbarenSpiele.Miteinem Code können einige Filme im Internet abgerufenwerden.DiebeiliegendeDVDent-hält eineAuswahl von33 gefilmtenSpielenmit einem informativen Booklet, das die ent-sprechendenSpieleaufbereitetundkannauchseparaterworbenwerden.Insieben„Abteilungen“werdendieSpieleprä-sentiert:Aktivierung und Konzentration(21-104),Rhythmus und Bewegung(105-138),Austoben und Dampf ablassen (139-174),Reihenspiele bei Kinobestuhlung (175-190),Alberne Gute-Laune-Spiele(191-218),Lernspiele(219-314)sowie Interkulturelle Begegnungen(315-347).DerTondesBuchesistsehrprivatundteilweisekommt es zu Redundanzen. Letzteres ist für die normale Nutzung dieser Spielesammlung kein Nachteil,dennkaumjemandwirddasBuchvondererstenbiszurletztenSeitesystematischdurcharbeiten.VielmehrwirdmannachBedarfaufdasAngebotzugreifenodersichvonein-

zelnenSpieleninspirierenlassen.DieStärkenliegeneindeutigindenerstenfünfdersiebenAbteilungen,woauchTheaterpädagogensichfüreinWarmingup,bzw.einRhythmusspielanregenlassenkönnen,umträgeSpielermitEnergieaufzuladen.DamitwirddieKarawanedannnichteinfachweiterziehen,sondernihrenWegauchfinden.

Maik Walter

Joachim Fiebach: Welt Theater Geschichte. Eine Kulturgeschichte des Theatralen. Berlin: Theater der Zeit 2015. [541 S., ISBN Hard-cover: 978-3-95749 020-9; ISBN (E-Book): 978-3-05749-056-8]

FiebachsTitelundUntertitelversprechenviel,aberdiesesvoluminöseWerkhältauchdiesesVersprechen. Ihre Wurzeln hat diese Kulturge-schichteinderDDR-Theaterwissenschaft,wiesie vor allem von Rudolf Münz mit dem Mo-delldesTheatralitätsgefügesundvonFiebachselbst,besondersmitseinenAnalysenzumaf-rikanischenundinterkulturellenTheatersowiezurinszeniertenWirklichkeit,vertretenwurde.Es ist keine allgemeine Kulturgeschichte, das wäreeinvielzugroßesUnterfangen,esistaberauchkeineweitereGeschichtedesTheaters,daswärefürFiebachzueingeschränkt;derBegriffdes Theatralen grenzt ein und öffnet zugleich den Horizont, und es ist ein politisches Buch, aberkeinideologisches.Fiebachgliedert seineUntersuchung in fünfTeile,dassinddie„Vormoderne“,der„histo-rischeKapitalismusinEuropa“,das„(lange)19.Jahrhundert“,die„erste“unddie„zweiteHälftedes20. Jahrhunderts“, ergänztdurcheinen „Ausblick“.Hinzu kommenumfang-reiche Anmerkungen, ein sehr hilfreiches Personen-undSachregistersowiederNachweisder zahlreichen, sehr anschaulichen, zum Teil farbigenAbbildungenundBildtafeln.Schon der erste Teil, der mit den Kapiteln „TheatraleLebensgestaltung“und „TheateralsbesonderesgesellschaftlichesFeld“beginnt,machtdeutlich,dassFiebacheineeurozentris-tischeSichtweisevermeidetundnebenAsien(Japan und China) auch Afrika und Amerika berücksichtigt;esistwirklichdasBemühenumeine„Welttheatergeschichte“.EbensowichtigistdemAutoraberauchdieKulturgeschichtederplebejischenSchichten,d.h.dasTheatervon unten.Im zweitenTeil sindneben ‚Leuchttürmen‘wieShakespeareundCommediadell’ArtedieEntwicklungeinesausdifferenzierten„geord-netenTheaters“sowiedieVeränderungenderFestkultur und der Cultural Performances im Rahmender kapitalistisch-bürgerlichenVer-änderungenvonbesondererBedeutung.DerdritteTeilthematisiertnebendemNaturalis-mus und dem folgenden antinaturalistischen Umbruch als zentraleAspekte – über dasTheaterhinausgehend–auchPanoramenundDioramen,FotografieundWeltausstellungen,

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Zeitschrift für Theaterpädagogik / April 201666

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MusicHall undKünstlertheater,Urbanität,KonsumkulturundFilmsowieeinwichtigesKapitel über „Kolonialismus und imperialeModernisierung“mitAbschnittenzuMittel-undSüdamerika, zurKaribik, zuSüdafrika,Indien,ArabienundAfrika.Das 20. Jahrhundert istwohlwegen seinerbesonderenRelevanz in zwei umfangreicheTeileaufgeteilt,derZweiteWeltkriegstelltinetwadieTrennliniedar.DerersteAbschnitt(4.Teil)beginntmitdemErstenWeltkriegsowiemitDADA,demTheaterinSowjetrussland,PiscatorundAgitprop.Esfolgendie„außer-europäische Peripherie“, die „audiovisuelleMediatisierung“(u.a.Filmund„FilmisierungdesTheaters“)sowiediePerformancekunst,z.B.dasTheaterimBauhausunddieExperimentederSurrealisten.Das„TheaterBrechts“stehtamAnfangderzweitenHälftedes20.Jahrhunderts(5.Teil),einerseitssicherlichzuRechtwegender Welterfolge seiner Inszenierungen nach 1945, andererseits doch etwas ‚erzwungen‘,davieleseinerwichtigenTheater-Experimente(antikulinarische Oper, Lehrstück etc.) in die 1920erund30erJahrefallen.EsfolgenHap-pening,AktionskunstundPerformance,JerzyGrotowskiundBennoBesson,HeinerMüllerund Peter Brook, Living Theatre (mit Artaud), DokumentartheaterundBoal,WoleSoyinkaunddasTheatergegenApartheidsowiewei-tereTheater-Praxen,indenendieVielfaltderVersuche undExperimente und ihre sozio-kulturelleBedeutunginden1960erund70erJahren sichtbarwerden.Richard Schechner,dieWooster-GroupunddasThéâtreduSoleilsowiePerformanceArtundLiveArteinerseitsund das Theatre for Development andererseits stehenfürdie1980erJahre.Fiebachbeendetim„Ausblick“seine„Streifzügedurchdie„KulturgeschichtedesTheatralen“,wie ermitUnderstatement formuliert,mit„Fluchtlinien“,indenenGeschichteebensozuverschwindendrohtwiedasGesellschaftlichehinterderVerabsolutierungdesIndividuums.Zugleicht zeigt er „Inseln desWiderstands“verschiedener Theater und Theaterformen vonderVolksbühnebiszuRiminiProtokoll(RealitätersetztRealismus)gegendieseneoli-beralenEntwicklung.NebendemCommunityTheatreundanderen„Gemeinschaften“betontFiebachganzzumSchlussseinerKulturgeschich-te„dassoziokulturellorientierte‚angewandteTheater‘selbsttätiger/freierTruppenundvonSpielgruppen an Schulen, das in der Rezeption vonAugustoBoals‚TheaterderUnterdrückten‘oder/undBrechtsLehrstücktheaterarbeitet.“Wennmanbeidiesemsowichtigenkulturge-schichtlichenProjektetwaskritischanmerkenwill,dannsind–meinesErachtens–zweiAs-pektezuerwähnen.ErstensstelltsichdieFrage,obindem„Ausblick“diebisherigen15Jahresdes 21. Jahrhunderts ausreichenddargestelltwerden,oderistetwaauchdas20.Jahrhun-dertein‚langes‘Jahrhundert?ZweitensscheintmirdergesamteBildungsbereich,derjaeinen

erheblichenAnteilamTheatralenimAlltags-lebenundderkulturellenEntwicklunggeradein Kindheit und Jugend hat, von den Latein-schulenbiszurheutigenTheaterpädagogikmitAusnahmevonStanislawski,Brecht,Boalunddem Theatre for Development in Afrika und trotzdesspäten,abersehrkurzenHinweisesaufdasangewandteTheatervon„SpielgruppenanSchulen“nicht(ausreichend)berücksichtigt.Gleichwohl ist dieser ‚andere‘Blick auf dieKulturgeschichtedesTheatralen,dieFiebachsozusagen‚gegendenStrichbürstet‘vongroßerBedeutungfüreinedifferenzierteBeschäftigungmitTheaterundTheatralität–auchfürThea-terpädagog_innen.

Florian Vaßen

Hans Heß (Hg.): Erzählbar. 111 Top-Ge-schichten für den professionellen Einsatz in Seminar und Coaching. 3. Auflage. Bonn: managerSeminare Verlags GmbH (Edition Training aktuell) 2015. [278 S., ISBN: 978-394196-532-4]

DasErzählen vonGeschichten gehört zumtheaterpädagogischenKanon.Ob nun imErzähltheatermit seinenNuancen, im Im-provisationstheater,wennesumdieStrukturder gemeinsam zu erspielenden Geschichten geht oder aber ganz generell in der konkre-ten Stückentwicklung,wenn an einer Storygearbeitetwird.Erzählbaristvieles,auchimWirtschaftsumfeld,wiedievonHansHeßzu-sammengestellte Geschichtensammlung zeigt. Die111dortaufbereitetenGeschichtenzeichnensich dadurch aus, dass sie eine - in zahlreichen Metaphern versteckte, dennoch klare - Botschaft vermitteln,dieesinderjeweiligenArbeitzuentschlüsseln gilt. DerHerausgeberumrahmtseineSammlungmit einer knappen vierseitigen Einleitung und einemzweiseitigen„HappyEnd“.AmAnfangwirddieIdeezudiesemBuchsowiederenUm-setzungerzähltundamEndedieWirkungderBohnengeschichte(S.222)präsentiertwird.DieGeschichtenwurden von 77Trainern,BeraternundPersonalentwicklernzusammenge-tragenundnachdenfolgenden16Merkmalenkatalogisiert:Verkauf,Verhandlung;Führung;Teamentwicklung; Change-Management,Kommunikation; Innovation,Kreativität;Organisationsentwicklung;EntwicklungderPersönlichkeit;Reflexion;Motivation,positivesDenken;Perspektivenwechsel;Wahrnehmung,Akzeptanz;Beziehungsgestaltung;LifeBalan-ce, Stressbewältigung; Streit,Konflikt sowieZiele, Vision.Neben adaptiertenMärchen bzw. aus derLiteraturentnommenenGeschichtengibteskonkreteFallbeschreibungenbishinzuWitzen.DieAufbereitungerfolgtedurchdiejeweiligenAutorInnen. Wie üblich beimManagerseminare-Verlagist dasLayout eineAugenweide.Bereits das

Querformatistungewöhnlich.FürdiemeistenGeschichtenfindetsichaufjederDoppelsei-te links ein geschmackvolles, aufgeschlagenes Buch mit einer Geschichte, die auf der rechten SeitennachfünfKategorienaufbereitetwird:Zunächstwird inStichpunkten (1)der the-matischeKontextumrissenund(2)HinweisezurUnterstützung,Begleitung,Verstärkunggegeben,bevor(3)FragenzurReflexionan-geführtwerden.Abschließendwird (4) derjeweiligeEinsatzetwasausführlicherdargelegtund(5)wennmöglicheineQuelle/Referenzangeführt. Dieses Schema ist gut durchdacht undausgesprochenpraktikabel.Ichhättemirgewünscht,dassdieordnendeHanddesHe-rausgebers hier stärker eingegriffenunddasSchemadamitkonsequenterumgesetzthätte,beispielsweiseindenGeschichtenvomZitro-nensorbet(S.52f.)odervondenzweiHeringenaufderPalme(S.207f.).DieangeführtenErklärungensindfüreinenerfahrenenTrainerbzw.Coachmeistgutver-ständlich,wennermitAnsätzenwiedemNLP(S.199)oderderTransaktionsanalyse(S.225)gutvertrautist.Ansätze,dieauchimUmfelddesUnternehmenstheaters nicht unbekanntsein dürften. Für diesen Bereich stellt das Buch eineguteMaterialbasisdar.Wer jedochvonLernstufen(S.139),denSMARTGoals(S.135)oderdemBonnerRessourcen-Modell(S.155)nochnichtsgehörthat,wirdvondenentspre-chendenEinsatzszenarienwenigprofitieren.

BesondersguthatmirdievomHerausgebererzählteGeschichte „Fragdoch einfach“ (S.136)gefallen:EshatsichimWaldherumge-sprochen,dassderBäreineTodesliste führt.Einige Tiere halten die Spannung nicht mehr ausundfragenihnuntervierAugen,obsieaufdieserListestünden.DerBärbejahtdiesundkurzeZeitspäterwerdendieFragenstellertotaufgefunden.DasgehteineWeileso,biseingewitzterHaseebenfallszumBärkommt.AuchererfährtaufNachfrage,dasserebenfallseinTodeskandidat sei.SeinezweiteFrage,obernichteinfachvonderListegestrichenwerdenkönne,rettetdemTierjedochseinLeben.DennderBärhatgarnichtsdagegen.Soeinfachkannes manchmal sein.

Maik Walter

Asimov, Isaac (2014): Shakespeares Welt. Was man wissen muß, um Shakespeare zu verste-hen. Mit einem Vorwort von Tobias Döring. Deutsche Erstausgabe. Berlin: Alexander Verlag [601 S., ISBN: 978-3-89581-330-6]

Endlich liegteinedeutscheÜbersetzungderEssayszuShakespeare-Stückendes1992ver-storbenenIsaacAsimovvor.Bereits1970konnteman inder amerikanischenOriginalausgabeeinen bequemenWeg in den Shakespeare-Kosmosfinden,bestehendausnichtwenigerals 38 Stückenund2Versdichtungen.DiesorgfältigedierteAusgabederklugausgewähl-tenEssaysgibtnuneinenEinblickinzwölf,häufigaufdeutschenBühnenanzutreffendenStücken:Ein Sommernachtstraum (17-62),

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Romeo und Julia (63-95),DerKaufmannvonVenedig(96-154),VielLärmumnichts(155-173),Wie es euch gefällt (174-189),Wasihrwollt(190-214),Othello(215-246),DerSturm(247-273),KönigLear(274-339),Hamlet(340-434),Macbeth(435-507),KönigRichardIII.(507-590).Mehrals400(!)BücherverfasstederUS-ame-rikanischeUniversalgelehrte, der 1958 seineLehrtätigkeitalsProfessorfürBiochemieanderBostonUniversityaufgab,umendlichschreibenzukönnen.DervonihmgespannteBogenwarweit:ErreichtevonderRobotik,derBibelbiszurrömischenGeschichteunddabeinichtzuvergessen:Shakespeare.IndenhierinsDeut-scheübersetztenEssayswirdder/dieLeserInandieHandgenommenundfolgt–ähnlichdemVorgehenineinemSchauspielführer–denGangdurchdasjeweiligeDrama,vonderhistorischenEinbettungüberdieHandlungindeneinzel-nenAktenbiszumwertendenEndpunkt.Diesalles geschieht durch die interpretierende Brille vonAsimovundwirddortmitvielenDetails,diedemVerständnisderTextedienen,ange-reichert.NichtohneGrundschätztengeradeRegisseurewieLukPercevaldiesenWegzurTextweltShakespeares,wiemaniminforma-tivenVorwortdesPräsidentenderDeutschenShakespeare-GesellschaftTobiasDöringerfahrenkann.TheaterpädagogInnen,dieeinenZugangfürsichoderihreSchülerInnen/SpielerInnenzudieserWeltsuchen,bietetderBandeinenspannendenkurzweiligenZugang.

Maik Walter

Nachgelesen: Seiten- und Rückblicke

2015erschieninbrasilianisch-portugiesischerSprachedaserste„LéxicodePedagogiadoTea-tro“(SãoPaulo2015:EditoraPerspectiva.203S.,ISBN978-85-273-0998-1):Esumfasstüber100StichworteundwurdeherausgegebenvonIngridDormienKoudela(dieinHeft10und15AutorindieserZeitschriftwar)undJoséSimõesde Almeida Junior. Als Muster nahmen sie das 2003vonMarianneStreisandundGerdKochimSchibriVerlagherausgegebene„WörterbuchderTheaterpädagogik“.InteressantindiesemZusammenhang ist auch die Sammlung von TextenzumBrasilianischenTheater.(Brasilia-nischesAußenministerium/DIVULG(Hrsg.):BrasilianischesTheater.TexteausBrasilienNr.16.Salzburg2012.177S.Siesindreichbebil-dertundunentgeltlichzubeziehenunterwww.itamaraty.gov.br.

Gerd Koch

Bereits1993schriebDorotheeZapkeindenKorrespondenzeneinenBeitrag„AufderSu-che-ÜberTheaterinParis“(Heft15/1993),vorwenigenWochenerschiennunvonihrimGABAL-Verlag „DieRhetorikfalle.WarumRhetoriktippsindieIrreführenundwieSiewirklichüberzeugen“(Offenbach2015:GA-BAL.152S.,ISBN.978-3-86936-671-5).EinfeurigesPlädoyergegendieinRhetoriksemi-naren antrainierten Standardgesten mit einer Vielzahl von praktischenFallbeispielen. 13solcher Fallen in Form imperativischer Hand-

lungsanweisungenwerdengenauunterdieLupegenommen: „AtmenSie tiefdurch!“, „Brustraus,Bauchrein!“,„LächelnSie!“,„SprechenSietiefer,daswirktsouverän!“,KeineGestenunterhalbderTaille!“,„MachenSiesichgroß!“,„Pokerface,dennMaskenschützen!“,„FesterStandheißtSicherheit!“„Niemalsbewegungslos“(die letztenbeiden auch gern im verwirren-denDoppelpack), „Sprechen Sie immer 30Prozent lauter, alsSiewollen!“, „BleibenSiesachlich!“,„HörenSieaktivzu!“,„ZählenSiebisdrei,bissieantworten!“ZapkeführtnachdemAusrufezeichenschoninderÜberschriftdieKonsequenzweiterundgibtHinweise,wiealternative Wege zum authentischen Sprechen führen könnten.

Maik Walter

Schnell vergriffen inder erstenAuflagewareinHandbuch zumSzenischen Schreiben,daseinMitherausgeber,AutorundRezensentdieserAusgabeimJahre2011verfasste.UnterdemTitel„Undwaskommtjetzt?SzenischesSchreibenindertheaterpädagogischenPraxis“(ISBN978-3-7695-0288-6)motivierteLorenzHippe LeserInnen, seinen aufgezeigten Wegen zumSchreibenzufolgenunddieseauchindertheaterpädagogischenPraxisüberzeugendanzu-leiten. Nach langem Warten hat der Deutsche TheaterverlagnunendlicheineNachauflagezugänglich gemacht und das begrüßenwiraußerordentlichundkönnen es nurwärms-tens empfehlen.

Maik Walter

Anzeigenschluss für das Heft 69 ist Juli 2016.

Anzeigen-Annahme: Schibri-Verlag

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