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Schicksale Rundbrief Dezember 2013 Maximilian-Kolbe-Werk Hilfe für die Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos „Meine Mutter hatte ihr ganzes Leben lang Sehn- sucht nach Deutschland. In all den Jahren unserer gemeinsamen Zeit spra- chen und dachten wir Deutsch. Sie war ja Deutsche, Düsseldorf war ihre Heimat. Doch sie konnte nicht zurück.“ Julijana Zarchi lebt in Kaunas in Litauen – und in vielen Sprachen: Sie spricht Litauisch und Russisch. Ihre Mutter- sprache aber ist Deutsch. „Wahrscheinlich fühle ich mich deshalb bei meinen Besuchen in Deutschland so eigentümlich geborgen.“ Julijana kommt heute oft nach Deutschland, zuletzt im November zu Zeitzeugen- gesprächen des Maximilian-Kolbe- Werks. Die 75-Jährige engagiert sich für eine Zukunft in Frieden. In Schulen erzählt die Dozentin der Universität Kaunas von ihrer Odyssee, die eng verbunden ist mit den Ereignissen des 20. Jahr- hunderts. Als Tochter eines litauischen Juden und einer Deutschen wurde Juli- jana Zarchi Opfer von zwei Diktaturen: Dem NS-Regime und der stalinistischen Gewaltherr- schaft in der Sowjetunion. Synagoge von Kaunas in Litauen getraut. „Meine Mut- ter wurde Jüdin und bekam die litauische Staatsbürger- schaft ihres Mannes – in einer Zeit, wo andere sich scheiden ließen, um sich zu retten.“ Das Paar kehrt nach Deutsch- land zurück, wird jedoch schon 1937 wieder nach Litauen ausgewiesen. Hier kommt ein Jahr später Julijana zur Welt. Als im Juni 1941 die deutsche Wehrmacht Litauen besetzt und die Judenverfol- gung beginnt, trennt sich der Vater von der Familie, um sie zu schützen. „Ihr seid Deut- sche, Euch tun die Deutschen nichts“ – hofft er. Seine Frau und seine Tochter sah er nie- mals wieder. Erst Jahre später erfahren sie, dass er ermordet wurde, wie 95 Prozent aller litaui- schen Juden. Das erste Bild ihres Lebens, an das sich Julijana Zarchi erinnern kann, ist eine undichte Stelle im Stachel- draht um das Areal des Ghettos, auf der anderen Seite ihre Mutter. Denn der Vater hatte sich ge- täuscht, auch sie musste ins Ghet- to. Einem Nachbarn gelang es, die beiden zu retten. „Ein Jude brauchte viele Helfer: Für die Flucht aus dem Ghetto, noch mehr aber für das Versteck. Julijana Zarchi 95 Prozent der litauischen Juden ermordet Julijanas Vater, Moses Zarchi, ent- stammt einer jüdisch-orthodoxen Familie im litauischen Provinz- städtchen Ukmerge. Er studiert Philosophie, Geschichte und Poli- tikwissenschaft in Deutschland und promoviert in Basel. Arbeit findet er in Düsseldorf, wo er seine zu- künftige Frau Gerda, eine deutsche Katholikin, kennenlernt. Weil in Deutschland 1934 die Heirat einer Deutschen mit einem Juden schon verboten war, wird das Paar in der Zeugin zweier Diktaturen: Julijana Zarchi überlebte das Ghetto in Litauen und Zwangsarbeit in Tadschikistan Die deutsche Sprache ist meine Heimat 1973 – 2013 40 Jahre im Dienst der Versöhnung

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Schicksale

Rundbrief Dezember 2013

Maximilian-Kolbe-WerkHilfe für die Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos

„Meine Mutter hatte ihrganzes Leben lang Sehn-sucht nach Deutschland.In all den Jahren unserergemeinsamen Zeit spra-chen und dachten wirDeutsch. Sie war jaDeutsche, Düsseldorf warihre Heimat. Doch siekonnte nicht zurück.“

Julijana Zarchi lebt inKaunas in Litauen – undin vielen Sprachen: Siespricht Litauisch undRussisch. Ihre Mutter-sprache aber ist Deutsch.„Wahrscheinlich fühle ichmich deshalb bei meinenBesuchen in Deutschlandso eigentümlich geborgen.“

Julijana kommt heute oftnach Deutschland, zuletztim November zu Zeitzeugen-gesprächen des Maximilian-Kolbe-Werks. Die 75-Jährige engagiertsich für eine Zukunft in Frieden. InSchulen erzählt die Dozentin derUniversität Kaunas von ihrerOdyssee, die eng verbunden ist mitden Ereignissen des 20. Jahr-hunderts.

Als Tochter eines litauischen Judenund einer Deutschen wurde Juli-jana Zarchi Opfer von zweiDiktaturen: Dem NS-Regime undder stalinistischen Gewaltherr-schaft in der Sowjetunion.

Synagoge von Kaunas inLitauen getraut. „Meine Mut-ter wurde Jüdin und bekamdie litauische Staatsbürger-schaft ihres Mannes – in einerZeit, wo andere sich scheidenließen, um sich zu retten.“

Das Paar kehrt nach Deutsch-land zurück, wird jedochschon 1937 wieder nachLitauen ausgewiesen. Hierkommt ein Jahr später Julijanazur Welt. Als im Juni 1941 diedeutsche Wehrmacht Litauenbesetzt und die Judenverfol-gung beginnt, trennt sich derVater von der Familie, um siezu schützen. „Ihr seid Deut-sche, Euch tun die Deutschennichts“ – hofft er. Seine Frauund seine Tochter sah er nie-mals wieder. Erst Jahre spätererfahren sie, dass er ermordet

wurde, wie 95 Prozent aller litaui-schen Juden.

Das erste Bild ihres Lebens, an dassich Julijana Zarchi erinnern kann,ist eine undichte Stelle im Stachel-draht um das Areal des Ghettos,auf der anderen Seite ihre Mutter.

Denn der Vater hatte sich ge-täuscht, auch sie musste ins Ghet-to. Einem Nachbarn gelang es, diebeiden zu retten. „Ein Judebrauchte viele Helfer: Für dieFlucht aus dem Ghetto, noch mehraber für das Versteck.

Julijana Zarchi

95 Prozent der litauischenJuden ermordet

Julijanas Vater, Moses Zarchi, ent-stammt einer jüdisch-orthodoxenFamilie im litauischen Provinz-städtchen Ukmerge. Er studiertPhilosophie, Geschichte und Poli-tikwissenschaft in Deutschland undpromoviert in Basel. Arbeit findeter in Düsseldorf, wo er seine zu-künftige Frau Gerda, eine deutscheKatholikin, kennenlernt. Weil inDeutschland 1934 die Heirat einerDeutschen mit einem Juden schonverboten war, wird das Paar in der

Zeugin zweier Diktaturen: Julijana Zarchi überlebte das Ghetto in Litauen und Zwangsarbeit in Tadschikistan

„Die deutsche Sprache ist meine Heimat“

1973 – 2013

40 Jahre im Dienst

der Versöhnung

Rundbrief_DEZ_2013__ 02.12.13 13:20 Seite 1

Seite 2

(Fortsetzung von Seite 1)

war ihre Mutter schon zu krankund schwach. „Meine Mutter kamnie mehr in ihr geliebtes Düssel-dorf.“ Sie starb 1991 voller Sehn-sucht nach ihrer Heimat. „Vonmeiner jüdischen Familie habe ichkeinen mehr kennen gelernt. Dieganze Familie Zarchi wurde aus-

gelöscht.“

Wer bin icheigentlich?

Trotz ihrer Bio-graphie und demSchicksal ihrer Fa-milie ist JulijanaZarchi heute ohnejede Bitterkeit: „MeinLeben war so, wiees war. Zum Ha-dern hatte ichmeist gar keine Zeit.Ich hasse wederdie Deutschen nochdie Russen, aberich verachte Dikta-turen, die den Men-

schen ihre Freiheit rauben.“

Zeitzeugengespräche –Dialog mit jungen Menschen

Der Dialog mit jungen Menschenist Julijana sehr wichtig: „Ich habeselbst gar nicht so viel darübernachgedacht, wer ich eigentlichbin. Erst als ich begann, in Schulenzu sprechen, werde ich immerdanach gefragt. In Litauen bin ichgeboren und dort lebe ich jetzt.Mein Schicksal ist ein jüdisches,doch ich habe die jüdische Kulturund den Glauben meines Vaters niekennen lernen können. Geprägt bin ich von meiner deutschenMutter. Eine wirkliche Heimathabe ich nicht. Vielleicht kannauch eine Sprache Heimat sein.Dann ist für mich die deutscheSprache Heimat.“

Denunzianten gab es zur Genüge,die es nicht ertragen konnten,wenn ein jüdisches Kind am Lebenblieb.“ Die kleine Julijana überlebtmit ihrer Mutter versteckt inerbärmlichen Umständen: „MeineMutter hat später nie über dieseSchreckenszeit sprechen können.“

Nach demGhetto zurZwangsarbeit

1944 wurde Li-tauen von der sow-jetischen Armee zu-rückerobert. Ju-lijana war sechsJahre alt. „MeineMutter machte sichgroße Hoffnung,bald wieder in ih-rer Heimat Deutsch-land leben zukönnen.“ Doch sietäuschte sich.

Waren sie vorherJuden, so galtenMutter und Tochter jetzt alsDeutsche. „Am 26. April 1945 fuh-ren Wagen mit sowjetischenSoldaten vor und holten uns ab. Eshieß, wir sollten Aufbauarbeit inder Sowjetunion leisten“, erinnertsich Julijana. Sie werden nachTadschikistan deportiert. EinenMonat lang dauert der Transportquer durch die ganze Sowjetunion.

Nahe der afghanischen Grenzewerden sie abgesetzt. Dort wirdeine wertvolle Sorte Baumwolleangebaut, die nur manuell gehegtund geerntet werden kann. Das istihre Arbeit im Sommer bei großerHitze und im Winter bei Kälte undFrost. „Jetzt waren wir deutscheFaschisten und wurden mit Steinenbeworfen. Wir lebten in einerLehmhütte, es gab keine Toiletten.“

Unerfüllte Sehnsucht nach Deutschland

Siebzehn Jahre lang verbrachteJulijana mit ihrer Mutter in Tad-schikistan. Die Mutter konnte keinRussisch und hoffte vergeblich aufeine Rückkehr nach Deutschland.

Julijana geht zur russischen Schule,studiert Deutsch und Englisch.„Ich wäre gerne Ärztin geworden,doch ein Medizinstudium war fürDeportierte undenkbar.“

Erst 1962 dürfen Julijana und ihreMutter wenigstens in die damaligeSowjetrepublik Litauen zurück-kehren. Ein Ausreisevisum nachDeutschland bleibt ihnen verwehrt.Julijana unterrichtet Englisch undDeutsch. Nach der UnabhängigkeitLitauens wird sie Dozentin fürGermanistik an der UniversitätKaunas. Als sich nach demZusammenbruch der Sowjetunionlangsam die Grenzen öffneten undeine Reise möglich geworden wäre,

Links: Das einzige Foto mit demVater Moses Zarchi. Rechts: DieMutter prägte Julijanas Leben.

Heimat

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Erfahrungen

Melissa Hehnen ist 19 Jahre alt. Sielebt in München und hat gerade ihrAbitur gemacht. In ihrer Familie istdas Maximilian-Kolbe-Werk stetsgegenwärtig. Kein Wunder, dennihr Urgroßvater war Alfons Erb, derInitiator des Maximilian-Kolbe-Werks. Im Sommer begleiteteMelissa ihre Oma, Monika Hehnen,Tochter von Alfons Erb, erstmalsbeim Besuch von alten, krankenund bettlägerigen KZ- und Ghetto-überlebenden in Polen. „Es wareine Woche voller Erfahrungen“,sagt Melissa. Ihre Eindrücke schil-dert sie uns:

„Zusammen mit meiner Großmut-ter fahre ich nach Jelenia Góra, umdort und in der Umgebung KZ-und Ghettoüberlebende zu besu-chen. An sieben Tagen sind 31Krankenbesuche geplant. Die mei-sten Überlebenden, mit denen wirein Gespräch führen, kamen in jun-gen Jahren in ein Konzentrations-lager und sind jetzt in einem sehrhohen Alter.

Viele haben trotz ihrer schreck-lichen Erfahrungen ihre optimisti-sche Lebenseinstellung und innereRuhe behalten. So auch MariaCywinska. Sie war so alt, wie ich esheute bin, als sie nach Ravensbrückkam. Bis Ende des Krieges war siedort inhaftiert.

Die 88-Jährige kann sich nur lang-sam und mit Hilfe eines Gehstocksdurch die Wohnung bewegen undfür ein dringend benötigtes Hör-gerät fehlt ihr das Geld.

Eine unglaubliche Verantwortung

Wir erleben auch Menschen, die denSchrecken von damals nicht verar-beiten konnten und uns von schlim-men Träumen berichten. Wütendbellende Hunde, schreiende Ges-tapo-Männer, Hunger und Toderlebt fast jede Nacht Jan Czekirdain seinen Alpträumen. Er überlebteals Kind das Lager Majdanek.

Manchmal sitzen wir nach denBerichten, die uns so unfassbarerscheinen, mit Tränen in denAugen da. Die meisten der Überle-benden waren jünger als ich, als siein die Lager kamen, um dort ihreKindheit zurückzulassen. Sie mus-sten täglich ums Überleben kämp-fen. Nach der Gefangenschaft hat-ten sie die Aufgabe, das zerstörteLand aufzubauen. Eine unglaubli-che Verantwortung. Viele konntenihre Schulausbildung nicht been-den. Andere kamen noch vor Endedes Krieges frei und flohen vor demBombenhagel oder mussten Tag fürTag neue Verstecke finden, um

nicht entdeckt zu werden. Zu ver-suchen, sich in eine solche Situ-ation hineinzuversetzen, ist mirkaum möglich.

Kinder pflegen die Eltern

Wir sprechen mit den Überleben-den über die aktuelle Situation,über ihre heutigen Beschwerden,über ihre Familien. Manche sindsehr einsam, weil der Partner schonlange verstorben ist und es keineKinder gibt. Einige wollen uns garnicht mehr gehen lassen. Wennjedoch die Tochter oder der Sohn inder Nähe wohnt, sind sie für ihreEltern da. Altenheime sind dieAusnahme. Oft übernehmen dieTöchter die Pflege der Eltern, wasviele zum Teil überfordert. Dasschwere Schicksal der Überlebendenbetrifft nicht nur sie selbst, sondernauch die nächste Generation, dieneben der Pflege die Vergangenheitder Eltern mittragen muss.

Auch wenn die Geschichte nun weitzurückliegt und meine Generationhäufig nur Zeitzeugengespräche alsdirektes Bindeglied hat, weiß ichjetzt, dass es Menschen gibt, dieunter der Vergangenheit immernoch psychisch als auch physischleiden. Wir können ihnen ihreTräume und Erinnerungen nichtnehmen, aber ein persönlicherBesuch bringt doch viel und vorallem zeigt er ihnen, dass sie nichtvergessen sind. Aufgenommen wer-den wir überall mit offenen Armenund diese Nächstenliebe behalteich in meinem Herzen.“

tMariaCywinskafreut sichüber denBesuchvonMelissaHehnen

EineWoche voller ErfahrungenMelissa Hehnen, Urenkelin von Alfons Erb, bei Krankenbesuchen in Polen

Im Gespräch mit Jan Czekirda

Melissa Hehnen (19)

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Frohe und gesegnete Weihnachten allen unseren Spenderinnen und Spendern!Vor 40 Jahren wurde das Maximilian-Kolbe-Werk gegründet, um Verständigung und Versöhnung zwischen dem polnischenund dem deutschen Volk und mit anderen Ländern Mittel- und Osteuropas zu fördern und ganz konkret ehemalige KZ- undGhetto-Häftlinge sowie deren Angehörige zu unterstützen. Diese Aufgabe erfüllen wir seit 40 Jahren mit aller Kraft.

Es ist immer wieder ein beeindruckendes Zeichen, wenn ausgerechnet jene Menschen unsere ausgestreckte Hand annehmen,die durch die Nazi-Diktatur selbst an Leib und Seele gelitten, die den Bruder, die Schwester, die Mutter oder den Vater verlo-ren haben. Heute sind die Überlebenden alt und krank. Jeder neue Tag ist ein Geschenk. Wir stehen ihnen zur Seite: mit unse-ren Hilfsangeboten, aber auch mit Menschen, die sie besuchen, ihnen zuhören und ihnen Mut zusprechen. Dafür steht auchder Besuch des Maximilian-Kolbe-Werks in der Adventszeit, auf den sich besonders die Einsamen unter den ehemaligenHäftlingen schon lange vorher freuen.

Auch in diesem Jahr besuchen unsere Vertrauensleute mit ihren Helferinnen und Helfer vor Weihnachten über 2.500 kranke,bettlägerige und über 90-jährige KZ- und Ghettoüberlebende in Polen. Auch junge Freiwillige aus Deutschland beteiligen sichan diesen Besuchen. Sie bringen ein kleines Geschenkpaket mit Tee, Kaffee, Honig und Gebäck sowie die jährlich neu gestal-tete Weihnachtskarte des Maximilian-Kolbe-Werks. In ihr sprechen wir ganz bewusst die guten Wünsche zum Weihnachtsfestim Namen aller Menschen aus, die das Maximilian-Kolbe-Werk unterstützen. Immer legen wir auch als Zeichen der Verbundenheitüber alle Grenzen hinweg eine traditionelle Weihnachtsoblate bei, die in Polen am Heiligen Abend miteinander geteilt wird.

Wir können diesen Dienst der Versöhnung nur leisten, weil Menschen in Deutschland unsere Arbeit unterstützen. Ihnen allen,den Fördermitgliedern, Spenderinnen und Spendern des Maximilian-Kolbe-Werks, danken wir sehr herzlich für alle Hilfe, fürIhr aufmerksames Interesse, die Begegnungen, Gespräche und Korrespondenzen und auch für Ihre Begleitung im Gebet.

Das Maximilian-Kolbe-Werk wünscht Ihnen allen ein frohes, friedvolles Weihnachtsfest und Gottes reichen Segen für das Neue Jahr!

• Weihnachtsaktion 2013 • Projekte des Maximilian-Kolbe-Werkes • •

Gemeinsam Weihnachten feiern „Seit einigen Monaten bin ichWitwe und zum ersten Mal nehmeich an den Weihnachtsferien fürAlleinstehende teil. So werde ichmit meinem Kummer nicht ganzalleine sein. Vielen Dank.“ Auch indiesem Jahr können rund 140alleinstehende und einsame polni-sche KZ- und Ghettoüberlebendedie Feiertage und den Jahreswech-sel in Gemeinschaft verbringen.Wir bereiten diese Aufenthalte inmehreren über ganz Polen verteil-ten Gästehäusern vor. Der finan-zielle Umfang beträgtrund 36.000 Euro.Wir danken sehr derLucas-Volk-Stiftung inBaden-Baden, die die-ses Projekt wie schonin den vergangenenJahren auch diesmalunterstützt.

Gemeinschaft

Vielen Dank für alles!

Dziękuję za wszystko!

Beihilfen in NotsituationenZur Zeit liegen uns 120 Anträgevon KZ- und Ghettoüberlebendenin Polen für eine finanzielle Bei-hilfe vor. Sie bitten aufgrund einerNotsituation um Hilfe. Meist han-delt es sich dabei um dringendeärztliche Behandlung, die privatbezahlt werden muss, Zuschüssefür medizinische Hilfsmittel oderähnliches. Rechtzeitig zum Weih-nachtsfest wird das Maximilian-Kolbe-Werk über diese Anträgeentscheiden. Wir planen dafüreinen Finanzbedarf von 30.000Euro ein.

Grüße und Wünsche z

Hausbesuche in Polen„Herzlich danke ich Ihnen, dass Sievon so weit her noch an mich alteFrau denken – denn ich bin schon88 Jahre alt. Als ich das Geschenkvon Ihnen überreicht bekam, warich sehr gerührt.“ Solche Briefe vonKZ- und Ghettoüberlebenden spre-chen für sich. Auch in diesem Jahrwollen wir keinen vergessen:Unsere Vertrauensleute und jungeFreiwillige des Maximilian-Kolbe-Werks machen sich auf den Weg,um rund 2.500 Kranke undHochbetagte zu besuchen. Ein klei-nes Geschenkpäckchen, kostet ca.50 polnische Zloty (12,50 Euro).Das Maximilian-Kolbe-Werk brauchtdafür rund 32.000 Euro.

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Boze NarodzenieWeihnachten 2013

Рождество Різдво

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Das Maximilian-Kolbe-Werk wünschtIhnen allen ein frohes und friedvollesWeihnachtsfest und Gottes Segen für das Neue Jahr!

• • Weihnachtsaktion 2013 • Projekte des Maximilian-Kolbe-Werkes •

WeihnachtspaketeWeihnachten in Gemein-schaft in der UkraineDie vielen dankbaren Rückmel-dungen aus Polen ermutigen unsdazu, erstmals auch 16 alleinste-hende KZ- und Ghettoüberlebendeaus der Ukraine zu gemeinschaft-lichen Weihnachtstagen einzula-den. Nach dem orthodoxen Kalen-der wird in der Ukraine Weih-nachten am 7. Januar gefeiert.Daher wird dieser Aufenthalt imJanuar 2014 im Pilgerhaus derErzdiözese Lemberg in Brjuchov-ytschi stattfinden. Die beiden be-reits genannten pol-nischen Ordensschwes-tern werden sich umdie hochbetagten Gästekümmern. Die Kostenwerden rund 3.100Euro betragen.

WeihnachtspaketeLemberg/UkraineZur Tradition geworden ist derBesuch des Maximilian-Kolbe-Werks bei den KZ- und Ghetto-überlebenden in der westukraini-schen Stadt Lviv/Lemberg. Dies-mal werden die beiden Ordens-schwestern Sr. Ewa und Sr. Magdaals Mitarbeiterinnen des Maximili-an-Kolbe-Werks von Polen ausnach Lemberg fahren. Mit Hilfedes Ukrainischen Roten Kreuzeswird es eine Weihnachtsfeier geben.Für 54 KZ- und Ghettoüberleben-de wird ein Geschenkpäckchen mitLebensmitteln und Pflegeartikelnvorbereitet. Kranke und Bettläge-rige, die an der Feier nicht teilneh-men können, werden zu Hausebesucht. Für die Weihnachtsfeierund die Weihnachtspäckchen wer-den wir etwa 2.550 Euro auf-wenden.

he zum Weihnachtsfest

Danke.

Krankenbesuche

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Wolfgang Gerstner macht in sei-nem Grußwort deutlich, dass dereinzelne Mensch und seine Ge-schichte immer im Mittelpunkt desMaximilian-Kolbe-Werkes standund steht. Er benennt die Orte, dieuntrennbar mit den anwesendenGästen verbunden sind: Majdanek,Groß-Rosen, Sachsenhausen, Ghet-to Warschau, Ravensbrück, Potu-lice, Siemianowice, Theresienstadt,Bergen-Belsen, Ghetto Sambor,Ghetto Budapest und schließlichAuschwitz-Birkenau. Für Men-schen wie sie engagiert sich dasWerk seit nun vier Jahrzehnten.

Gedenken in Auschwitz

In Auschwitz-Birkenau hatten sichdie Engagierten des Maximilian-Kolbe-Werks bereits drei Wochenvor dem Festakt in Freiburg getrof-fen. Schließlich wurde an diesemOrt, der wie kein anderer für dieVerbrechen der nationalsozialisti-schen Gewaltherrschaft steht, einst

Markus Weber, Leiter der pax-christi Bistumsstelle, berichtete imKonradsblatt des Erzbistums Frei-burg darüber:

„Das größte Geschenk sindunsere Gäste“

Dass diese Menschen, für die dasMaximilian-Kolbe-Werk seinerzeitgegründet wurde, nach Freiburggekommen sind, ist für WolfgangGerstner, den Geschäftsführer des Maximilian-Kolbe-Werks, „dasgrößte Geschenk“ dieser Feier-lichkeiten. Schließlich haben dieGäste aus Polen, der TschechischenRepublik oder Ungarn weite Wegeauf sich genommen. Da ist es eineSelbstverständlichkeit für Wolf-gang Gerstner, sie zuallererst undmit Namen zu begrüßen. Er tut diessichtlich erfreut und bewusst, denn„jeder Mensch hat einen Namen,keiner ist eine Nummer“, sagt Gerst-ner, um dann hinzuzufügen: "Daswar in Deutschland nicht immer so".

Mit einem Schweigemarsch zur Todeswand und in die Zelle von PaterMaximilian Kolbe gedachten KZ- und Ghettoüberlebende in derGedenkstätte Auschwitz der Gründung des Maximilian-Kolbe-Werks

die Idee geboren, aus der sich später einmal das Maximilian-Kolbe-Werk ent-wickeln sollte. Sein heutiger Prä-sident, der BundestagsabgeordnetePeter Weiß, erinnert in seinerFestrede daran, wie es dazu kam:

Wie der damalige Vizepräsident derdeutschen Sektion von pax christi,der Initiator und spätere Geschäfts-führer des Maximilian-Kolbe-WerksAlfons Erb, mit einer Gruppe deut-scher Christen im Jahr 1964 nachAuschwitz zu einer Sühnewallfahrtgekommen war. Dort wurde dieGruppe von zwei Überlebendendurch das Vernichtungslager ge-führt, die am Existenzminimumlebten.

Dieses Erlebnis habe bei den Deut-schen so nachgewirkt, dass sie nochauf der Heimfahrt beschlossen, diebeiden Überlebenden materiell zuunterstützen, so Peter Weiß.

1973 – 2013

40 Jahre im Dienst

der Versöhnung

Mit einem Gottesdienst im Freiburger Münster und einerFeierstunde gedachte das Maximilian-Kolbe-Werk im Oktober2013 seiner Gründung vor 40 Jahren. Zu den besonderenGästen zählten KZ- und Ghettoüberlebende aus Polen, Ungarn und Tschechien.

40 Jahre Maximilian-Kolbe-Werk

Rundbrief_DEZ_2013__ 02.12.13 13:20 Seite 6

Seite 7

Ihr Aufruf zu einer "Solidaritäts-spende" in Deutschland zeigtewachsenden Erfolg, so dass baldeine immer größere Anzahl vonÜberlebenden regelmäßig unter-stützt werden konnte. Die Hilfs-aktion nahm schließlich solcheDimensionen an, dass sie im Ok-tober 1973 unter der Führung desZentralkomitees der DeutschenKatholiken und weiterer katholi-scher Verbände institutionalisiertworden ist - und so das Maximi-lian-Kolbe-Werk entstand.

Die Gräber von Alfons Erb und seiner Tochter Elisabeth, die von1982 bis 1998 die Geschäfte desWerkes leitete, sind auch die ersteAnlaufstation, an der sich die inter-nationalen Gäste in Freiburg ver-sammeln. Dort halten sie mit demVizepräsidenten des Maximilian-Kolbe-Werks und Präsidenten vonpax christi Deutschland, BischofHeinz Josef Algermissen aus Fulda,eine Andacht und legen Blumennieder.

Unter den zwölf polnischen Gästen,die Wolfgang Gerstner in Freiburg

begrüßt, ist auchder 88-jährige Zdzis-law Badio ausSwidnik bei Lub-lin. Mit 17 Jahrenwurde er ins KZ-und Vernichtungs-lager Majdanek de-portiert. Doch erentkam und gehörtheute zu den Über-

lebenden, die sich als Zeitzeugenbeim Maximilian-Kolbe-Werk en-gagieren. Wie die meisten derGruppe ehemaliger Häftlinge ausPolen, die an diesem Wochenende

Der Festakt in Freiburg machtdeutlich, dass durch das Maximi-lian-Kolbe-Werk viele der Überle-benden erstmals Kontakt miteinem anderen Deutschland be-kommen haben. Erlebten sie alsKinder oder Jugendliche die Deutschen während der Zeit des

im Oktober nach Freiburg gekom-men sind, gehört auch Badio zu densogenannten Vertrauensleuten desVersöhnungswerkes. Das bedeutet,dass er in seiner Region Ansprech-partner für diejenigen ist, die einähnliches Schicksal erlitten habenwie er.

KZ- und Ghettoüberlebende legtenam Grab von Alfons und ElisabethErb in Freiburg Blumen nieder

Zdzislaw Badio

Auf der Feier zum 40-jährigen Bestehen des Maximilian-Kolbe-Werks habenKZ- und Ghettoüberlebende aus Polen allen Spenderinnen und Spenderndes Maximilian-Kolbe-Werks symbolisch diese Urkunde gewidmet, die wirIhnen auf diesem Weg weitergeben.

„Das Maximilian-Kolbe-Werk war für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschland der Vorreiter, sowohl

im politischen als auch im kirchlichen Kontext.“ Rüdiger Freiherr von Fritsch, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen, bei der Gedenkfeier

Rundbrief_DEZ_2013__ 02.12.13 13:20 Seite 7

Seite 8(Fortsetzung von Seite 7)Nationalsozialismus noch als Besat-zer, Unterdrücker und Mörder, sokonnten viele von ihnen erst mitHilfe des Maximilian-Kolbe-Werkswieder Vertrauen zu dem Volk ihrerehemaligen Peiniger aufbauen unddurch ihre Begegnungen mit denDeutschen auch ihre Erlebnisse ver-arbeiten. Mehr noch. Bei denHaupt- und Ehrenamtlichen desMaximilian-Kolbe-Werks haben sieWertschätzung und Geborgenheiterfahren, die weit über den Rahmeneines Hilfswerkes hinausreicht.

Für Anna Stachowiak aus Stettinbeispielsweise, die das Vernich-tungslager Auschwitz-Birkenau über-lebt hat, kann die Rolle, die das

Maximilian-Kolbe-Werk bei derVersöhnung zwischen den Opfernund dem Volk der Täter geleistethat, deshalb „nicht hoch genug ein-geschätzt werden“, wie die 78-Jährige bei einem Gespräch mit denÜberlebenden sagt. Krystyna Bud-nicka von den „Kindern des Holo-caust“, die das Ghetto in Warschauüberlebt hat, pflichtet ihr bei.

Sie erinnert sich noch gut an ihrGefühl vor ihrer ersten Fahrt nachDeutschland: „Wir kamen mit derVorstellung nach Deutschland, dasswir zu Menschen gehen, mit denenwir schlimme Sachen erlebt hatten;und haben dann Menschen getrof-fen, die so ganz anders waren, alsjene, die wir bis dahin als Deutsche

Auszug aus der Predigt von Bischof Heinz Josef Algermissen„Unser Volk hat lange gebraucht, um sich derVerantwortung für das monströse Verbrechenzu stellen, das von Deutschen und im deut-schen Namen begangen wurde. Bis heute sindMechanismen der Verdrängung wirksam.Zweifellos ist es richtig, die Vorstellung einerKollektivschuld abzulehnen. Wahr ist aber

auch, dass sich weit mehr Deutsche persönlich schuldig gemachthaben, als ihre Mitschuld einzugestehen bereit waren. Schuld tragennicht allein die Täter vor Ort und die politische Führung. In verschie-denem Grad haben ebenso die Mitläufer und alle diejenigen, die weg-gesehen haben, Mitschuld auf sich geladen, auch in unserer Kirche…

Das Jubiläum des Maximilian-Kolbe-Versöhnungswerkes zu bege-hen, ist uns Verpflichtung, die daher rührt, dass wir uns erinnern,weil wir nicht davon lassen können, Menschengeschichte immerauch vor Gottes Angesicht zu stellen – in aller Ratlosigkeit und mit-unter ohne Antwort. Vielleicht liegt die Hauptaufgabe christlicherErinnerung darin, die Wunden offen zu halten, nicht zu versuchen,das Unvorstellbare plausibel zu machen, den Abgrund zuzuschütten…

Das Maximilian-Kolbe-Werk hat durch seine Mitarbeiterinnen undMitarbeiter sowie Unterstützer mit ebenso konsequentem wie über-zeugendem Engagement für heil-same Erinnerung gesorgt, die dasGeheimnis der Versöhnung ist.Das Werk hat sich um die Kirche,sicher auch um die Aufarbeitungder deutschen Geschichte nachdem Zweiten Weltkrieg verdientgemacht. Danke dafür! Und eshat noch einen gehörigen Weg derVersöhnung mit Polen vor sich.

Gottes Segen dafür!“ Symbolisches Gedenken: Gottesdienst im Freiburger Münster

Mit Ihrer Spende machen Sie Hilfe möglich.

Wir bitten Sie herzlichdarum:

Spendenkonto 30 34 900, Darlehenskasse Münster,

BLZ 400 602 65

ImpressumMaximilian-Kolbe-Werk e.V. • Karlstraße 40 • 79104 Freiburg

Fon: 0761/ 200-348 • Fax: 0761/ 200-596www.maximilian-kolbe-werk.de • [email protected]

•Redaktion: Wolfgang Gerstner, Andrea Steinhart

Grafik: www.schwarzwald-maedel.de, SimonswaldDruck: Rauscher Druckservice GmbH, Freiburg

kennen gelernt hatten“, sagt sie. So wurden durch die Begegnungs-und Erholungsaufenthalte, die dasMaximilian-Kolbe-Werk seit 1978für KZ- und Holocaustüberlebendeorganisiert, in vielen Fällen nichtnur Ängste überwunden, sondernauch Freundschaften gestiftet.

Eine wichtige Rolle dabei spielen bisheute auch die Zeitzeugengesprächemit jungen Menschen. Ob mit jun-gen Journalisten, wie erstmals imvergangenen Jahr, oder durch dieregelmäßigen Unterrichtsbesucheder Überlebenden an Schulen. „DerBedarf an Gesprächen ist da“, sagtKrystyna Budnicka. Die beidenFreiburger Studentinnen LeonieFeldmann und Lisa Janz sind zweider jungen Leute, die sich jetztschon für die Arbeit des Maximilian-Kolbe-Werks engagieren und dasPublikum in Freiburg an ihrenErfahrungen mit den Überlebendendes Nationalsozialismus teilhabenlassen.

Sicher ist, dass die Versöhnungs-arbeit dem Maximilian-Kolbe-Werknicht ausgehen wird. Davon zeugtbeispielsweise auch der Bericht vonGyörgy Frisch vom Verein der jüdi-schen Überlebenden aus Budapest,der von der antisemitischen Stim-mung im heutigen Ungarn erzählt.Sicher ist auch, so Peter Weiß, dass„das Maximilian-Kolbe-Werk seineArbeit für die KZ- und Ghettoüber-lebenden fortsetzen wird, so langesie unter uns sind und unsereSolidarität benötigen.“

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