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Vol. VIII, 1957 409 Zur Charakterisierung der positiven rationalen Funktionen Herrn Professor Dr. HUBERT CREI~ER zum 60. Geburtstag gewidmet Von Hm~z KS~m in Aachen Es sei Z(s) eine in der~Halbebene Re s > 0 definierte holomorphe Funktion der komplexen Veri~nderlichen s. Bekanntlieh heiBt Z(s) eine positive Funktion, wenn sie in der Halbebene Re s > 0 einen positiven Realteil Re Z(s) > 0 besitzt und fiir alle reellen s > 0 reellwertig ist. In den Anwendungen treten die positiven Funk- tionen Z (s) als Impedanzfunktionen der linearen thermodynamischen Systeme 1) auf, zu denen insbesondere die elektrisehen :Netzwerke gehSren. Im Falle eines ideali- sierten elektrisehen Netzwerkes ist die Impedanzfunktion Z (s) eine rationale positive Funktion. Die positiven rationalen Funktionen Z(s) lassen sich auf Grund des folgenden Kriteriums 2) dutch ihr Verhalten auf der imagin~ren Achse charakterisieren: Kriterium. Eine rationale Funktion Z(8) = ao + als + ... + ares m bo~- bis + .f. + bns" mit reellen Koeffizienten ao ..... am, be .... , bn mit ambn *0 ist genau dann eine positive Funk~ion, wenn sie in der Halbebene Re s > 0 holomorph "ist und 1) au] der imagingren Achse (mit Einsehlufl des Punktes ~) h6chstens Pole erster Ordnung mit positiven Residuen und 2) in allen regul~iren Punkten der imagini~ren Achse einen nicht- negativen Realteil Re Z (it) ~ 0 besitzt. Auf Grund von wohlbekannten Ergebnissen der Algebra3) lassen sieh alle Bedin- gungen dieses Kriteriums bei einer vorgegebenen rationalen Funktion Z (s) in endlich vielen Sehritten nachpriifen. Die Frage, ob eine vorgegebene rationale Funktion Z (s) eine positive Funktion ist oder nicht, kann daher stets in endlieh vielen Schritten entsehieden werden. Eine andere und wesentlich sch~rfere Frage ist aber, ob sich die positiven Funk- tionen unter Mlen rationalen Funktionen Z(8) = ao + sis + ... + aresm be + his + ... -4- bn sn I) H. KSI~IG und J. MmXNER, Lineare Systeme und lineare Transformationen. Math. Nachr., im Druck. 2) W. CAIrER, Ober Funktionen mit positivem Realteil. M~th. Ann. 106, 369--394 (1932). Das Kriterium kann such leicht aus Absehnitt 6 der vorstehend zitierten Arbeit hergeleitet werden. s) O. ttAUPT, Einfiihrung in die Algebra. Bd. I, 2. Aufl. Leipzig 1952, 277--280. Bd. II, 2. Auft. Leipzig 1954, 401--431. Archly dor Mathematik VIII 28

Zur Charakterisierung der positiven rationalen Funktionen

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Page 1: Zur Charakterisierung der positiven rationalen Funktionen

Vol. VIII, 1957 409

Zur Charakterisierung der positiven rationalen Funktionen Herrn Professor Dr. HUBERT CREI~ER zum 60. Geburtstag gewidmet

Von Hm~z KS~m in Aachen

Es sei Z(s) eine in der~Halbebene Re s > 0 definierte holomorphe Funktion der komplexen Veri~nderlichen s. Bekanntlieh heiBt Z(s) eine positive Funktion, wenn sie in der Halbebene Re s > 0 einen positiven Realteil Re Z(s ) > 0 besitzt und fiir alle reellen s > 0 reellwertig ist. In den Anwendungen treten die positiven Funk- tionen Z (s) als Impedanzfunktionen der linearen thermodynamischen Systeme 1) auf, zu denen insbesondere die elektrisehen :Netzwerke gehSren. I m Falle eines ideali- sierten elektrisehen Netzwerkes ist die Impedanzfunktion Z (s) eine rationale positive Funktion.

Die positiven rationalen Funktionen Z(s) lassen sich auf Grund des folgenden Kriteriums 2) dutch ihr Verhalten auf der imagin~ren Achse charakterisieren:

Kriterium. Eine rationale Funk t ion

Z(8) = ao + als + ... + ares m bo~- bis + .f. + bns"

mit reellen Koeffizienten ao . . . . . am, be . . . . , bn mit ambn * 0 ist genau dann eine positive Funk~ion, wenn sie in der Halbebene Re s > 0 holomorph "ist und 1) au] der imagingren Achse (mit Einsehlufl des Punktes ~ ) h6chstens Pole erster Ordnung mit positiven Residuen und 2) in allen regul~iren Punk ten der imagini~ren Achse einen nicht- negativen Realteil Re Z (it) ~ 0 besitzt.

Auf Grund von wohlbekannten Ergebnissen der Algebra3) lassen sieh alle Bedin- gungen dieses Kriteriums bei einer vorgegebenen rationalen Funktion Z (s) in endlich vielen Sehritten nachpriifen. Die Frage, ob eine vorgegebene rationale Funkt ion Z (s) eine positive Funktion ist oder nicht, kann daher stets in endlieh vielen Schritten entsehieden werden.

Eine andere und wesentlich sch~rfere Frage ist aber, ob sich die positiven Funk- tionen unter Mlen rationalen Funktionen

Z(8) = ao + s i s + ... + ares m be + his + ... -4- bn sn

I) H. KSI~IG und J. MmXNER, Lineare Systeme und lineare Transformationen. Math. Nachr., im Druck.

2) W. CAIrER, Ober Funktionen mit positivem Realteil. M~th. Ann. 106, 369--394 (1932). Das Kriterium kann such leicht aus Absehnitt 6 der vorstehend zitierten Arbeit hergeleitet werden.

s) O. ttAUPT, Einfiihrung in die Algebra. Bd. I, 2. Aufl. Leipzig 1952, 277--280. Bd. II, 2. Auft. Leipzig 1954, 401--431.

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mit reellen Koeffizienten ao . . . . , am, bo, . . . , bn mit a m b n �9 0 durch das Bestehen yon endlich vielen algebraischen Gleichungen oder Ungleichungen zwischen den Koeffizienten ao . . . . , am, bo, . . . ~ bn charakterisieren lassen. Eine derartige Charak- terisierung ist bei einer Reihe yon verwandten Problemen mSglich. Das bekannteste Beispiel hierffir ist das HuRwi~zsche Stabiliti~tskriterium4), nach dem die Nullstellen eines Polynoms �9

/ ( s ) = co + c l s + "" + cns~

mit reellen Koeffizienten co . . . . , Cn mit cn > 0 genau dann s~mtlich in der Halb- ebene Re s < 0 liegen, wenn n gewisse, aus den Koeffizienten co . . . . . cn gebildete Determinanten samtlich positiv sind.

In der vorliegenden Note soil gezeigt werden, dal] eine entsprechende Charakteri- sierung der positiven rationalen ~'unktionen Z (s) dutch das gleiehzeitige Bestehen yon endlich vielen algebraisehen Gleichungen ocler Ungleichungen zwisehen den Koeffizienten ao , . . . , am, bo, . . . , bn nicht mSglich ist. Dieses Ergebnis wirft die neue Frage auf, ob sich die positiven rationalen Funktionen Z ( s ) nicht doch auf andere Weise dutch endlich viele Relationen zwischen den Koeffizienten ao . . . . . am , bo . . . . . bn

charakterisieren lassen, etwa durch endlich viele algebraische Gleichungen oder Un- gleichungen in Verbindung mit Fallunterscheidungen.

Wir nennen eine Punktmenge E des R n a l g e b r a i s c h c h a r a k t e r i s i e r b a r , wenn es endlich viele Polynome in n Unbestimmten mit reellen Koeffizienten

Al(Xl . . . . . Xn ) , . . . , A r ( X l . . . . . Xn) , Bl(Xl, ... ,Xn), . . . , B s ( x l . . . . . xn )

gibt mit der Eigenschaft, dab ein Punkt (cl . . . . , cn) des R n genau dann zu E gehSrt, wenn er die Ungleichungen

A l (c l . . . . . Cn) . . . . . A t ( e l . . . . . cn) > 0 ,

B 1 (cl . . . . . c~) . . . . . B s (c l . . . . . c~) >= 0

befriedigt. Die Punktmenge E (m, n) bestehe aus allen Punkten (a0 . . . . . am, bo . . . . . bn) des

R m+n+~ mit a m b n :~ 0 und mit der Eigenschaft, dab die rationale Funktion

Z (8) ~ ao -4- a l s -~ . . . -J- ares m

eine positive Funktion ist. Auf Grund des Kriteriums ist E (m, n) im Falle ] m -- n ] > 1 leer. Ferner kann man leicht einsehen, daI~ E ( m , n ) im Falle I m - n] ~_ 1, min (m, n) _~ 1 algebraisch eharakterisierbar ist.

Satz. D i e P u n k t m e n q e E ( m , n ) i s t i m F a l l e I m - - n I ~_ 1, rain (m, n) > 1 n i c h t

a l g e b r a i s c h c h a r a k t e r i s i e r b a r .

Beweis . Die Punktmenge E der Zahlenebene bestehe aus allen reellen Zahlen- paaren (x, y) mit der Eigenschaft, dab die rationale Funktion

Z ( 8 ) - - 2 y A- (4 -- 4x A- y) s -bSs ~

4) A. HURWlTZ, t2~ber die Bedingungen, unter welchen eine Gleichung nur Wurzelnmit negativen reellen Teilen besitzt. Math. Ann. 46, 273--284 (1895).

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eine positive Funktion ist. Auf Grund des Kriteriums ist dies genau dann der Full, wenn Z(8) in allen Punkten der imagin&ren Achse einen nichtnegativen Realteil I~e Z (it) ~ 0 besitzt. Nun hat man fiir reelles t

R e Z(i t ) -- (1 + t~) 2 -- xt2 -4- t 4 .

:Die Funktion Z (8) ist daher genau dann eine positive Funktion, wenn fiir alle reellen t gilt

Y xt2 -Jr t 4 t 2 - - --~ ~ s _ = ~ (y -- x 2) ~ 0 .

Hierfiir ist notwendig und hinreichend im Falle x --<_ 0 die Bedingung y >-- 0 und im Fulle x :> 0 die Bedingung y ~ x 2. Die Punktmenge E besteht daher aus allen Zahlenpaaren (x, y) mit x =< 0, y :> 0 odor mit x _~ 0, y >_-- x 2. Wir zeigen, dab diese 1)unktzaenge E nicht algebr.~iseh charakterisierbar ist.

Wir nehmen entgegen der Behauptung an, dub die Punktmenge E algebraisch charukterisierbar ist. Dann gibt es endlieh viele nichtkonstante Polynome mit reellen Koeffizienten

A l (x , y) . . . . . A,-(x, y ) , B l ( x , y) . . . . . Bs (x , y)

mit der Eigensehaft, dul3 ein Punkt (x, y) der Zahlenebene genau dann zu E gehSrt, w e n n e r die Ungleiehungen

A l ( x , y) . . . . , A ~ ( x , y ) > O, (1) B l ( x , y) . . . . . Bs (x , y) > 0

befriedigt. Wir diirfen ohne Besehr~nkung der Allgemeinheit annehmen, dal~ die Polynome B1 (x, y) . . . . . B8 (x, y) den Faktor x2 - - y hSchstens in erster Potenz ent- halten. D e n n i m Fulle

B j ( x , y) = (x 2 -- y)2~ F ( x , y)

ist Bj(x , y) ~ 0 gleiehbedeutend mit F(x , y) ~. 0: Aus F(u , v) ~ 0 folgt offenbar Bt(u , v) ~> O. Umgekehrt mu/3 im Falle Bj(u , v) ~ 0 aueh F(u , v) >= 0 gelten; delta aus F(u , v) < 0 folgte 'u 2 -- v = 0, und in jeder Umgebung des Punktes (u, v) g~be es Punkte (x, y) mit x 2 < y und mit F(x , y) < 0, also zu E geh5rige Punkte (x, y) mit B 1 (x, y) < 0. Jedes der Polynome B~ (x, y), ... , Bs (x, y) kann mithin yon der ~orm (2) Bj (x, y) ~ ]j (y) + xgj (y) -[- (x 2 -- y) (F s (y) ~- xGj (y) ) -}- (x 2 - - y)2H~ (x, y)

angenommen werden. Und wenn hier in/ t (Y) und gt (Y) beide identisch verschwinden, dann versehwinden avj (y) und G 1 (y) sieher nicht beide identiseh.

Andererseits mfissen die Polynome 1'1 (Y) und g; (Y) in (2) fiir mindestens eines der 1)olynome .Bz(x, y) . . . . . Bs(x, y) beide identiseh versehwinden: In jedem Punkte (u, v) des Parabelastes v ---- u 2, u ~ 0 mu]~ mindestens eines der Polynome B1 (x, y), �9 . . , Ba (x, y) versehwindea; dean andernfalls h~tte man

A l ( u , v) . . . . . Ar (u , v) , Bj.(u, v) . . . . . Bs (u , v) > O,

und die Gleichungen (1) wiirden fiir alle Punkte (x, y) einer gewissen vollen Urn.

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gobung des Punktes (u, v) bestehen, darunter sicher auch f/Jr nicht zu E gehSrige Punk te (x, y). Von den Po lynomen

B~ (x, x 2) = / 1 (x2) + xgl (x2)

mu• also mindestens eines unendlieh viele Nullstellen x > 0 besitzen und daher identiseh verschwinden. Dann versehwinden auch die beiden Po lynome h(Y) u n d gt (Y) identisch. Es gibt also ein Po lynom Br (x, y) yon der Fo rm

(3) B j ( x , y) = (x 2 -- y) (Fl(y) + xGr -4- (x 2 -- y ) 2 H I ( z , y ) ,

worin die Po lynome $'1 (Y) und G 1 (y) nicht beide identisch verschwinden. N u n folgt aus (3) durch partielle Differerrtiation

(4) ~B~a~ (x, x~) = 2x~'j(x2) + 2z2 Gj(x~) .

Das durch (4) dargestellte Po lynom muB aber in jedem Punk te u < 0 versehwinden ; denn es ist Bj (u, u 2) = 0 und B 1 (x, u 2) > 0 ffir alle x < 0. Daher verschwindet das Po lynom (4) identisch. Es verschwinden also auch die beiden Po lynome $'t (Y) und G 1 (y) identisch. Dami t sind wit zu einem Widerspruch gelangt. Die Punk tmenge E ist mithin nicht algebraisch charakterisierbar.

Der Beweis des Satzes ist je tz t schnell erbracht. I m Falle m = n > 2 ist die rationale Funk t ion

Z(s) 2 y s n - 2 + ( 4 - - 4 x + y ) s n - l + 8 s n 2 y + ( 4 - - 4 x + y ) s-4-Ss2 : S ~=2 2~-2sn:1 + 8 ~ - - 1 + 2s + s 2

definitionsgemi~g genau dann eine positive Funkt ion, wenn alas Zahlenpaar (x, y) der Punk tmenge E angeh6rt . Da E nicht algebraisch charakterisierbar ist, kann aueh E(n , n) nicht algebraiseh charakteris ierbar sein. I m Falle re=n-4- 1, n > 2 ist die rationale Funk t ion

Z(s) : 2ysn-2 + (5 -- 4x + y) s "-1 + lOs n + s n+l s,-2 + 2sn-1 + sn

auf Grund des Kri ter iums genau dann eine positive Funkt ion, wenn die Funk t ion

Z ( s ) - - s 2 y + ( 4 - - 4 x + y ) s + S s ~ ---- 1 + 2 s + s ~

eine positive Funk t ion ist, also wenn das Zahlenpaar (x, y) der Punk tmenge E an- gehSrt. Daher kann E (n A- 1, n) nicht algebraisch charakterisierbar sein. Ebenso sehlieSt man im F a l l e n = m -4- 1, m > 2. Dami t ist der Beweis des Satzes vollendet.

Eingegangen am13.1.1958