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Gesundheitstelematik – Zukunftsmodell fȱr Diagnose, Therapie und Rehabilitation Gesundheitstelematik wird angesichts des demografischen Wandels und der Zu- nahme chronischer Krankheiten zuneh- mend bedeutend. Zur Behandlung von chronischen Krankheiten bieten hierbei telemedizinische Produkte und Dienst- leistungen nachhaltige LȰsungen an. Ob- wohl Studien den medizinischen und ge- sundheitsȰkonomischen Nutzen der Tech- nologie lȩngst belegen, ist ihre Einfȱhrung in der Flȩche in Deutschland noch nicht realisiert. Sie erhalten Informationen zum Stand der medizinischen und technologi- schen MȰglichkeiten, zu den gesund- heitsȰkonomischen Potenzialen und zum Stand der gesundheitspolitischen Hebe- lung. Autor: Jȱrgen Turek E-Mail: [email protected] chen.de 1 Was ist Gesundheitstelematik Die Gesundheitstelematik ist ein Teilbereich des E-Health. Er setzt sich zusammen aus den Begriffen Gesundheitswesen, Telekommunikation und Informatik. Der Begriff E-Health entstand mit der New Economy zum Ende des 20. Jahrhun- derts. Er ȱbertrȩgt die E-Commerce-Idee auf das Gesund- heitswesen. Bei Telematikanwendungen handelt es sich um einrichtungs- ȱbergreifende und ortsunabhȩngige vernetzte Anwendungen zur șberbrȱckung von Raum und Zeit, um betriebliche oder ȱberbetriebliche Geschȩftsprozesse abzuwickeln. Telematik bezeichnet alle Leistungen der Informations- und Kommuni- kationstechnologie (IuK) im Gesundheitswesen, durch die medizinische Informationen unabhȩngig von Zeit und Ort digital ȱbertragen und gespeichert werden kȰnnen (Abb. 1). Telemedizin reprȩsentiert das Erbringen medizinischer Dienstleistungen durch den Einsatz von IuK. Markt 01010 Seite 1 7. Aktualisierung E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren aus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

Zukunftsmodell fr Diagnose, Therapie und Rehabilitation ......So wird bei Patienten mit Herzinsuffizienz durch Telemoni-toring ber die Hlfte der Krankenhaustage eingespart, was eine

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  • Gesundheitstelematik – Zukunftsmodell f�r Diagnose,Therapie und Rehabilitation

    Gesundheitstelematik wird angesichtsdes demografischen Wandels und der Zu-nahme chronischer Krankheiten zuneh-mend bedeutend. Zur Behandlung vonchronischen Krankheiten bieten hierbeitelemedizinische Produkte und Dienst-leistungen nachhaltige L�sungen an. Ob-wohl Studien den medizinischen und ge-sundheits�konomischen Nutzen der Tech-nologie l�ngst belegen, ist ihre Einf�hrungin der Fl�che in Deutschland noch nicht

    realisiert. Sie erhalten Informationen zumStand der medizinischen und technologi-schen M�glichkeiten, zu den gesund-heits�konomischen Potenzialen und zumStand der gesundheitspolitischen Hebe-lung.

    Autor: J�rgen TurekE-Mail: [email protected]

    chen.de

    1 Was ist Gesundheitstelematik

    Die Gesundheitstelematik ist ein Teilbereich des E-Health. Ersetzt sich zusammen aus den Begriffen Gesundheitswesen,Telekommunikation und Informatik. Der Begriff E-Healthentstand mit der New Economy zum Ende des 20. Jahrhun-derts. Er �bertr�gt die E-Commerce-Idee auf das Gesund-heitswesen.

    Bei Telematikanwendungen handelt es sich um einrichtungs-�bergreifende und ortsunabh�ngige vernetzte Anwendungenzur �berbr�ckung von Raum und Zeit, um betriebliche oder�berbetriebliche Gesch�ftsprozesse abzuwickeln. Telematikbezeichnet alle Leistungen der Informations- und Kommuni-kationstechnologie (IuK) im Gesundheitswesen, durch diemedizinische Informationen unabh�ngig von Zeit und Ortdigital �bertragen und gespeichert werden k�nnen (Abb. 1).Telemedizin repr�sentiert das Erbringen medizinischerDienstleistungen durch den Einsatz von IuK.

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    7. Aktualisierung E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisierenaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

    mailto:[email protected]://www.tuev-media.de/produkte/91100-medizinprodukte-planen--entwickeln--realisieren.php

  • Telemedizin

    DOC2DOC

    TelekonsultationTeleradiologieAus , Fort undWeiterbildung

    DOC2Patient

    TelediagnostikTeletherapieTelemonitoringTelechirurgie

    E-Health

    BesseresInformationsangebot

    InformationsdatenbankenÄrzte oderKrankenhausverzeichnisse

    EffizientereGeschäftsabwicklung

    EinkaufsformenOnline ApothekenAbrechnungsdatenPatientenakte

    MedizinischeDienstleistungen

    DOC2DOC undDOC2Patientvia Telemedizin

    Abb. 1: Systematik von E-Health und Telemedizin [1]

    Telemedizin bezeichnet Diagnose, Therapie und Rehabilita-tion unter �berbr�ckung einer r�umlichen oder zeitlichenDistanz zwischen Leistungserbringern und Patienten. DieTelemedizin wird in verschiedene Anwendungsbereiche dif-ferenziert. F�r zwei sich konsultierende �rzte im sogenanntenDoc2Doc-Bereich gibt es spezielle Anwendungen in der Te-lekonsultation, Teleausbildung oder Teleradiologie. ImDoc2Patient-Bereich, bei dem �rzte und Patienten mittelsTelekommunikation in Kontakt stehen, existieren die An-wendungen Telediagnostik, Teletherapie, Telemonitoring undTelechirurgie [2]. Telemonitoring zum Beispiel versprichteine optimierte Diagnostik, eine bessere Therapiequalit�t,eine bessere Compliance, eine Entlastung von �rzten in Kli-niken und Praxis sowie eine Kostenreduktion bei gleichzeitigsteigender Patientenzufriedenheit.

    Dies funktioniert nur unter Einbeziehung der Nutzergruppen„Patient“ und „Angeh�rige“.

    Diagnose,Therapie undRehamittels IuK

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    E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren 7. Aktualisierungaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

  • Es geht um ein Netzwerk, das Arztpraxen, Kliniken, Apo-theken, pathologische und Laborinstitute, die Patienten sowiedie Leistungstr�ger der Krankenkassen vernetzt [3].

    Die Telemedizin soll allen Akteuren im medizinischen Ge-sundheitswesen Daten und Informationen zur Verf�gungstellen. Sie soll dazu dienen, die medizinische Versorgung zuverbessern, die Effizienz der Versorgung zu steigern undKosten zu senken. Beispiele im Bereich Telemonitoring beiHerzinfarkt- oder Herzinsuffizienzpatienten sind etwa dieinformations- und kommunikationstechnologische Erfassungvon:

    • Elektrokardiogramm (EKG),• Sauerstoffs�ttigung,• Blutdruck und Puls,• Atemfrequenz,• Gewicht.

    F�r den Patienten bedeutet dies eine zeit- und ortsunabh�n-gige Auswertung:

    • seiner Vitalparameter• der eigenen Alarmgrenzen

    sowie gegebenenfalls die sofortige Ingangsetzung einer Kri-senintervention im akuten Notfall durch einen telemedizini-schen Dienstleister.

    In der Bundesrepublik Deutschland gibt es noch keine orga-nisierte fl�chendeckende Versorgung mit gesundheitstelema-tischen Systemen. Es existieren allerdings lokale und regio-nale Projekte, welche gesundheitstelematische Anwendungen

    Netzwerk

    Versorgung,Effizienz,Kosten

    Tele-monitoringim Herz-Kreislauf-Bereich

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    7. Aktualisierung E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisierenaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

  • einsetzen, testen und voranbringen und die Sie studierensollten. Dies sind etwa:

    • das K�lner Infarktmodell(www.koelner-infarktmodell.de),

    • Schlaganfallnetzwerk STENO mit Telemedizin in Nord-bayern (www.steno-netz.de/),

    • Aufbruch Bayern mit Telemedizin(www.stmug.bayern.de/gesundheit/krankenhaus/ -telemedizin/projekte_liste.htm?aus=6),

    • Fl�chendeckendes Telemedizin-Netz Brandenburg(www.zdnet.de/news/41556162/in-brandenburg- -entsteht-erstes-flaechendeckendes-telemedizin- -netz.htm),

    • Modellregion Telemedizin OWL in Nordrhein-Westfalen(www.egesundheit.nrw.de/content/e3187/e7060/ -index_ger.html).

    Diese Projekte verdeutlichen die G�te und Ernsthaftigkeit derGesundheitstelematik in Deutschland. Ihre gut durchdachtePerformance zeigt die hervorragenden Einsatzm�glichkeiteninformationstechnologischer Vernetzungen und telemedizi-nischer Verfahren im Gesundheitswesen auf. Es gibt dar�berhinaus seit 2005 eine Informations- und Diskussionsplatt-form, welche die Stakeholder in diesem medizintechnologi-schen Bereich zu konstruktiven Gespr�chen kontinuierlichzusammenf�hrt. Dies sind seit 2005:

    • die Internationalen Telemedizinforen des Centrums f�rangewandte Politikforschung (C•A•P) der Ludwig-Ma-ximilians-Universit�t M�nchen (www.cap-lmu.de/ -aktuell/events/2010/telemedizin.php (und vorhergehen-de unter dem Suchbegriff „Telemedizin“).

    Projekte

    Diskussions-forum

    01010 Markt

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    E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren 7. Aktualisierungaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

    http://www.cap-lmu.de/aktuell/events/2010/telemedizin.phphttp://www.egesundheit.nrw.de/content/e3187/e7060/index_ger.htmlhttp://www.koelner-infarktmodell.dehttp://www.steno-netz.de/http://www.stmug.bayern.de/gesundheit/krankenhaus/telemedizin/projekte_liste.htm?aus=6http://www.zdnet.de/news/41556162/in-brandenburg-entsteht-erstes-flaechendeckendes-telemedizin-netz.htm

  • 2 Innovatives Versorgungsmanagement undUsability durch Gesundheitstelematik

    Ein innovatives und ganzheitliches Versorgungsmanagementwird in Deutschland angesichts des demografhischen Wan-dels immer wichtiger. Demografischer Wandel beschreibtu. a. das stetig ansteigende Lebensalter der Menschen. Mitdem Wandel einher geht eine signifikante Zunahme chroni-scher Krankheiten. Dies sind beispielsweise:

    • Herzinsuffizienz und Herzinfakt,• Schlaganfall,• Hypertonie,• Adipositas und Diabetes mellitus II,• Asthma.

    Dieser Wandel hat eine intensivierte Betreuung der Patientenund eine Steigerung der Gesundheitsausgaben zur Folge, wieAbbildung 2 zeigt.

    Aufgrund der M�glichkeiten der Gesundheitstelematik f�rdie Behandlung chronischer Krankheiten (Abb. 3) steht siemit dem demografischen Wandel in einem engen Zusam-menhang.

    2.1 Demografie und Telemedizin

    Angewandt speziell bei chronischen Erkrankungen steht Te-lemedizin f�r eine innovative Behandlungsform, die elektro-nische „Tools“ f�r Diagnose, Therapie und Rehabilitationeffizient nutzt. Telemedizinische Instrumente bieten strategi-sche L�sungen an. Zahlreiche Studien wie etwa die Untersu-chung „Telemedical Interventional Monitoring in Heart Fai-lure“ der Berliner Charit� und des Stuttgarter Robert-Bosch-

    InnovativesVersorgungs-managementgefragt

    StrategischeL�sungen

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    7. Aktualisierung E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisierenaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

  • Krankenhauses 2010 [5] haben gezeigt, dass es m�glich ist,durch den Einsatz der Telemedizin die Qualit�t der medizi-

    Gesundheitsausgaben in Deutschland in Mio. € im Vergleich

    Ambulante Einrichtungen Stationäre/teilstationäre Einrichtungen

    1992 2000 2008 1992 2000 2008

    140.000 €

    120.000 €

    100.000 €

    80.000 €

    60.000 €

    40.000 €

    20.000 €

    - €

    Abb. 2: Gesundheitsausgaben in Deutschland in Mio. E im Vergleich [4]

    Kosten chronischer Krankheiten in Mio. € in Deutschland

    AkuterMyokardinfarkt

    2002 2004 2006 2008

    10.000 €

    9.000 €

    8.000 €

    7.000 €

    6.000 €

    5.000 €

    4.000 €

    3.000 €

    2.000 €

    1.000 €

    - €Herzinsuffizienz Diabetes mellitus Hypertonie

    (Hochdruckkrankheit)

    2002 2004 2006 2008 2002 2004 2006 2008 2002 2004 2006 2008

    Abb. 3: Kosten chronischer Krankheiten in Mio. E in Deutschland [4]

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  • nischen Betreuung signifikant zu erh�hen, die Mortalit�tsratezu senken und gleichzeitig die Behandlungskosten zu ver-ringern.

    So wird bei Patienten mit Herzinsuffizienz durch Telemoni-toring �ber die H�lfte der Krankenhaustage eingespart, waseine h�here Lebensqualit�t der Patienten bedeutet, aber auchzu einer Einsparung von Behandlungskosten f�hrt.

    Neben einer effizienteren Behandlung ist auch die geringereBeeintr�chtigung der Patienten hervorzuheben. Telemonito-ring bietet die M�glichkeit, Rekonvaleszente fr�her aus derstation�ren Behandlung zu entlassen und im privaten Umfeldzu betreuen. Aus Sicht der Beteiligten kann die medizinischeNachversorgung f�r die Patienten angenehmer und f�r dieLeistungstr�ger kosteng�nstiger gestaltet werden. AmbulanteSektoren kommen verst�rkt zum Einsatz. Im Klinikum M�n-chen konnte die Krankenverweildauer durch eine telemedi-zinische Betreuung von 12 auf 7 Tage gesenkt werden. IhrPotenzial und Erfahrungen in anderen L�ndern lassen erwar-ten, dass sie sich auch in Deutschland durchsetzen wird. InIsrael etwa ist Telemedizin bereits fl�chendeckend im Einsatz.Das Land hat f�r Schlaganfall- und Herzpatienten eine Sys-temarchitektur entwickelt, die das Monitoring mit effizientenNotrufsystemen verkn�pft. Dar�ber hinaus gelten die StaatenSkandinaviens als weit entwickelte Vorreiter in der Umset-zung gesundheitstelematischer Innovationen.

    2.2 Gesundheitsmarkt und Telemedizin

    Gesundheits�konomische und medizinische Aspekte werdenangesichts des Anstiegs chronischer Krankheiten wichtiger.Alleine in Deutschland leben 1,6 Millionen Menschen mitHerzinsuffizienz und �ber f�nf Millionen Menschen mit ko-ronarer Herzkrankheit, die es gut und �konomisch vertretbar

    BeispielHerz-insuffizienz

    Israel undSkandinavienVorreiter

    Ganzheit-licheAns�tze viel-versprechend

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  • zu versorgen gilt. Die Gesundheitstelematik zeigt hierf�rpraktikable L�sungen auf. Dies deutet eine vielversprechendeZukunft gesundheitstelematischer Innovationen an, die jen-seits der partiellen medizinischen Indikation auch insgesamtein autonomes Leben trotz Alter und Krankheit erm�glichen.Das Assisted Ambient Living (AAL) etwa realisiert einKonzept, das technische M�glichkeiten mit umsetzbarenAnwendungen zu einem interessanten Gesch�ftsmodell derZukunft f�hrt:

    • AAL bzw. „Conected Living“ zeigt M�glichkeiten auf,das allt�gliche Leben �lterer Menschen situationsabh�n-gig und unaufdringlich durch den Einsatz telematischerL�sungen zu unterst�tzen.

    • AAL zeigt, wie Elektronik mittels eines zentralen ServersGesundheitsdienste im intelligenten Haus der Zukunftorganisiert, um zu humanen L�sungen einer Versorgungzu kommen, die heimische Geborgenheit mit altersge-rechten Diagnose- und Therapiem�glichkeiten verkn�p-fen.

    Das Marktpotenzial und die �konomischen Impulse zu han-deln, sind f�r innovationsbereite Produzenten und Dienst-leister hoch. Die j�hrlichen Behandlungskosten f�r die �bersieben Millionen Diabetiker in Deutschland liegen etwa bei58 Milliarden EUR, davon entfallen etwa 30 Milliarden EURauf Folgeerkrankungen. Telemedizin soll dieses Kostenpo-tenzial durch Innovationen abschw�chen, was Investitionenund Venture Capital erfordert.

    Bei Diabetikern wird auch das Risiko, eine schwere Folgeer-krankung (Herz-Kreislauf-Ereignisse, Amputationen, Er-blindung, Niereninsuffizienz) zu entwickeln, durch den Ein-satz der Telemedizin reduziert. Der gesamte Markt f�r Tele-medizin und AAL-Systeme soll nach Berechnungen von Data

    HohesMarktvolumen

    Hightech-Potenzial

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  • Monitor in den USA und Europa von 3 Milliarden US$ 2009auf bis zu 7,7 Milliarden US$ 2012 wachsen. Der Umsatz sollnach der Deutsche Bank Research zwischen 2006 und 2020voraussichtlich um durchschnittlich ein Zehntel p. A. steigen,w�hrend die Gesundheitsausgaben nur halb so schnell zu-nehmen [6]. Weltweit wird hier ein Anstieg von 4,8 MilliardenUS$ 2009 auf 13,9 Milliarden US$ bis 2012 prognostiziert,was hohe Erwartungen an das Potenzial der Medizintechniksowie an die Renditen bei den Investitionen in diesem Marktn�hrt [7].

    2.3 Akzeptanz der Telemedizin

    Ein wichtiges Thema in Bezug auf telemedizinische Innova-tionen, f�r das Sie sich als Investor interessieren m�ssen, istallerdings die Akzeptanz bei Leistungserbringern (�rzten)und Leistungsbeziehern (Patienten). Jeder im System invol-vierte Akteur muss dies als Kriterium unternehmerischenoder medizinischen Erfolgs beachten. Arzt und Patient sindeine genauso wichtige Schnittstelle in diesem Sektor wie dieAkteurskonstellationen im Klinikbereich. Beides wird in derDiskussion zwischen den Leistungstr�gern, Leistungserbrin-gern und Patienten unterbelichtet. Sowohl das Doc2Patient-Verh�ltnis als auch das Doc2Doc-Verh�ltnis sind empfind-lich. Jedes medizintechnische Produkt und jede Prozessinno-vation muss f�r die Spezifika der integrierten Versorgungsensibilisieren, Telemedizin als schwierigen Bestandteil vonKrankenhauskooperationen ber�cksichtigen und die Haltungder �rzte als kritische Bedingung der Telemedizin beachten[8]. Studien haben ergeben:

    • dass es Akzeptanzdefizite bei �rzten und Krankenkassengibt, w�hrend Kunden der Technologie, dem Service undden anzuwendenden Produkten aufgeschlossen gegen-�berstehen, wenn das Angebot verst�ndlich ist, seri�s

    Akzeptanzbleibtschwierig

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  • wirkt und von Vertrauens�rzten diesbez�glich nicht „ab-geraten“ wird – hier ist nat�rlich eine gute Usability derAnwendungen f�r die Nutzergruppen „Patient“ und „An-geh�riger“ ein absolutes Muss,

    • dass es zu Schwierigkeiten innerhalb der integriertenVersorgung kommt, wenn ein zweifelhafter Nutzen undeine zu hohe Zumutung bei der Integration der Telemedi-zin im medizinischen Alltag vermutet werden.

    Demgegen�ber zeichnet sich Ende der 2000er-Jahre aber einezunehmende Akzeptanz in Teilbereichen des Systems oderbei einzelnen Zielgruppen der Gesundheitstelematik ab. Evi-denzbasiert betraf dies Herzpatienten und mit Blick auf dendemografischen Wandel die Menschen, die integrierten Ver-sorgungsl�sungen in ihrem heimischen Bereich aufgeschlos-sen gegen�berstehen:

    • Die AOK Nordwest geht 2012 in eine zweite Runde ihresHerzAs-Projekts, bei dem Patienten mit Herzinsuffizienzelektronisch �berwacht werden, um Dekompensationen zuerkennen und Krankenhausaufenthalte zu vermeiden [9].

    • Fast 60 Prozent der Deutschen �ber 65 Jahre wollen Tele-medizin nutzen, um l�nger in ihrer gewohnten Umgebungleben zu k�nnen. Das ergab eine repr�sentative UmfrageMitte 2009. Altersgerechte Assistenzsysteme f�r einselbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause werden inZukunft medizinisch m�glich und gesundheits�kono-misch attraktiv [10].

    3 Probleme der Implementation

    Obwohl Evidenz und Akzeptanz gesundheitstelematischerL�sungen im deutschen Gesundheits- und Sozialsystem in

    ZunehmendeAkzeptanz

    Umsetzungbleibtschwierig

    01010 Markt

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  • den letzten Jahren stetig stiegen, existieren Probleme. DieInterdisziplinarit�t der Telemedizin erschwert ihre Umset-zung. Die medizinische, technische, gesundheits�konomi-sche, politische Seite stellen unterschiedliche Anforderungenan den Innovationsprozess. Probleme sind:

    • Es bestehen Spannungsfelder zwischen Krankenkassen,Leistungserbringern und Versicherten.

    • Der Markt ist fragmentiert. Etwa 5.000 Klein- und Mit-telbetriebe (KMU) bieten in Deutschalnd eine Vielzahltelemedizinischer Produkte und Insell�sungen an.

    • Viele politischen Initiativen waren und sind einmalige undkleine Projekte, die nicht als Regelversorgung integriertbzw. anerkannt sind.

    • In deutschen Arztpraxen bilden fehlende IuK-Infrastruk-turen und ambivalente IuK-Affinit�t (einer oft �beralter-ten �rzteschaft vor der Pensionsschwelle) ein Hemmnis;technologische Innovationen sind mit Investitionen ver-bunden.

    • Das deutsche Fernbehandlungsverbot untersagt eine aus-schließliche Behandlung �ber elektronische Kommuni-kationsnetze und fordert die pers�nliche Behandlung derPatienten ein.

    Hinzu kommen Probleme der Finanzierung, des Datenschut-zes und der Inkompatibilit�t technischer Systeme.

    3.1 Finanzierung

    Patienten nehmen telemedizinische Dienstleistungen bishernur selten in Anspruch. Grund: Die meisten Krankenkassenerstatten die Kosten daf�r in der Regel nicht, bislang gibt eskeine Aufnahme der Telemedizin in den Leistungskatalog dergesetzlichen Krankenkassen und die Technologieaffinit�t ist

    Telemedizinnicht imLeistungs-katalog

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  • bei (den heute) 60–90-j�hrigen Patienten nicht vorhanden.Die Wirksamkeit und Kosteneffizienz der telemedizinischenLeistungen wird immer noch in Pilotprojekten und wissen-schaftlichen Studien gepr�ft. Niemand weiß, wann eine Auf-nahme der Telemedizin in den Katalog der gesetzlichenKrankenkassen erfolgen soll. Derzeit entscheiden die Kran-kenkassen nach Einzelf�llen bzw. im Rahmen kleinfl�chigerProjekte, ob sie die Kosten eines telemedizinischen Verfah-rens tragen. Relativ viele und vielversprechende Projekte zurTelemedizin werden aber von Krankenkassen, Verb�nden undBundesministerien finanziell unterst�tzt. Dies zeigt, dassinsbesondere die systemisch denkenden Leistungstr�ger unddie Gesundheitspolitik am Ausbau der Telemedizin interes-siert sind.

    3.2 Datenschutz und Inkompatibilit�t der Systeme

    Bei der Anwendung telemedizinischer Dienstleistungen fin-det eine elektronische Speicherung und Kommunikation ge-sundheitsbezogener Personendaten statt. Der Schutz der Pri-vatsph�re sowie die Wahrung von Grundfreiheiten m�ssengew�hrleistet sein. Telemedizinische Verfahren, so die Be-f�rchtung, k�nnten das informationelle Selbstbestimmungs-recht von Patienten tangieren. Die wachsende Menge an me-dizinischen Daten bedarf demgegen�ber aber papierloser undelektronisch gest�tzter Verarbeitungsverfahren. Die elektro-nische Gesundheitskarte etwa ist hierbei der „Wasserhahn“,durch den die Daten elektronisch transportiert werden und derim Behandlungsfall systematisch und organisiert angezapftwerden soll. Derzeit sind bei telemedizinischen �bermitt-lungssystemen von Daten kaum Vorgaben zu finden, die Au-thentifizierungssysteme oder Verschl�sselungstechnikenenthalten, um die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zumDatenschutz sicherzustellen. Die Telematik greift in ein tra-diertes System der Gesundheitsf�rsorge ein. Daraus folgt,

    Datenschutznichtausreichendgekl�rt

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    E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren 7. Aktualisierungaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

  • • dass technische Innovationen auf Bedenken stoßen undBesitzst�nde ber�hren;

    • es stellt sich die Frage, warum Widerst�nde die Einf�h-rung von telematischen Innovationen verhindern,schließlich ist die elektronische Weitergabe von Daten imderzeitigen herk�mmlichen System mittels E-Mail, Tele-fon oder Fax erlaubt.

    Datenschutz muss machbar und bezahlbar sein, Fernbehand-lungsverbot, Berufsrecht, Datenschutz und �rztliche Schwei-gepflicht m�ssen als zusammenh�ngendes Feld erkannt undden Realit�ten im Einvernehmen der Akteure im System an-gepasst werden. Auch die Vernetzung und Interoperabilit�tder eingesetzten elektronischen Systeme ist unvollkommen.Klar ist, dass es neuer Versorgungssysteme bedarf, die nichtnur datenschutzrechtliche H�rden, sondern auch technischeInkompatibilit�ten ausr�umen sollten.

    3.3 Politik

    Der deutschen Politik ist die Gesundheitstelematik wichtig.Mit den Gesundheitsreformen 2004 und 2007 sowie demGKV-Versorgungsstrukturgesetz 2011 hat der Gesetzgeberversucht, Preis-Leistungs-Verh�ltnisse zu stabilisieren, neueGestaltungsm�glichkeiten f�r Leistungserbringer und -tr�gerzu er�ffnen und die Grundversorgung in der Fl�cheDeutschlands mit Blick auf den demografischen Wandel zugew�hrleisten. Durch die integrierte Versorgung und Disease-Management-Programme f�r chronisch Kranke sollenTransparenz im System, Effizienz sowie Patientenversorgungverbessert werden. Gesundheitstelematik senkt Kosten underh�ht die Effizienz im System.

    Die Telemedizin wurde 2009 erstmals im Koalitionsvertrageiner Bundesregierung aufgenommen. Dabei wurde:

    TechnischeInkompati-bilit�tenst�rend

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  • • die Notwendigkeit einer Telematikinfrastruktur hervorge-hoben, damit medizinische Daten im Bedarfsfall ausge-tauscht werden k�nnen,

    • betont, das Arzt-Patienten-Verh�ltnis sowie die Datensi-cherheit ausdr�cklich zu sch�tzen (KoalitionsvertragCDU/CSU/FDP 2009: 83).

    4 Zukunft der Telemedizin

    Gesundheitstelematik ist ein probates Mittel f�r die inte-grierte Versorgung. Gesundheitstelematik senkt die Kosten imGesundheitswesen signifikant, verringert die Mortalit�tsratebei chronischen Krankheiten und erh�ht die Effizienz vonmedizinischen Behandlungen. Sie effektiviert den Datenflussund Informationsaustausch im Doc2Doc- sowie im Doc2Pa-tient-Bereich. Ihre zunehmende Anwendbarkeit ist program-miert. Durch ihren Einsatz innerhalb der integrierten Versor-gung realisiert sie die gew�nschten Effekte. Auch wenn es aneiner Strategie zu ihrer fl�chendeckenden Einf�hreung fehlt,erschließt sich durch Gesundheitstelematik die M�glichkeit,Fortschritte in der medizinischen Versorgung mit gesund-heits�konomischen Vorteilen und gesundheitspolitischenZielsetzungen zu verbinden. Eine Vision ist die Evolution derheute bestehenden (simplen) E-Health-Anwendungen zu at-traktiven Personal-E-Health-Systemen, so wie sich die Ent-wicklung von industriell-wissenschaftlichen EDV-Systemenfr�herer Jahre zum individuell nutzbaren Personal Computingheute entfaltet hat.

    Das heißt, heute bedeuten E-Health und Telemedizin nutz-bringende Doc2Doc- und Doc2Patienten-Beziehungen, mor-gen die Integration aller technologischen M�glichkeiten imRahmen eines individualisierten und f�r die einzelne Personhandhabbaren Health-Care-Managements, das Wellness,

    Erfolgprogrammiert

    Indivi-duellesHealth-Care-Managementist Zukunft

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    E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren 7. Aktualisierungaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

  • Pr�vention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation f�r einlanges und unbeschwertes Leben zu einem attraktiven Kon-zept der Lebensf�hrung mit leicht handhabbaren und attrak-tiven IuK-Systemen f�r jedermann macht.

    [1] Nach Trill/ Grupe, eHealth in Deutschland, DB Research

    [2] Joachim H�cker, Barbara Reichwein, Nicole Turad, Te-lemedizin. Markt, Strategien, Unternehmensbewertung,Oldenbourg Verlag 2008

    [3] Peter Haas, Gesundheitstelematik: Grundlagen, Anwen-dungen, Potenziale, Springer Verlag 2006

    [4] Bettina Reiter, Centrum f�r angewandte Politikforschung(C•A•P) der LMU M�nchen, basierend auf den Datender Gesundheitsberichterstattung des Bundes.

    [5] www.rbk.de/standorte/robert-bosch-krankenhaus/abteilungen/kardiologie/leistungsspektrum/ -telemedizin.html

    [6] Deutsche Bank Research, 27.02.2010, Telemedizin ver-bessert Patientenversorgung, S. 1

    [7] Daten nach Wessig, Kerstin, Ambient Assisted Living.Technisch unterst�tztes Leben zur Sicherung von Auto-nomie und sozialer Teilhabe im Alter. Vortrag bei derFachtagung „Telemonitoring in Gesundheits- und Sozi-alsystemen. Eine eHealth-L�sung mit Zukunft“ am6. Juli 2009 in M�nchen.

    [8] Carsten Schultz, Hans Georg Gem�nden, S�ren Salomo,Akzeptanz der Telemedizin, Minerva KG 2005

    [9] Vgl. Akzeptanz f�r Telemedizin w�chst, in: �rzte Zei-tung.de vom 17.11.2011(www.aerztezeitung.de/ -praxis_wirtschaft/telemedizin/article/678040/ -akzeptanz-telemedizin-waechst.html)

    [10] www.bitkom.org/de/presse/62013_59050.aspx

    Quellen

    Markt 01010

    Seite 15

    7. Aktualisierung E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisierenaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014

    http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/telemedizin/article/678040/akzeptanz-telemedizin-waechst.htmlhttp://www.bitkom.org/de/presse/62013_59050.aspxhttp://www.rbk.de/standorte/robert-bosch-krankenhaus/abteilungen/kardiologie/leistungsspektrum/telemedizin.html

  • 01010 Markt

    Seite 16

    E Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren 7. Aktualisierungaus "Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren" © TÜV Media GmbH 2014