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v. Graefes Archiv fiir Ophthalmologie 167, 169--191 (1964) Aus der Universit~its-Augenklinik Zfirieh (Dir. Prof. Dr. med. R. WITMER) und der Neurologisehen Universitatsklinik Ziirieh (Dir. Prof. Dr. reed. F. L/iT~ru Zum Problem des Duane-Syndroms Von A. HUBER~ ]~. ESSLEN~ R. KLOTI und A. C. ~IARTENET Mit 8 Textabbildungen ,,Es handelt sich um das Zusammentreffen einer angeborenen Abduktions- beschriinkung und einer mit Verengerung der Lidspalte einhergehenden Retraktion des Auges durch den Rectus internus. Die angeborene Natur der Abduktions- beschr~nkung wird durch das Ausbleiben einer Secund~rcontractur des Antagonisten erwiesen" (T01cK 1899). "In general an operation is not required and is to be avoided, if possible" (DuA~E 1905). STILLING (1887) und T~3RK (1896) haben durch erste Beobachtung und Beschreibung, sowie DUAN~ (1905) dutch SichLung und Ordnung bereits publizierter und eigener F~Llle einem Syndrom ihren Namen ge- geben, das folgende Zeichen einer Augenmotiliti~tsst6rung aufweist: 1. Vollkommenes odor teilweises Fehlen der Abduktionsf~higkeit des befallenen Auges. 2. Retraktion des Bulbus bei Adduktion. 3. LidspMtenverengerung (Pseudo-Ptosis) bei Adduktion. 4. Abweichen des befallenen Auges naeh oben (mit Einwgrtsrollung) odor nach unten (mit Auswiirtsrollung) ill der Adduktion. 5. Normale odor nur geringffigig eingeschr/~nkte Adduktionsfs keit des befallenen Auges. Wegen der stets mehr odor weniger ausgepr~gten l%etraktionsbewe- gung des Auges in der Adduktion heil3t das Krankheitsbild auch ange- borenes Retraktionssyndrom, Seit den ersten Mitteilungen hat sich eine ausgedehnte kasuistische Litera~tur (bis 1963 ca. 400 Fiille) angeh~uft, die sich einerseits mit der Darstellung typischer und atypischer F/ille, anderseits aber auch ganz besonders mit der viol umstrittenen Patho- genese besch/~ftigt, yon der im folgenden noch eingehend die Redo sein wird (SINCLAIR 1895, FI~IEDElVWALD 1896, BAH~ 1896, T~EAOg~-CoL- LI~-S 1899, WOLFF 1900, AXE~FELD und SCIt0RENBEI~G 1901, EVANS 1903, B~OW~ ~ 1910, BLATT 1924, GIFFO~D 1926, BIELSCtIOWSKY 1932, AEBLI 1933, BIRCg-HIt~SCgFELD 1932, MAYOC 1934, LYLE 1944, ELLIOT 1945, DAVIS 1948, MALAYAN 1949, WEEKE~S 1956, BR~I~I~ 1957, SVE- I~AK 1957, BgnA~O und Pn~VOT 1957, A~OSlO und ~'EsrosITO 1957, SATO 1959, PArST und ESSLEN 1960 und 1961, PAPST 1962, O~LOWSKI 1961 und 1962 u.a.m.). Albrecht v. Graefes Arch. 0phthaL Bd. 167 12

Zum Problem des Duane-Syndroms

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Page 1: Zum Problem des Duane-Syndroms

v. Graefes Archiv fiir Ophthalmologie 167, 169--191 (1964)

Aus der Universit~its-Augenklinik Zfirieh (Dir. Prof. Dr. med. R. WITMER)

und der Neurologisehen Universitatsklinik Ziirieh (Dir. Prof. Dr. reed. F. L/iT~ru

Zum Problem des Duane-Syndroms Von

A. HUBER~ ]~. ESSLEN~ R. KLOTI und A. C. ~IARTENET

Mit 8 Textabbildungen

,,Es handelt sich um das Zusammentreffen einer angeborenen Abduktions- beschriinkung und einer mit Verengerung der Lidspalte einhergehenden Retraktion des Auges durch den Rectus internus. Die angeborene Natur der Abduktions- beschr~nkung wird durch das Ausbleiben einer Secund~rcontractur des Antagonisten erwiesen" (T01cK 1899).

"In general an operation is not required and is to be avoided, if possible" (DuA~E 1905).

STILLING (1887) und T~3RK (1896) haben durch erste Beobachtung und Beschreibung, sowie DUAN~ (1905) dutch SichLung und Ordnung bereits publizierter und eigener F~Llle einem Syndrom ihren Namen ge- geben, das folgende Zeichen einer Augenmotiliti~tsst6rung aufweist:

1. Vollkommenes odor teilweises Fehlen der Abduktionsf~higkeit des befallenen Auges.

2. Retraktion des Bulbus bei Adduktion. 3. LidspMtenverengerung (Pseudo-Ptosis) bei Adduktion. 4. Abweichen des befallenen Auges naeh oben (mit Einwgrtsrollung)

odor nach unten (mit Auswiirtsrollung) ill der Adduktion. 5. Normale odor nur geringffigig eingeschr/~nkte Adduktionsfs

keit des befallenen Auges. Wegen der stets mehr odor weniger ausgepr~gten l%etraktionsbewe-

gung des Auges in der Adduktion heil3t das Krankheitsbild auch ange- borenes Retraktionssyndrom, Seit den ersten Mitteilungen hat sich eine ausgedehnte kasuistische Litera~tur (bis 1963 ca. 400 Fiille) angeh~uft, die sich einerseits mit der Darstellung typischer und atypischer F/ille, anderseits aber auch ganz besonders mit der viol umstri t tenen Patho- genese besch/~ftigt, yon der im folgenden noch eingehend die Redo sein wird (SINCLAIR 1895, FI~IEDElVWALD 1896, BAH~ 1896, T~EAOg~-CoL- LI~-S 1899, WOLFF 1900, AXE~FELD und SCIt0RENBEI~G 1901, EVANS 1903, B~OW~ ~ 1910, BLATT 1924, GIFFO~D 1926, BIELSCtIOWSKY 1932, AEBLI 1933, BIRCg-HIt~SCgFELD 1932, MAYOC 1934, LYLE 1944, ELLIOT 1945, DAVIS 1948, MALAYAN 1949, WEEKE~S 1956, BR~I~I~ 1957, SVE- I~AK 1957, BgnA~O und Pn~VOT 1957, A ~ O S l O und ~'EsrosITO 1957, SATO 1959, PArST und ESSLEN 1960 und 1961, PAPST 1962, O~LOWSKI 1961 und 1962 u.a.m.).

Albrecht v. Graefes Arch. 0phthaL Bd. 167 12

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Zum Problem des Duane-Syndroms 171

Typische Symptomatologie Unter den uns zur Verffigung stehenden eigenen 8 Beobachtungen

zeigen 6 F~lle die anfangs erw~hnte typische Symptomatologie mit Ab- ducensparese, Verengerung der Lidspalte und Retraktion des Bulbus bei der Adduktion, wobei das Ph~nomen der t~etraktion die gr61~te Variabilit~t des Ausbildungsgrades aufweist (Abb. 1). Alle 6 typischen F~lle sind ein- seitig und interessanterweise links lokalisiert, eine Besonderheit, worauf in der Literatur immer wieder hingewiesen wird (in den yon GIFFORD zusammengestellten 135 F~llen 77 % linksseitig !). Doppelseitige Mani- festation ist selten (5 yon D c A ~ s 54 Fs Unter unseren 6 Beob- aehtungen linden sieh 5 weibliche Patienten: zahlreiche Autoren haben dieses eigenartige Vorwiegen des Duane-Syndroms beim weibliehen Ge- schleeht betont (nach GI~oRD ca. 60%), ohne daffir eine fiberzeugende Erkl~trung geben zu kSnnen. Man wird sieh vorl~ufig mit der Vermu- tung begnhgen miissen, da~ offenbar solehen Augenmotilits bei Ms und Frauen mehrBeachtung geschenkt wird Ms beiM~nnern, weshMb sie hs zur Untersuchung kommen. Nur bei zwei Patienten bestand in der Primiirstellung der Augen ein Strabismus eonvergens, wiih- rend die andern bei Blick geradaus Orthophorie mit guter Ausbildung der binoeularen Seh]unktionen au]wiesen (Abb. 2a). Der sekund~re Sehiel- winkel ist in allen F~llen, in denen sich das befMlene Auge zur Ein- stellung anf das Objekt bringen l~l~t, erheblieh grS~er Ms der primate, wie dies bei den erworbenen Muskell~hmungen der Fall zu sein pflegt. Nnr in denjenigen seltenen F/~llen ist die Differenz gering, wo schon ein hoehgradiger Strabismus convergens bei prim~rer Bliekriehtung besteht. Zur Vermeidung stSrender Diplopie wird vielfaeh der Blick unbewu~t naeh der Seite des gesunden Auges zu, resp. der Kopf in Riehtung des paretisehen Rectus externus gedreht. Auf diese Weise kann sogar bei F~llen mit manifester Konvergenz durch Kopfdrehung in einem aller- dings sehr besehr~nkten Bliekfeldteil binoeulares Einfachsehen erreieht werden (Abb. 2 b). Das Binoenlarsehen wird dadureh noch erleiehtert, dab der Visus in der Mehrzahl der Patienten (Mle 6 F/~lle in unserem Beobach- tungsmaterial) an/beiden Augen gleich oder nahezu gleieh ist. Dasselbe gilt ffir die Refraktion. In diesem Zusammenhang sei kurz die subjektive Symptomatologie des Syndroms gestreift: Diplopie wurde in unseren 6 F~llen nur yon zwei Patien~innen spontan angegeben und zwar trotz dem sieheren Bestehen der Motilit~tsstSrung seit Geburt erst nach dem Sehul- alter und nur zeitweise. Erst bei eingehenderem Befragen st6gt man eventuell anf bereits in der Sehulzeit vorhandene Symptome wie,, Sehwin- delgeffihl", ,,Unwohlsein", ,,Versehwimmen der Objekte" etc. bei Bliek in t~iehtung des befallenen Auges, welehe implicite das Ph/~nomen des Doppeltsehens enthalten. Es dar[ somit das relativ slgiite und pldtzliehe Gewahrwerden der Diplopie ~eineswegs etwa im Sinne einer erworbenen

12"

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172 A. HUBEI~, E. ESSLEN, R. KLSTI und A. C. 5iA~TE~ET:

Motilitiitsstdrung interpretiert werden. Die zmn Syndrom geh6rende Hdher~- abweichung des be/allenen Auges bei der Addulction wurde bei unseren 6 Patienten dreimal Ms Elevation des Bulbus mit oder ohne lcichte Ein- w/~rtsrollung registriert, wobei interessanterweise auch zweimM cine Ele- vation bei Blickintention in l~iehtung des paretischen Rectus externus beobachtet werden konnte. I m Falle eines rudiments ausgeprggten

a b

Abb. 2. a Orthophorie beider Augen mi t in takten binooularen Sehfunktionen in PrJm~tr- stelhmg bei Duane-SyndI'om (I) links. ,b Ausgesprochene Kopfdrehung und JKopfsehief- haltung (ocularer Schiefhals) bei atypischem Duane-Syndrom (II) (, ,Internnslahmung"

links bei intakter Abduktion links)

Duane-Syndroms fehlte jede H6henablenkung. In den verbleibenden zwei andern F~Lllen manifestierte sieh einmal bei Blick nach oben, ein andermal bei Blick nach unten eine au/]allende Divergenz des be[allenen Auges (Abb. 3), als ob der in ItorizontMstellung insuffiziente Rectus externus ein Wirkungsmaximum bei der Elevation oder Senkung h~tte.

Neben der Abduktionshemmung des affizierten Auges, die wir bei 5 Patienten als total und verbunden mit der Unf~higkeit, den Bulbus fiber die Mitte]linie hinaus zu abduzieren, registriert haben, stellt die Ver- engerung der Lidspalte bei Adduktion (einige Millimeter bis zum sub- totalen LidspMtenschlul~) eines der konstantesten und f~r die Diagnose des Krankheitsbildes wichtigsten Symptome dar. In zwei F/tllen zeigtc sieh die bereits auch yon D~Ar beschriebene relative Erweiterung der LidspMte beim Abduktionsversuch des befMlenen Auges. Die Retraktion

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Zum Problem des Du~ne-Syndroms 173

des Bulbus in Adduktion manifestierte sich in 5 unserer 6 F~lle, aller- dings in sehr wechselndcm AusmaS, wobei nicht aui~er acht gelassen werden darf, dal~ die LidspMtenverengerung Mlein ein Zuriickweichen des Bulbus gleichsum vorti~uschen kunn. Die yon DvA~]~ angcgebene, Mlcrdiugs seltene Protrusion des affizicrten Auges bei Intention zur Ab- duktion konnten wir nur zwcimal andeutungsweise beobuchten. Die

Abb. 3. Duano-Syndrom (I) links, allerdings m i t prakt isch fehlender Lidspal tenverenge- rung a n d Re t r ak t ion des Bulbns bei Bliek nach rechts. Anffallende Divergenzstel lung des

l inkcn Bulbns bei Blick nach nnte~l (vgl. Abb. 7)

Adduktion, welche nach DVANE und zahlreichen andern Autoren Miu]ig ein- geschr~inkt sein soll, fund sich bei unscren Patienten nur zweimal in ge- ringem MaBe, jedoch deutlich nachweisbar behindert.

Atypische Symptomatologie

Oer eben in extenso dargelegten typischen Symptomatologie des Duune-Syndroms steht nun ein atypisches Syndrom gegenfiber, das uns in zwei F~llen begegnet ist, ein Krankheitsbild, welches von PuIG, ORO- I"EZA, GARDVNO und FONTE (1944), sowie Yon MALBRAN (1949) erstmMs beobachtet und yon letzterem als Variante I I bezeichnet wurde. Weitere diesbezfigliche Mitteilungen in der Liter~tur s tammen yon B]~RARD und P~VOT (1957) sowie yon O~LOWSKI, K~Yc~ und MICH~-IOWSKA (1961). In unseren beiden Beobachtungen finder sich unstelle der Abduktions- hemmung eine Addu]ctionsliihmung des be/allenen Auges mit leichter Diver- genzstellung der Augen und volllcommen intakter Abdulctionsfiihigkeit. Bei Intention zum Brick in Richtung des paretischen Rectus internus kommt es zur deutliehen Lidspaltenverengerung, in einem FMle sogar zn einer uusgesprochenen Retraktion des Bulbus mit Abstehen reap. Eversion des Unterlides (Abb. 4). Anch die beim typisehen Duune-Syndrom beschrie- bene It6henabweichung des affizierten Auges zeigt sieh bier: dcr Pat ient mit LidspMtenverengerung und Retraktion des Bulbus manifestiert bei Intention zur Adduktion des befallenen Auges einen rel~tiven Tiefstand

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174 A. HUBE~a, E. ESSLEN, R. KLbTI u n d A. C. MARTENET:

desselben im Sinne einer l~berfunktion des Obliquus superior. Sehon seit friiher Kindheit wies dieser Patient eine kompensatorisehe Kopf- stellung (Abb. 2) auf, die in Drehung des Kopfes gegen den paretisehen l~eetus internus und Neigung desselben auf die dem befMlenen Auge gegeniiberliegende Sehulter besteht (oeul/~rer SehiefhMs). In beiden F/~I- len dieses atypisehen Duane-Syndroms sind die binoeularen Sehfunk- tionen, insbesondere Simultansehen und Fusion, im Bereiehe der kom- pensatorisehen Kopfhaltung vorhanden. Im Hinbliek auf die aueh bei

2~bb. 4. Atypisches Duane-Syndrom (II) l inks: AuffMlende Adduktionslhhmung des l inken Auges bei Blickiutention nach rechts; gleichzeitig deutliche Lidspaltenverengerung und tLetraktion des Bulbus. Praktisch in takte Abduktion des l inken Auges. Divergenzstellung des l inken Auges bei Blick nach oben und nach rechts oben (Bflder yore selben ]?atienten

vgL Abb. 8 und 2 b)

diesen beiden atypisehen Fallen zu beobaehtenden Kriterien der Lid- spMtenverengerung, der Retraktion und der tt6henabweichung glauben wir uns berechtigt, diese beiden Beobaehtungen einer ,,eongenitaler Inter- nusl/~hmung" ebenfalls dem Symptomenkreis der Duaneschen Affektion einzureihen und im Gegensatz zum typischen Duane-Syndrom (I) Ms Duane II, wie dies MALBt~AN ]but, z u bezeiehnen. Bei den pathogeneti- schen Betrachtungen, insbesondere bei der Beurteilung der Ergebnisse der elektromyographischen Untersuchungen wird sieh zeigen, dab Duane II im Grunde genommen nur eine besondere Spielform des Duane I dar- stellt. Das zugrunde liegende pathogenetische Prinzip der paradoxen Innervation gestattet, wie sp/~ter dargelegt wird, beide Typen, also die ,,congenitale Abducensls mit Retraktion wie aueh die ,,con- genitale Internusl/~hmung" mit Retraktion unter einem Gesichtspunkt zu verstehen und zu deuten.

MALBI~AN unterscheidet sogar eine dritte Variante, den Duane III , der neben einem konvergenten Strabismus, einem Enophthalmus und einer engen Lidspa]te in der Prim~rstellung eine vollkommene Un/iihig- keit der vertikalen Bewegung beider Bulbi bei intakter horizontMer Be- wegliehkeit manifestiert. Die Retr&ktion des befMlenen Auges und die LidspMtenverengerung soll sieh bei der Adduktion akzentuieren. Eine diesbeziigliche Beobaehtung fehlt in unserem Material.

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Zum Problem des Duane-Syndroms 175

Be t r ach t e t man Re t r ak t i on und Lidspal tenverengerung, sowie Be-

wegungsbehinderung des befal lenen Auges in i rgendeiner R ich tung als

die grundlegenden Kr i te r i en des St i l l ing-Ti i rk-Duane-Syndroms, wie dies

die meis ten Autoren tun, dann ist die eben aufgezeichnete Ein te i lung

berecht ig t und ffir klinische Bedfirfnisse geeignet.

Pathogenese

Seit der ersten Beschreibung dieses Syndroms steht seine Pathogenese in der mannigfaltigsten und zum Teil h6chst kontroversen Weise zur Diskussion. Im allgemeinen wird eine mechaniseh bedingte Bewegungsbehinderung, also eine peri- phere St6rung au/Muskelniveau angenommen. Zahlreiche sub operatione erfolgte Beobachtungen (WOLFF, AXENFELD und SCHUI~ENBERG, INOUYE, DU.~NE, BmCI~- HmSCHFELD u.a.) weisen auf ein m6gliches Fehlen des Rectus externus oder eine abnorme Beschaffenheit hin (Ersatz durch ein mehr oder weniger unelastisches, bindegewebig-sehniges Band): im Sinne der ,,Fixationstheorie" wiirde derse]be den Bulbus derart fixieren, daB eine Abduktion unmSglich, eine Adduktion jedoch nur dutch Ausweichen nach hinten im Sinne der Retraktion mSg]ich ware (Ti2RK, DUANE WOLFF, AEBLI, B~RA~ nnd t~2~VOT, WEEKE~S U.a.). Entsprechend der ,,Theorie der/alschen Insertion" (BAmr HEvox, AXENFELD und SCHi)RENEE~G) soll der Rec- tus internus zu welt hinten am Bulbus inserieren oder noch ein zweites weiter hinten ansetzendes Biindel aufweisen: dadurch ware eine I)eutung der Adduktionsschw~- che sowie auch der Retraktion (der Internus wirkt praktisch nur als Retractor) denkbar, jedoch nicht der Abduktionsbeschrankung. TREAC~E~ COLLI~S (1899) glaubt, dab die Faseien der Tenonschen Kapsel feMen oder zu weir nach hinten an der Orbitalwand inserieren: somit wfirde bereits der gewShnliche Tonus der ge- raden Augenmuskeln geniigen, um das Auge im Sinne der Retraktion in die Orbita zuriickzuziehen, was normalerweise durch diese Fascien verhindert wird. HOLMES SrlCER (1901) vertritt die Auffassung, dab die Recti superior und inferior des be- fallenen Auges zu welt nasal in der Nahe der Insertion des Rectus internus ansetzen und auf diese Weise zur Retraktion AnlaB geben. Eine ~hnliche Uberfunktion der Recti superior und inferior zur (Jberwindung des ,,Externuswiderstandes '~ wfl'd von PA~KER, PESCHEL und SCH~PRINGER (1904) angenommen und zur Deutung der Retraktion herangezogen.

Die beim Duane-Syndi'om I u n d II zu beobachtende Einschriinlcung der Ad- duktion des affizierten Auges laBt sich nach DUANE entweder dutch die mangelnde Dehnbarkeit des bindegewebig veri~nderten Externus oder durch eine abnorme, zu welt hinten erfolgende Insertion des Internus deuten.

Die vertikale Abweichung des Bulbus in der Adduktion wird yon WOLFF als Folge des Widerstandes des Sehnerven bei der Retraktion gedeutet, yon DUANE dagegen Ms Konsequenz einer spastischen Kontraktion des Obliquus inferior der befallenen Seite (gelegentlich kombiniert mit Spasmen der Recti superior oder inferior), welche auch die Torsionsbewegungen erklaren wiirden.

Die Verengerung der Lidspalte bei Adduktion des Auges ist nach BmCH-I-ImscH- FELD und SINOLAI]a durch eine Orbicu]ariskontraktion bedingt, eine Hypothese, die auch yon PARI;ER vertreten wird, der sogar yon einem abnormen Synergismus zwischen Oculomotorius und Facialis spricht und damit zum ersten Male in nuce den Gedanken einer zentralen Innervatio~sst6rung in die Diskussion wirft. AXE]~FELD und ScEif~E~BE~G erkl~iren die Lidspaltenverengerung allein durch die Retrak- tion des Bulbus und das dadurch bedingte Zuriickweichen der Unterlage ffir die Lider.

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176 A. HUBER, E. ESSLEN, R. KLSTI und A. C. MARTENET:

Atiologie

Im Hinblick auf die Deutung der ~4"tiologie des Krankheitsbildes wird yon zahlreichen Autoren die Vorstellung einer geburtstraumatischen Lii- sion vertreten. GALLUS und HOEFNAGEL gehen sogar so weir, die vor- wiegende Lokalisation des Syndroms auf der ]hlken Seite in Zusammen- hang mit der hs Kopflage bei der Geburt (linke oder I. Hinter- hauptslage) zu bringen. GIFFORD kommt auf Grund eiues exakten Stu- diums seiner F~lle im tIinblick auf Geburtstraumen zum Schlui~, dab solche erstens beim Duane-Syndrom sehr selten zu registrieren sind und zweitens kaum eine so schwere Muskellasion reap. Nervenlgsion erzeugen k6nnten, ohne s siehtbare Spuren am Sch/~del zuriickzulassen; demzufolge glanbt er die ]~ypothese der geburtstraumatischen Genese ablehnen zu mfissen, was iibrigens auch BIELSCHOWSKu anhand seines Materials tut.

Bei den i~tiologischen Betraehtungen dfirfen zwei wichtige Punkte nicht auger acht gelassen werden: das Duane-Syndrom ist - - dies be- weisen die iibereinstimmenden Beobachtungen der meisten Antoren - - kongenital, wenn es auch oft erst in spi~teren Lebensjahren entdeckt wird, und nicht selten erblich, wie die F~lle yon tt]~UCK (1879), T ~ K (1896 und 1899) und BAgR (1896), besonders aber aueh diejenigen yon WAA]~- D]~BV~G (1932, 1961) und F~ANqOIS (1958) zeigen. Die Erblichkeit, resp. familis Haufung des Syndroms manifestiert sich ganz besonders bei der Mitberficksichtigung der abortiven Formen, wie dies yon F~AN~OIS und D]~ Vos (1957, 1958) und 0~LOWSKI (1961, 1963) getan wurde. Nicht unerwi~hnt darf in diesem Zusammenhang auch die gelegentlich zu be- obachtende Koppelung des Syndroms mit lcongenitalen Mifibildungen blei- ben; es geh6ren dazu markhaltige Nervenfasern, Persistieren der A. hya- loidea, Mikrophthalmus, Epicanthus, Asymmetrie der Gesichtshi~lften, Syndaktylie, Imbecillits Halsrippe, Spaltung der Uvnla etc. Es kann im Hinblick auf diese Tatsachen kein Zweifel dariiber bestehen, da6 das Duane-Syndrom durch eine St6rung in der Embryonalentwieklung bedingt ist, eine StSrung, die fiberdies in einer nicht geringen Zahl yon F~llen familiar und vererbt aufzutreten s cheiut. Die MSglichkeit eines erworbenen Duane-Syndroms ist eher unwahrseheinlich und bis anhin nicht erwiesen. Bei der Besprechung der subjektiven Symptomatologie wurde darauf hingewiesen, dal~ das in spateren Lebensjahren auftretende Phgnomen der Diplopie ja nicht etwa als ttinweis auf eine erworbene Natur des Krankheitsbildes Verwendung finden darf. ~hnliches gilt ffir die fibrigen Symptome des Syndroms, die ja erfahrungsgem~ auch nicht immer bei Geburt, sondern oft erst in sp~teren Lebensjahren entdeckt werden.

Page 9: Zum Problem des Duane-Syndroms

Zum Problem des Duane-Syndroms 177

Elektromyographie Mit der Feststellung einer embryonalen EntwicklungsstSrung ist die

wirkliehe Natur dcr Motilit~ttsstSrung des angeborenen Retraktionssyn- droms keineswcgs gekls Es blieb der vor einem Jahrzehnt in die neuro-ophthalmologische Diagnostik eingeffihrten Elelctromyographie der Augenmuskeln vorbehalten, hier in fast unerwarteter Weise Klarheit zu schaffen, als Methode, welche dutch Registrierung der elektrischen Aktivits der Augenmuskeln die einer FunktionsstSrung zugrunde liegen- den Innervationsverh/iltnisse aufzuzeiehnen vermag. BBEI~I~ (1957) hat als erster Augenmuskeln beim Duane-Syndrom elektromyographisch untersucht. In einem seiner beiden Fglle beobaehtete er bereits die wich- tige Erseheinung der abnormalen Innervation (,,anomalous recruit- ment"), die darin besteht, daI~ der Rectus externus in Primi~rstellung und bei versnchter Abduktion nur geringe, dagegen bei Adduktion des befallenen Auges deutlieh vermehrte elektrisehe Aktivits zeigt. ~hnliche Beobachtungen machte sparer auch SATO (1959, 1960) und fiihrte die StSrung auf pathologische Ver/inderungen im Bereieh des Abducens-Kerngebietes oder der supranukle~ren Bereiehe zuriick. AM- BBOSIO und D'EsPosITO (1957), sowie DE CONOILIIS (1958) registrieren ent- weder verminderte oder iiberhaupt keine Aktivit~t im affizierten Ex- ternus-Muskel; doch kSnnte unvollkommene Technik der Ableitung hier mit im Spiele sein. PArST und ESSL]~ (1960, 1961, 1962) haben 5 Fglle yon Duaue-Syndrom mit den klassisehen Zeichen der Abduktions- beschr~nkung, der Retraktion und der Lidspaltenverengerung bei Ad- duktion elektromyographisch untersucht und dabei / i i r die Analyse der BewegungsstSrung die A lctionspotentiale yore Externus und Internus ]eweils gleiehzeitig abgeleitet. In der Prim~rstellung manifestiert sieh bei beiden Augenmuskeln normale Innervation. Bei der Adduktion hingegen nimmt die Aktiviti~t des Rectus externus nicht etwa ab (wie dies dem Gesetz der reziproken Innervation nach S~EBBI~GTO~ entsprechen sollte), son- dern ganz erheblich zu derart, dab so gar ein Interferenzbild zustande kommt, wobei allerdings kein maximaler Einsatz aller verffigbaren moto- rischen Einheiten crfolgt. Beim Versueh zur Abduktion dagegen kommt es im Externus zu einem weitgehenden Innervutionsausfa]l mit nystag- mnsartigen InnervationsstSBen yon 10--20 msec Dauer, bei l~inger dauernder Innervation zur Ermfidung mit Frequenzabnahme der Ent- ladungen bis zum vollst/~ndigen Ausfall der motorischen Einheiten. Der Rectus internus zeigt normales elektrisches Verhalten mit Innerva~tions- maximum (Interferenzbild) bei Adduktion und Inhibition bei Abduktion. ZusammengefalBt handelt es sich bei diesem abnormen elektrisehen Ver- halten des Rectus externus um das Ph~inomen der paradoxen Innervation: das Innervationsmaximum des Externus /indet sieh in der Addulctions-

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178 A. I{UBER, E. ESSLEN, R. KL6TI und A. C. MARTENET:

stellung des bcfallenen Auges, das Innervationsminimum bei Bliclcinten- sion zur Abdul~tion, also ein elektrisches Verhalten, das dem normalen direkt entgegengesetzt ist. Mit andcrn Worten, es liegt nicht das ge- w5hnliche synergistische Verhalten, sondern ein paradoxer Synergismus beider ttorizontalwender vor. PAl)ST und ESSLE~ ordnen bei dieser Sach- 1age das Krankheitsbild den zentralen InnervationsstSrungen zu, wobei sic eine zentrale, supranucle/~r gelegene Fehlsteuerung annehmen, zu der allcrdings bis heute histologisch-anatomische Befunde noch fehlen. Die beim Duane-Syndrom h~ufig zu beobachtende Adduktionsbehinderung ist durch die paradoxe MJtinnervation des Rectus externus bei der Ad- duktion gut erkl/irt. Aber auch das Phiinomen der Retraktion findet durch die abnorme Innervation des Externus eine iiberrasehend einfache Deutung. In/olge der gleichzeitig 8tatt]indenden Innervation von Internus und Externus bei der Addulction ]commt es zu einer Zugwir]cung mit Retralc- tion des Bulbus nach hinten. Mittels gleichzeitiger Ableitung der Poten- tiale vom Levator paipebrae und Orbicularis konnten PAl)ST und E s s L ~ demonstrieren, dab der Verengerung der Lidspalte bei der Addulction nicht etwa eine Kontralction des Lidschliefimuslcels zugrunde liegt. Sie betrachten dieses Phiinomen als eine Teilkomponente der ganzen InnervationsstSrung, ebenso auch die Mitinnervation yon Obliquus superior oder inferior, welche als Ursache der H5henabweichung und Verrollung des Auges bei der Adduktion betrachtet werden muI3. PAl)ST und ESSL]~ fanden auBer dieser paradoxen Innervation zwischen Externus und Internus beim Duane- Syndrom noch weitere Formen der paradoxen Innervation, ni~mlich gleichzeitige Innervation des Rectus externus mit Rectus inferior, Rectus superior oder mehreren andern Augenmuskeln, alles Syndrome, bei denen wohl ein- oder beidseitige mehr oder wcniger starke L~ihmung des Rectus externus, jedoch selten oder nut in abortiver Form das Retraktionssyn- drom mit Lidspaltenverengerung und Retraktion bei Adduktion des Auges besteht. Somit wird das Duane-Syndrom, dem in seiner ]dassischen Prii- gung die paradoxe Innervation zwischen Externus und Internus zuffrunde liegt, in hSchst interessanter Weise in den noch weiteren Rahmen von Inner- vationsstSrungen hineinffestellt, bei denen allgemein eine abnorme synergisti- ache Innervation zwischen Muslceln er/olgt, die yon verschiedenen Nerven versorgt werden. Bei all diesen Fallen yon paradoxer Innervation liegen angeborene BewegungsstSrungen der Augen vor, die durch mangelha/te oder volll~ommen ]ehlende Abdulction charakterisiert sind.

ORLOWSKI und WoJTowIcz (1962) haben ebenfalls mit Hilfe der Elektromyographie die Resultate yon PAPST und EssL]~ anhand 4 eige- net F~lle yon Stilling-Tfirk-Duane-Syndrom n~chzupriifen versucht und dabei stets eine paradoxe Innervation zwischen Rectus externus und Rectus inferior, jedoch nicht eine so]che zwischcn Externus und Internus gefunden. So konnten sie die pathologische Aktivit~tssteigerung im Ex-

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Zum Problem des Duane-Syndroms 179

ternus bei Adduktion nicht bestatigen. Unter Berficksichtigung der yon PA]'ST und ESSLEN aufgestellten Einteilung der paradoxen Innervation nehmen wir an, dab die beiden Autoren offenbar solche Falle als typische Duane-Syndrome ausgewahlt hubert, bei denen eine paradoxe Innerva- tion zwischen Rectus externus und Rectus inferior bestand. Die Ein- beziehung solcher Falle zum klassischen Duane-Syndrom ist um so eher mSglich, als such sie Abduzenslahmung, Lidspaltenverengerung bei Ad- duktion und sogar Retraktion (allerdings geringf/igig) zeigen. Entschei- dend ist jedoch die Tatsaehe, dab auch yon OaLowsJ~l und WoJTOWICZ das Prinzip der paradoxen Innervation bestatigt wurde.

Eigene EMG-Untersuchungen

Die im Abschnitt der Symptomatologie dargestellten eigencn 8 Fiille yon Duane-Syndrom wurden von uns alle elektromyographisch untersucht. Dreimal gelang es uns, die Elektroden sowohl in den Rectus externus wie such in den Rectus internus des befMlenen Auges einzuffihren. In 4 Fallen wurdc der Externus allein, einmal (Duane-Syndrom II) der Internus allein abgeleitet.

Bei den nach klinischen Gesichtspunkten dem Duane-Syndrom I zu- geordneten 6 Fallen manifestierte sich zweimM das Bild der paradoxen gleichzeitigen In~ervation des Rectus externus und Rectus internus mit einem Innervationsmaximum des Externus bei der Adduktion und einem Innervationsminimum bei der Blickintention zur Abduktion (Abb. 5). In der Primarstellung wurden meistens normale Innervationsverhaltnisse beider horizontaler Augenmuskeln beobachtct, gelcgentlich such eine erhShte Ruheaktivitat des Externus. Bci Ffihrung des befallenen Auges in Adduktionsstellung zeigte sich parallel zum Innervationsanstieg im Rectus internus eine zunehmende Aktivierung motorischer Einheiten ira Rectus externus mit ausgepragtem Interferenzbild. Beim Versuch zur Abduktion dagegen wurde im Externus eine Verminderung der Aktivitat gegenfiber der Ruheinnervation oder zum mindesten gegenfiber dem Innervationsgrad in Addnktionsstettung registriert, ein Verhatten, das zu demjenigen eines normal funktionierenden Externus in krassem Oe- gensatz steht. Die bereits yon PA~S~ und ESSLEN erwahnten nystagmus- artigen Innervationsstdfle (10--20 msec Dauer) bei Einlcitung der Ab- oder Adduktionsbewegung wurden auch bei diesen Fgllen wieder beob- achtet (Abb. 6). Eine wesentliche ~nderung der Aktivitat des Externus gegen/iber der I~uheinnervation bei Blickhebung oder Blicksenkung wurde nicht festgestellt. Anders steht es mit den 4 verbleibenden Fallen, die klinisch mehr odor weniger das typische Bild des Duane I aufwiesen. In zwei Fallen manifestierte sieh zwischen dem Rectus externus und dem Rectus in/erior des be/allenen Auges ein ]alscher Synergismus in dem Sinn, dab der Externus seinInnervationsmaximum beim Blic]c nach unten hatte,

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Page 13: Zum Problem des Duane-Syndroms

Z u m P r o b l e m des D u a n e - S y n d r o m s 181

w~thrend bei seitlichen Blickbewegungen (Adduktion und Abduktion) im Externus keine wesentliche Abweichung yon der Ruheinnervation in Mit- telstelinng zu beobachten war. Diese elektrischen Besonderheiten erkl~ren

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Abb. 7. E l e k t r o m y o g r a m m bei typischem Duane-Syndrom (I). Der Rectus extcrnus h~t sein Inne rva , t ionsmax immn bei Bltek nach unten , was die Divergenzstel iung des l inken Auges bei Blick nach lm ten erklgrt . I n n e r v a t i o n s m i n i m u m des Rectus ex te raus bei Bliek naeh links. Es l iegt bier eine paradoxe Inne rva t i on zwisehen Rectus externus und Rectus

inferior links vor (Pat. F. t t . , 194g)

sowohl die partielle Abduktionsf~higkeit wie auch die charakteristische Divergenzstellung des be/allenen A uges bei Blic]csenkung (Abb. 7). Die pare- doxe Innervation des Externus ]:ann aber nicht nur mit einem, sondern mit mehreren A ugenmusl~eln bestehen, wie die zwei weitern F~tlle demonsfrieren. Bei der einen Patienthl zeigt der Externus ein Innervat ionsmaximum so- wohl bei der Adduktion als a, uch bei Blick ha.oh unten: also paradoxe

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182 A. I-IUBER, E. ESSLEN, lc~. KLOTI und A. C. ~r :

Innerv~tion zwischen Rectus externus einerseits und Rectus internus sowie Rectus inferior anderseits. Hier zeigte sich neben der Abducens- ]/~hmung eine Divergenzstellung des Bu]bus bei Blicksenkung. Im andern Fall hatte der Externus sein Innervationsmaximum bei Bliek naeh oben und nach unten: Mso paradoxe Innervation des Externus mit Rectus superior und Rectus inferior. Das mehr oder weniger ausgesprochene Innervationsminimum des Externus lag beibeiden Beob~chtungen immer bei der Blickintention zu Abduktion. Daraus leitet sich das im klinisehen Bild konstante Symptom der Abducensl/~hmung ab, zu dem sieh Retrak- tion und Lidspaltenverengerung in wechselndem Ausmag hinzugesellen. Entsprechend den vertikalen Muskeln, mit denen der Externus in seiner Innervation paradox gekoppelt ist, kommt es zu Divergenz- oder Kon- vergenzstellung des befMlenen Auges bei vertikalen Blickbewegungen.

Die atypisehe Symptomatologie des Duane-Syndrom I I lieg sich elek- tromyographisch in unseren 2 F/~l]en ~u~erst fiberrasehend kls Trotz der klinisch als ,,angeborene Internusparese" sieh manifestierenden Ad- duktionsunf~thigkeit des befMlenen Auges konnte beide Male ein erstaun- lich normales elektrisches Verhalten des Rectus internus gefunden werden (ad/~quate Rekrutierung motorischer Einheiten in der Zugrichtung des Muskels, normale antagonistisehe t temmung bei Abduktion). In einem Falle, wo gleiehzeitig der Rectus externus abgeleitet werden konnte, zeigte derselbe wohl die dem Duane-Syndrom eigentilmliche paradoxe Inner- ra t ion mit Innervationsmaximum bei der Adduktion. W/~hrend nun bei den typisehen Duane-F~llen (Variante I), wie dies oben dargelegt wurde, der Externus ein Innervationsminimum beim Versueh zur Abduktion aufweist, t ra t bei diesem einen Patienten ein zweites etwa gleich starkes Innervationsmaximum des Externus bei der Abduktion auf (Abb. 8). Diese elektromyographiseh feststellbaren eigent/imliehen und vom Duane-Syn- drom I sieh nnterseheidenden Innervationsverh/~ltnisse erkl/~ren in ein- father Weise das klinische Bild: die Adduktionsliihmung beruht nicht au/ einer Parese des Rectus internus, sondern au] einer paradoxen Mitinner- vation des Rectus externus beim Versuch zur Adduktion, wodurch die Adduk- tion verhindert und der Bulbus retrahiert wird. Das ffir ein Duane-Syn- drom atypische Fehlen der ,Abducensparese" versteht sich aus der Tat- saehe, dab der Rectus externus ein zweites Innervationsmaximum in der Abduktionsstellung hat. Soweit wh 1 die Literatur iiberblieken, sind dies die beiden ersten F/~]le yon atypisehem Duane-Syndrom (Variante II), die elektromyographisch untersucht und im Sinne der paradoxen Inner- ra t ion zwischen Rectus externus und Rectus internus gedeutet werden konnten.

Zusammenfassend k6nnen wir feststellen, dag es mit ttilfe der Elektro- myographie gelungen ist, die den Duane-Syndromen zugrunde liegende Motilitiitsstdrung durch eine paradoxe Innervation des Rectus externus mit verschiedenen andern Augenmuskeln zu deuten. Das Duane-Syn-

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Zum Problem des Duane-Syndroms 183

drom im weitesten Sinne - - also seine typischen wie at, ypisehen, seine vol l ausgebi ldeten wie abortiven Formen - - umfa, l~t eine Gruppe kon-

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genitaler Innervationsst6rungen, denen ein paradoxer Synergismus zwischen Augenmuskeln, die yon verschiedenen Nerven versorgt werden, zugrunde

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184 A. I~UBER, E. ESSL]~X, R. KL6TI und A. C. MARTENET:

Tabelle

Patient I Auge I

H.g., $ 1909 L

F.H., 9 L 1944

K.S., 9 L 1945

K.S., 9 L 1953

L.~T., ~ L 1917

F.~., 9 L 1923

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H.P., ~ L 1947 !

K.Th., R 1951

Primgr- stellung

parallel

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leiehte Konver-

genz- stellung

leichte Konver-

genz- stellung

parallel

leiehte Diver- genz-

stellung

leichte Diver- genz-

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schrgnkt

normal

normal

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sehrgnkt

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praktiseh fehlend

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Externus links hat Inner- vationsmaximum bei

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Externus links hat Inner- vationsmaximum bei

Adduktion

Externus links hat Inner- vationsmaximum bei

Bliek naeh unten

Externus links hat Inner- vationsmaximum bei

Bliek naeh unten

Externus links hat Inner- vationsmaximum bei bei Blick nach nnten

Externus links hat zwei Innervationsmaxima: bei Adduktion undAbduktion

normale Innervationsver- verhgltnisse im Rectus

internus rechts

liegt. Wo diese Fehls teuerung ihren Sitz hat , kann auch mi t der Elektro-

myographie allein nicht e rmi t te l t werden. Vielleieht wird es m6glich

sein, durch In tegra t ion aller erhglt l ichen Da ten insbesondere unter Be-

rf icksichtigung yon assoziierten neurologisehen AusfM]symptomen an

einem viel gr6Beren Mater ial nghere Auskunf t fiber das Niveau und den

Ort dieser Icongenitalen, o//enbar au/ embryonaler FehIentwicklung beruhen- den Liision zu crhalten.

Im heutigen Zeitpunkt ist man auf bloge Vermutungen und Riickschliisse aus Analogiefgllen angewiesen. Entsprechend dem yon SJ~ERmNGTO~ vor 50 Jahren aufgestellten Prinzip der reziproken Innervation ist aueh bei den gugeren Augen- muskehl nnter normMen Verhgltnissen jede Aktion des Agonisten yon einer parallel gehenden Aktivitgtsabnahme im Antagonisten begleitet, eine Tatsache, die heute

Page 17: Zum Problem des Duane-Syndroms

Zum Problem des Duane-Syndroms 185

elektromyographisch besonders seh6n dargestellt werden kann. Kokontraktion antagonistischer Augenmuskeln kommt physiologischerweise nur selten vor (ira Nahpunkt der Konvergenzbewegung, bei rasehen sakkadierten Bewegungen etc.). Das Ausbleiben der antagonistischen Hemmung des Rectus externus in der Addulc- tionsstellung des Auges beim Duane-Syndrom repriisentiert also eine charakteristische StSrung des Sherringtonschen Prinzipes. Dieses Prinzip der reziproken Innervation setzt eine hohe organisierte anatomisehe Verbindung der Kerne antagonistischer Augenmuskeln (homo- und kontralateral) untereinander dureh Assoziationsfasern voraus. Diese Assoziationsfasern dfifften, soviel man heute weiB, in variations- reicher Anordnung dem generellen Verbindungssystem zwischen den Augenmuskeln- kernen, dem hinteren Lgngsbi~ndel (Faseiculus longitudinalis medialis oder posterior), beigemiseht sein. Ob nun die dem Duane-Syndrom zugrunde liegende Fehlsteue- rung des Abdueens auf einer L~sion oder Anomalie im Bereiche des hintereu L~ngs- bfindels (etwa in Analogie zur vorderen oder hintera internucle~ren Ophthalmo- plegie), eventuell sogar im Bereieh der Vestibnlariskerne oder deren r/ickl~ufiger, im hintern LEngsbiindel aufsteigenden Verbindungen mit den Rectus internus- Kernen beruht, ist mangels neurologiseher Begleitsymptome schwer zu entscheiden. Eine Lokalisation der St6rung auf noch h6heren Stufen der corticobulbEren Blick- bewegungsbahnen scheint kaum wahrscheinlich, nieht zuletzt aueh deswegen, well beim Duane-Syndrom irgendwelche BeeintrEehtigung sowohl der frontalen Kom- mandobewegungeu wie auch des occipitalen Fixiermeehanismus (optisch ausgel6ste Einstellbewegungen, Ffihrungsbewegungen etc.) fehlt. Auf dem Niveau der peri- pheren Augenmuskelnerven were auch die M6glichkeit einer Fehlleitung regene- rierender Nervenfasern nach L~sion der Neurone (wie z.B. das Pseudo-Graefesche Ph~nomen) zu diskutieren: sie kann effahrungsgemiiB zu paradoxen Beweglich- keitsst6rungen ffitn'en. Im Falle des Duane-Synch'oms l~Bt sieh die Fehlleitung zwisehen Muskeln, die yon verschiedenen Nerven (Abdueens und Oculomotorius) versorgt werden, aus rein topographiseh-~natomischen Griinden nicht denken, es sei denn, man nehme einen bereits in ffiiher Embryonalzeit effolgenden ,,Fehl- kontakt" der Nerven mit den Augenmuskeln oder eine fehlgehende Differenzierung des Muskeltrichters und der Muskeln an.

Differentialdiagnose Da das D u a n e - S y n d r o m in seiner typ i schen Pri~gung (Variante I)

kl inisch s te ts als Abdueenspa rese imponier t , s te l l t sich au toma t i s ch das P rob lem der Di//erentialdiagnose gegeni~ber der peripher-neurogenen Ab- ducensparese, sei sie nun erworben oder ebenfal ls angeboren. R e t r a k t i o n des Bulbus und Verengerung der L idspa l te , wenn sie auch haufig nur abo r t i v vo rhanden s ind und deshalb le icht v e r k a n n t werden, sprechen immer ira Sinne des Duane . Or thophor ie der Augen in Prim/~rstellung t ro tz bes tehender Abduzenspa rese is t bei jeder sti~rkeren per ipher-neuro- genen Abduzensli~hmung, w o e s zu einem Uberwiegen der In te rnus- ak t iv i t / i t m i t Ab lenkung des Auges in konvergen te S t rab i smuss te l lung sehon bei Bl ick geradeaus kommt , p rak t i s ch nie zu beobachten . Eine genaue di]/erentialdiagnostisehe Analyse der Abdueensparese, insbesondere der Nachweis der p a r a d o x e n I n n e r v a t i o n zwisehen E x t e r n u s und andern Augenmuske ln i s t nut mit Hil/e der Elelctromyographie mSglieh. Charak- ter i s t i seh und beweisend f/Jr die per ipher -neurogene N a t u r einer Abdu- censparese s ind Ausfal l der motor i sehen Einhe i ten , Versehwinden des

Albrecht v. Graefes Arch. Ophthal. Bd. 167 13

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186 A. HUBEt~, E. ESSLEI~, R. KLhTI und A. C. MA~T~C~]~T:

Interferenzbildes, sowie das Auftreten yon FibrillenpotentiMen und be- sonders ira Reinnervationsstadium yon polyphasischen Potentialen, alles Phanomene, die sich in den yon uns untersuchten Duane-Fs nie manifestiert haben. Geradezu unerlgl~lich ist die Elektromyographie bei der Abklarung der atypischen Duane-Falle yore Typus I I mit ,,ange- borener Internusparese". Immerhin weisen auch hier bereits schon kli- niseh Retraktion und Lidspaltenverengerung bei der Addu/stion au/ eine m6gliche zentrale Innervationsstgrung bin. Doch ist die Abgrenzung dieser Form yon Internnsparese, beruhend anf einer pathologischen Kokon- traktion zwisehcn Internus und Externus bei der Adduktion, gegeniiber neurogenen oder myogenen Internusl~hmungen nut elektromyographisch mhglich. Der Vollstgndigkeit halber sei noch erw~hnt, dab die Elektro- myographie natiirlieh aueh gestattet, zwischen peripher-neurogenen Lei- tungsst6rungen und andern Ursaehen der Abdncens- resp. Internusparese - - wie z.B. Sthrungen des neuromuskulgren g/bergangs (Myasthenie) oder Myopathien (Myositis, Muskeldystrophie) - - zu differenzieren.

Operative Therapie Die richtige Beurteflung und Analyse der Duane-F~lle hat deshalb

so groBe Bedeutung, weil diese nicht selten dem Augenarzt mit der Frage- stellung der operativen Korrektur (besonders bei sthrendem Strabismus convergens oder divergens in Primgrstellung) iiberwiesen wcrden. D~A~E bereits fa•t die Problematik des operativen Vorgehens in folgenden Worten zusammen : "In view of the pathological condition which probably underlies most of these cases, advancement by increasing the tension and hence the retraction, would do more harm than good. In cases where there is marked inward squint, tenotomy of the internus may help." Im Lichte der elektromyographisehen Ergebnisse versteht es sich nur allzu gut, dal~ eine Vorlagerung und l~esektion des scheinbar gel~hmten l~ectus externus nicht nut keine Verbesserung seiner Abduktionsfunktion. sondern sogar eine wesentliehe Zunahme der Retraktion zur Folge hat. Bei einem unserer Patienten mit Duane-Syndrom I wurde wegen mani- fester Konvergenzstellung des befallenen Auges eine Resektion des Ex- ternus kombiniert mit giicklagerung des Internus durchgefiihrt. Wegen einer katastrophalen Divergenzstellung mit vollkommener Internusblok- kicrung mul~te der resezierte Externus revidiert nnd wieder rfiekgelagert werden. Das postoperative Endresulta~ bestand in einer leichten Bes- serung der Konvergenzstellung, dagegen in einer Zunahme der Retrak- tion des Bulbus bei Adduktion. Bei Parallelstellung des aHizierten Auges in der Primgrstellung (Bliek geradeaus) ist es ratsam, au[ einen operativen Eingri]] zu verzichten. Da diese Fglle erfahrnngsgemgl~ meistens bin- oculares Einfachsehen aufweisen, wiirde jede Intervention das Muskel- gleichgewicht sthren und unter Umstgnden schwer sthrende Diplopie

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Zum Problem des Duane-Syndroms 187

herbeiffihren. Eine ]conservative Haltung ist sicherlich auch beim Duane- Syndrom I I m i t ,Internusparese" angezeigt : eine Vorlageruug oder Re- sektion des ,,paretischen" Internus wiirde wegen der pathologischen Mit- innervation des Externus die Adduktion nicht verbessern, sondern nur die Retraktion verst~rken. Alctives chirurgisches Vorgehen scheint uns nut indiziert bei typisehen Duane (I)-F~illen mit deutliehem Strabismus convergens in Prim~rstellung. Lyr,]~ empfiehlt bier sis erste Operation der Wahl eine Rficklagerung des Internus am gesunden Auge, beim Zuriiek- bleiben eines konvergenten Restvr eine zns~tzliche Riieklagerung oder marginale Myotomie des Internus am kranken Ange (dies jedoeh nur bei guter Adduktionsf~higkeit desselben). Bei vertikaler Deviation in Prim~rstellung kann nach LYL~ eine Myektomie des 0bliquns inferior oder eine Tenotomie des Obliquus superior - - abhs yon der Natur der Deviation - - indiziert sein. :PArsT und EssLv, N sehen yon einer Intervention am Internus des befallenen Auges vollkommen ab; sie schlagen Tenotomie und eventuell anschlieBende Excision eines Muskel- stfickes des Externus am kranken Auge vor, wobei ]edoch zur Wieder- herstellung des Muskelgleiehgewichtes je ein Tell des Rectus superior und Rectus inferior im Sinne der Muske]pfropfung nach O ' C o ~ o u an die Stelle des Externus verlagert werden mfissen. Die Meinungen fiber das operative Vorgehen gehen bei der Durchsieht der Literatur ziemlieh ans- einander. Unsere einzige operative Erfahrung war eine ungiistige: zwei- felsohne war die Planung mit Rcsektion des Externus auf der befallenen Seite falseh; die Resektion mu~te in einem zweiten Eingriff rfick- gi~ngig gemacht werden. Erst dann konnte sich die Internus-Riick- lagerung auf die Konvergenzstellung bei Blick geradeaus gfinstiger aus- wirken. Im Lichte der elektromyographischen Untersuchungsergebnisse ist es verst~ndlich, dab vor ]edem operativen Eingri]/ das Elektromyo- gramm zum mindesten vom Externus des ]cranken Auges durchge/i~hrt wet- den und bei der Auswahl der zu operierenden Mus]celn die synergistische und antagonistische ZugehSrigIceit der einzelnen Muskeln sorg/gltig be- ri~c]csichtigt werden sollte.

Zusammenfassung

Der typisehen Symptomatologie des Duane-Syndroms mit Abduk- tionsl~hmung, Verengerung der Lidspalte and Retraktion des Bulbus bei Adduktion wird ein atypisehes Syndrom mit Adduktionsl~hmung0 intakter Abduktion und Lidspaltenverengerung, sowie Retraktion bei Intention zur Adduktion gegenfibergestellt. Mit Itilfe der Elektromyo- graphie der Augenmuskeln (gleiehzeitige Ableitung yon Rectus externus und Rectus internus am befallenen Auge) kSnnen beide Formen des Duane-Syndroms als Folgen einer paradoxen Innervation zwischen l~ec- tus externus und Rectus internus gedeutet werden: beim typischen

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188 A. HUBEa, E. ESSLEN, R. KL•TI und A. C. MAaT~q~:

Duane-Syndrom (I) hat der Rectus externus sein Innervat ionsmaximum bei der Intention zur Adduktion; beim atypischen Duane-Syndrom (II) zeigt der Rectus externus zwei Innervationsmaxima, eines bei der Adduk- tion und ein anderes bei Abduktion. Abduktionsl/ihmung beim Duane I und Adduktionsl/thmung beim Duane I I , aber aueh die Retraktion des Bulbus in der Adduktion bei beiden Formen lassen sieh auf Grund dieser Innervationsph/inomene iiberraschend einfach erkl/~ren. Die Duane- Syndrome werden in den noeh umfassenderen Rahmen kongenitMer zentrMer Innervationsst6rungen (PA]~sT-EssL]~N) hineingestellt, denen ein paradoxer Synergismus zwisehen Augenmuskeln, die yon verschie- denen Nerven versorgt werden, zugrunde liegt. TopJsch-diagnostische und differentialdiagnostische Betrachtungen. Therapeutische Hinweise fiir eventuelle operative Korrektur unter Bertieksichtigung der elektro- myographischen Befunde.

Summary

There are two forms of the Duane Syndrome which from the clinical standpoint can be differentiated: First Duane I with palsy of abduction, narrowing of t h e lid fissure and retraction of the eye in adduction; second Duane I I with palsy of adduction with normal abduction and narrowing of the lid fissure and retraction in adduction. By means of electromyography it can be demonstrated tha t these "palsies" are due to a paradoxical innervation between external and internal rectus: in the typical Duane Syndrome (I) the external rectus has its maximum of innervation in adduetion and its minimum of innervation on inten- tion to abduction. In the atypical Duane Syndrome (II) the external rectus manifests two maxima of innervation, one on adduetion and the other on abduction. Abduction palsy in the Duane I and adduction palsy in the Duane I I , but also the retraction of the eye in adduetion can be explained by these innervation phenomenoma very easily. The Duane Syndrome is to be regarded as a special form of congenital central innervation disorders (PA~sT-EssLE~) where a pathological synergistic innervation between muscles which work normaly mainly as antagonists occurs. Considerations on topical diagnosis and on differential diagnosis. Indications and procedures of surgical intervention on the base of the eleetromyographic findings.

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