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Zimbabwe die Geschichte eines Niedergangs 1 wmoe 13. Jh. Das südliche Afrika war anders als Südamerika nicht so früh von Europäern heimgesucht worden. Im 13. Jh. bildete sich aus Bantu-Stämmen neben einigen weiteren hauptsächlich die Shona-Kultur heraus. Erst im 16. Jh. versuchten portugiesische Forscher, die Region für den Handel zu erschließen, was mangels entsprechender afrikanischer Partner aufgegeben wurde. 19. Jh. Im frühen 19. Jh. wurden die Mashona von den Matabele (Abspaltung der Zulu) erobert und begannen, das Land zu kommerzialisieren. Die Matabele waren an Landbau nicht interessiert, Landbesitz galt jedoch als Quelle von Wohlstand und Macht, neben Vieh und Sklaven. spätes 19. Jh. Die Geschichte Zimbabwes beginnt eigentlich erst mit Cecil Rhodes (1853-1902) im späten 19. Jh.. Mit 17 Jahren war er zu seinem Bruder nach Südafrika geschickt worden. Dort gründete er 1880 die berühmte Diamanten-Firma De Beers, wurde Mitglied des Parlaments der Kapkolonie und 1890 gar ihr Premierminister. Er gründete auf der Suche nach Bodenschätzen die British South African Company, die ihr Einflußgebiet ständig weiter nach Norden ausdehnte und im Gefolge der Schürfer und Goldsucher auch weiße Farmer nach sich zog. 1893 Rhodes hatte vom damaligen Matabelekönig Lobengula Konzessionen zur Ausbeutung von Erzvorkommen und auch riesige Flächen des Matabele-Landes erworben. Er, der in den Briten die „erste Rasse der Welt“ sah, überließ - die Förderung der Bodenschätze (Gold, Diamanten, Platin), - den fruchtbaren Teil des Landes und - die Nutzung der Arbeitskraft der afrikanischen Bewohner nach teilweise blutiger Eroberung den britischen Siedlern, an die das Land verkauft wurde. Wie in den meisten anderen Kolonien war auch dieses Land bald zum Protektorat des europäischen Mutterlandes Großbritannien erklärt worden und erhielt 1894 nachdem der Widerstand der Matabele gebrochen war den Namen Rhodesien mit Salisbury (dem heutigen Harare) als Zentrum. 1902 verstarb Cecil Rhodes. Er wurde in den Matopos in Süd-Simbabwe beigesetzt. (Im Bild sein Grab: Here lie the remains of Cecil John Rohdes) 1911 wurde die nach ihm benannte Kolonie „Rhodesien“ in den nördlichen Teil Nord-Rhodesien (heute Sambia) und den südlichen Teil Südrhodesien (heute Zimbabwe) geteilt. 1922 wurde der südliche Teil (also Südrhodesien) Siedlungskolonie.

Zimbabwe die Geschichte eines Niedergangs · Land-reform Bei Unabhängigkeit hatte Mugabe versprochen, 162.000 Farmer ... 2002 verkündete die Regierung Mugabe das Fast Track Land

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13. Jh. Das südliche Afrika war – anders als Südamerika – nicht so früh von Europäern heimgesucht worden. Im 13. Jh. bildete sich aus Bantu-Stämmen – neben einigen weiteren – hauptsächlich die Shona-Kultur heraus. Erst im 16. Jh. versuchten portugiesische Forscher, die Region für den Handel zu erschließen, was mangels entsprechender afrikanischer Partner aufgegeben wurde.

19. Jh. Im frühen 19. Jh. wurden die Mashona von den Matabele (Abspaltung der Zulu) erobert und begannen, das Land zu kommerzialisieren. Die Matabele waren an Landbau nicht interessiert, Landbesitz galt jedoch als Quelle von Wohlstand und Macht, neben Vieh und Sklaven.

spätes 19. Jh.

Die Geschichte Zimbabwes beginnt eigentlich erst mit Cecil Rhodes (1853-1902) im späten 19. Jh.. Mit 17 Jahren war er zu seinem Bruder nach Südafrika geschickt worden. Dort gründete er 1880 die berühmte Diamanten-Firma De Beers, wurde Mitglied des Parlaments der Kapkolonie und 1890 gar ihr Premierminister. Er gründete auf der Suche nach Bodenschätzen die British South African Company, die ihr Einflußgebiet ständig weiter nach Norden ausdehnte und im Gefolge der Schürfer und Goldsucher auch weiße Farmer nach sich zog.

1893 Rhodes hatte vom damaligen Matabelekönig Lobengula Konzessionen zur Ausbeutung von Erzvorkommen und auch riesige Flächen des Matabele-Landes erworben. Er, der in den Briten die „erste Rasse der Welt“ sah, überließ

- die Förderung der Bodenschätze (Gold, Diamanten, Platin), - den fruchtbaren Teil des Landes und - die Nutzung der Arbeitskraft der afrikanischen Bewohner

nach teilweise blutiger Eroberung den britischen Siedlern, an die das Land verkauft wurde.

Wie in den meisten anderen Kolonien war auch dieses Land bald zum Protektorat des europäischen Mutterlandes Großbritannien erklärt worden und erhielt 1894 – nachdem der Widerstand der Matabele gebrochen war – den Namen Rhodesien mit Salisbury (dem heutigen Harare) als Zentrum.

1902 verstarb Cecil Rhodes. Er wurde in den Matopos in Süd-Simbabwe beigesetzt. (Im Bild sein Grab: “Here lie the remains of Cecil John Rohdes“) 1911 wurde die nach ihm benannte Kolonie „Rhodesien“ in den nördlichen Teil Nord-Rhodesien (heute Sambia) und den südlichen Teil Südrhodesien (heute Zimbabwe) geteilt.

1922 wurde der südliche Teil (also Südrhodesien) Siedlungskolonie.

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Nach dem Landgesetz von 1930 war Landbesitz den britischen Kolonisten vorbehalten; wer einwandern durfte bestimmte die Selbstverwaltung; europäische Flüchtlinge waren unerwünscht (keine Aufstockung der weißen Bevölkerung nach 1945).

1953-1963

waren Südrhodesien (heutiges Zimbabwe), Nordrhodesien (heutiges Sambia) und Njassaland (heutiges Malawi) zur Föderation Rhodesien und Njassaland zusammengeschlossen.

1963 erhielten etliche afrikanische Länder die Unabhängigkeit. Nordrhodesien und Njassaland wurden als Sambia und Malawi unabhängig von Großbritannien und erhielten schwarzafrikanische Mehrheitsregierungen.

1965 erklärte das verbliebene Südrhodesien unter der Führung des schottischstämmigen Farmers Ian Smith und seiner Rhodesian Front als Minderheitsregierung einseitig die Unabhängigkeit von Großbritannien. Sein Rhodesien verblieb allerdings innerhalb des britischen Commonwealth.

erst 1978

wurden der schwarzen Bevölkerung Rhodesiens, vertreten durch den Bischof Muzorewa, politische Teilnahmerechte gewährt. Im Parlament gab es – im Gegensatz zu der zahlenmäßig ethnischen Zusammensetzung des Landes – 50 Weiße gegenüber 8 Schwarzen Abgeordneten.

Bevölkerungszusammensetzung: 275.000 Weiße und 5,8 Millionen schwarze Einheimische (Verhältnis 1:21) verschiedener Stämme (Shona, Ndebele, Tonga, Kalanga, Chewa, Venda, Tsonga). Rhodesien zu Smiths Zeit umfaßte gut 390.00 km² (vergl. BRD rund 357.00 km²).

International anerkannt wurde Smiths Rhodesian Front nur von Südafrika. Ein ständiger Buschkrieg gegen von der UdSSR und China unterstützten kommunistischen schwarzen Rebellen kostete ca. 30.000 Menschenleben.

Die weißen Rhodesier, die ihrem Mutterland Großbritannien zu große Nachgiebigkeit gegenüber der Stammbevölkerung vorwarfen, waren von der Sorge vor katastrophalen Umbrüchen getrieben, wie sie in vielen anderen afrikanischen Ländern zu der Zeit anstanden (z. B. Belgisch-Kongo).

1976 stellte die südafrikanische Regierung unter Balthazar Johannes Voster ihre wirtschaftlich wichtige Nachbarschaftshilfe für

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Rhodesien ein (> als Verrat empfunden).

1979 Waffenstillstandsverhandlungen mit der militanten Opposition unter Führung Robert Mugabes in London führten auf Druck der britischen Regierung zu dem sogen. Lancaster-House-Abkommen. Darin wurde die Gründung der Republik Zimbabwe vereinbart samt freier Wahlen im Februar 1980. Mugabes Aufständische mußten sich im Gegenzug verpflichten, wenigstens 10 Jahre lang eine Mindestanzahl weißer Vertreter im Parlament zuzulassen (20 Weiße : 80 Schwarze)

1980 Aus den Wahlen ging (anstatt des liberalen Joshua Nkomo/ZAPU) die militante ZANU-Partei als Sieger hervor und damit der Jesuitenschüler Robert Gabriel Mugabe vom größten Stamm der Shona als Premierminister. Präsident wurde Canaan Banana.

1960er Mugabe war nach seinem Studium an verschiedenen ausländischen Hochschulen als überzeugter Kommunist heimgekehrt und hatte den Kampf gegen die englischen Kolonialherren begonnen. Er gründete die Zimbabwe African National Union (ZANU). Seine Führung dessen extremistischen Flügels ZANLA (African National Liberation Army) hatte ihm 1964 eine 11jährige Haftstrafe eingebracht. Nach Verbüßung führte er den Kampf von Mozambik aus fort.

1980er Vom Ausland erhielt Mugabe große Zustimmung für seine zunächst Zurückhaltung vor harten Maßnahmen gegenüber dem weißen Bevölkerungsanteil. Besonders von Deutschland erhielt der „Befreier“ großen Beifall, sowohl seitens der etablierten Politik als auch besonders von linken bis linksradikalen Gruppierungen: Kommunistischer Bund Westdeutschland/KBW, Deutsche Kommunistische Partei/DKP, SPD und Grüne; die Sozialdemokraten v.a. über ihre Stiftung FES. Rhetorisch und praktisch pflegte man in den ersten Jahren eine (quasi verordnete) Politik der Versöhnung. Marxistische Floskeln dienten vor allem dazu, die Befreiungskämpfer zufriedenzustellen. Die Wirtschaftspolitik war zunächst eine sehr pragmatische.

Pro-gramme

Nach Amtsantritt 1980 startete die Regierung Mugabe Förderprogramme für Kleinbauern, im Gesundheits- und Bildungsbereich.

- die Wirtschaftsleistung der Kleinbauern konnte gesteigert werden (+3,6%),

- die Lebenserwartung stieg, - die Mangelernährung unter Kindern konnte gesenkt

werden,

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Victoria Falls

Nyanga-Mountains

- die Kindersterblichkeit ging zurück (86>49‰). Trotz Steigerung der Anzahl der Beschäftigten (1980-1991: +20%) gab es wegen starken Bevölkerungswachstums hohe Arbeitslosigkeit. Das Wirtschaftswachstum pro Jahr von 1980 bis 1989 betrug 4,5% des BIP (vgl. 1966-1979: 3,8%). Das Bildungssystem erreichte ein für Entwicklungsländer hohes Niveau.

1985 1987

Erste Wiederwahl Mugabes. Er erreichte eine Zusammenlegung des Premierminister- und Präsidentenamtes und wurde 1987 Präsident auf Lebenszeit und verfügte über bereitstehende totalitäre Instrumente (Propaganda, massive Einschüchterung Oppositioneller, Verfolgung Andersdenkender, Wahlfälschung). Im Zuge brutaler Unterdrückungsmaßnahmen gegen rivalisierende schwarze Stammesgruppen hatte 5. Brigade ca. 20.000 Angehörige der Matabele getötet, die Mugabes Gegner Joshua Nkomo unterstützt hatten.

Thema: Land

1930 erließ die Smith-Regierung ein Landaufteilungs-Gesetz, das die Landesfläche in 5 Regionen gliederte:

- I: kommerzielles Farmland der feuchteren Eastern Highlands (Kaffee, Tee)

- II: Farmland des Highveld/Ost-Rhodesien (Getreide, Tabak) - III+IV: Farmland mit Viehzucht und trockenresistentem

Anbau (periodisch Dürre) - V: Lowveld: zu trocken > kein Anbau, begrenzt Viehzucht

Region V und Teile der feuchteren Region II wurden als Tribal Trust Lands ausge-wiesen; Besitz und Nutzung standen ausschließlich Schwarzafrikanern zur Verfügung. Bevölkerungsdruck und kümmerliche Erträge in den benachteiligten Tribal Trust Lands führten zu Abwanderung und Arbeitssuche in Städten und auf weißen Farmen. Zurückgebliebene mußten mit Überweidung und Bodenerosion zurechtkommen. Zur Kompensation der Probleme verfügte die Regierung obligatorische Viehbestandsgrößen sowie Umwidmung ungenutzten weißen Farmlands zu Native Purchase Areas. Obwohl unter Ian Smith 1969 per Gesetz das für weißen Besitz reservierte Land um 182.000 km² reduziert und für Schwarze um dieselbe vergrößert und damit theoretisch eine Angleichung geschaffen wurde, verblieb das fruchtbarste Land (Regionen I, II und III) weiterhin in den weißen Enklaven.

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Willkürliches Vorgehen weißer Farmer bei der Grenzziehung förderten die Unzufriedenheit der schwarzen rhodesischen Bevölkerung und ihre Sympathie für die nationalistischen Bewegungen wie ZANU und ZAPU, die das System durch Waffengewalt zu stürzen bereit waren. Die Land-Frage war einer der Hauptgründe für den Befreiungskampf. Sie war auch eins der wichtigsten Themen in den Lancaster-House-Verhandlungen. Darin sagte Großbritannien dem Land finanzielle Unterstützung bei der geplanten Landreform zu, die ab 1980 für 10 Jahre vorsah, gemäß der „willing seller, willing buyer agreement“-Klausel, daß die Regierung Land nur gegen Entschädigung ihrer früheren Besitzer zur Umverteilung erwerben kann. Bei der gut florierenden Wirtschaft der 80er Jahre waren allerdings nur wenige weiße Farmer zum Verkauf bereit. Diejenigen, die verkaufen wollten und vorhatten, nach Südafrika oder Australien auszuwandern, konnte die Regierung allenfalls in lokaler Währung (Zimbabwe-Dollar) entschädigen.

Land-reform

Bei Unabhängigkeit hatte Mugabe versprochen, 162.000 Farmer bis 1990 umzusiedeln. Nicht einmal die Hälfte des Ziels hatte man erreicht. Die erwartete Landreform wurde erst jahrelang verzögert; Gründe:

- fehlende Mittel und Kapital für Kauf und Entwicklung der Resettlement-Gebiete (britische Gelder für ein Resettlement-Programm konnten nicht abgerufen werden)

- Korruption innerhalb der Regierung - allgemeine Bürokratie

IWF und Weltbank hatten 1989 ihre Hilfen wegen Korruption eingestellt.

1990er Die Umsetzung der Bodenreformpläne (Zuteilung von Land der des Landraubs bezichtigten weißen Farmer – zunächst gegen Entschädigung – an schwarze Landarbeiter) scheiterte auch daran, daß nicht die Landarbeiter, sondern Mugabes Sippe, frühere Genossen (Ex-Combatants) und Parteigänger, die in der Regel keinerlei landwirtschaftliche Vorbildung aufwiesen, den Großteil der Flächen – teilweise blühende Farmen – übereignet bekamen.

1997 Von 12 Millionen Zimbabwern besaßen 4000 weiße Farmer weiterhin 50 % des bewirtschaftbaren Landes, jeder Ø 2000 ha. 1 Million schwarze Familien lebten weiterhin in den dichtbesiedelten Communal Areas mit Ø 4 ha pro Familie. Umgesiedelte Familien erhielten im Bezug auf Kredite, Training und infrastrukturelle Maßnahmen (Straßen, Schulen, Krankenstationen) wenig Unterstützung von der Regierung.

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ab 2000

wurde die Landreform gewaltsam, willkürlich und chaotisch durchgeführt. Landlose schwarze Bauern, angeführt von Veteranen des Chimurenga-Krieges, begannen, 1000 weiße Farmen zu stürmen und deren Land zu beschlagnahmen. Die Regierung ermunterte sie noch dazu, da Mugabe verkündete: „Wenn weiße Siedler Land von uns nehmen, ohne dafür zu bezahlen, können wir auf gleiche Weise Land von ihnen nehmen, ohne dafür zu zahlen.“ Seit 2000 wurden rund 11 Millionen Hektar Land der 275.000 weißen Farmer enteignet und neu verteilt – offiziell an 300.000 Kleinbauern. Viele Höfe gingen entgegen früherer Entschädigungszusagen an Politiker von Mugabes Regierungspartei ZANU-PF, die kein Interesse an einer wirtschaftlichen Verwendung des Farmlandes hatten. Von den 300.000 Landarbeitern, die auf den Farmen lebten und arbeiteten, verloren 150.000 nicht nur ihre Arbeit, sondern durch die Besetzungen und Zerstörungen auch ihre Wohnstätten. Sie, die ihr Leben lang auf den Farmen gelebt hatten, mußten nun in Slum-ähnlichen Siedlungen unterkommen. Sie hätten Kenntnisse und Fähigkeiten für ein Betreiben der Farmen gehabt – ganz im Gegensatz zu den Invasoren. Für die besetzten Farmen hatte die Regierung weder finanzielle Ressourcen noch Pläne oder Unterstützungspersonal.

2002 verkündete die Regierung Mugabe das Fast Track Land Resettlement Programm (Schnellspur-Umsiedlungsprogramm). Sie gab 2.900 weißen Farmern 90 Tage um ihre Produktion einzustellen und ihre Farmen zu verlassen. Viele weiße Farmer flüchteten außer Landes, manche brachten vorher ihr Vieh um und verwüsteten Gerätschaften und Bewässerungsanlagen. Eine große Zahl an weißen Tabakfarmern wurden von marodierenden und aufgestachelten Gangs und Paramilitärs ermordet, ihre Farmen in Brand gesetzt. Gut 3.100 Farmen mit einer Kapazität von 160.000 Haushalten wurden aufgeteilt. Die meisten der schwarzen Farmer auf den jetzt Ø 4 ha-Flächen übten nur manuelle Bewirtschaftung aus; daher ging die landwirtschaftliche Produktion dramatisch zurück: von 2000-2003 -25 %.

Dieser Verlust sowie die katastrophale Mißwirtschaft der erfahrungs- und motivationsarmen Neueigentümer bewirkten einen Zusammenbruch des Agrarsektors. Die einstige „Kornkammer“ Afrikas, die reichlich Tabak produzierte, dazu auf fruchtbaren Böden Mais, Soja, Baumwolle, Erdnüsse und Jute gedeihen ließ, war auf dem Wege, ihre Bevölkerung nicht mehr ernähren zu können. Binnen weniger Jahre fehlten Millionen

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Tonnen Getreide, die Produktion des Hauptexportartikels Tabak ging um 75 Prozent zurück, große Flächen liegen seither brach.

2007 Das letzte Kapitel der ethnischen Säuberung: rund 400 übriggebliebene weiße Farmer wurden unter massiven Drohungen vertrieben. Planwirtschaftliche Maßnahmen führten zu weiterer Verknappung, so daß die Not zahlreiche schwarze Zimbabwer Angeboten der Länder Sambia, Nigeria und Mozambik folgten (Niederlassungsangebote für Facharbeiter und Bauern). Der Hauptstrom des Exodus ging ins südliche Nachbarland Südafrika, wo 2007 schätzungsweise 3 Millionen Menschen aus Zimbabwe lebten.

War noch 1998 Zimbabwes Volkswirtschaft die am schnellsten wachsende ganz Afrikas, so begann danach ein rasanter Abstieg.

- Außer der Landwirtschaft kollabierte auch der Bergbau (Gold, Platin, Nickel, Zinn, Diamanten, Kohle).

- Treibstoffmangel führte zu Einschränkungen des Transportwesens.

- Hotels in den Touristenzielen Victoria-Falls, Hwange-Nationalpark, Eastern Highlands u.a. blieben leer.

- Nationalparks wurden Mugabes Parteigängern überlassen. Die früher verbotene Jagd verringerte den Wildtierbestand innerhalb von 7 Jahren um 40 %; auch die Hungersnot trieb viele Menschen dazu, Tiere zu schlachten.

- Mehrfach sich am Tage verdoppelnde Preise waren die Folge einer Hyperinflation.

(Inflation 1970-78: 7,6 %; 2005: 133,6 %; 2007: 66.212 %; 2009: 231.150.888 %;

- Die Landeswährung Zimbabwe-Dollar wurde abgeschafft und der US-Dollar als Zahlungsmittel eingeführt).

- Die Arbeitslosigkeit näherte sich 2015 der Marke 80 %. - 700.000 arme Bewohner wurden aus städtischen

Siedlungen vertrieben in einer Maßnahme, die „drive out the trash“ (den Müll vertreiben) genannt wurde. Sie stellten eine politische Bedrohung für Mugabe dar.

- Demonstrationen wurden unterdrückt, Teilnehmer, Oppositionelle, Journalisten verprügelt, mißhandelt und verhaftet.

- Mugabe führte Krieg gegen seine eigene Bevölkerung.

2015 Einwohnerzahl hatte sich in drei Jahrzehnten von 7,3 Millionen (1980) auf ca. 14 Millionen (2015) fast verdoppelt. Armut, schlechtere medizinische Versorgung ließen Sterberate ansteigen, Lebenserwartung fiel (Frauen: 53 > 33 Jahre, Männer: 50 > 34 Jahre vergl. 1970-75 und 2000-2005). Choleraepidemie 2008 mit 4.030 Toten. Starker Anstieg HIV-Infizierter (15jährige: +43%; 15-40jährige: +34%; keine Tests, keine Medikamente).

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2015: infolge schlimmer Dürre konnte das Kraftwerk am Kariba-Staudamm nur noch einen Bruchteil der Leistung liefern.

2000 Waren bei den Parlamentswahlen mehr als die Hälfte der Stimmen an den Kandidaten der Partei Movement of Democratic Change (MDC), Morgan Tsvangirai, dem schärfsten Gegner Mugabes, gefallen. Wegen eines innerparteilichen Zerwürfnisses der zerstrittenen MDC ging dennoch Mugabe wieder als Sieger hervor. Seitdem kam es verstärkt zu massiven Menschenrechtsverletzungen und Tötungen.

Durch Wikileaks wurde aus US-DiplomatenKorrespondenz bekannt, daß Mugabe, seine Frau Grace und hohe Regierungsmitarbeiter sich in großem Stil am Diamantenhandel aus den ostzimbabweschen Minen bereicherten. Außer einem Vermögen von rund 10 Millionen US $ hat er sich große Flächen Landes angeeignet.

2017 Nach Absetzung Mugabes durch einen Militärputsch wurde der früher entlassene Vizepräsident Emmerson Mnangagwa Präsident. Er war vor der Unabhängigkeit am Guerrillakrieg und auch am späteren Massaker an den Matabele beteiligt. Als Minister für Staatssicherheit bekämpfte er die MDC-Partei Tsvangirais, wurde Verteidigungs- und Justizminister. Sein Spitzname „Garwe“ aus der Chimurenga-Zeit bedeutet übersetzt „Krokodil“, wegen seiner Durchtriebenheit. Sein ZANU-PF-Partei-Flügel wird Lacoste genannt.

Den schwarzen Einwohnern Rhodesiens ging es zur Zeit der weißen Minderheitsregierung zumindest materiell eindeutig besser als danach und sicherlich besser als den damaligen Bevölkerungen anderer afrikanischer Staaten. Das festzustellen, ist keine Rechtfertigung des Apartheitsystems, sondern das Ergebnis unvoreingenommener Analysen.

Ist etwas dran an dem Standardvorwurf, weiße Siedler hätten der einheimischen Bevölkerung die besten Böden geraubt und deshalb so reiche Erträge erwirtschaftet? Oder waren es die europäischen Anbaumethoden, die den weißen Farmern ihren Erfolg gegenüber den einheimischen

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„Bildungsrundfunk in

Zimbabwe“ – zwei Videos bei YouTube

Gepflogenheiten beim Feldbau ermöglichten und die Bodenqualität optimierten? Bis auf den heutigen Tag wird das Bild des post-kolonialen Afrikas mit seinen künstlichen Grenzziehungen von Machtkämpfen rivalisierender Stämme geprägt. Wären die interethnischen Konflikte zwischen den Stämmen auch in Rhodesien/Zimbabwe vielleicht nicht schon früher eskaliert, wenn es die Phase der weißen Regierung Smith nicht gegeben hätte? Heikle Fragen, die nicht tabu sein dürfen.

Wolfgang Moeller / März 2017