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Aus dem Institut für analytische Chemie der naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universit~t Br'ünn. Vorstand: Prof. Dr. J. V. DubsI~~t. Zur Aufklärung der Makro- und Mikroreaktion des Eisens mit Thioglykolsäure. Von J. V. Dubsk)~ und V. Sindeläi~. (Eingegangen an, 14. April 1938.) Der Farbreaktion des Eisens mit Thioglykols~ure zur kolorimetrischen Bestimmung von Spuren Eisen in biologischem Material wird mehr und mehr Aufmerksamkeit geschenkt. R. Anäreasch, 1 der Entdecker der Reaktion, schrieb sie den l%rriionen zu, hingegen werden in letzter Zeit seit dem Erscheinen der Arbeit von E. Lyons 2 die Ferroionen als Ursache der Farbreaktion in Betracht gezogen. K. Heller a sagt in seinem Sammelreferat: 4 ,Die Anwendung der Thioglykols£ure hat den Vorteil, daß die l%eduktion zu Ferrosalzen und deren Nachweis durch das gleiche Reagens erfolgt." Andreasch 1 führte die Reaktion so aus, daß er zur freien Thioglykol- s~ure oder zu der anges£uerten Lösung des Salzes einen Tropfen einer sehr verdünnten w~ßrigen Lösung von Ferrichlorid zusetzte (etwa 0,1 °/o 1%, d. h. ungef~Lhr 0,5 mg). Die entstehende indigoblaue Fgrbung (i) verschwindet sehr schnell. Bei Zugabe von einigen Tropfen Ammoniak zwecks Alkalisierung tritt dunkelrote bis violette F~rbung auf (II), die beim Schütteln mit Luft noch intensiver wird. Bei Zugabe von zuviel Ferrichlorid und Übersi~ttigung mit Ammoniak wird ohne Farb£nderung Ferrihydroxyd ausgefi~llt (III). Iqach einigem Stehen verschwindet die F~rbung beinahe ganz, kehrt aber beim Schütteln an der Luft wieder zurück. Dies kann man öfters wiederholen, bis sich nach einiger Zeit Ferrihydroxyd in ~locken ab- ! R. Andreasch: Ber. Dtsch. chem. Ges.12, 1391 (1879). o~ •. Lyons: Journ. Amer. chem. Soe. 49, 1916 (1927); vgl. Chem. Ztrbl. 1927 II, 1871. 3 K. Heller: Mikrochemie 12, 337 (1933). 4 Vgl. auch Z. Stary: 1Viikrochemie 12, 367, 371 (1933), bzw. O. Harburg: Biochem. Ztschr. 187, 255 (1927).

Zur Aufklärung der Makro- und Mikroreaktion des Eisens mit Thioglykolsäure

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Page 1: Zur Aufklärung der Makro- und Mikroreaktion des Eisens mit Thioglykolsäure

Aus dem Institut für analytische Chemie der naturwissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universit~t Br'ünn. Vorstand: Prof. Dr. J. V. DubsI~~t.

Zur Aufklärung der Makro- und Mikroreaktion des Eisens mit Thioglykolsäure.

Von

J. V. Dubsk)~ und V. Sindeläi~.

(Eingegangen an, 14. April 1938.)

Der Farbreaktion des Eisens mit Thioglykols~ure zur kolorimetrischen Bestimmung von Spuren Eisen in biologischem Material wird mehr und mehr Aufmerksamkeit geschenkt. R. Anäreasch, 1 der Entdecker der Reaktion, schrieb sie den l%rriionen zu, hingegen werden in letzter Zeit seit dem Erscheinen der Arbeit von E. Lyons 2 die Ferroionen als Ursache der Farbreaktion in Betracht gezogen. K. Heller a sagt in seinem Sammelreferat: 4 ,Die Anwendung der Thioglykols£ure hat den Vorteil, daß die l%eduktion zu Ferrosalzen und deren Nachweis durch das gleiche Reagens erfolgt."

Andreasch 1 führte die Reaktion so aus, daß er zur freien Thioglykol- s~ure oder zu der anges£uerten Lösung des Salzes einen Tropfen einer sehr verdünnten w~ßrigen Lösung von Ferrichlorid zusetzte (etwa 0,1 °/o 1%, d. h. ungef~Lhr 0,5 mg). Die entstehende indigoblaue Fgrbung (i) verschwindet sehr schnell. Bei Zugabe von einigen Tropfen Ammoniak zwecks Alkalisierung t r i t t dunkelrote bis violette F~rbung auf (II), d i e beim Schütteln mit Luft noch intensiver wird. Bei Zugabe von zuviel Ferrichlorid und Übersi~ttigung mit Ammoniak wird ohne Farb£nderung Ferr ihydroxyd ausgefi~llt (III).

Iqach einigem Stehen verschwindet die F~rbung beinahe ganz, kehrt aber beim Schütteln an der Luft wieder zurück. Dies kann man öfters wiederholen, bis sich nach einiger Zeit Ferr ihydroxyd in ~locken ab-

! R. Andreasch: Ber. Dtsch. chem. Ges.12, 1391 (1879). o~ •. Lyons: Journ. Amer. chem. Soe. 49, 1916 (1927); vgl. Chem. Ztrbl.

1927 II, 1871. 3 K . Heller: Mikrochemie 12, 337 (1933). 4 Vgl. auch Z. Stary: 1Viikrochemie 12, 367, 371 (1933), bzw. O. Harburg:

Biochem. Ztschr. 187, 255 (1927).

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scheidet und die Lösung zersetzt zu sein scheint. Nach Andreasch bildet sich nach Zugabe von Fe '" "-Ion und Ammoniak (II) die rote Verbindung Fe (III) (SCH~COONI~4) a und durch Oxydation an der Luft wird ein Teil der Si~ure unter gleichzeitiger Bildung des farblosen Ferrosalzes oxydiert, das seinerseits unter Aufnahme des Sauerstoffs sich wieder zum farbigen Ferrisalz oxydiert. Die Reaktion ermöglicht einen außerordentlich empfindlichen Nachweis von Eisen. Auch die Lösung des neutralen Bariumsalzes zeigt mit einem Tropfen Ammoniak (ein größerer Überschuß verhindert die l~eaktion) und verdünnter FeCla-Lösung (0,005 mg Fe in 1 ccm) eine deutliche rote Fi~rbung. Thiodiglykolsaure S(CH2CO~H)~ weist mit FeC1 a keine Farbreaktion auf.

t ). Claesson 1 konnte zeigen, daß die Thioglykolsaure sowohl durch Jod, Kupfersalze, sowie auch an der Luft durch Ferrisalze zur Dithio- glykolsaure H 0 0 C . C H ~ - - S - - S - - C H 2.COOH oxydiert wird, welche ebenfalls mit Ferrisalzen keine Farbung liefert.

Auch P. Claesson nimmt die Bildung einer Ferrithiog]ykolsaure Fe(SCH2CO~H)a an, denn ein kleiner Zusatz von Eisenchlorid beschleunigt bedeutend die Oxydation der Thioglykolsaure durch Luft, was durch eine wechselnde Oxydation und l~eduktion bedingt ist. Zugleich verweist Claesson auf die dunkelrotbraune Farbung der Sulfhydrate mit Ferri- salzen, die nach einiger Zeit infolge Reduktion verschwindet (Sulfide und Bisulfide reagieren nicht).

Auch J . Ginsburg und S. Bondzynsl~i ~ nehmen in der grünen Über- gangsfgrbung der Thioglykolsaure mit FeCl~ (1 : 16) die Ferrithioglykol- saure Fe(SCH~CO2H)a an. Die Färbung verschwindet mit fiberschüssigem FeC1 a unter Bildung von Dithioglykolsaure. Beim Übersgttigen mit Ammoniak entsteht Fe(OH)2, das sich bald grün verfgrbt und hierauf unter Bildung von Ferrihydroxyd braun wird. Nach Abfiltrieren desselben konnte aus dem Filtrat die Dithioglykolsgure isoliert werden.

E. Lyons a zeigte, dal~ man mit Thiog]ykolsgure noch in einer Ver- dünnung von 1:10000000 Eisen nachweisen kann, und zwar soll die Reaktion von der 0xydationsstufe des Eisens unabhgngig sein. Ferrisalz wird durch Thioglyko]saure zur Ferroform reduziert. Die rote bzw. Purpurfarbung ist der l~eaktion zwischen Ferroeisen und Thioglykolsaure zuzuschreiben.

Wenn Ferrieisen in größerer Konzentration als 1 : 100000 anwesend ist, so gibt die Zugabe von Thioglykolsaure eine vorübergehende Blau- farbuug. Bei geringer Konzentration wurde diese nur für einen Augenblick beobachtet. Dies entspricht der Bildung von Fe(SCH2CO~H)a, das zum

P. Claesson: Ber. Dtsch. ehem. Ges. 14, 409, 412 (1881). J. Ginsburg und S. Bondzynski: Ber. Dtsch. ehem. Ges. 19~ 116 (1886).

a E. Lyons: Siehe Fußnote 2, S. 258.

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farblosen Ferrothioglykolat reduziert wird, einem Komplex, der in alkoholischer Lösung intensiv gefärbte Ferrothioglykolationen Fe(SCH2CO~)~- - gibt.

Nach Lyons ist der Reaktionsverlauf der folgende:

S--CH~--CO~H (1) 2Fe'"-k2HS--CI-I~--CO~H >2Fe'" -}- ]

S--CH~--CO2H

(2) Fe'" -k 2 (SCH2CO~H)- ~ Fe (SCI-I~CO~H)~ ~ Fe (SCH~CO2)~-- farblos gefärbt

Reaktion 1 verläuft nur bei Anwesenheit von F e " " ; sobald es reduziert wird, beginnt die Reaktion 2. Die Farbe tr i t t auch bei Zugabe von Alkali Buf.

R. K . Cannan und G. M. Richardson 1 zeigten, daß sowohl Fe(II) als auch Fe(III) Komplexsalze mit Thioglykolsäure bilden, aber nur die des Fe(III) gefärbt sind. Bei Abwesenheit von 02 bleicht die rote Farbe des Ferrikomplexes allmählich aus, indem das Salz auf Kosten der Thio- glykolsäure, die zur Disulfidsäure oxydiert wird, durch Autoreduktion in den Fe(II)-Komplex übergeht. Die Reaktion häng.t von der Konzen- tration der Thioglykolsäure, von der Konzentration des Eisens und vom p~ ab und diese Vorgänge spielen sich im p~-Bereich 6 bis 11 ab. Bei pE : 7 erfolgt die Entfärbung des F e " " fast momentan, in der Gegend von p~ = 10 aber langsam. Oberhalb pg = 10,5 bis 11 erfolgt Abscheidung von Fe(OH)~.

Die Disulfidsäure gibt mit Eisen keine Komplexverbindung und vermag auch den Ferrokomplex der Thioglykolsäure nicht zum Ferrikomplex zu oxydieren. Eine Isolierung der Komplexverbindung gelang nicht. Die Reaktion führt bei höheren p~-Werten scheinbar zu einem Gleich- gewicht:

2 Ferrithiogl. ~- RSH ~ - ~ 2 Ferrothiogl. -~ R - - S - - S - - R

Bei passender Versuchsanordnung gelang uns die Überführung des Komplexes Fe(III)(SCH2COONH4) 8 in das entsprechende komplexe Ferrisalz

............ O

..................... Il Fe- - (S - -CH~- -C- -O)3 Fe(H~O)6,

einen hell ockerbraunen Niederschlag, der bisher stets als Ferr ihydroxyd angesprochen wurde.

Ferner gel~ng es uns bei sorgf~ltigem Abschluß von Luft und vor- sichtigem Arbeiten in Wasserstoffatmosph~re, zu zeigen, daß Ferro-

1 R. K . Cannan und G. M. Richardson: Biochemical Journ. 23, 1242 (1929); vgl. Chem. Z~rbl. 1930 I, 3024; vgl. auch H. W. Swanlc und M. G. Mellon: Ind. engin. Chem. 30, Anal. Edit. 10, 7 (1938).

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ionen mit Thioglykols~ure auch bei Zugabe von Ammoniak nicht rea- gieren. Sobald aber nur etwas Luft zugelassen wurde, trat intensive rotviolette F/~rbung auf.

Unter den erwähnten Arbeitsbedingungen wurde

für die Eisenbestimmung die Effassungsgrenze 0,13 die Grenzkonzentration 1 : 300000,

für die Thioglykols~ure die Erfassungsgrenze 60 die Grenzkonzentration 1 : 500 festgestellt.

Experimenteller Teil.

1. Ferri-/errisalz der Thioglykolsäure Fe(SCH2CO~) a Fe . 6 aq.

Zu 1 cem der Thioglykolsäure wurden 10 Tropfen einer gesättigten alkoholischen Lösung von Ferrichlorid zugefügt. Beim Vermischen wurde vorübergehend blaugrüne F~rbung wahrgenommen, die sich bei Zugabe von 20 Tropfen konz. Ammoniak dunkelviolettrot verfärbte. Jetzt wurde die alkoholische Ferrichloridlösung im Überschuß zugegeben und der entstehende hellockerbraune Niederschlag abgesaugt und so- lange mit Alkohol gewaschen, bis im Filtrat die Reaktion auf CF ver- schwand. Der Niederschlag wurde auf poröser Tonplatte getrocknet.

Die Analyse ergab:

0,2472 g Subst. : 0,0799 g Fe~O a 10,681mg , : 15,843 mg BaSOa 33,2 mg , : 0,0041g H20 (bei 100°).

Etwa die H~lfte des Wassers kann man demnach bei 100 ° verdrängen (s. unten).

S : F e : 3 : 2

Unter Zugrundelegung der Formel Fe2S3CöHöO 6 ~ 6 H~O ergibt sich :

Berechnet: 22,79% Fe, 19,63% S, 22,06% H20 Gefunden: 22,61% Fe, 20,37% S, 12,35% H20.

2. Beweis, daß die Ferroverbindungen der Thioglykolsäure

Be(II)(SCH2CO~H)2 und ~'e(II)(SCH~CO2NH4) ~ /arblos sind.

In einem breiten Probegl£schen mit doppeltdurchbohrtem Kautschuk- stopfen wurde die Luft vollständig durch Wasserstoff verdri~ngt. Im Probeglas befindet sich Wasser, durch weiches eine Zeitlang Wasserstoff geleitet wurde. Durch das zweite Glasrohr im Kautschukstopfen werden unter stetem Durehströmen des Wasserstoffs 3 Tropfen der Thioglykol- s~ure eingeführt. Bei Zugabe eines Krist~llchens Mohrschen Salzes ver- bleibt die Flüssigkeit farblos. Auch bei Zugabe von 10 bis 20 Tropfen konz. Ammoniak durch das Glasrohr bleibt das Gemisch, solange es unter

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Wasse r s to f fd ruck s teht , völ l ig farblos. E r s t bei vors ich t igem Lfif ten des K a u t s e h u k s t o p f e n s ~ r d das Fer rosa lz zu Fer r i sa lz o x y d i e r t u n d das en t s t ehende Fer r i sa lz an der Oberf läche der F lüss igke i t f ä r b t sich hell- v io le t t ro t , be im Durehschü t t e ln noch in tens iver , bis die F a r b e fas t dunke lv io l e t t r o t wird. D a d u r c h wurde e inwandfre i bewiesen, daß nu r l~e'" "-Ionen die l~ärbung verursachen .

Zusammenfassung.

Fer rosa lze geben m i t Thioglykolsäure bei Luf t absch luß keine F a r b - reak t ion , auch n i ch t in ammoniaka l i s che r Lösung.

Fer r i sa lze ve rursachen zuers t eine blaue F ä r b u n g durch Bi ldung der Fe r r i t h iog lyko l säu re Fe(SCH2CO~H)3, in ammoniaka l i sche r Lösung aber die v io l e t t ro t e F ä r b u n g des zugehör igen Ammoniumsa lzes Fe(SCH~CO2NI-I«) ~. Bei Zugabe von Fer r i ch lo r id im Über schuß en t s t eh t n ich t F e r r i h y d r o x y d , sondern das ockerbraune Aquosalz des Ferr i - ferr i - th iog lyko la t s . Die Empf ind l i chke i t der F ä r b u n g wurde für das Eisen und für die Th iog lyko lsäure bes t immt .

Summary. Ferrous salts, not even in ammoniacal solution, givo no colour reaction

with thioglycolic acid if air is exeluded. Ferric salts cause a blue eolour first , b y forming ferrithioglycolie acid Fe(SCHzCO~H)3. I n ammoniacal solution, however, there appears the violet t ish red colour of the respective ammonium salt Fe(SCH2CO2NHa) 3. On adding an excess of ferric ehloride one does not obtain ferric hydroxide bu t the oehre brown aquo salt of ferrie ferri thiogly- colate. The sensit ivity o f the eolour is determined for both iron and thio- glycolie acid.

Résumé. L'a i r exempt, les sels ferreux ne dorment point de réaction colorante avec

l 'acide thioglyeolique, même pas en solution ammoniacale. Les sels ferriques donnent d ' abord une coloration bleue par la formation

de l 'aeide ferri-thioglyeolique Fe(SCH2CO~H)3, mais en solution ammoniaeale ils donnent la coloration rouge-violette du sel d ' ammonium Fe(SCH~CO2NHa) 3. Si l 'on ajoute du chlorure ferrique en excès, l ' hydra te du sel ferrique de l 'acide ferri-thioglycolique d 'une couleur ocre brtme est formé au lieu de l 'hydrato ferrique. Les auteurs déterminèrent la sensibilité de la coloration pour le fer et pour l 'acide thioglycolique.