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Die Fortbildung ist in drei MODULE gegliedert: MODUL 1: ANATOMIE UND KRANKHEITSBILD MODUL 2: THERAPIEOPTIONEN MODUL 3: BERATUNG IN DER APOTHEKE Einleitung Über zwei Millionen Menschen sind jährlich von einer entzündlichen Erkrankung der Harnwege betroffen – Frauen 50-mal häufiger als Männer. Demnach hat jede zweite Frau mindestens einmal in ihrem Leben einen Harnwegs- infekt. Die Betroffenen suchen häufig zunächst Rat in der Apotheke. Daher ist es für Apotheker/innen und PTA wichtig, fundierte Empfehlungen geben zu können und zu wissen, in welchen Fällen ein Arztbesuch notwendig ist. MODUL 1: ANATOMIE UND KRANKHEITSBILD Um das Krankheitsbild „Harnwegsinfektion“ mit seinen Ursachen und Symptomen zu verstehen, ist es wichtig, die anatomischen Gegebenheiten der Niere und der ableitenden Harnwege zu kennen. 1.1 Die Funktion der Nieren Die Nieren erfüllen im Körper wichtige Aufgaben. Sie produzieren den Harn, mit dem unter anderem schädliche Stoffwechselprodukte zusammen mit Wasser ausgeschieden werden. Auf diese Art wird das innere Milieu der Gewebe reguliert (Säure-Basen-Haushalt) und der Flüssigkeitshaushalt ausgeglichen. [4] Folgende lebenswichtige Funktionen erfüllen die Nieren: ¡ Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushalts ¡ Regulation des Säure-Basen-Haushalts ¡ Ausscheidung von Stoffwechselprodukten und Fremdstoffen ¡ Rückgewinnung wichtiger Substrate aus dem Primärharn ¡ Blutdruckregulation durch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ¡ Abbau von Plasmaprotein und Peptidhormonen ¡ Synthese wichtiger Hormone (Calcitriol, Erythropoietin) [1] ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG Arzneitees bei Harnwegsinfekten für Apotheker/PTA Von der Apothekerkammer zertifiziert 1 Punkt

ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG Arzneitees bei … · mit dem Analgetikum Paracetamol. 2.2 Blasen- und Nierentees zur Behandlung von Harnwegsinfekten Neben einer schulmedizinischen Therapie

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Die Fortbildung ist in drei MODULE gegliedert:

MODUL 1: ANATOMIE UND KRANKHEITSBILD

MODUL 2: THERAPIEOPTIONEN

MODUL 3: BERATUNG IN DER APOTHEKE

Einleitung

Über zwei Millionen Menschen sind jährlich von einer entzündlichen Erkrankung der Harnwege betroffen – Frauen 50-mal häufiger als Männer. Demnach hat jede zweite Frau mindestens einmal in ihrem Leben einen Harnwegs- infekt. Die Betroffenen suchen häufig zunächst Rat in der Apotheke. Daher ist es für Apotheker/innen und PTA wichtig, fundierte Empfehlungen geben zu können und zu wissen, in welchen Fällen ein Arztbesuch notwendig ist.

MODUL 1: ANATOMIE UND KRANKHEITSBILD

Um das Krankheitsbild „Harnwegsinfektion“ mit seinen Ursachen und Symptomen zu verstehen, ist es wichtig, die anatomischen Gegebenheiten der Niere und der ableitenden Harnwege zu kennen.

1.1 Die Funktion der Nieren

Die Nieren erfüllen im Körper wichtige Aufgaben. Sie produzieren den Harn, mit dem unter anderem schädliche Stoffwechselprodukte zusammen mit Wasser ausgeschieden werden. Auf diese Art wird das innere Milieu der Gewebe reguliert (Säure-Basen-Haushalt) und der Flüssigkeitshaushalt ausgeglichen. [4]

Folgende lebenswichtige Funktionen erfüllen die Nieren:

¡ Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushalts ¡ Regulation des Säure-Basen-Haushalts ¡ Ausscheidung von Stoffwechselprodukten und Fremdstoffen ¡ Rückgewinnung wichtiger Substrate aus dem Primärharn ¡ Blutdruckregulation durch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ¡ Abbau von Plasmaprotein und Peptidhormonen ¡ Synthese wichtiger Hormone (Calcitriol, Erythropoietin) [1]

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1.2 Form und Lage der Nieren

Die Nieren sind paarig und von einer bohnenförmigen Gestalt. Sie liegen in der Lendengegend unterhalb des Zwerchfells beidseitig der Wirbelsäule. An der medial gelegenen Konkavität (Wölbung nach innen) befindet sich der Hilus (Nierenpforte), an dem die Gefäße (Arteria renalis, Vena renalis) sowie der Ureter (Harnleiter) ein- bzw. austreten. Der Längsdurchmesser einer Niere beträgt bei Erwachsenen ca. 10–12 cm, der Querdurchmesser 5–7 cm und das Gewicht etwa 120–200 g.

1.3 Aufbau der Nieren

Die Oberfläche der Nieren ist mit einer bindegewebigen Kapsel überzogen. Im Längsschnitt der Nieren lassen sich die Nierenrinde (Cortex renalis), das Nierenmark (Medula renalis) und das Nierenbecken (Pelvis renalis), aus dem der Ureter austritt, erkennen. Das Mark wird durch Säulen in 8–17 Pyramiden unterteilt, deren Spitzen (Nierenpa-pillen) im Zentrum zusammenlaufen. Die Nierenpapillen sind schlauchförmig von Nierenkelchen überzogen, welche den Harn auffangen und in den Sammelraum des Nierenbeckens weiterleiten.

Die Nieren werden über die Arteria renalis mit Blut versorgt. Diese verzweigt sich nach Eintritt in den Hilus in die Arteriae interlobares. Letztere steigen in die Säulen zwischen den Markpyramiden zur Oberfläche auf und geben arka-denförmige Äste an die Basis der Pyramide ab, aus denen die Arteriae interlo-bulares hervorgehen. In regelmäßigen Abständen zweigen von diesen Arteriolen (Vasa afferentia) ab, welche die Nierenkörperchen mit Blut versorgen. Die Vasa afferentia bildet in jedem Nierenkörperchen ein Kapillarknäuel, welche sich wiederum zu den Vasa efferentia vereinigen, die das Blut abtransportieren. An dieses Kapillarsystem schließt ein zweites Kapillarsystem an – das peritubulä-re Kapillarsystem, welches die Tubuli und Sammelrohre mit Blut versorgt. Über die Vena renalis wird das venöse Blut aus der Niere herausgeleitet. [1], [4]

1.3.1 Nephron

Das Nephron stellt die Bau- und Arbeitseinheit der Niere dar. Jede menschliche Niere enthält ca. eine Million Nephrone. Diese bestehen aus einem Nierenkör-perchen und dem Tubulusapparat. Das Nierenkörperchen setzt sich aus dem Kapillarknäuel (Glomerulus) und der Bowman-Kapsel zusammen. Der Tubulus-apparat besteht aus dem proximalen Tubulus, einem Überleitungsstück, dem distalen Tubulus und dem Sammelrohr. Die geraden Teile des proximalen und distalen Tubulus und das Überleitungsstück werden auch als Henle-Schleife bezeichnet. [1] , [4]

Nieren- becken

PapilleNierenkelch

Nieren- rinde

Harnleiter

Nieren- kapsel

Nieren- gefäße

© DAP GmbH

Sammel- rohr

Henle Schleife

distaler Tubus

Nieren körperchen

Spaltraumproximaler Tubus

© DAP GmbH

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1.3.2 Harnbildung

Aus dem durchfließenden Blutplasma wird im Glomerulus Primärharn abgepresst. Dieser ist nahezu eiweißfrei, da Proteine ab einem bestimmten Radius den Nierenfilter nicht mehr passieren können. Im Tubulus- und Sam-melrohrapparat wird der gefilterte Primärharn in Endharn (Urin) überführt und über den Ureter in die Harnblase weitergeleitet. Der größte Teil der gelösten Bestandteile und 99 % des Wassers werden rückresorbiert und dem Blutkreislauf wieder zugeführt. Die durchschnittlich gebildete Harnmenge liegt bei etwa 1500 ml am Tag, kann aber zwischen 500 und 3000 ml variieren.

1.3.3 Glomeruläre Filtrationsrate

Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gibt das in sämtlichen Glomeruli abgepresste Filtrationsvolumen pro Zeitein-heit an. Normalwerte sind im frühen Erwachsenenalter bei Männern 125 ml/min und bei Frauen 110 ml/min. [1]

1.4 Die ableitenden Harnwege

Die ableitenden Harnwege setzen sich aus den Harnleitern (Ureteren), der Harnblase (Vesica uinaria) und der Harnröhre (Urethra) zusammen.

1.4.1 Harnleiter (Ureteren)

Die zwei Harnleiter dienen dem Transport des Harns aus dem Nierenbecken in die Harnblase. Es handelt sich dabei um dünne, ca. 30 cm lange Schläuche, die schlitzförmig in die Harnblase münden. Die Mündungen der Harnleiter sind jeweils durch eine klappenartige Schleimhautfalte verschlossen. Diese Ver-schlüsse und der schräge Durchtritt der Harnleiter durch die muskuläre Blasen-wand verhindern den Rückfluss von Urin während der Blasenkontraktion. [1]

1.4.2 Harnblase (Vesica urinaria)

Die Harnblase ist ein Hohlorgan und dient als Reservoir für den Harn. Sie liegt unmittelbar hinter dem Schambein. Die Wand der Harnblase besteht aus drei Schichten glatter Muskulatur (Detrusor vesicae). An der Mündung der Harnröh-re verdicken sich die glatten Fasern der Muskulatur zum inneren Schließmuskel (Sphincter internus). Der äußere Schließmuskel (Sphincter externus) besteht aus quergestreifter Muskulatur und verschließt die Harnröhre.

Die Blase eines Erwachsenen kann 0,6–1 Liter fassen. Bereits bei einer Menge von 150–300 ml tritt ein Gefühl der Blasenfüllung ein. Der Druck innerhalb der Blase steigt bei der Füllung zunächst etwas an und bleibt bei weiterer Füllung konstant. Bei zunehmender Füllung kommt es zu keiner weiteren Zunahme des Drucks, sondern die Miktion (Blasenentleerung) setzt ein. Die Blasenmuskulatur erhält somit einen weitgehend konstanten Blasentonus. [1]

Niere (Ren)

Nebenniere (Glandula)

Blase (Vesica urinaria)

Harnröhre (Urethra)

Aorta (Hauptschlagader)

Nierenbecken (Pelvis renalis)

Untere Hohlvene (Vena cava inferior)

Harnleiter (Ureter)

© modifiziert nach Martha Kosthorst/Fotolia

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1.4.3 Harnröhre (Urethra)

Die männliche und die weibliche Harnröhre sind unterschiedlich ausgeprägt. Die männliche Harnröhre ist etwa 20 cm lang und ihr Anfangsteil wird von der Prostata umschlossen. Sie dient sowohl als Kanal für Urin als auch für das Sekret der Prostata. Die weibliche Harnröhre hingegen ist weniger als 5 cm lang, sodass Bakterien leichter die Harnblase erreichen können. Aus diesem Grund leiden Frauen weitaus häufiger unter Harnwegsinfekten als Männer. [1]

1.4.4 Blasenentleerung (Miktion)

Die Blasenentleerung ist ein willkürlicher und reflektorischer Vorgang. Daran beteiligt sind die Kontraktion des Detrusormuskels, die Erweiterung der Harnröhre im Bereich des inneren Sphincters, die Erschlaffung des äußeren Sphincters und die Kontraktion der Bauch- und Beckenmuskulatur.

Ein Harndrang wird bereits ab einer Füllung von 150 ml empfunden. Er wird durch die Zunahme afferenter Nerven- impulse hervorgerufen. Die Kontraktion des Detrusormuskels kann über parasympathische Fasern des N. splan- chnicus pelvinus und die Erschlaffung des Sphincter externus über willkürmotorische Fasern des N. pudendus ausgelöst werden. Die Unterdrückung des Miktionsreflexes kann durch Hemmung der Impulse aus dem Mittelhirn und der Großhirnrinde erreicht werden. [1]

1.5 Harnwegsinfekte

Als Harnwegsinfekt wird die Entzündung des Gewebes bezeichnet, das die Harnblase auskleidet. Ausgelöst wird ein Harnwegsinfekt häufig durch gramnegative Bakterien, seltener durch grampositive Bakterien, Viren oder Pilze. Meist handelt es sich um aufsteigende (aszendierende) Infektionen: Die Erreger gelangen von der Harnröhrenöff-nung aus durch die Harnröhre bis in die Harnblase.

Ursachen bzw. begünstigende Faktoren für Harnwegsinfekte:

¡ Falsches Abwischen beim Stuhlgang (es sollte immer von vorne nach hinten gewischt werden) ¡ Mangelnde Hygiene ¡ Übertriebene Hygiene (zu viel Seife oder Intimwaschlotionen) ¡ Geschwächtes Immunsystem ¡ Trinkmenge zu gering ¡ Harnöffnung liegt bei Frauen näher am After, die Bakterien gelangen leichter an die Harnöffnung ¡ Geschlechtsverkehr

1.5.1 Infektionen der unteren Harnwege – Zystitis

Die Infektion der unteren Harnwege wird als Zystitis bezeichnet. Darunter wird eine Entzündung der Blasenschleim- haut und in schweren Fällen der ganzen Blasenwand verstanden. Häufigster Auslöser ist Escherichia coli, aber auch Enterokokken, Staphylococcus aureus und Viren können einen Harnwegsinfekt verursachen. Auch chemische und mechanische Reize können die Entstehung einer Harnwegsinfektion begünstigen, wie z. B. Geschlechtsverkehr, Blasenkatheter etc. [2]

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Zu den typischen Symptomen einer Zystitis zählen:

¡ Brennen beim Wasserlassen ¡ Pollakisurie (häufige Miktion) ¡ Harndrang bei physiologisch niedriger Blasenfüllung ¡ Tenesmen (starke, krampfartige Schmerzen bei Harndrang) ¡ Unwillkürlicher Harnabgang [2]

1.5.2 Infektionen der oberen Harnwege – Pyelonephritis

Die Infektion der oberen Harnwege wird als Pyelonephritis oder auch als Nierenbeckenentzündung bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine bakterielle Entzündung des Niereninterstitiums und des Nierenbeckenkelchsystems. Ausgelöst wird die Infektion durch Escherichia coli, Enterokokken, Proteus, Staphylokookken, Pseudomonas und seltener durch Klebsiella.

Typische Symptome einer Pyelonephritis:

¡ Häufig Fieber/Schüttelfrost ¡ Schmerzen in der Genitalgegend ¡ Abgeschlagenheit/allgemeines Krankheitsgefühl ¡ Durstgefühl ¡ Übelkeit und Erbrechen [2]

1.5.3 Rezidivierende Harnwegsinfekte

Von einer rezidivierenden Harnwegsinfektion wird gesprochen, wenn die Infektion öfter als dreimal pro Jahr auftritt oder mindestens zweimal innerhalb der letzten sechs Monate. Es handelt sich in der

Regel um unkomplizierte Infekte. [3]

© absolutimages/Fotolia

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MODUL 2: THERAPIEOPTIONEN

2.1 Antibiotika

Die Kurzzeitbehandlung mit einem Antibiotikum ist bei einer akuten unkomplizierten Harnwegsinfektion empfehlens- wert. Die Mittel der ersten Wahl sind Fosfomycin (Einmalgabe), Nitrofurantoin und seit kurzer Zeit Pivmecillinam. Fosfomycin und Nitrofurantoin zeigen geringe Resistenzraten. Weitere Alternativen sind Fluorchinolone, wie z. B. Ciprofloxacin, Norfloxacin, Cefpodoxim oder auch Cotrimoxazol. [1] Letztere werden laut Leitlinie nur eingesetzt, wenn Fosfomycin und Nitrofurantoin nicht in Frage kommen und deren Resistenzsituationen dies zulassen. [3]

Fosfomycin besitzt ein geringes Nebenwirkungspotential und wird deshalb als Mittel der ersten Wahl genannt. Lediglich Kopfschmerzen, Schwindel oder Schwäche werden beobachtet. Zudem gibt es bisher wenige Resistenzen. Im Gegensatz zu Fosfomycin kann Nitrofurantoin viele unerwünschte Wirkungen auslösen, wie etwa akute, subakute und chronische Lungenerkrankungen (z. B. interstitielle Pneumonie). Daher darf es auch nur eingesetzt werden, wenn effektivere und risikoärmere Antibiotika ausscheiden.

Pivmecillinam ist erst seit März 2016 in Deutschland erhältlich und zählt zu den Penicillinen. Wie für diese Gruppe üblich, besteht ein Risiko der Arzneimittelallergie. [6]

Symptomlinderung in Ergänzung zur Antibiotikabehandlung

Bei krampfartigen Schmerzen der ableitenden Harnwege können Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren in Ergänzung zum Antibiotikum krampflösende Mittel einnehmen, wie zum Beispiel Butylscopolamin in Kombination mit dem Analgetikum Paracetamol.

2.2 Blasen- und Nierentees zur Behandlung von Harnwegsinfekten

Neben einer schulmedizinischen Therapie mit Antibiotika werden bei leichten und unkomplizierten Harnwegsinfekten häufig Blasen- und Nierentees zur Schmerzlinderung und Ausspülung der Bakterien verwendet. Auch unterstützend zu einem Antibiotikum können die Arzneitees eingesetzt werden.

2.3 Phytopharmazie – traditionell bewährte Arzneien

Die heilende und lindernde Wirkung von Pflanzen ist bereits seit Jahrtausenden bekannt. Auch heute spielen aus Pflanzen gewonnene Arzneimittel, genannt Phytopharmaka (griechisch: phyton = Pflanze, pharmakon = Arzneimittel), eine wichtige Rolle in der Arzneimitteltherapie. In der modernen Phytopharmazie verbinden sich die langjährigen traditionellen Erfahrungen mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Arzneimittelforschung. [5]

2.4 Pflanzliche Drogen – Teedrogen

Bei Teedrogen handelt es sich um getrocknete Pflanzenteile. Durch Heißwasserextraktion (Infus, Dekokt) oder seltener Kaltwasserauszug (Mazerat) entsteht die eigentlich wirksame Arzneiform.

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2.4.1 Anforderungen an pflanzliche Drogen zur Teezubereitung

Damit pflanzliche Drogen zur Teezubereitung verwendet werden dürfen, müssen sie den zugehörigen Einzelmono- graphien des Arzneibuches entsprechen oder, wenn diese nicht vorhanden sind, der allgemeinen Monographie pflanzlicher Drogen (Plantae medicinales). Die pflanzlichen Drogen müssen der Prüfung auf Identität und Reinheit durch die geforderten Untersuchungen entsprechen. [5]

2.4.2 Mischungen von pflanzlichen Drogen zur Teezubereitung

Bei Teegemischen handelt es sich um „gleichförmige Mischungen aus unzerkleinerten und zerkleinerten Drogen“. Die Kombination aus verschiedenen Teedrogen wird häufig hergestellt, um eine bestmögliche therapeutische Wirk-samkeit bei einem bestimmten Krankheitsbild zu erreichen. Es empfiehlt sich, eine Teemischung aus nicht mehr als 7–8 Bestandteilen herzustellen. Zubereitungen mit 20 oder mehr Bestandteilen gelten mittlerweile als obsolet, da häufig einige der Komponenten unterdosiert sind. In den sogenannten Standardzulassungen lassen sich ent- sprechende Vorschriften für die Herstellung von Teemischungen finden. Hier unterscheidet man nach Leitdrogen (erste Relevanz für den Indikationsanspruch), Ergänzungsdrogen (nachgeordnete Relevanz für den Indikationsan-spruch) und Hilfsdrogen.

Im ÖAB, in der Ph. Helv. sowie im DAC lassen sich ebenfalls allgemeine Monographien für Teemischungen finden. [5]

2.4.3 Formen von Arzneitees

Arzneitees sind in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich. Neben den losen Teedrogen werden Teefilterbeutel, Instanttees, Sprühextrakte und Granulattees angeboten, welche mit siedendem Wasser aufgegossen werden müssen. Filterbeutel sind bereits portioniert, was für den Patienten eine Erleichterung bei der Dosierung darstellt. Auch die Ziehzeit ist für die Wirksamkeit des Tees wichtig. Einen Vorteil bieten getrocknete Pulver, da sich diese sofort lösen und die Wirkstoffe direkt verfügbar sind. Den löslichen Teepulvern ist häufig ein Messlöffel beigelegt, der die rich-tige und exakte Dosierung erleichtert.

2.4.4 Einsatz von Arzneitees

Handelt es sich um leichte bis mittelschwere Erkrankungen, werden Arzneitees oft als alleiniges Arzneimittel eingesetzt. Mit ihren therapeutisch wirksamen Bestandteilen können sie zu einer Linderung oder Heilung der jewei-ligen Erkrankung beitragen. Darüber hinaus werden Arzneitees ergänzend zu einer vom Arzt verordneten Therapie eingesetzt. In diesem Fall unterstützt die Einnahme des Tees die verordnete Therapie und der Krankheitsverlauf wird positiv beeinflusst.

Gerade im Bereich der Harnwegsinfekte werden häufig Arzneitees eingesetzt, sofern es sich um eine akute, un-komplizierte Blasenentzündung handelt. Hier ist es wichtig, die Harnwege gut durchzuspülen, damit Bakterien aus dem Körper geschwemmt werden und die Entzündungsgefahr vermindert wird. Mit Hilfe eines Blasen- und Nieren-tees kann die Harnausscheidung angeregt und die Entzündung gelindert werden. Bereits bei den ersten Anzeichen einer Blasenentzündung sollte daher ein Arzneitee verwendet werden, um die Symptome zu lindern.

Im folgenden Abschnitt werden wichtige Teedrogen zur Behandlung eines Harnwegsinfektes vorgestellt. [5]

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2.5 Häufig bei Harnwegsinfekten verwendete Drogen und ihre Wirkung

2.5.1 Bärentraubenblätter – Uvae ursi folium

Die Bärentraube (Arctostaphylus uva-ursi) gehört zur Familie der Ericaceaen (Heidekrautgewächse). Es handelt sich dabei um einen niederliegenden, bodenbedeckenden Zwergstrauch mit ledrigen, spateligen und immergrünen

Blättern. Die Bärentraube ist eine wildwachsende Pflanze, welche in Spanien und Italien beheimatet ist. Die Äste, die ohne Blüten sind, werden bis zu 50 cm lang und bilden Matten. Die blütentragenden Äste hingegen wachsen aufstei-gend. Die Bärentraubenblätter werden bis zu 2 cm lang und 1 cm breit. Auf der Oberseite sind sie dunkelgrün, auf der Unterseite blassgrün.

Die Droge besteht aus den getrockneten Blättern. Aufgrund der adstringierend und antibakteriell wirkenden Inhaltsstoffe werden Bärentraubenblätter bei leichten Harnwegsinfekten in Form von Arzneitees oder Fertigpräparaten ange-wendet.

2.5.2 Birkenblätter – Betulae folium

Die hängende Birke (Betula pendula) gehört zu den Birkengewächsen (Betulaceae) und ist ein sommergrüner Laub-baum. Der bis zu 25 m hohe und schmale Baum ist in den gemäßigten Klimazonen Europas heimisch. Die weiße

Rinde, die später dunkel und rissig wird, ist charakteristisch für die Birke. Die hellgrünen Blätter sind dreieckig bis rautenförmig und laufen spitz zu. Am Rand sind sie doppelt gesägt und unbehaart. Die Blütezeit ist bereits im April. Zwi-schen den Blättern lassen sich häufig 3-lappige Fruchtschuppen und geflügelte Früchte finden. Zum Einsatz kommen die getrockneten Laubblätter. Bereits seit dem Mittelalter werden Birkenblätter aufgrund ihrer durch enthaltene Flavonoide und Kaffeesäure harntreibenden Wirkung gegen Nieren- und Blasensteine an-gewendet. Auch zur unterstützenden Behandlung rheumatischer Beschwerden werden sie eingesetzt.

Sigur/Shutterstock.com

© smallredgirl/Fotolia

Birkenblätter – Betulae foliumWirksame Inhaltsstoffe: Flavonoide (hauptsächlich Hyperosid und Avicularin), ätherische Öle,

Saponine

Wirkung: diuretisch (harntreibend)

Anwendungsgebiete: Bakterielle und entzündliche Erkrankungen der ableitenden Harn-wege, Nierengrieß, rheumatische Beschwerden [5] Lukasz Grudzien/Shutterstock.com

Bärentraubenblätter – Uvae ursi foliumWirksame Inhaltsstoffe: Arbutin, Gerbstoffe

Wirkung: antibakteriell, adstringierend

Anwendungsgebiete: Bakterielle und entzündliche Erkrankungen der ableitenden Harnwege Heike Rau/Shutterstock.com

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2.5.3 Echtes Goldrutenkraut – Solidaginis virgureae herba

Die echte Goldrute gehört zur Familie der Korbblütengewächse (Asteraceae, Compositae). Es handelt sich um ein ausdauerndes bis zu 1 m hohes Kraut mit einem knotigen Wurzelstock und einem aufrechten, verzweigten Stängel. Die Blätter sind eiförmig bis lanzettlich und stehen wechselseitig am Stängel. Die gelben Blütenköpfchen sind in Trauben bzw. Rispentrauben angeordnet, die in den Achseln der oberen Blätter stehen. Sie wächst in Europa, Nordafrika, Nord-amerika und Asien (außer in subtropischen und tropischen Gebieten).

Zum Einsatz kommen die während der Blütezeit (August/Oktober) gesammelten oberirdischen Teile der Pflanze. Die Inhaltsstoffe der echten Goldrute wirken harntreibend und zudem gegen Schmerzen und Entzündungen.

2.5.4 Hauhechelwurzel – Ononidis radix

Bei der dornigen Hauhechel (Ononis spinosa) handelt es sich um einen bis zu 80 cm hohen Halbstrauch, der zur Familie der Fabaceaen gehört. Am Grund hat die Pflanze einen holzigen Stängel, welcher zweireihig behaart und steif bedornt ist. Die unteren Blätter sind dreizählig, die oberen einfachzählig. Die Blüten sind rosa-weiß und in lockeren Trauben angeordnet.

Zur Verwendung kommt die getrocknete Wurzel. Die Inhaltsstoffe der Hauhe-chelwurzel wirken harntreibend, antibakteriell und analgetisch. Daher werden Tees mit Hauhechelwurzel zur unterstützenden Therapie bei Harnwegsinfekten eingesetzt.

Echtes Goldrutenkraut – Solidaginis virgureae herbaWirksame Inhaltsstoffe: Flavonoide (insbesondere Quercetin und Kämpferol), Saponine

(Olean-12-en-Typ), ätherisches Öl, Polycarbonsäuren (z. B. Kaffee-säure, Chlorogensäure)

Wirkung: diuretisch (harntreibend), analgetisch, entzündungshemmend

Anwendungsgebiete: Bakterielle und entzündliche Erkrankungen der ableitenden Harn- wege, Harnsteine und Harngrieß [5], [7]

Hauhechelwurzel – Ononidis radixWirksame Inhaltsstoffe: Isoflavonoide (hauptsächlich Formononetin und Genistein), Spinonin

Wirkung: diuretisch (harntreibend), antibakteriell, analgetisch

Anwendungsgebiete: Bakterielle und entzündliche Erkrankungen der ableitenden Harn-wege, zur Durchspülung und Vorbeugung von Nierengrieß

© emar/Fotolia

© DAP GmbH

© marilyn barbone/Fotolia

© renamarie/Fotolia

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2.5.5 Orthosiphonblätter – Orthosiphonis folium

Die Stammpflanze Orthosiphon stamineus – auch Katzenbart genannt – gehört zur Familie der Lippenblütler (La-miaceae). Es handelt sich dabei um krautige Pflanzen bzw. Halbsträucher, die im tropischen Asien beheimatet sind

und in Indonesien kultiviert werden. Sie werden bis zu 60 cm hoch und besitzen einen vierkantigen, behaarten oder kahlen Stängel, an dem sich kreuzgegen-ständig angeordnete Blätter befinden. Die Blätter haben eine hellgrüne Unter-seite, welche eine ausgeprägte Nervatur und punktförmige Drüsen besitzt. Die Oberseite ist bräunlich-grün. Die Blätter sind lanzettlich mit grob gesägten oder gezähnten Rändern und werden 7 bis 8 Zentimeter lang. Während der Blüte- zeit sind die ährenartigen Lippenblüten blau-weißlich oder hellviolett. Diese sind in Scheinquirlen angeordnet. Den Namen verdankt die Pflanze ihren langen Staubblättern, welche an die Schnurrhaare von Katzen erinnern.

Teezubereitungen lassen sich auch unter dem Namen Javatee, Javanischer Nierentee oder z. B. Indischer Nierentee finden. Als Droge werden die getrockneten Blätter und Stängelspitzen verwendet. Aufgrund ihrer diuretischen und bakteriostatischen Wirkung werden die Blätter bei entzündlichen Erkrankungen der Harnwege eingesetzt.

2.5.6 Queckenwurzelstock – Graminis rhizoma

Die gemeine Quecke (Agropyron repens) gehört zur Familie der Poaceae (Süßgräser). Es handelt sich um eine aus- dauernde krautige Pflanze, welche unterirdische Rhizome bildet. Die Halme sind kahl, sie stehen aufrecht oder sind

nach unten gebogen. Sie weisen drei bis fünf Knoten auf. Die Laubblätter der gemeinen Quecke sind grün. Sie verbreitet sich häufig nicht nur über Früchte, sondern auch durch aus den Wurzelstöcken austreibende Ausläufer. Es handelt sich um ein weit verbreitetes Unkraut, das auf der nördlichen Erdhälfte vor-kommt.

Zur Anwendung kommen die Rhizome und die kurzen Stängelabschnitte. Die Inhaltsstoffe der Quecke wirken harntreibend und werden sowohl bei Nieren- und Blasenbeschwerden als auch bei Wunden eingesetzt.

Orthosiphonblätter – Orthosiphonis foliumWirksame Inhaltsstoffe: Flavonoide (z. B. Sinensetin, Eupatorin), Kaffeesäure, Rosmarinsäure

Wirkung: diuretisch (harntreibend), bakteriostatisch

Anwendungsgebiete: Bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der Harnwege, Nierengrieß [5], [7] © Heike Rau/Fotolia

Queckenwurzelstock – Graminis rhizomaWirksame Inhaltsstoffe: Triticin, Saponine, ätherische Öle

Wirkung: diuretisch (harntreibend)

Anwendungsgebiete: Bakterielle und entzündliche Erkrankungen der ableitenden Harn-wege, Vorbeugung von Nierengrieß [5] © Heike Rau/Fotolia

© cjansuebsri/Fotolia

© emer/Fotolia

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2.6 Beispiele für die Zusammensetzung eines Blasen- und Nierentees

Beispiel 1: Blasen- und Nierentee I (St. Zul. 1959.99.99) [5]

¡ 20 Teile Birkenblätter ¡ 20 Teile Queckenwurzelstock ¡ 20 Teile Goldrutenkraut ¡ 20 Teile Hauhechelwurzel ¡ 20 Teile Süßholzwurzel

Beispiel 2: Species anticysticae (Ph. Helv. 11) [5]

¡ 25 Teile Birkenblätter ¡ 45 Teile Bärentraubenblätter ¡ 30 Teile Süßholzwurzel

MODUL 3: BERATUNG IN DER APOTHEKE

Sucht ein Patient in der Apotheke Hilfe und berichtet über eine Harnwegsinfektion, müssen Apothekenmitarbeiter viele Dinge beachten, um herauszufinden, ob eine Selbstmedikation sinnvoll und ausreichend ist. Mit gezielten Fragen kann festgestellt werden, wann ein Gang zum Arzt unumgänglich ist. Dauern die Beschwerden länger als fünf Tage an oder ist der Harn stark verfärbt oder sogar blutig, gehört der Patient zum Arzt. Ebenso ist es ratsam,

erkrankte Männer und Kinder an den Arzt zu verweisen. Bei Männern bietet der Restharn ideale Bedingungen für Erreger zur Vermehrung. Auch Schwangere, Diabetiker oder Patienten mit Niereninsuffizienz sind an

den Arzt zu verweisen, da sie für die Selbstmedikation nicht geeignet sind. Bei Schwangeren besteht die Gefahr einer Nierenbeckenentzündung und bei Diabetikern ist das Risiko eines Harnwegs-

infektes besonders groß, da ihre Immunantwort meist vermindert ist und eine Glukosurie bestehen kann.

Die Selbstmedikation ist nur bei akuten und unkomplizierten Harnwegsinfektionen sinnvoll oder unterstützend zu einer Antibiotikatherapie, um hinsichtlich der häufig

sehr schmerzhaften Symptome Abhilfe zu schaffen.

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3.1 Fragen

Mit der ersten Frage wird geklärt, für wen das Medikament sein soll. Teilweise werden Arzneimittel für Bekannte, Freunde oder Verwandte in der Apotheke besorgt. Außerdem ist abzuklären, ob noch andere Erkrankungen oder relevante Umstände, wie etwa Schwangerschaft oder Stillzeit, vorliegen. Zusätzlich sind die genauen Beschwerden zu hinterfragen und wie lange diese bereits andauern. An dieser Stelle kann geklärt werden, ob es sich eventuell um eine rezidivierende Harnwegsinfektion handelt und ob noch weitere Symptome, wie etwa Fieber oder Blut im Urin, vorliegen. In diesen Fällen ist ein Arztbesuch notwendig.

Auch die Frage nach weiteren Arzneimitteln ist wichtig und ob bereits ein Arzt konsultiert wurde.

Fragen im Überblick:

¡ Für wen? ¡ Liegen weitere Erkrankungen oder besondere Umstände (z. B. Schwangerschaft) vor? ¡ Alter? ¡ Geschlecht? ¡ Wie genau sehen die Beschwerden aus? ¡Wie lange dauern die Beschwerden bereits an? ¡Sind weitere Symptome (Fieber) vorhanden? ¡ Werden noch weitere Arzneimittel eingenommen? ¡ Gibt es Unverträglichkeiten/Allergien? ¡Wurde bereits ein Arzt kontaktiert?

Sind all diese Fragen geklärt, geht es darum, ein passendes Arzneimittel für den Patienten auszuwählen. Dabei ist z. B. auf Allergien zu achten, gegebenenfalls auch auf Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln.

3.2 Darreichungsformen

Bei der Wahl eines Blasen- und Nierentees spielen nicht nur die Inhaltsstoffe eine wichtige Rolle. Auch die geeig-nete Darreichungsform ist sehr wichtig. Der Patient hat die Wahl zwischen Teefilterbeuteln oder Instanttees.

3.2.1 Teefilterbeutel

In der Apotheke werden häufig fertige Packungen mit Teefilterbeuteln angeboten. Mit diesen liegt die korrekte Dosis direkt vor und durch die starke Zerkleinerung der Wirkstoffe ist eine gute Extraktion möglich. Da sich die Teedrogen in einem Beutel befinden, kommt es im Gegensatz zu losen Teemischungen zu keiner Entmischung. Es gibt jedoch auch Nachteile: Bei der starken Zerkleinerung von Drogen mit ätherischen Ölen können diese verloren gehen und damit ihre Wirkung verlieren. Mitunter lassen sich auch Fremdanteile finden, die in dieser Darreichungsform nicht sichtbar sind. Es ist wichtig, dass die Apothekenmitarbeiter bei der Auswahl des Teeherstellers auf die vom Arznei-buch geforderte Qualität achten, um eine Wirksamkeit garantieren zu können. [5]

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3.2.2 Instanttees

Bei Instanttees wird noch einmal zwischen Sprühextrakt und Granulattee unterschieden. Instanttees bieten den Vorteil einer schnellen Zubereitung, da weder auf eine Ziehzeit noch auf ein Abseihen geachtet werden muss. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Instanttees mit heißem oder kaltem Wasser zubereitet werden können.

Die Zusammensetzung ist im Vergleich zu Filterbeuteln immer gleichmäßig und gleichbleibend.

Granulattees

Granulattees werden durch Granulations- bzw. Agglomerationsverfahren hergestellt. Die flüssigen Drogenextrakte werden auf das Trägermaterial (häufig Saccharose) aufgesprüht und in Wärme getrocknet. Danach erfolgt eine Zerkleinerung zu korn- oder zylinderförmigen Agglomeraten. Granulate sind leicht wasserlöslich und haben eine geringe hygroskopische Tendenz. Verklumpungen sind selten. Durch die verwendete Saccharose, die dem Granulat einen süßlichen Geschmack verleiht, ist besonders bei Diabetikern auf die Broteinheit zu achten. Auch Kindern ist diese Darreichungsform nicht zu empfehlen, da die Gefahr der Kariesbildung besteht. Im Vergleich zu Sprühextrakten ist der Gehalt an Drogenextrakten sehr gering (ca. 2–3 % Trockenextrakt).

Sprühextrakte

Das Herstellungsverfahren der Hochdruck-Sprühtrocknung ist besonders schonend. In einem patentierten Herstel-lungsverfahren werden zunächst die gewünschten Wirkstoffe aus den Pflanzenteilen extrahiert. Dieser zähflüssige Extrakt wird unter hohem Druck in einem Heißluftstrom pulverisiert und in lichtgeschützte, aromaversiegelte Schraub- gläser gefüllt. Bei diesem Verfahren wird nicht viel Trägersubstanz benötigt und der Anteil an drogenfremden Kohlen- hydraten wird gering gehalten. Daher sind in diesem Verfahren hergestellte Instanttees auch gut für Diabetiker geeignet. Auch durch dieses Verfahren verlorengegangene ätherische Öle können z. B. durch Verreiben wieder zu- geführt werden. Das entstandene Pulver ist gut wasserlöslich. Bei der Verwendung ist darauf zu achten, keine feuchten Löffel zu benutzen und das Gefäß gut zu verschließen, damit es nicht zu Verklumpungen kommt. Im Ver-gleich zu Granulattees enthalten die im sprühgetrockneten Verfahren hergestellten Instanttees bis zu 10 % mehr Drogenextrakt (ca. 20 % Trockenextrakt).

Gerade bei Drogen, die sowohl lipophile als auch hydrophile Wirkstoffe enthalten (z. B. Kamille), sind dieses Ver-fahren und diese Darreichungsform von Vorteil. [5]

3.3 Zusätzliche Tipps

Wurde ein geeignetes Mittel ausgewählt, muss der Patient sowohl über die Dosierung, die Anwendung und die An- wendungsdauer aufgeklärt werden. Ebenso können dem Patienten weitere hilfreiche Tipps gegeben werden, um die Beratung abzurunden:

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¡ Warmhalten mit einer Wärmflasche oder warmen Fußbädern ¡ Häufige Blasenentleerung ¡ Wasserlassen nach dem Geschlechtsverkehr ¡ Nur luftdurchlässige Binden/Slipeinlagen verwenden ¡ Nach dem Toilettengang von vorne nach hinten abwischen

Wann ist der Patient zum Arzt zu schicken?

¡ Beschwerden dauern länger als 5 Tage an ¡ Blut im Urin ¡ Fieber ¡ Schwangerschaft/Stillzeit ¡ Männer ¡ Kinder ¡ Diabetiker

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3.4 Exemplarische Beratungsgespräche

P = Patient/in A = Apothekenmitarbeiter/in

3.4.1 Erwachsene Kundin mit dem Wunsch nach einem Blasen- und NierenteeP Guten Tag. Ich hätte gerne einen Blasen- und Nierentee.

A Guten Tag. Ist der Tee für Sie?

P Ja, genau. Ich habe seit heute Morgen ein leichtes Brennen beim Wasserlassen und wollte es zunächst mit Tee versuchen.

A Gut. Haben Sie öfter mit einer Blasenentzündung zu tun?

P Nein, das wäre jetzt das zweite Mal.

A Nehmen Sie noch weitere Medikamente ein?

P Nein.

A Dann kann ich Ihnen z. B. diesen Arzneitee in Pulverform empfehlen. Er enthält echtes Goldrutenkraut, welches nicht nur harntreibend wirkt, sondern zusätzlich entzündungshemmend und schmerzlindernd. Außerdem sind Birkenblätter enthalten, die ebenfalls harntreibend wirken. Die Bestandteile sorgen dafür, dass die Bakterien aus der Harnblase zu spülen. Das Arzneipulver ist insofern von Vorteil, da sie mit dem beigefügten Löffel im-mer die exakte Dosierung erreichen und nicht auf die Ziehzeit achten müssen. Die Inhaltsstoffe stehen Ihnen sofort zur Verfügung. Alternativ haben Sie die Möglichkeit, einen Tee in Filterbeuteln zu nehmen. Er enthält ebenfalls verschiedene Arzneipflanzen, wie z. B. Orthosiphonblätter, welche nicht nur harntreibend, sondern zusätzlich krampflösend wirken. Außerdem sind Birkenblätter, Goldrutenkraut und noch weitere harntreibende Arzneipflanzen enthalten. Da es Beutel sind, müssen sie nicht weiter auf die Dosierung, dafür aber auf die richtige Ziehzeit achten.

P Dann würde ich gerne das Pulver ausprobieren. Das erscheint mir praktischer.

A Sehr gerne. Verwenden sie pro Tasse 3–5 Löffel des Arzneipulvers und trinken Sie über den Tag verteilt am besten mehrere Tassen. Sie sollten darauf achten, dass Sie generell mehr als zwei Liter am Tag trinken. Sollten die Beschwerden schlimmer werden oder gar Blut im Urin sein, suchen Sie bitte einen Arzt auf.

P Vielen Dank. Auf Wiedersehen!

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3.4.2 Erwachsene Kundin mit einem Rezept über ein fosfomycinhaltiges AntibiotikumP Guten Tag. Ich habe dieses Rezept über ein Antibiotikum vom Arzt bekommen.

A Guten Tag. Es handelt sich hier um ein Antibiotikum, welches nur einmalig eingenommen werden muss. Lösen Sie den Inhalt des Beutels in einem Glas Wasser auf und trinken Sie es am besten direkt und zügig aus. Achten Sie darauf, dass Sie das Antibiotikum möglichst zwei Stunden vor oder nach dem Essen einnehmen. Damit es besser wirken kann, nehmen Sie es zum Schlafengehen ein. Dann wirkt es über Nacht in der Blase. Trinken Sie also in diesem Zeitraum nicht zu viel.

P Haben Sie sonst noch einen guten Tipp zur Vorbeugung einer Blasenentzündung? Ich habe so häufig damit zu tun. Ich bin auch schon in ärztlicher Behandlung.

A Wissen Sie denn, was bei Ihnen der Auslöser der Harnwegsinfektion ist?

P Vermutlich wegen meines geschwächten Immunsystems. Ich bin generell sehr häufig krank.

A Nehmen Sie sonst noch Medikamente ein?

P Nein, nichts.

A Sind sie schwanger oder stillen sie?

P Nein.

A Gut. Grundsätzlich können Sie bei den ersten Anzeichen einer Blasenentzündung zu Blasen- und Nierentees greifen. Diese enthalten beispielsweise Goldrutenkraut, welches nicht nur harntreibend wirkt, sondern auch schmerz- und entzündungshemmend. Zusätzlich sind Birkenblätter enthalten, welche auch harntreibend wirken. Dies bewirkt, dass die verursachenden Bakterien schnell ausgespült werden und sich nicht weiterverbreiten können. Trinken Sie am besten immer mindestens 2 Liter am Tag. Dann werden Bakterien generell schneller ausgeschieden. Außerdem ist es ratsam, dass Sie sich warmhalten, sobald Sie merken, dass es beim Wasser-lassen anfängt unangenehm zu werden. Dies können Sie mit einer Wärmflasche machen oder z. B. mit einem warmen Fußbad.

P Ich würde dann den Tee schon mitnehmen.

A Sehr gerne. Hier ist es im Zusammenhang mit dem Antibiotikum noch sehr wichtig, dass Sie zuerst das Anti-biotikum nehmen und am nächsten Tag damit anfangen, den Tee zu sich zu nehmen. Sonst hat das Antibioti-kum keine Gelegenheit zu wirken, wenn es so schnell wieder ausgeschieden wird. Zeitgleich zum Antibiotikum können Sie jedoch ein Mittel mit Butylscopolamin und Paracetamol einnehmen, es lindert die krampfartigen Beschwerden, bis sich die Wirkung des Antibiotikums entfaltet.

P Danke für Ihre Beratung.

A Gerne!

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Quellen:

[1] Mutschler, E. et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie, der klinischen Pharmakologie und Toxikologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 10. Auflage 2013.

[2] Hildebrandt, H. (Leitung). Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. de Gruyter, Berlin, New York, 1996.

[3] S3-Leitlinie. Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. Deutsche Gesellschaft für Urologie federführend, 2010.

[4] Faller, A., Schünke, M., Der Körper des Menschen. Einführung in Bau und Funktion. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 15. Auflage, 2008.

[5] Blaschek, W., Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis. Wissenschaftliche Verlags-gesellschaft mbH, Stuttgart, 6. Auflage, 2016.

[6] Pharmazeutische Zeitung (2016). Harnwegsinfekte. Antibiotika der ersten Wahl. 12/2016. http://www.pharma-zeutische-zeitung.de/index.php?id=62651 (27.03.2017).

[7] Juvalis – Das große Apotheken Heilpflanzenlexikon. https://www.juvalis.de/heilpflanzenlexikon/ (27.03.2017).