8
154 For~schrit~e der l~ieferor~hopgdie ~3d. t4 ~, 3 (1953) Zusammenfassung Es werden die besonderen Begleitumst4nde besprochen, die fallweise auch bei Deck- bib das Ziehen yon Zghnen begriinden. Diese sind: Engst, and im Seitenzahnbereich, Fehlen yon Seitenzghnen im Unterkiefer~ Steilbil3 ohne tiefem BiB, Flachfront geringen Grades und schlieNich erzwungene Beschrfi.nkung auf Teilregelungen in der Spiit- behandhng. Anschrif~ d. gerf.: YVien IX, 'l'iirkens~r. 15 Aus der Universitgtsklinik und Poliklinik ftir Mund-, Zahn. und Kieferkrankheiten (Direktor: Prof. Dr. Dr. G. Korkhaus) Bonn Zur ~tiolegie un(l Genese aes DeekMsses }~on Privatdozent 1)ro Erieh I:|ausser, Bmm Mit 9 Abbildungen Eine l~ean~wort.ung der Fra,ge ha,oh der En~.st, elml~g des als ,,Deekbig" be- zeiehnet)en kieferorthopi~disehen Krankhei{sbiIdes bedarf zungehst einer go- % [ ?:2 " Abb. 1. DeckbiB b~,i Neutralbil,l und Distalbig mit den 4 t,ypischen Arten der Frontzahns~ellung naueren I)efini{ion der GebiBanomal% ])eokbiB. Es scheint ngmlioh, dab diese Anomalie mit ihren typischen ~Ierkmalen night allgemein als ein besonderes kieferort, h.opSAisehes Krankheitsbild aufgefag~ wird, and dab die mit, der ~momalie verb'andenen morphologisdaen Abweichungen nioh~, hinreichend beka, nn~ sind.

Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

154 For~schrit~e der l~ieferor~hopgdie ~3d. t4 ~, 3 (1953)

Zusammenfassung Es werden die besonderen Begleitumst4nde besprochen, die fallweise auch bei Deck-

bib das Ziehen yon Zghnen begriinden. Diese sind: Engst, and im Seitenzahnbereich, Fehlen yon Seitenzghnen im Unterkiefer~ Steilbil3 ohne tiefem BiB, Flachfront geringen Grades und schlieNich erzwungene Beschrfi.nkung auf Teilregelungen in der Spiit- behandhng. Anschrif~ d. g e r f . : YVien I X , ' l ' i irkens~r. 15

Aus der Universitgtsklinik und Poliklinik ftir Mund-, Zahn. und Kieferkrankheiten (Direktor: Prof. Dr. Dr. G. Korkhaus) Bonn

Zur ~tiolegie un(l Genese aes DeekMsses }~on Privatdozent 1)ro Erieh I:|ausser, Bmm

Mit 9 Abbildungen

Eine l~ean~wort.ung der Fra,ge ha, oh der En~.st, elml~g des als ,,Deekbig" be- zeiehnet)en kieferorthopi~disehen Krankhei{sbiIdes bedarf zungehst einer go-

%

[

?: 2 "

Abb. 1. DeckbiB b~,i Neutralbil,l und Dis t a lb ig mi t den 4 t, ypischen Ar ten der Frontzahns~el lung

naueren I)efini{ion der GebiBanomal% ])eokbiB. Es scheint ngmlioh, dab diese Anomalie mit ihren typischen ~Ierkmalen night allgemein als ein besonderes kieferort, h.opSAisehes Krankheitsbild aufgefag~ wird, and dab die mit, der ~momalie verb'andenen morphologisdaen Abweichungen nioh~, hinreichend beka, nn~ sind.

Page 2: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

Erich Nausser, Zur ~tiologie und Genese des Deekbisses 155

Schon Ang le hat zwgr fiir die DistglbiBf~lle, bei denen keine Protrusion der oberen Frontz~hne vorhanden ist, eine besondere Unterabteilung seiner X~]asse I I gesehaffen, ohne dabei allerdings die wesentliehen anderen Abweietmngen ngher zu. charakterisiere~. ]~s wurde aber schon vor etwa 25 Jahren yon X o rk h au . s d.arauf hingewiesen, dag Anomalien mR einer Einwgrtsneigu~g der oberen Front- zghne nieh.t nut bei DistalbiB, sondern fas~ ebenso h/~ufig aueh bei Neutralbig vor- kommen and daher die Bi.gl.age nut ein Symptom dieses Anomalienkomplexes :~?in kann, dessen hervorsteehendstes MerkmaI die Steilstellung der oberen Front- ~:h:I.se is~, (A.bb. 1). Der erste Hinweis auf die Bezeichnung DeekbiB diir:Re i752 e y r h o f e r zu verdanken sein.

�9 I)eekbi13 wird dureh die Steilstellung der oberen Front- z.;thne eharakterisierk Die Aeh.~ senneigung der oberen ~ront- z~i~ihne zur Ohr-Augen-Eb ene b e- trfi.gt naeh den Untersuehungen yon K r a u s p e beim Deekbil3 im Durchschnitt 880 und schwankt zwisehen 700 und 94 ~ w~hrend die normale Aehsenne~gung 100 bis ;I 10 ~ betr~gt. I)iese Inversion der oberen }'rontz&hne ist bei corhandenem Neutralbig gerin- get und verst~rkt sieh bei den Anomalien mit ])~stalbiBo Die oberen J~'rontzghne tiberdeel<.en die unteren mehr oder weniger, und die ~.nteren ~rontz~hne beigen h~iufig auf die Gaumen- sehleim!taut auf. Es besteht also ~ tiefer u,nd oftmals sehr ~iefer BiB, wenn aneh diese ~ber-

-)~ ' ' " ~I Abb. 2. Fernr6n~get~profilaufnahme eines Deckbisses beiDistal- d e c k u n g de~ 2 r o n t , z a h n e n i c ~ t bib (nach K o r k h a u s ) ~.'~is ein besonders eh.arakterisie~ 'endes ~.ferkmal angesproehen werden darf. Ebenso wie die BiBlage stellt anch -{er tiefe BiB nut ein Symptom dieser Gebiganomalie dar.

Die Form der ~rontzahnstellung kann recht verseMedenartig sein. Im a l l gemeinen, lassen sieh ~der z~rten yon typischen Stellungen der oberen JFrontziihne ",.mterseheiden. Es kSnnen n~mlicb alle Met oberen So..h:aeidez~ihne in~'ertiert stehen, und die Einw~trtskippung kann sieh nut mIf (tie beiden mRtlere~.~ Sehneide- zrd~ne besehrfi.nken, wii.hrend die beiden seitlichen SchneidezS~hne protrudiert s:i:nd. ~]ine weitere ~'orm. der Frontzahnstellm~g zeigt eine Einw~irtskippung alter vier oberen Schneidez~thne, dutch die der Pla~z ft~r die Eckz~ihne stark eingeengt ist, so dab gleichzeRig ein I~]ekzahnhoehstand vorliegt. ]!;ine besondere Abart stellen die Falle dar, bei denen infolge einer Verengung des Kiefers ein frontaler Engstand mit starker EinwartsMppung der oberen Frontzghne gegeben is~.

Im Mtgemeinen ist bei den DeekbiBfallen ein reeht ger~iumiger OberMefer vorhanden, ja, es kann im Vergleieh mit den NormzaMen yon P o n t nieht selten ~ine East aasreiehende transversale t{ieferentwieklung festgestellt ~werden. ~Die st~rkste yon I~ra, n spe beobaehtete Kompression betrug im Pr'&molarengebiet

Page 3: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

156 For~sc!~'i~e der Kieferortho~'~die }~d. 14 If. 3 (1953)

nur 5,5 ram, w~ihrend die I{etrusion der oberen iFrontz'~hne bis zu 9 mm betrug. Die Form des Oberkiefers wird dutch diese Beziehungen zwisehen transversalen und sagitt.alen ,Abweiehu~gen in ganz bestimmter Weise beeinflug~, sie diirfte am besten mi~ einem U zu vergleichen sei.m

])ie Iai~ufig nur gering ausgepr~gte t~2ompression beim I)eekbil3 steh~ in engem Zusammenha:ng mi~ der Engwieklung des Niiltelgesieh~es und der apikalen l~asis (Abb. 2). So zeigen die Deckbigf~lle eine auBerordentlieh gut enSwiekelte apikale Basis und es zeigt, sieh au.eh in der Sagittalen eine Uberen~wicklung des ~Iittel- gesiehtes, indem Subnasale und. L~brale vor der Profilsenkreehten liegen.

iiiiiiiii!i !iiiiiiiii iii!i!iiii iiiiiiiiiiiiiiiiiiii iiii iiiiiii iii iiiii ii i! i ! ii ! i!i!ii iiiiiii ii!ii ii iiiii!!i ! iiiii!i!iii iiiii!i i i i i ii!iii! iiii !i ii!ii ii! iiiii I;ZZZZ!IilI;ZZ;IIII;IZ;I;;;ZL;;;ZLLII!IIII

k b b . 3. Deckbil~ bei Neutralbi13~ :DeckbiB bei DisSalbiB und sperrender Schneidezaha~iberbiB bei Se(lhsjiihrigen

Bemerkenswerterweise liegt aber bei den DeekbiBf'~llen mit Distalbifl das Gnathion aueh niiher der Profilsenkrech~en, w~hrend das Supramentale eine deui~Iiche Riicklage aufweist. Der untere Alveolarfortsatz diirfte in sei~em L~n- genwachstum dutch die ~'rontzahnstellung gehemmt sein, w~hrend dgs ~raehs- tuna des Unterkieferk6rpers ohne t-femmung Weitergeh~, und so diirfte bei diesen Fallen der DistalbiB sieh nicht als eine mandibul~re ?Retrusion, sondern vielmehr a.ls eine untere alveolgre l~etrusion manifestieren. Freilich ist sieherlieh aueh eine Beteiligung des Oberkiefers an dem DistaIbiB gegeben, da, wie die starke sagit~ale Entwicklung des ganzen ~it~telgesiehtes zeigt, irn Vergleieh zur Norm aueh eine maxill~re Protrusion vorhanden ist. Im Gegensa~z zmn U~terkiefer finde~ im Oberkiefer also keine tT[emmung des sagittalen ~Vaehstums stat~,

Die verhgltnismS.Big groBe Vorlage des Kinns steht in engem Zusammenhang mit der vertikalen Unterentxzieklung des Untergesiehts. Der Abstand yore Subnasale zum Onathion ist stark verktirzt, und h.itufig ist eine tiefe Supra.mentM- falte vorhanden. In den Zahnb6gen zeigt sieh diese vertikMe Abweichm~g in einer Unterent;,qektung im Prfi.motaren- und B.folarengebieG die sieherlieh nieht ohI~e Zasammenhang mit der Fu:nktion ist. Die DeckbiBtrgger k6nnen infolge der starken Uberdeekung der FrontzMme mahlende Kaubewegungen kaum aus- fiihren und sind vorwiegend Temporaliskauer, indem sie nur ~aekbiBbewegungen vornehmen. Interessanterweise finden sieh aber nieht selgen }'glle mi{ eharak- teristisehen Abweiehungen, bei denen es trotz einer Steilstellung der oberen

Page 4: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

Erich Hausscr, Zttr ~tiologie und Genese des Deckbisses 157

7~ron'r~zghne nicht zur At~sbildung eines iiberm'agig tiefen 7Bisses gekommen ist u~d bei denen aueh im Seitenzahngebiet eine vertikMe l:Tnterent wicklung grSgeren Ar~smaBes fehlt. }Tier dttrfte sieh der FunktionsabI,'mf auf die vertikale Jgnt- wicMung in besonders g anstiger Weise ausgewirkt haben, so dab stgrkere verti- kale k.bweiehungen nieht entstehen konnten. Es dfirfte sieh in diesen F/illen n~eh den ~.u.sfiihrungen yon A. 5L Sehwarz gerade die Fnnktion als giinstiger ?~ak{or zur Vermeidung der Entstehung eines tiefen Bisses zeigen.

Diese Symptome des ])eekbisses k6nnen allerdings nur naeh Absehlu/3 des /;j~i~nweehsels in ausgeprggter Form festgestellt werden, doeh finder sieh der i)r mit einer auffallenden SteilstelluI~g der oberen ]~rontzithne bereits aueh

i:,:~ 2*~gfiehgebiB (Abb. 3). Es konnte hierbei festgestellt ~;rerden, dab wesentlieh hfi, nfiger als im bteibenden Oe- ~ ~ " : ~ ' i bi~ eine Neutralokklusion vorhanden ist und der I)istal- big erst beim Zahnweehsel entsteht, infolge des sperren- den Sehnmdeza.hnuberblsses ka.nn eme MeslMentwmkhmg des Unterkiefers zur Vorbereitung der :ginsteltung der Seehsja.hrmolaren in Nentralokklusion nieht stattfinden, and aus der zan~tehst unsieheren Einstellnng der 1. Mola- ten wird ntit zunehmender sagittaIer ~emmung dutch die Frontzahnstellung eine Verzahmmg der Seitenzghne im DistMbiB beg~nstigt. Es dfirfte sieh gerade bei diesen i~)ormen des Distalbisses um einen gwangsbifl handeln, i orauf aueh die zuweilen reeht gtinstig nnd sehnell ab- !aafende Bigversehiebung bei Deekbigfgllen hinweist.

Nine solehe I-Iemmung der sagittalen Entwieklung des Unterkiefers kann sehon beim Sguglingskiefer gegeben sein, and A. N. S oh warz sieht die yon ihm beim Sehaeh- telbig (Abb. 4) beobaehtete Form der 1Jberdeekung des ~abb. 4. Schachtelbig eines

Neugeborenen (nach ~r 3f. unteren Alveolarfortsatzes dureh den oberen als An- 8chwarz) zeichen ftir eine sp~tere Entstehung des Deekbisses an. 1)er SehachtelbiB land sieh bei den Untersnehungen yon A. N. Sehwarz reeht hgufig -= in 14~/0 der yon ihm untersaehten ~'glle --, wghrend Xlemke ihn unter 19I Neugeborenen nut zwefmal - - also nur in 1% der Fglle --feststellen konnte. Au=eh beim SehachtelbiB des .~(eageborenen ist beim ~%rsehieben des -Unterkiefers eil~ Xlaffen der seitliehen Atveolarforts~tze festzustellen. Diese Form des Sgaglings- defers wird sieh mmh sehon fr/ihzeitig atff die Art des ~unktionsablaufs aus- wirken, indem beim Sehaehtelbig weniger Yorsehubbewegungen ausgeftihrt werden und die reinen vertikalen Bewegungen des Unterkiefers im Vordergrund stehen. Entfgllt dann au.eh noeh dutch eine kfinstliehe Ernghrung des S~tuglings der dureh die nattirliehe Ernghrung gegebene Anreiz zur Vorentwieklung des D~nterkiefers, so treffen zwei ungiinstige Momente zusammen, und die Mitehz~ihne werden sieh bereits in deekbiBartiger Einstellung finden. I)er Sehaehtelbig des Neugebore~len stellt somit eine Vorform des Deekbisses dar, indem bei ma.ngel- halter sagittaler Ent~xdekhmg des ldnterkiefers diese tIemnmng des Lgngen- waehstums zu einem Verpassen der Sehneidezghne fiihrt, wghrend das Waehstmn des Oberkiefers ungehindert ablaufen kann.

Die gate ]gntwiektang des Oberkiefers, glaubt Pi e hl e r, sei for die Gntstelmng des Deekbisses verantwortlieh zu maehen. Naeh seiner Ansieht sell da.s aaeh bei den Fallen mit ]blTasenseharten festzustellende stark ausgeprggte Waehstum des Z'wisehenkiefers und der Nasenseheidewand zu din" mesialen EntwieMung des

Page 5: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

158 For~schrit~e der I~ieferor~hopgdie :Bd. ]4 H. 3 (1953)

Oberkiefers ftihren. Aneh :Kadner glaubt, dab untersehiedliehe Wachstums- tendenzen des aus dem Stirnfor~satz und dem 2. Kiemenbogen sieh enLwiokelnden ~2iefers Ms Ursaehe f f ir die Entstehung des Deekbisses anzusehen Sind. i[nsbeson- dere nimmt ~2adner an, dab diese versohiedenen Waehstumsi.endenzen ides Zwisehenkiefers und der Oberkief'erseitenteile erbliehen ]~;infliissen unterliegen, und dab dutch das Zusa:mmentreffen ungtinstigm: Erbfak'coren ein :Deekbig enl- stehen wiirde.

In gleicher }u versuelht ]3e:rger in AnIehnung an Abel die En~stehung des Deekbisses auf eine getrennte VererMmg yon Zahn- und KiefergrSge zuriiek- zu.fiihren, er bezeiehnet da.her den Deekbig ,,Ms MhtationsanomMie". Dureh eine ~]&nderung des Idioplasmas soil eine-v-er'Snderte gul3ere Erseheinungsform

r

norm~r/ ~ b

Abb. 5. S[,ellung der SchneidezS~hne zueinander beim norma- len "0berbig, bei a) S[eilsl~ellung der ob(~ren Sehneide- z~hne und bei b)abnorm grol~er :~ollumwinkel beim Deck-

bib (nach t r

entstehen. ]Die Frage naeh der Ur- saehe ffir die Ver~inde:r~mg des Idio- plasmas beantwortete ;Berger aller- dings nieht, so dM~ die yon ihm ge~ul3e:cte Ansieht nut als eiile ~5,- po'd~ese aufgefal3t werden kann.

A:ndresen h~ilt den Deekbig :fiir eine atavistisehe phyloge:netische iErseheinung, indem er sei~e Ent- stehung auf eine zu starke Abknik- kung der Z'~hne im I~2ollum zurtick- ftihrt (Abb. 5). Einen ghnlich g:roBe:n ~rinket zwischen ~Nurzel- und Zahn- achse land Andresen an dem Sc'h/i- del eines Lapl?litnders mig biri~axit- l~trer Protrusion. Die Annahme An- dresens konnte jedoch bisher noeh keine Besitttigung finden.

Die Steitstellung der oberen Yrontz~ihne uj~d die ffir den Deckbil~ typisehe :Kieferform sind vielmehr naeh den Ergebnissen der Z~411ings- und Familien- forsohung sicherlieh in sta.rkem 5fa~Be endogen bedingt. K o r k h a u s konnte bei der yon ihm durchgefiihrte:u Zwillingsforschung ein 0_berwiegend konkordal~tes Auftreten der zknomMie bei eineiigen Zwillhlgen feststellen, w/ihrend bei den zweieiigen ZwilIingen h~ufig eine :Diskordanz vorhanden war. Aueh die Beflmde yon ][{ubb:recht ergeben eine iBestgtigung der yon ;Korkhaas festgestellten Vererbung des :Deekbisses.

Zur Kigrung des Vererbungsmodus konnte die l~amilienforsehung in bemer- kenswertem Umfange beitr~geno :Die Crn~ersuehung der versehiede~en Stamm- bgume yon Yamilien, in denen der :Deck-big vork0nfmt, ergab ei.nde~tig ein ge- h'~uftes Vorko:mmen dieser AnomMie. Insbesondere konnte Iqorkhaus fest- stellen, dab der 1)eckbiB sieh dominant vererbt, und dab Manifesta~ions- sehwankungen die Ausbildung ausgeprggter DeokbiBformen gelegentlieh nicht in Erseheinung tre'cen lassen. ~aben Mlerdings beide Eltern einen eehten ])eek- biB, so finden sloe nach dem Sta.mmbamn yon 5Icier, der sieh tiber 84 Familie,> mitglieder erstreekt, aueh bei den ]~2indern dieser Eltern extreme DeekbiBfglle. :Die Belast,ung der Elfern diirfte demnaeh Ms homozygotisoh anzasehen sein.

Die J~amilienfo:rsehung ergab aber eine weitere ingeressante Feststellung, in dem sic zeigfe, dab in der gleiehen Familie die Progenie und der ])eekbig auff~illig hi%ufig vork0mmen (Korkhaus). Diesen beiden so auBerordentlieh

Page 6: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

Erich ~ i s s e r , Zur ]4tiologle und Genese des 1)eekl~sses 159

u;~%gMichen Ar~omMie~ .[.st die gleiehe S~eils~elhmg der obere~ Frontzgh:t~e eige:t~, und je r~.achdera, wie sieh at~f Grund der sagittMen Beziehungen der :K~efer zueinand.er die oberen ~md u~e ren ;Front~z~ihne treffen, ent;s~eht das ei~e ~'fM eine Progeni.e, das a:t~dere 2~'[at ein Deekbig. Diese genetisehe Verwandbschaf~ der Progenie und des Deckb]sses diirfte auch eine weitere 5BesCgtigung dafiir sein, dab der Dis~albiB beim DeckbiB nicht das eharakteristisehe ~[erk:mal dars~.ellt. Es ist vielmehr die St~eils{,etlung der oberea FronI:,z~i.hne, die das V~esen dieser beiden AnomMien bestimm{:o Diese Inklination fiihrt zu einem Verpassen einer ~o:rrekten Frontzahnokklusion, d~s in einem Falle zu einer progenen Verzah- ~:: ::~.g derFrontz~ihne ~md iin ande:cen zu einem deekbif~artigen ~rberdeeken :: ?�9

Die engen verwand~sehaftliehen Beziehungen yon DeekbiB und Progenie konate A. 3f. Sehwarz aueh dutch Minisehe Beobaehtung bestg~igen, indem er befm Zahnweehsel die Entsfehuug eines Deekbisses aus einer Progenie fests~ellte.

iii~i

Abb~ g. Verfangung der oberen mi~tleren Schneidez~,hne h}nter der unteren Zahnr( ihe im Al ter yon 7~/~ ~ahren infolge s~eiler ~kchsenstellung. Nii~ t I i l fe eincr schiefen Ebene wurden die oberen mit t leren Sehneidcz:lh~e }n korrekten @berbiB gebracht . I m Alter yon 12~-/~ Jahren hat sich ein typ~eher l )eekb g mi t Dis ta lb ig entwickei~

Aueh eine eigene ]~eobaohtung (Abb. 6) zeigt den engen Zusam.menhang der Genese beider Krankheitsbilder. ]3ei einem 71/2 Jahre ali:en Kinde wurde mit lgilfe einer sehiefen ;Ebene die progene Verzahnung der beiden oberen mi{tleren Seh~:eidez~ihne kurz naeh it~rem Durchbrueh besei~Agt, I)ie weitere ;Beobaohtung di.eses FMles ergab ira. Alter vo~.a 121/z Jahren das Bild eines ausgeprfi.gten Deck- ."isses. Es war also dutch die Behandhmg nieht gelungen, die fiir die EIltst~ehtmg der progenen Verzahnung verantwortliO~e ste:ile Aehsenriehtung der oberen )Tro~'~.zghne zu beseitigen, 0bgleieh ein korrekter Frontzahntiberbig hergestellt ~,:ar. Dieser s dt~rfte abet weiteres Int:eresse beanspruehe,~, da, wie aus dem \%rgleieh der Beziehungen der Zahnrei.hen zue:ina.nder her~'o:rgeht, zuni~ehst

�9 ~ . . ] neutrMe Beziehungen der SeltenzahnrelheI.. zuei:t~ander vorha:nden warei~ und mm naeh Absehlug des SeitenzMmwechsels ein I)istalbiB volt einer ga,nzen ]?r-~i- molarenbreite fest~z~tstellen ist. Diese Ent.stehtmg eines .Dis{Mbisses a,us einer Xeu,trMokklusion di~rI%e nur in der Weise zu erklgren seil~, dab dureh die Beseiti- gung der progenen Frontzahnstellung and den damit; in zu, nehmendem l~faBe sich ei:nstellenden frontalen. f2rberbil3 die wei~ere ~:[esialentwicklung des Unterkiefers gehemmt wu.rde, wfi&rend die Entwicklung des Oberkiefers nun mLgehinderg ab- aufen konnte.

Dieser FM1 diirfte aueh einen ]3eweis daf/ir darstellen, dal3 die ]3iB].age born Dso!.O0iB nut eine untergeordnete iBedeutung hat u:nd nie, ht Ms wesentliches ;gympt.om dieses Krtmkheitsbildes anzusehen ist;o

Page 7: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

i60 ~or~sc]arltte der Kieferor~hoI)gdie 13d. 14 H. 3 (1953)

Auch Zim met mann konnt;e bei seiner UHtersuchung fiber den En~wieklungs- abtauf des Gebisses beim Deekbig zwischen dem 6. and 12. Lebensjahr fest- sgelIen, dab eine wesen~liehe Besserung der .Bif31age wMl.rend dieser Zeit nieht ein~ri~ ; so land er nur bei 8o/o seiner F~lle Mne einseit.ige geringe Verbesseru~g der Okktusion, wfi,hrend bei 16 ~o der lrfi,lle eine Versehleehter~mg ein~ra.~. :Eine fs der BiBIage a~ts dem ~:[ilchgebiB in das bleibende GebiB ha~e sich bei 76~o der J~lle ergebe~, wobei im Alger yon 6 3-ahren bei 87~//o der :F/~lle be- reifs el:he deutliche DistMtendenz des Un~erkiefers his zu einem ausgeprggten DistMbiB besgand.

~;~ne gfinstige Entwieklungs~endenz der Deekbil3f~lle l~Bt sich Mso in. der Zeit des Zahnweehsels bei der :Biglage in ne~menswertem A~s~maB nichg fesG steIlen. Z i m m e r m a n n fand aber bei 46~o der yon item untersuchten F'~lle, dab der Deekbigcharakter votlkommen verlore~gegangen war und sich eine Kiefer- kompression m.i~ engstehender Protrusion gebildet~ haste. Diese Vergnderm~g

.~bbo 7. Selbstausgleieh eines Deekbisses w~hrend des Zahnweehsels, die S~eitstellung der oberen Frontz~hne is%, jedoch ~eilweise erhal~en geblieben, doch besgeht keir~ nennenswerter t~iefer ]~iI~

der Frontz~hnstellung wurde vor allen Dingen bei den Fi~llen beob~chfet, bei denen berei~s Anzeichen einer Kieferenge vorhanden waren, und Zi mmer malln glaubt, dab die oberen Frontzghne an den Schneidekan~en der protrudierten unteren Frontzghne dutch das Auft, reffen beim Durehbrueh eine Aufriehtung erfahren haben. Immerhin ist bemerkenswert, dab das Maximum des sagittalen Waehstums des oberen Zahnbogens 6 mm betrug (Abb. 7).

Die Entwicklung einer Protrusion aus einem DeckbiB im ~{ilehgebil~ beim Frontzah.nwechsel zeigt im Stadium des Zalmweeh.sels der folgende Fall (Abb. 8). im B'filehgebig bestand ein DeekbiB mit DistMbiB um eine ganze Prgmolaren- breite, und der linke obere mittlere Sehneidezahn stellt sich nun stark profrudiert ein. Gin Alogteit.en des oberen mit61eren Sehneideza.hnes a,n der unteren Zahn- reihe finder bei diesem Fall Mlerdings nicht start. Naell den Aussagen der Mutter schick{e sieh jedoeh der Sehneidezahn sehor~, zum Durehbruch an, solange sein Vorgg, nger noch an seiner Stelle stand. Es diirfte daher der protrudier~e Dureh- bruch des oberen Schneidezahns vielleichg mehr iIffolge einer Ablenkung des durchbreehenden ZMmes dutch die Wurzel des Nilchzahnes erfolgen and als Ursache fiir die Gn~sgehung der :Protrusion eine inangetha.i'te tIesorpgion der ~filchsehneidezahnwurzel anzunehmen sein (Abb. 9).

In ghnlicher Weise d/irfte aueh eine :Erklgrung f~r die :Entstehung der Fa.tle mit hMbseitigem DeckbiB m6glieh sein. Bei diesen Fallen sind die 8ehneidez~ih.ne der einen Seite einwgrts gekipp~, wghrend die Frontzghne der anderen Seite protru- diert stehen, nioht selten is~ damit auch eine as3,~z~metrisehe Xieferenge verbunden.

Page 8: Zur Ätiologie und Genese des Deckbisses

Erich Xat[sser, Zur Xtiologie und Genese des Deckbisses 161

Die Enfs~elmng dieser interessan{en AnomMie kann die Aaswirkung el:net halb- .seRigen Vererbung einer DeekbiI~anlage sein, wie si.e auell dureh die Einwirkm~g exogener Fak~.oren erMgrbar ist. Die bei diesen Fgllen allerdings vorhalMene [Kieferenge weist auf eine Be~eiligung yon UmweRfaktoren in s~arkem Mage bin, zu.mal bei den Fgllen mit eehtem DeekbiB eine Nieferkomt)ression ira oberen Prii- molarengebieg naeh. den 7~'estsgellungen vow ~ r a u s p e und Zi :mmermann im Maximum yon nur 5 mm vorhanden war. ~aben sieh also ungfinstige TgmweR- faktoren in verstgrktem ?~'[age aus-wirken kSnnen, so kann als Folge eine verstgrkte Nompression festzusl;elten sein, die aueh ztt einem sagit{alen Ausweiehen der Frontzgh:ne fOhrt.

2kbb. 9. Schematische ])arstcllung der AMen- kung des durchbrechen- den bleibenden Sohne}.- dezahnes bei mangelhaf- gerResorption der Milch-

sohneidezahnwurzeln

Abb. 8o Entwicktung einer Protrusion aus einem DeckbiI~ im hiilchgebiB im AI[er yon 7V~ ;rahren

Die Frage nach der .~tiologie und Genese des Deckbisses hat dutch die Klg- rung der endogenen Zusammenhgnge bei der E:n~stehung yon GebiBanomalien bereits eine weRgehende :Beantwortung gefunden. Denmach is~ der DeckbiB eine vorwiegend erblich bedingte Anoma.lie mit dominant.era Erbgango Au{ Orund der jgbnvirkung yon gfins~igen trod ungiinstigen Umwetteinfiiissen kann es aber zu einer reeht verschiedenartigen Ausprggung der AnomMie kommen, so dM3 in manchen F'glIen die DeckbiBanlage nur bei sorgfgltiger Un{ersuctmng der morpho- logischen Abweiehungen noch fes{gestelR werden kann. 2~uch gibt der ])eckbL~ einen interessanten Einblick i:n die At~swirku.ng der gTmweRfaktoren auf eine ererbte a~nlage, da die Steilstellung der oberen Fron{ziihne als ererb{e :knlage zu zwei ~uBerorden~lich verschiedenar{igen AnomMien, dem ]3eckbiB und der Progenie, f/ihren kann.

Anschrift des Verf.: ;Bonn, KronprinzensSraBe 2b I I

FortschrRte der :Eieferorthopgdie :Bd. 14 :K. 3 ] I