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Acta Chiru r g,ca" Austriaca Organ der OsterrelcthlaOhen Geeellschaft fOr Chlrurgle" und der assozllerten Fachgesellschaften Redaktion: R. Gottlob, F. Helmet-Wlen Wissenschaftlicher Belrat: H. BrOcke, H. Denck, E. Diemath, R. Fries, M. Marberger, P. Wurnig This journal is regularly listed in ,,Current Contents- Clinical Practice" Jahrgang 14/1982 Heft 5/6 ORIGINALIEN Zervikale 0sophagusresektion bei Struma maligna *) K. Keminger Chirurgisehe Abteilung (Vorstand: Prim. Prof. Dr. K. Kemingtr) des Kaiserin-Elisabeth-Spitals der Stadt Wien, Huglgasse 1-3, A-1152 Wien Schliisselu~rter:Struraaraaligna - Omphagusresektion. Key-words:Malignant goiter. Zusammenfassung: Bei 2 Fiillen von maligner Struma wur- den Osophagusresektionen durchgeftihrt, da die Speise- r6hre bereits karzinomatos infiltriert war. In beiden Fiillen komplikationsloser Verlauf. Resections of the cervicalesophagus in malignant goiter cases Summary: In two cases of malignant goiter with carcino- matous infiltration of the esophagus segments of the latter were excised together with the thyroidectomy. The post- operative course was free of complication~ der Schlundsonde am 5. postoperativen Tag perforierte, so dab das Tier an einer Mediastinitis zugrunde ging, Czern.y hat in weiterer Folge mit seinem Freund M. Meu'~l im April 1870 ebenfalls an einem Hund ein StOck des Osophagus re- seziert. Der Hund tiberstand die Operation ausgezeichnet und wurde 3 Monate sp~iter mittels Zyankaliums getOtet, um das Pr~- parat, das seinen.Erwartungen roll entsprach, zu untersuchen. Billroth hat 1873 die yon Czern.7 bei Hunden erprobten Erfah- rungen unerwartet an einem 36j~ihrigen Religionslehrer durch- fiihren miissen. Diesen Fall hat Gussenbauer auf Anregung T6. Billroths im Arch. klin. Chir, 17, 343 (1874), publiziert_ Der Anlab zur Publikation dutch GHsstnbauer war eine lebensbedroh- lithe Blutung aus der lmken A. laryngea superior, die 4 Stunden naeh der yon Billroth durchgefiihrten Operation auftrat und yon Gusseubauer vorbildlich gestitlt werden konnte. Zur Geschichte der ~ervikalen Osophagusresek.tion Theodor Billroth beschiiftigte sich bereits in Ziirich mit dem Gedanken, einen karzinomat6s verlinderten Osophagus zu rese- zieren. Versuche an Hunden wagte er jedoch nicht, well er die Narbenstriktur der primiiren Osophagusnaht fiirchtete und eine Bougierung bei Hunden flit ausgeschlossen hielt. Den ersten Versuch einer partiellen Osophagusresektion fiihr- te Theodor Billroth schlieBlich 1870 in Wien an einem Jagdhund durch, nachdem wenig vorher sein Schiiler Cztrny auf Anregung Billroths bei 4 Hunden eine Larynxexstirpation ausgefOhrt hatte und den Beweis erbrachte, dab Hunde sich zu derartigen Unter- suchungen abrichten lassen. Czerny hat diese Versuche in der Wiener medizinischen Wochenschrift, 20, 557 (1870) rnitgeteilt. Billroths Versuch, des zun~chst vortrefflich gelungen war, scheiterte, weil der Tierpfleger den Hund bei der Fiitterung mit *) Herrn Univ.-Prof. Dr. R. Hdfer zum 60. Geburtstag ge- widmet. ISinleitung Zervikale Osophagusresektionen wegen einer malignen Struma sind auBerordentlich selten, die Ausweitung der Operation auf Nachbarorgane in der Literatur niche unbe- stritten (Dargent, Steiner). Paul Huber, Paul Fuchsig und Georg Hienert haben maligne Strumen, die bereits zu einer C)sophagusinfiltration gefOhrt hatten, nur palliativ ope- riert und wit Tracheotomie und Erniihrungsfistel nach FVitzel oder Kader versorgt. Die bei den 1048 malignen Strumen zwischen 1949 und 1981 erfolgten operativen Eingriffe sind aus Tabelle 1 er- sichtlich. Bei Durchsicht der Operationsprotokolle und Autopsie- berichte konnte nur bei 14 Patienten (1,3Z) eine Osophagusinfiltration oder Osophagus-Trachealfistel fest- gestellt werderL Uber 2 Osophagusresektionen infolge Tu- Acta chit Austriaca !9S2 . . . 5/6 1 15

Zervikale Ösophagusresektion bei Struma maligna

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A c t a Chiru r g,ca" A u s t r i a c a Organ der OsterrelcthlaOhen Geeel lschaft fOr Chlrurgle" und der assozl lerten Fachgesel lschaften

Redaktion: R. Gottlob, F. H e l m e t - W l e n

Wissenschaftlicher Belrat: H. BrOcke, H. Denck, E. Diemath, R. Fries, M. Marberger, P. Wurnig

This journal is regularly listed in ,,Current Con ten ts - Clinical Practice"

Jahrgang 14/1982 Heft 5 / 6

O R I G I N A L I E N

Zerv ika le 0 s o p h a g u s r e s e k t i o n bei S t ruma ma l igna *)

K. Keminger

Chirurgisehe Abteilung (Vorstand: Prim. Prof. Dr. K. Kemingtr) des Kaiserin-Elisabeth-Spitals der Stadt Wien, Huglgasse 1-3, A-1152 Wien

Schliisselu~rter: Struraa raaligna - Omphagusresektion.

Key-words: Malignant goiter.

Zusammenfassung: Bei 2 Fiillen von maligner Struma wur- den Osophagusresektionen durchgeftihrt, da die Speise- r6hre bereits karzinomatos infiltriert war. In beiden Fiillen komplikationsloser Verlauf.

Resections of the cervical esophagus in malignant goiter cases

Summary: In two cases of malignant goiter with carcino- matous infiltration of the esophagus segments of the latter were excised together with the thyroidectomy. The post- operative course was free of complication~

der Schlundsonde am 5. postoperativen Tag perforierte, so dab das Tier an einer Mediastinitis zugrunde ging,

Czern.y hat in weiterer Folge mit seinem Freund M. Meu'~l im April 1870 ebenfalls an einem Hund ein StOck des Osophagus re- seziert. Der Hund tiberstand die Operation ausgezeichnet und wurde 3 Monate sp~iter mittels Zyankaliums getOtet, um das Pr~- parat, das seinen.Erwartungen roll entsprach, zu untersuchen.

Billroth hat 1873 die yon Czern.7 bei Hunden erprobten Erfah- rungen unerwartet an einem 36j~ihrigen Religionslehrer durch- fiihren miissen. Diesen Fall hat Gussenbauer auf Anregung T6. Billroths im Arch. klin. Chir, 17, 343 (1874), publiziert_ Der Anlab zur Publikation dutch GHsstnbauer war eine lebensbedroh- lithe Blutung aus der lmken A. laryngea superior, die 4 Stunden naeh der yon Billroth durchgefiihrten Operation auftrat und yon Gusseubauer vorbildlich gestitlt werden konnte.

Zur Geschichte der ~ervikalen Osophagusresek.tion

Theodor Billroth beschiiftigte sich bereits in Ziirich mit dem Gedanken, einen karzinomat6s verlinderten Osophagus zu rese- zieren. Versuche an Hunden wagte er jedoch nicht, well er die Narbenstriktur der primiiren Osophagusnaht fiirchtete und eine Bougierung bei Hunden flit ausgeschlossen hielt.

Den ersten Versuch einer partiellen Osophagusresektion fiihr- te Theodor Billroth schlieBlich 1870 in Wien an einem Jagdhund durch, nachdem wenig vorher sein Schiiler Cztrny auf Anregung Billroths bei 4 Hunden eine Larynxexstirpation ausgefOhrt hatte und den Beweis erbrachte, dab Hunde sich zu derartigen Unter- suchungen abrichten lassen. Czerny hat diese Versuche in der Wiener medizinischen Wochenschrift, 20, 557 (1870) rnitgeteilt.

Billroths Versuch, des zun~chst vortrefflich gelungen war, scheiterte, weil der Tierpfleger den Hund bei der Fiitterung mit

*) Herrn Univ.-Prof. Dr. R. Hdfer zum 60. Geburtstag ge- widmet.

ISinleitung

Zervikale Osophagusresektionen wegen einer malignen Struma sind auBerordentlich selten, die Ausweitung der Operation auf Nachbarorgane in der Literatur niche unbe- stritten (Dargent, Steiner). Paul Huber, Paul Fuchsig und Georg Hienert haben maligne Strumen, die bereits zu einer C)sophagusinfiltration gefOhrt hatten, nur palliativ ope- riert und wit Tracheotomie und Erniihrungsfistel nach FVitzel oder Kader versorgt.

Die bei den 1048 malignen Strumen zwischen 1949 und 1981 erfolgten operativen Eingriffe sind aus Tabelle 1 er- sichtlich.

Bei Durchsicht der Operationsprotokolle und Autopsie- berichte konnte nur bei 14 Patienten (1,3Z) eine Osophagusinfiltration oder Osophagus-Trachealfistel fest- gestellt werderL Uber 2 Osophagusresektionen infolge Tu-

Acta chit Austriaca !9S2 . . . 5/6 1 15

Tab. 1. Operationsmetboden 1949 his 1981.

HUBER:

FUCHSIG:

HIENEEr;

KEMINGER:

GF~:

Resect.

n %

124 49

142 62

335 79

32 22

633 61

Lobect.

n %

78 30

49 21

27 6

47 33

201 19

I~bect. +RND

n %

3 I

5 2

5 I

57 39

70 7

Pall.

n %

24 9

201 9

27:6

7 5

78 7

PE. Keine

n % n %

10 4 13 5

84 4 2

17 4 13 3

I I

35 3 31 3

Gesamt

252

228

424

144

1048

morinfiltration durch eine maligne Struma soil im folgen- den berichtet werden.

Kasuistik

Fall I: Krg. Nr. 547//81, Anna N, geb. 14. Dezember 1905. Anamnese: 1978 Operation einer groBen, substemal reichen-

den Knotenstruma in einem auswiirtigen Krankenhau~ Bei der Operation fiillt ,auBerhalb" der Strumakapsel ein Tumor auf, der zur Schnellschnittuntersuehung weitergeleitet wird. Die Histolo- gie ergibt: regressiv verlindertes kolloidales Strumagewebe_ Dem Operateur ist jedoch das Gewebe, das er als ,,fischfleischartig" be- schreibt, auf Malignit~it verdiichtig./an histologischen Endbefund wird die Schilddrtise wieder als gutartige Knotenstruma befun- det. Entlassung nach komplikationslosem Verlauf am 17. post-

operativen Tag. Am 2Z Jiinner 1982 wird die Patientin vom Krankenhaus Rosenh~gel der Stadt Wien, wo sic wegen emer funikuliiren Myelose in station~irer Behandlung stand, mit einer rasch wachsenden Rezidivstruma, die unter dringendem Ver- dacht der MalignitAt steht, an unsere Abteilung iaberwiesen.

Status localis: Aul3erordentlich derbes Strumarezidiv rechts mit Speicherausfall im Szintigramm. Trotz 2maliger Punktion konnte kein Zellmaterial gewonnen werden.

3. Februar 1981: Radikaloperation mit Osophagusresektion und Endoprothese nach Hdring. In Intubationsnarkose Frefle- gung des rechts auBerordentlich derben Schilddrtisenlappen~ Priiparation der rechten A. carotis communis und V. jugularis. Scharfe L6sung des Tumors yon der Trachea. Der Osophagus

Abb. I. Lage des Hdring-Tubus (Fall I).

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A~k. 2. Schluck.ak.t (Fall f ).

Acta chit'. Austriaca 1982 Heft 516

Abb. J. Halxr~utgen (Fall 2).

in einer Ausdehnung yon 2 cm infihriert. Da der Tumor radikal entfemt werden kann, entschlieBt man sich zur Resektion des zervikalen Osophagus. Es werden 4 cm reseziert. Mobilisierung der beiden Osophagusenden und Vereinigung durch eine Ein- schicht-Allschichmaht (Dexon 3/0). Die Anastomose wird dutch eine Hiring-Endoprothese gesichert (Abb. 1). Der Tubus wird durch eine durchgreifende Naht vor einer Dislokation geschOtzt. Penrose-Drain. Schichtweiser WundschluB. Verband.

Histologie (SP 117072/81 ): Fibrosarkom der Schilddrtise. 9. Februar 1981: Schluckakt mit Gastrografin: Normale Oso-

phaguspassage. Gute Lage des Hiiring-Tubus. Die Patientin wird hierauf peroral ern~.ht~.

Z Miirz 1981: Endoskopische Entfernung des H~iring-Tubus. C)sophagusr0ntgen: Ungehinderter Ablauf der Peristaltik. Der 6sophagus in s~'ntlichen Abschnitten glattwandig begrenzt, nor- males Schleimhautrelief (Abtx 2). HNO-Kontrolle: Rekurrenspa- rese rechts.

4. Miirz 1981: Beginn der ROntgenbestrahlung (1. Serie). 1. bis 23.Juni 1981: ROntgenbestrahlung (Z Serie). Juni 1982: NachkontroUe o. B.

Fall 2: Krg. Nr. 5471/81, Karl M, geb. 21. J uni 190Z Anamnese: Rasches Wachstum einer vorwiegend rechtsseitig

entwickehen, aul3erordentlich derben Struma. Im Thyreogramm

ausgedehnter Speicherungsausfall, die Zytologie ergibt den Ver- dacht auf ein mesenchymales Blastom, h6chstwahrscheinlich Hiimangioendot heliom.

Halsr0ntgen (Abb. 3): Grofle substernale Struma, kaum schluckverschieblich, betriichtliche Verlagerung der Trachea und des Osophagus nach links.

24. August 1981: Lobektomie rechts, Osophagusresektion und Endoprothese nach Hdring. In Intubationsnarkose ausgiebiger K0cherscher Kragenschnitt und Freilegung des rechten Schilddrti- senlappens. Das Gewebe bereits makroskopisch auflerordentlich suspekt auf Malignit~.t. In scharfer Preparation Freilegung der Trachea. Der rechte untere Schilddriisenpol reicht gut 5 cm sub- sternal Ligatur der oberen Polgef~/le, die ligiert und duxchtrennt werden, Stammligatur der A. thyreoidea inferior. In meist schar- fer Priiparation AblOsung des Tumors vonder Trachea_ Nun zeigt sich, dag der Osophagus in einer Ausdehnung yon 3 cm vom Tumor infiltriert ist. Anlegen yon Haltef~den an den (3so- phagus und Resektion in einer Ausdehnung von 4 cm. Weitge- hende Mobilisierung der beiden Enden und atraumatische Ein- schicht-Allschichtnaht (Dexon 3/0) ~ber eine Endoprothese nach Hdring. Verankerung des Tubus durch eine durchgreifende Naht im Osophagus.

Histologie (SP 6566-68,/8 I): Undifferenziertes polymorphzel- liges Schilddrtisenkarzinom.

Acta chit. Austriaca 1982 Heft 5/6 1 17

Abb. 4. l_age its Halting-Tabus (Fall 2). Abb. 5. Kontrallr des Sthluckaktes (Fall 2).

31. August 1981: Kontrolle des Schluckaktes durch Gastrogra- fin: Ungehinderte Kontrastmittelpassage, kein Austritt in die Umgebung, Gute Lage des H~ring-Tubus (Abb. 4).

6. Oktober 1981: Endoskopische Entfernung des Hgring- Tubus (43. postoperativer Tag).

7. Oktober 1981: ROntgenkontrolle: Prompter unauff'alliger Sehluckakt, normale Peristahik, der ~)sophagus in s~'ntlichen Ab- schnitten glattwandig begrenzt, normales Schleimhautrelief (Abb. 5). Beginn einer Hochvolttherapie im Krankenhaus Lain~

Juli 1982: Nachkontrolle o. B.

Diskussion

Wenn auch die Beobachtungszeiten von 2 Jahren sehr kurz sind, so ermutigt uns die erziehe Lebensqualit~it Land Ijberlebenszeit - die mittleren Uberlebenszeiten bei den anaplastischen Karzinomen und Sarkomen sind im eige- hen Krankengut 5,2 Monate - zu diesem Vorgehen. Wer das qualvolle Siechtum der Patienten mit Lokalrezidiv ei- her malignen Struma erlebt hat, wird uns beipflichten, dab jeder Versuch, ein Lokalrezidiv zu verhindern, gerechtfer- tigt ist. Tracheotomie und Ern~ihrungsfistel bleiben den Patienten erspart.

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