2
Gustav Rudolf SeIIner 1905 geboren am 25. Mai in Traunstein/Oberbayern 1923-1924 Schauspielausbildung an den Münchner Kammerspielen 1925-1926 Schauspieler der Jungen Bühne am Nationaltheater Mannheim 1926-1931 Schauspieler, Dramaturg, Regieassistent in Oldenburg, Gotha, Coburg 1932-1940 Oberspielleiter des Schauspiels und Leiter der Dramaturgie am Landestheater in Oldenburg 1933 1. Mai: Eintritt in die NSDAP 1937 Stellvertretender Intendant in Oldenburg 1940-1943 Intendant und Regisseur am Stadttheater in Göttingen 1943-1944 Generalintendant der Städtischen Bühnen Hannover 1945-1946 Internierung durch die Alliierten, Entnazifizierungsprozess 1948-1951 Regisseur in Kiel und Essen 1951-1961 Intendant des Landestheaters Darmstadt Zusammenarbeit mit dem Kranichsteiner Kreis, u.a. Hans Werner Henze, Bruno Maderna und Pierre Boulez 1952 Weigerung Sellners, das Theaterexperimente ablehnende, sogenannte Düsseldorfer Manifest, von Gustaf Gründgens initiiert, zu unterschreiben 1957 Deutsche Erstaufführung von Ionescos Stücken Unterrichtsstunde und Opfer der Pflicht an einem Abend, großer Theaterskandal 1960 Zusammenarbeit mit Gustaf Gründgens in Sellners Inszenierung von Shakespeares Der Sturm am Hamburger Schauspielhaus 1961 Letzte Inszenierung am Darmstädter Landestheater ist Kleists Amphitryon Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes 1961-1972 Intendant und Regisseur der Deutschen Oper in BerIin 1972 Umzug in den Schwarzwald Hauptrolle im Film Der Fußgänger unter der Regie von Maximilian Schell 1972-1985 Gastinszenierungen an verschiedenen Bühnen 1985 Letzte Inszenierung: Der Weltverbesserer von Thomas Bernhard am Staatstheater Saarbrücken 1990 Sellner stirbt am 8. Mai in Burgberg/Königsfeld im Schwarzwald Weiterführende Literatur Ausstellungskatalog: Gustav Rudolf Sellner, Regisseur und Intendant 1905-1990. Eine Ausstellung der Theaterwissenschaftlichen Sammlung Universität zu Köln, 21. April-2. Juni 1996 Georg Hensel: Ein Jahrzehnt Sellner-Theater in Darmstadt, Darmstadt o. J. Hermann Kaiser: Vom Zeittheater zur Sellner-Bühne, Das Landestheater Darmstadt von 1933 bis 1960, Darmstadt 1961 Gerald Köhler: Das Instrumentale Theater des Gustav Rudolf Sellner unter besonderer Berücksichtigung seiner Bewegungsregie, Köln 2002 Henning Rischbieter: Konservativer Modernist, Zum Tod von Gustav Rudolf Sellner, in: Theater heute 6/1990 Christian Wolf: Gustav Rudolf Sellners Theaterarbeit vor 1948, Dissertation, Berlin 2011 Ausstellung Alle Fotos der Ausstellung aus der Theatersammlung der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Copyright: Pit Ludwig Gestaltung und Produktion der Fotoausstellung: Gönner und Wolf, Digitaler Inkjetdruck Gefördert durch den Darmstädter Förderkreis Kultur e. V. und die Engel-Apotheke Mit freundlicher Unterstützung des Staatstheaters Darmstadt Flyer zur Ausstellung Herausgeber: Freundeskreis Weißer Turm e. V. Redaktion: Dr. Matthias Ackermann | Gestaltung: Nora Baumann Druck: Ph. Reinheimer GmbH Öffnungszeiten Weißer Turm Mittwoch: 15 bis 19 Uhr Samstag: 13 bis 17 Uhr Sonderführungen nach Vereinbarung: Telefon 06151 372525 Weitere Informationen und Aktuelles unter: www.weisser-turm-da.de Zehn Jahre Sellner-Theater in Darmstadt 1951-1961 Fotoausstellung des Freundeskreises Weißer Turm e. V. 3. Juli bis 3. August 2013 Foto: Pit Ludwig

Gustav Rudolf SeIIner Weiterführende Literatur Zehn Jahre ... · wissenschaftler Theo Girshausen die Sellner-Zeit in Darmstadt anlässlich einer Ausstellung der theaterwissenschaftlichen

Embed Size (px)

Citation preview

Gustav Rudolf SeIIner

1905 geboren am 25. Mai in Traunstein/Oberbayern1923-1924 Schauspielausbildung an den Münchner Kammerspielen1925-1926 Schauspieler der Jungen Bühne am Nationaltheater Mannheim 1926-1931 Schauspieler, Dramaturg, Regieassistent in Oldenburg, Gotha, Coburg1932-1940 Oberspielleiter des Schauspiels und Leiter der Dramaturgie am Landestheater in Oldenburg1933 1. Mai: Eintritt in die NSDAP 1937 Stellvertretender Intendant in Oldenburg1940-1943 Intendant und Regisseur am Stadttheater in Göttingen1943-1944 Generalintendant der Städtischen Bühnen Hannover1945-1946 Internierung durch die Alliierten, Entnazifizierungsprozess1948-1951 Regisseur in Kiel und Essen 1951-1961 Intendant des Landestheaters Darmstadt Zusammenarbeit mit dem Kranichsteiner Kreis, u.a. Hans Werner Henze, Bruno Maderna und Pierre Boulez1952 Weigerung Sellners, das Theaterexperimente ablehnende, sogenannte Düsseldorfer Manifest, von Gustaf Gründgens initiiert, zu unterschreiben1957 Deutsche Erstaufführung von Ionescos Stücken Unterrichtsstunde und Opfer der Pflicht an einem Abend, großer Theaterskandal 1960 Zusammenarbeit mit Gustaf Gründgens in Sellners Inszenierung von Shakespeares Der Sturm am Hamburger Schauspielhaus 1961 Letzte Inszenierung am Darmstädter Landestheater ist Kleists Amphitryon Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes 1961-1972 Intendant und Regisseur der Deutschen Oper in BerIin1972 Umzug in den Schwarzwald Hauptrolle im Film Der Fußgänger unter der Regie von Maximilian Schell1972-1985 Gastinszenierungen an verschiedenen Bühnen 1985 Letzte Inszenierung: Der Weltverbesserer von Thomas Bernhard am Staatstheater Saarbrücken 1990 Sellner stirbt am 8. Mai in Burgberg/Königsfeld im Schwarzwald

Weiterführende Literatur

Ausstellungskatalog: Gustav Rudolf Sellner, Regisseur und Intendant 1905-1990. Eine Ausstellung der Theaterwissenschaftlichen Sammlung Universität zu Köln, 21. April-2. Juni 1996Georg Hensel: Ein Jahrzehnt Sellner-Theater in Darmstadt, Darmstadt o. J.Hermann Kaiser: Vom Zeittheater zur Sellner-Bühne, Das Landestheater Darmstadt von 1933 bis 1960, Darmstadt 1961Gerald Köhler: Das Instrumentale Theater des Gustav Rudolf Sellner unter besonderer Berücksichtigung seiner Bewegungsregie, Köln 2002Henning Rischbieter: Konservativer Modernist, Zum Tod von Gustav Rudolf Sellner, in: Theater heute 6/1990Christian Wolf: Gustav Rudolf Sellners Theaterarbeit vor 1948, Dissertation, Berlin 2011

Ausstellung Alle Fotos der Ausstellung aus der Theatersammlung der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Copyright: Pit LudwigGestaltung und Produktion der Fotoausstellung: Gönner und Wolf, Digitaler InkjetdruckGefördert durch den Darmstädter Förderkreis Kultur e. V. und die Engel-ApothekeMit freundlicher Unterstützung des Staatstheaters Darmstadt

Flyer zur AusstellungHerausgeber: Freundeskreis Weißer Turm e. V.Redaktion: Dr. Matthias Ackermann | Gestaltung: Nora BaumannDruck: Ph. Reinheimer GmbH

Öffnungszeiten Weißer Turm

Mittwoch: 15 bis 19 UhrSamstag: 13 bis 17 UhrSonderführungen nach Vereinbarung: Telefon 06151 372525

Weitere Informationen und Aktuelles unter:www.weisser-turm-da.de

Zehn Jahre Sellner-Theater in Darmstadt

1951-1961

Fotoausstellung des Freundeskreises Weißer Turm e. V.

3. Juli bis 3. August 2013

Foto: Pit Ludwig

Vom Wesen des Werkes und Zeigen des WortesDas „Instrumentale Theater“ des Gustav Rudolf Sellner in Darmstadt (1951-1961)

Ins typische Intendantentheater der fünfziger Jahre ordnet der Theater-wissen schaftler Theo Girshausen die Sellner-Zeit in Darmstadt anlässlich einer Ausstellung der theaterwissenschaftlichen Sammlung 1996 in Köln ein. Ein Intendantentheater, zu dem Henning Rischbieter, der Begründer des Theatermagazins Theater heute, anlässlich des Todes von Sellner 1990, die Regie führenden Intendanten-Autokraten Gründgens, Buckwitz, Schalla, Schuh und Stroux zählt. Und eben als letzten Protagonisten dieser Ära Gustav Rudolf Sellner.

Gemeint waren Intendanten, die den Stil eines Hauses, die den Charakter und den Stellenwert eines Theaters entscheidend, weil autokratisch und sich selbst in den Mittelpunkt rückend, prägten. Diese Intendanten standen – mehr als heute – für die klare künstlerische Linie „ihres“ Theaters. Und während anderswo Beliebigkeit die Spielpläne prägte und Werktreue oberstes Gebot war, gab Sellner seiner Zeit in Darmstadt klare Konturen, die sich zwischen den beiden Antipoden, der griechischen Antike und dem Absurden, bewegten.

In den zehn Spielzeiten in der Behelfsspielstätte Orangerie suchte Sellner in seiner Arbeit nach dem ewig Menschlichen, dem Tragischen, dem Existenziellen. Er sah den Menschen nicht als geschichtliches Wesen, sondern als Archetypus. Begriffe wie Gesellschaft, Politik oder auch Psychologie kommen in Sellners Sprachgebrauch nicht vor. Realismus oder gar Naturalismus waren ihm zuwider. Dementsprechend inszenierte er in diesen zehn Jahren keinen Hauptmann, keinen Ibsen, keinen Strindberg, sondern vorwiegend antike Klassiker, die Dramen Shakespeares, später die Stücke des absurden Theaters. Dabei machte es Sellner seinem Publikum nicht leicht. Er hatte Mut zur Provokation, er wählte nur das aus seiner Sicht überzeitlich Gültige aus, wollte keine Moden bedienen, wollte nicht gefällig sein.

In diesem Sinne war Sellner zugleich umstrittener Konservativer und Modernist. Sein „Instrumentales Theater“ war in seiner Suche nach der Urform, dem Mythos, dem Allgemeinen, dem Exemplarischen rückwärtsgewandt und reaktionär. Und es war gleichzeitig modern, denn es war nicht werkgetreu, es war experimentell in seinem Umgang mit Text, Sprache und Raum. Es war nicht anbiedernd an den Geschmack des Zuschauers, es nahm keine Rücksicht auf die Sehgewohnheiten. Darin liegt das Außergewöhnliche, so ist die Aufmerksamkeit zu erklären, die ihm damals und bis heute entgegengebracht wird.

Die Mittel seines Theaters, die strenge choreografische Führung der Personen und die abstrakten, reduzierten Bühnenräume, finden sich aber durchaus auch in experimentellen Theaterformen der zwanziger Jahre. Und auch Sellner selbst war kein außerhalb der Zeit stehendes Wesen, auch wenn er die Zeit nach 1948 als seine „Stunde Null“ proklamierte. Die ihm eigene Ästhetik, in Darmstadt meist zusammen mit dem Bühnenbildner Franz Mertz weiterentwickelt, war in den Jahrzehnten zuvor schon angelegt.

Das „Instrumentale Theater“ und seine Elemente

Geprägt wurde der Terminus erst am Ende der bezeichneten Jahre, nämlich vom Dramaturgen Claus Bremer in einem 1959 gehaltenen Vortrag über Gustav Rudolf Sellners Theaterstil an der Uni Freiburg. Charakteristisch für das „Instrumentale Theater“ ist, dass man ausschließlich werkimmanent nach dem Göttlichen der Dichtung und dem Wesen des Menschen suchte. Philosophische Grundlagen lieferten die Schriften Martin Heideggers und Karl Jaspers’. Sellner wollte dem Theater seinen kultisch-mythisch-mystischen Rang wieder zurückgeben. Die heute oftmals beschworene aktuelle Haltung zum Stück, die Gegenwartssicht, die Prüfung der Aussagen des Autors auf Basis heutiger Erfahrung, war nicht opportun.

Im Buch „Theatralische Landschaft“ von 1962, als Rechenschaftsbericht seiner Darmstädter Zeit angelegt, beschreibt Sellner seine Theaterarbeit als etwas „Kultisches“, als eine Suche nach dem „Kern der Wahrheit“, mit der Intention, das Theater aus dem „Geist der Sprache“ zu beleben. Begriffe, wie die Verheißung, das Ewige, das Dasein und die Gottheit spielen eine große Rolle. Alles Überraschende, Sinnlich-Erotische, jede Individualität, Psychologie, das Aktuelle, Soziales oder gar Politisches traten in den Hintergrund.

Regie: Das Instrumentale Theater versteht sich als Ort des Zeigens, man will das Wesen des Werkes zum Klingen bringen. Dem realistischen Stilprinzip wird die innere Erlebnisform gegenübergestellt. Damit wird der Regisseur zu einem Zeigenden des Wortes und zum Instrument des Dichters.

Akteur: Der Schauspieler des Instrumentalen Theaters musste mit seiner Indivi-dualität und Persönlichkeit hinter dem Allgemeingültigen zurücktreten. Nicht der Schauspieler spricht, sondern die Sprache spricht. Nicht Psychologie sondern Energie war gewünscht. Sellners Schauspieler unterlagen einem bestimmten Codex des Ausdrucks, des Sprechens, der Geste. Sie begriffen dies aber nicht

als Einschränkung, sondern als Möglichkeit. In der Instrumentalisierung lag gleichzeitig die Erhöhung des Akteurs.

Chor und Choreografie: Eine streng geregelte Bewegungsführung, die mit dem Raum in einen Kausalzusammenhang trat, kennzeichnete Sellners Theater. Dabei sprach der Chor fugal, das heißt, Wortsequenzen überlappten sich oder wurden musikalisch ineinander verwoben.

Bühne: Die Bühnenräume der Sellner-Zeit, meist von Franz Mertz gestaltet, waren keine realistischen oder gar naturalistischen Szenerien, sondern anti-illusionistische, abstrakte, geistige Räume für überindividuelle Gestalten und Gewalten. Hier passierte nichts zufällig, nichts spontan. Es gibt Skizzen von Franz Mertz, in denen schon genau der Weg der Protagonisten und des Chores durch den Raum verzeichnet ist.

Das Sellner-Theater von 1951 bis 1961 in Darmstadt erscheint außergewöhnlich, ragt als auratischer Block aus der Zeit, ist dabei aber nicht ahistorisch. Es fügt sich ein in den historischen Kontext des Kunstverständnisses der fünfziger Jahre. Sellners Theater war nach innen gewandt, immer existenziell nie soziologisch. Und es hatte seine Stunde Null nicht hier in Darmstadt, sondern weist eindeutige Bezüge zu Sellners Schaffensperioden in den dreißiger und vierziger Jahren auf.

Matthias Ackermann

Die Ausstellungsebenen im Weißen Turm

Ebene 1: Antikes Ebene 2: Klassisches Ebene 3: Modernes und Absurdes