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Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 176, S. 40--47 (1957) Aus der Medizinischen Universit~tsklinik Kiel (Direktor: Prof. Dr. H. R~.ImVEI~) und der Chirurgischen Universit/~tsklinik Kiel (Direktor: Prof. Dr. reed. R. WA~KE) Zur Diagnose und Pathogenese des traumatischen subduralen Hydroms (Meningopathie der Hirnkonvexitiit) Von H, WOLFF und E. BUES (Eingegangen am 16. Januar 1957) Das Krankheitsbfld des posttraumatischen subduralen H/~matoms ist heute wohl bekannt. Weniger geli~ufig ist dagegen die Diagnose des post- traumatisehen subduralen Hydroms (psH). Bei dieser Erkrankung kommt es zu sehr/ihnlichen Erscheinungen wie beim subduralen H/~matom. Es finder sieh jedoch beim psH an der Innenseite der Dura und zwar an der Konvexit/it des Gehirns in einem gekammerten oder einheitlichen sack- ar~igen Hohlraum kein Blur, sondern eine gelbliche, klare, liquorghnliche Fliissigkeit. Solche Hydrome oder Hygrome, wie sie gelegentlich auch genarmt wurden, sind schon verschiedentlich beobachtet und, soweit uns bekan_nt, wohl zum erstenm~] yon PAIE~ un4 spgter yon HE~SCH~N besehrieben worden. Diese Hydrome waren abet, wenn sie intra vitam erkannt wurden, ziemlich groB und komlten infolgedessen dureh ihre neurologisehen Halbseitensymptome und in der rSntgendiagnostisehen ~ra durch ihre Verdr~ngungserseheinungen im Lufteneephalogramm und Arteriogramm festgestellt werden. Wit beriehten hier fiber 2 yon uns in den letzten Jahren beobachtete Kranke mit psH. Bei beiden KraIrken lag ein Hydrom yon verh/iltnis- mal3ig geringer r~umlicher Ausdetmung vor. Dieses hatte zu recht schwe- ten Krankheitserscheimmgen gefiihrt, ohne dab st/~rkere Verdrgngungs- erscheinungen oder deutliche neurologische Symptome vorlagen. Wit mSchten hier vor allem auf den charakteristischen Ver]auf dieser Er- krankung hinweisen, wie er beim subduralen H~matom haufig beobach- tet werden kann. Es wurde besonders v o n SCHALTENBRAND und WOLFF darauf hingewiesen, daI3 bei Patien~en mit subduralem HKmatom in der Zeit, in der sie sieh aul3er Bett befanden, eine erhebliehe Verschlechterung ihres Zustandes einsetzte und strenge Bettruhe bei ihnen zu einer Remis- sion fiihrte. Den gleichen Verlauf beobachteten wir bei unseren beiden Kranken. Dazu kam noch bei der einen Frau ehle Kopfverletzung mit

Zur Diagnose und Pathogenese des traumatischen subduralen Hydroms

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Page 1: Zur Diagnose und Pathogenese des traumatischen subduralen Hydroms

Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde, Bd. 176, S. 40--47 (1957)

Aus der Medizinischen Universit~tsklinik Kiel (Direktor: Prof. Dr. H. R~.ImVEI~) und der Chirurgischen Universit/~tsklinik Kiel (Direktor: Prof. Dr. reed. R. WA~KE)

Zur Diagnose und Pathogenese des traumatischen subduralen Hydroms

(Meningopathie der Hirnkonvexitiit)

Von

H, WOLFF und E. BUES

(Eingegangen am 16. Januar 1957)

Das Krankheitsbfld des posttraumatischen subduralen H/~matoms ist heute wohl bekannt. Weniger geli~ufig ist dagegen die Diagnose des post- traumatisehen subduralen Hydroms (psH). Bei dieser Erkrankung kommt es zu sehr/ihnlichen Erscheinungen wie beim subduralen H/~matom. Es finder sieh jedoch beim psH an der Innenseite der Dura und zwar an der Konvexit/i t des Gehirns in einem gekammerten oder einheitlichen sack- ar~igen Hohlraum kein Blur, sondern eine gelbliche, klare, liquorghnliche Fliissigkeit. Solche Hydrome oder Hygrome, wie sie gelegentlich auch genarmt wurden, sind schon verschiedentlich beobachtet und, soweit uns bekan_nt, wohl zum erstenm~] yon PAIE~ un4 spgter yon HE~SCH~N besehrieben worden. Diese Hydrome waren abet, wenn sie intra v i tam erkannt wurden, ziemlich groB und komlten infolgedessen dureh ihre neurologisehen Halbsei tensymptome und in der rSntgendiagnostisehen ~ r a durch ihre Verdr~ngungserseheinungen im Lufteneephalogramm und Arteriogramm festgestellt werden.

Wit beriehten hier fiber 2 yon uns in den letzten Jahren beobachtete Kranke mit psH. Bei beiden KraIrken lag ein Hydrom yon verh/iltnis- mal3ig geringer r~umlicher Ausdetmung vor. Dieses hat te zu recht schwe- ten Krankheitserscheimmgen gefiihrt, ohne dab st/~rkere Verdrgngungs- erscheinungen oder deutliche neurologische Symptome vorlagen. Wit mSchten hier vor allem auf den charakteristischen Ver]auf dieser Er- krankung hinweisen, wie er beim subduralen H~matom haufig beobach- tet werden kann. Es wurde besonders von SCHALTENBRAND und WOLFF darauf hingewiesen, daI3 bei Patien~en mit subduralem HKmatom in der Zeit, in der sie sieh aul3er Bett befanden, eine erhebliehe Verschlechterung ihres Zustandes einsetzte und strenge Bettruhe bei ihnen zu einer Remis- sion fiihrte. Den gleichen Verlauf beobachteten wir bei unseren beiden Kranken. Dazu kam noch bei der einen Frau ehle Kopfverletzung mit

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einem Sch~delbruch, die den Weg zur Vermutungsdiagnose wiesen, die dam1 durch die Operat ion best~tig~ wurde.

Kr.Bl. 358/53. Am 5. 5. 53 Einweisung der 67j~hrigen E. St. wegen eines Ver- wirrtheitszustandes und erheblicher Verlangsamung in die Klinik. Von der Kranken waren keine verwertbaren Angaben zu bekommen. Von der Familie und den behan- delnden ~rzten: Frau St. sei als M~dchen immer schwachlich gewesen. 1915 und 1940 Operationen wegen Wanderniere und sparer 20perationen wegen Descensus uteri (3 Partus) und zus~tzlich R6ntgenbestrahlung der Ovarien.

Im Dezember 1952 Sturz mit dem Kopf auf den Steinful3boden. Danach mehrere Stunden bewul3tlos und heftige Kopfschmerzen. Sl~ter Erbrechen sowie Verwirrt- heit. Nach 4wSchiger Bettruhe Besserung und Aufnahme ihrer Haushaltsarbeiten. Weiterbestehen psychischer Auff~lligkeiten, die als senile Demenz angesehen wur- den. Nach kurzer Zeit neuerliche VerscMechterung. Dieser Ablauf wiederholte sich noch einmal.

Befund: 156 cm grol3e, 48,2 kg schwere Frau. M~13iger Allgemeinzustand und Ern~hrungszustand. Sopor6se Benommenheit. ~lgstlich, verwirrt. Klagen fiber heftige Kopfsehmerzen, die in der Stirn und im Hinterkopf lokalisiert werden. Zun~tchst noch kein Erbrechen. Angedeutete Pyramidenbahnsymptome beiderseits, rechts aber deutlicher als links.

11.5.: L.P. Liquordruek 10 cra H20, Liquorbefund o. B. Danach Verschlech- terung, Erbrechen und subfebrile Temperaturen.

17.5. : Abklingen beider Symptome nach intravenSser Infusion yon 2 Liter 0,5% iger NaC1-LSsung.

18. 5. : L. P. Druek 7 cm H20. Verminderung der EiweiBmenge des Liquors yon 1,2 auf 0,8 Kafka-Einheiten. Salzs/~urekollargolreaktion (SCR) gering pathologisch. Pandy positiv. Blutdruek zwischen 140/90 und 105/70 mm Hg. Innere Organe o. B. Ionen-Gehalt im Serum normal. Bei strenger Bettruhe und roborierender Behand- lung Besserung der psychischen Symptome.

29.5. : Encephalographie durch SOP. Es konnten nur 40 em 8 Liquor entfernt werden. Die Ventrikel und Subarachnoidalr~ume zeigten keine Luftfiillung, ledig- lieh die basalen Zysternen. Liquor: Gering xanthochrom, Eiwei[3 0,8 Kafka-Ein- heiten, SCR 1112113444. Normomastix R I I I I I I I . . .

1.6.: Arteriographie: Keine Seitenverdr/ingung der Art. cerebri anterior. Capill£re Phase: Keine Abdr/~ngung yon der Sch/~delkalotte. 15 min nach einer i .v. Injektion yon SEE schwach (Encephalographievorbereitung) Anfall von Be- wuBtlosigkeit und Streckkr/~mpfen. _~hnlicher Anfall im vorhergehenden Dezember.

17.6.: Operation in der neurochirurgischen Abteilung (Doz. Dr. BYES). Bohr- 16cher beiderseits frontal. Die Dura erscheint dick und blutreich. Incision der Dura der rechten Frontalregion. Entleerung yon klarer, gelblicher Fltissigkeit unter Druck aus einem sackartigen Hohlraum, dessen cerebrale Wand aus einer derben, fibr6sen, grauweil31ichen Haut besteht, so dab die Hirnwindungen darunter nicht zu erkennen sind. Absaugen des Liquors mit weichem Gummikatheter. Uber der linken Hemi- sph/~re keine Fliissigkeitsansammlung, abet /~hnliche fibrSse Ver/tnderungen der Meningen.

Histologische Untersuchung der Probcexcision aus der Dura (Prof. Bi )NGELER 1) : Zum groBen Teil hyalin entartetes Duragewebe.

Cysteniimenwand: Gewebe der weiehen Hirnhaut mit zahlreichen Gef/~l]en und deutlich sklerosierendem 0dem.

z Herrn Prof. Dr. BffNGELER danken wir fiir die freundliche Uberlassung der histologischen Befunde.

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42 H. WoLFF u n d E . BvEs:

Naeh der Operation Horizontallagerung, strenge Bettruhe, Bluttransfusion, danach schnelle Restitution der psyehischen Funktionen.

23. 6.: Es findet sieh bei der Rfntgenkontrolle noeh etwas Luft subdural im Parietalbereich.

19. 7.: Entlassung in recht gutem psyehischem und Allgemeinzustand bei praktiseh unver~ndertem neurologischem Befund. Im Mai 1955 sehrieb Frau St. aus den USA, wohin sie zum Besuch ihrer Kinder allein gereist war, einen nach Form und Inhalt unauffalligen Brief an die Klinik.

B e i e ine r z w e i t e n K r a n k e n t r a t e n die Z u s a m m e n h ~ n g e zwi schen d e m

S c h ~ d e l t r a u m a u n d d e n n a c h k u r z e m I n t e r v a ] l e i n s e t z e n d e n S y m p t o m e n

des p s H k la r he rvo r .

Kr. Bl. Nr. 1330/55: Einweisung der 65j~hrigen Frau F. K. am 11.7. 55 wegen starker Kopfschmerzen, die in der linken Schli~fe lok~lisiert wurden. 10 Tage vorher linke Schl~fe gegen die Tfirkante eines Schrankes gestoBen. Keine BewuBtlosigkeit, kein Erbrechen. Einige Minuten nach diesem Unfall habe Frau K. weitergearbeitet. 7 Tage spater langere Fahrt auf dem Anhi~nger eines Lastwagens. Dabei t3belkeit, aber noch kein Erbrechen. Erst sparer Sehwindel, der sich zunehmend verstarkte und Unsieherheit beim Gehen. Allm~hlich weitere Verschlimmerung der Kopf- schmerzen und Auftreten yon Benommenheit.

Be/und: 167 em grofle, 74,5 kg sehwere Frau. Blutdruck 150/100 mm Hg, sp~ter 125/70 mm Hg. Druckschmerzhaftigkeit der linken Schli~fengegend. Nystagmus beim Seitwartsblick, naeh links mehr als nach rechts. Rossolimo reehts fraglich positiv. Mimische Faeialisparese reehts. Geringe Steigerung der Sehnenreflexe der Extremitaten, rechts deutlicher als links. Einige bis pflaumengroBe Lipome in der Ellenbeuge, am FuBrficken rechts, sowie an der Brust. Temperatur am Aufnahme- tag 37,8, sp~ter normal. Rfntgenologisch: Frakturspalt im linken Os temporale, in die Schi~delbasis hineinziehend.

11.7. 55: SOP in Horizontallage. Liquordruck: 85 mm H~O, EiweiB 1,1 Kafka- Einheiten. Im fibrigen o. B. BSG: 24/56 mm n. W. Nach 10tagiger Bettruhe Besse- rung der Kopfschmerzen, des Schwindels und der t3belkeit. Verschwinden der Be- nommenheit. Schon naeh kurzem Verlassen des Bettes neuerliehes Auftreten der gleiehen wie oben geschilderten Beschwerden.

2. 8.: Encephalographie: Fehlende Ventrikelffillung bei miti3iger Subarach- noidalffillung, die links deutlich geringer als rechts ist und zwar besonders fiber den frontalen Abschnitten.

6. 8.: L .P . Liquordruck 14 cm, 18 Leuko, EiweiI3 2,1 Kafka-Einheiten, SCR 1111311244. Normomastixreaktion o. B. Auf Drangen der Patientin Entlassung am 16. 8. Eine Arteriographie wurde wegen Oberempfindiichkeit gegen Jod nicht durchgeffihrt.

29. 8. : Neuerliche Aufnahme in die Klinik, da zu Hause eine erhebliche Ver- sch]immerung eingetreten war. Je tz t auch Erbreehen. Frau K. fiel es selber auf, daI~ Kopfsehmerzen und aueh die fibrigen Krankheitserscheinungen beim Aufrichten aus der Horizontallage sich versch]immerten.

30. 8. : Verlegung in die neurochirurgische Abteilung (Doz. Dr. BUES) zur Ope- ration. Gleiches Vorgehen wie bei Fall 1. Es land sich fiber dem linken Stirnhirn nach Durehtrennung der Dura eine grauweiBlicbe Membran, so daft die Hirnrinde darunter nicht zu erkennen war. Mit dem weichen Gummikatheter konnte aus gekammerten cystischen R~umen fiber dem linken Stirnhirn fiber I0 em 3 Liquor abgesaugt werden. Die Hirnwindungen waren in diesem Bereich zuriickgesunken

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und durch das Hydrom vonder Dura abgedri~ngt. (~ber dem reehten Stirnpol fanden sieh /ihnliche, aber geringere Ver~nderungen, keine cystische Liquoransammlung. Das Hirn ffillte den nach Entfernung des Liquors nun zur Verffigung stehenden Raum erst naeh mehreren Tagen aus. Am 3. Tage zeigte eine RSntgen-Kontroll- Aufnahme noch ausgiebige Luftdepots fiber dem Stirnhirn links. Eine Encephalo- graphie 2 Wochen naeh dem Eingriff ergab jetzt eine Ftillung des Ventrikelsystems sowie der Subaraehnoidalraume. Die Luftmenge in dem Ventrikel war auch jetzt nur gering. Histologische Untersuehung der P. E. : Lockeres Bindegewebe mit zahl- reichen Fibroblasten. Nach friihzeitigem Aufstehen neuerlich Kopfschmerzen. Bes- serung dieser nach Novoeain-Injektionen in das Ganglion stellatum. Entlassung 4 Wochen nach dem Eingriff. Sparer, besonders bei Witterungswechsel geringe Beschwerden. Bei einer Untersuchung am 24. 1.56: Reaktionslose Operations- narben am Kopf. Lebhafte Reflexe, sonst kein pathologischer Befund.

Der K r a n k h e i t s v e r l a u f be i be iden P a t i e n t i n n e n ist h ins icht l ich der Vorgeschichte , der Symptoma to log i e und Beeinflussung des Zus tandes durch die K S r p e r h a l t u n g sehr i~hnlich und so charakter i s t i sch , dab da raus die Vermutungsd iagnose geste l l t ~-urde. Die fehlende Eins ich t der Kran - ken selbst u n d ihrer U m g e b u n g in die Zusammenh~nge des Leidens mi t der KSrpe rha l t ung da r f j edoch n ich t auBer Ach t gelassen werden. A u f d i rek tes Befragen der K r a n k e n nach einer en t sp rechenden eigenen Beob- ach tung k o n n t e n wir keine bes t~ t igende Angabe erhal ten . Ers t , n a c hde m die eine unserer Pa t i en t innen , K. K. , d i rek t d a r a u f hingewiesen worden war, te i l te sie d a n n bei ihrer neuer l ichen Kl in ikau fnahme , ohne d a n a c h besonders gef ragt zu sein, die Verschlechterung ihres Zus tandes durch und nach auf rech te r KSrpe rha l t ung mit . Man wird daher bei diesen K r a n k e n wohl meis t durch eigene Fes t s t e l lungen w~hrend des K r a n k e n - hausaufen tha l t e s oder w~hrend der h~usl ichen Behand lung diese Zu- sammenh/~nge aufkl~ren mfissen.

Wie le icht eine falsche Vermutungsd iagnose ges te l l t werden kann, wenn auf diese Zusammenh~nge der Verschlechterung des Zus tandes durch aufrechte KSrpe rha l t ung n ich t geni igend geach te t wird, geht aus folgender Beobach tung he rvor :

Kr. B1. Nr. 3461/55: Bei einer 65j~hrigen FrauB. Ch. war es naeh einem Jackson- Anfall zu einer lange anhaltenden Bewul3tlosigkeit und ansehliel3ender tage- langer Verwirrtheit und Benommenheit gekommen. Es stellte sich heraus, dab die Kranke vor 2 Jahren mehrere Stunden nach einem Sturz von einem Stuhl auf den Hinterkopf bewul~tlos gewesen ist und daf~ mehrere Monate spgter dann der erste epileptische Anfall aufgetreten war. Geringe Pyramidenbahnzeichen der linken KSr- perhalfte, psyehische Ver/inderungen und geringe Verdr~ngungszeichen der rechten Hemisph/~re im Luftencephalogramm und im Arteriogramm sowie Herdsymptome im EEG fiber der rechten Seh~idelkonvexit/it lieBen an eine traumatisch entstandene Hirnprellung und subdurale Flfissigkeitsansammlung fiber der rechten Hemisphere denken. Bei der Probetrepanation konute jedoch lediglich eine Hirnschwellung nachgewiesen werden. Auf Grund der weiteren Symptome, die bei fortschreitender Besserung des Zustandes zu beobachten waren, schien die Annahme berechtigt, dab es sich bei der Kranken um einen encephalomalacischen Insult vor 2 Jahren gehandelt hatte, der dann zum Sturz und der lange dauernden BewuBtlosigkeit fiihrte.

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44 H. WOLFF und E. BUES:

Eine wesentliche •eststellung scheint uns in diesem Falle zu sein, dab bei dieser Kranken die langdauernden Perioden des AuBer-Bett- Seins zu keiner Versehleehterung des Zustandes geffihrt hatten.

Bei den beiden ersten hier mitgeteilten Krankengeschichten zweier Patientirmen mit psH, das durch die Operation best/itigt und beseitigt werden kormte, war die Ursache des Leidens eine Kopfverletzung. Diese war eimnal mit und einmal ohne BewuBtlosigkeit abgelaufen und hatte bei der zweiten Kranken zu einem Sch/idelbruch geffihrt. Die Kopf- schmerzen traten unmittelbar nach dem Unfall auf, aber erst im weiteren Verlaufe kam es zu Schwindel, Unsicherheit, Ubelkeit, Erbrechen und schlieBlich bei beiden Patientinnen zu Benommenheit und Verwirrtheits- zust/~nden, die jeweils durch 1/£ngere Bettruhe bzw. durch Horizontal- lagerung gebessert, abet nicht zum Verschwinden gebracht werden korm- ten. Dutch neuerliches Verlassen des Bettes versehlimmerten sich die Beschwerden. Die luftencepha]ographischen Untersuchungen ergaben keinen, die Diagnose sichernden Befund, wenn man nicht die bei beiden fehlende Darstellung des Ventrikelsystems als Folge eines raumfordern- den Prozesses im Sch/idelhohlraum ansehen will. Auch die Untersuchun- gen des Liquors zeigten bei den ersten Punktionen nur so geringe Ver- /~nderungen, daB sie diagnostisch nicht in die Wagschale fielen. Erst nach wiederholten Kontrollen kam es dann zu EiweiBvermehrung bzw. bei der einen Patientin zu einer Xanthochromie, die uns yon wesentlicher, diagno- stischer Bedeutung zu sein scheinen, wie sp/~ter noch ausgeffihrt werden soll. Die Arteriographie unterlieBen wir bei der einen Patientin K. wegen einer Jodiiberempfindlichkeit. Bei der Patientin St. gelang es trotz Aus- richtung der RSntgenuntersuchung auf eine subdurale Flfissigkeits- ansammlung nicht, eine Abdrgngung der Hemisphere v o n d e r Schiidel- kalotte arteriographisch zur Darstellung zu bringen. Eine seitliche Ver- dr~ngung der Arteria cerebri anterior fehlte. Wir waren bei diesen beiden Patientinnen gezwungen, die Vermutungsdiagnose auf Grund des Krank- heitsverlaufes und der neurologischen Symptome zu stellen. Die geringen Pyramidenbahnzeichen, die, ebenso wie die angedeutete Seitendifferenz der Symptome, nur bei sehr sorgf~ltiger Untersuchung feststellbar waren, reichten nicht hin, um einen subduralen, raumfordernden ProzeB zu vermuten, da sowohl eine Anisokorie als auch eine Stauungspapille bei beiden Kranken fehlten. Sie waren indessen ffir die Seitenlokalisation des Prozesses verwertbar.

Entseheiden4 fiir unsere Diagnosestellung war, wie das verschiedent- lich schon erwi~hnt wurde, auBer dem verhi~ltnismi~Big niederen Liquor- druck, die Auswirkung der KSrperhaltung auf den Krankheitsverlauf. tJber niederen Liquordruck haben beim subduralen Hi~matom schon zahl- reiche Beobachter berichtet. FISCHER, DE MORSIER, G~mDNEa, CAII~S, SCHALTENBRAND und WOLFF haben betont, dab der Liquordruek bei

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Kranken mit subduralem H/~matom, trotz der Zeichen einer Hirnkoin- pression, niedrig sein kann. Dieses ist besonders bei ~lteren Personen der Fall, wi~hrend bei jiingeren Menschen der Liquordruck beim ausgepr~g- ten Krankheitsbild gewShnlieh erhSht gefunden wird. Mo~sIER vertrat die Aasicht, dab bei emem Kranken, bei dem ein neurologischer Befund erhoben werden kaan, der ffir einen Hirntumor charakteristisch ist und bei dem die Lumbalpunktion einen normalen, bzw. herabgesetzten Liquordruck aufdeckt, die Diagnose eines subduralen Hi~matoms sehr wahrscheinlich sei.

Bei unseren Patientinnen mi$ psi[ war der Liquordruck zwar nicht sicher krankhaft erniedrigt, aber mit 8,5 und 10 cm etwa an der unteren Grenze der Norm. Eine Stauungspapille wurde, wie bereits erw~hnt, bei beiden Patientinnen nicht beobachtet. ~hnlich, wie das fiir das subdurale Hi£matom beschrieben wurde, ftihrte die L. P. auch bei unseren beiden Kranken mit psI-I zu einer deutlichen Verschlechterung des Zustandes. Bei der Patientin St. wurde gleich zu Begirm der klinischen Beobaehtung eine L. P. vorgenommen, w/~hrend bei der Patientin Kr., bei der bekann- terweise 10 Tage vor der Klinikaufnahme eine Kopfverletzung mit Brueh des Schl~fenbeines stattgefunden hatte, eine SOP angezeigt erschien und erst spiiter, nachdem sich marmigfache diagnostische Schwierigkeiten ergeben hatten, wurde die L. P. durchgefiihrt.

Die krankheitsversclMimmernde Folge der L. I ). bei diesen Kranken ist auf die sog. Stichloehdrainage zuriiekzuffihren. Das Abfiiel3en des Liquors durch das Punktionsloeh in der Dura bewirkt eine Zunahme der schon vorhandenen Liquordi'uekverminderung und dami~ eine Versehlim- merung der hypotensionellen Beschwerden. Bei aufrechter KSrperhal- tung nimmt die Liquordrucksenkung im Sch/~del auf Grund der ver~nder- ten hydrostatischen und h/~modynamischen Bedingungen zu. Begiinstigt durch den Sog im Sch~delhohlraum wird e~e r weiteren Ausdehnung des subduralen t)rozesses Vorschub geleistet. Weiterhin kann es unter der Auswirkung der intrakraniellen Hypotension zu einem HirnSdem bzw. einer Hirnschwelluug kommen, die zur weiteren Verschleehterung des Zustandes ffihrt.

Die Liquorveri~nderungen, die im Laufe der Beobachtung bei unseren Patientinnen naehzuweisen waren, lassen sieh auf die Auswirkung der postpunktionellen i[ypotension zurfiekfiihren. Zuni~ehst kommt es zwar gewShnlich dureh das AbfiieBen des eiweiBreichen Lumballiquors zu einer Abnahme der Eiweil~werte. Sp~ter aber karm man bei l~nger an- haltendem hypotensionellem Zustan4, wie das bei unseren Kranken wohl der Fall war, EiweiBanstieg und Xanthochromie im Liquor beobachten. Durch die Sogwirkung kommt es zum Austreten yon Blutplasma und zum Auftreten von Blutextravasaten in die den Liquor begrenzenden Gewebe.

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46 H. WOLFF und E. BuEs:

Die Entstehungsbedingungen traumatischer subduraler Hydrome kann man sich folgendermaBen vorstellen: Durch eine traumatische Sch~digung der Pia-Arachnoidea, mSglicherweise mit geringen Blu- tungen, kam es zu arachnoidalen Verklebungen und dadurch zu StSrun- gen der Liquorzirkulation in diesem Abschnitt des Subarachnoidal- raumes. Weiterhin entsteht durch den traumatischen Schock, also die vasomotorische Wirkung, eine Blutdrucksenkung und infolge dessen eine intrakranielle Hypotension, die besonders bei aufrechter KSrperhaltung, wie bereits erw£hnt, sich auswirkt und eine Transsudation bzw. eine Liquoransammlung fiber der Hh.nkonvexit~t im subduralen Spalt, wo sonst kein Liquor zu finden ist, begfinstigt. Eine Herabsetzung des intra- kraniellen Druckes kann auch durch LiquorabfluB aus einer traumatisch bedingten Dura-Ruptur zustande kommen, wie das im Zusammenhang mit den mSglichen Folgen einer L. P. geschildert wurde. Nach allmKh- licher Wiederhersteliung des intrakraniellen Druckes wirkt nun die Liquoransammlung in den durch die Verklebung entstandenen, yon der freien Kommunikation ausgesch]ossenen Kammern, als raumfordernder ProzeB. Wir sehen hier beim psH den gleichen Mechanismus wie er bereits frfiher yon WOLFF fiir die Entstehung des subduralen H~matoms beschrieben wurde.

WOLFF hat darauf hingewiesen, dail ffir die Entstehung von Blutan- sammlungen im Subduralspalt die abnorme Senkung des Liquordrucke~ eine sehr wichtige Voraussetzung ist. Da der Liquordruck physio- logischerweise h6her liegt als der Venendruck, kann ein BlutausfluB aus den Venen und eine Blutansammlung im Subduralspalt nach Ver- letzung des ven6sen Gefi~l~abschnittes, wie das bei Kopfverletzungen gelegent]ich der Fall ist, nur bei abnorm erniedrigtem Sch~delinnendruck entstehen. Die subdurale Blut- oder Liquoransammlung kann aber dann ihrerseits auf die Liquorproduktion einen vermindernden EinfluB aus- fiben, tiber die ursi~chlichen Zusammenhi~nge dieses Vorganges besteht bisher jedoch noch keine Klarheit. Auch die sog. Hirnentquellung, die mangelnde Fi~higkeit des Gehirns nach Beseitigung der komprimierenden Substanz im Subduralspalt sich wieder auszudehnen, dfirfte mit der ver- minderten Liquorproduktion bzw. der intrakraniellen Hypotension im Zusammenhang stehen. Nach operativ ausgeheilten subduralen Hi~ma- tomen oder Hydromen findet man beiKontrollpunktionen normale Liquor- druckwerte. In diesem Zusammenhang mul~ auch darauf hingewiesen werden, dab subdurale Liquor- oder Blu~ansammlungen weder nach Meningitiden, die ja mit mehr oder weniger starken Liquordrucksteige- rungen verbunden sind, noch nach Hirnoperationen, sower diese keine intrakranielle Hypotension bewirken, beobachtet werden.

Das subdurale Hi~matom und das subdurale Hydrom sind Erkran- kungen, die wahrscheinlich nur beim Menschen bzw. bei Tieren mit

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aufrechter Haltung und entsprechend entwickeltem Him-Liquor- System auftreten. Es ist bekanntlieh nicht gelungen, bei Tieren experimentell ein subdurales H~matom zu erzeugen.

Die Behandlung des psH muB, den Erfahrungen beim subduralen H~matom entsprechend, mit dem es ja groBe ~hrdichkeit besitzt, dureh- gefiihrt werden. Eine konservative Behandiung ist aussichtslos. Die Ent- fernung der Fliissigkeitsansammlung auf ehirurgischem Wege ist un- bedingt erforderlich. Weiterhin muB aber auch auf die offenbar gesch~- digte Liquorproduktion und die sog. Hirneatquel]ung bei der Behand- lung Rticksicht genommen werden. Eine sorgf~ltige Horizontallagerung, auch naeh dem operativen Eingriff, und ein Ausgleieh des Wasserdefizits, der durch Erbrechen und mange]ride Fliissigkeitsaufnahme entstanden ist, sind durch Infusionen anzustreben. Auch durch lokale hyper~misie- reade Nfal3nahmen (Stellatumanacsthesie) kann gelegentlich ein gfinstiger Erfolg erzielt werden.

Zusammenfassung

Von 2 Kr~nkenbeobaehtungen ausgehend, wurde die diagnostische Verwertbarkeit des Krankheitsverlaufes beim posttraumatischen sub- duralen Hydrom hervorgehoben. Die Versehlechterung des Zustandes durch die aufreehte KSrperhaltung war bei diesen Kranken deutlich und gab im Zusammenhang mit dem nicht erhShten Liquordruck, sowie den neurologischen Symptomen and den subjektiven Klagen Hinweise fiir die Vermutungsdiagnose. Die Luftencepha]ographie und bei einer Kranken die Arteriographie f/ihrten zu keiner Kl~rung des Krankheits- brides. Die traumatische Entstehung des subduralen Prozesses konate bei der einen Kranken sieher, bei der zweiten mit/iberwiegender Wahr- scheinlichkeit nachgewiesen werden und st/itzte die diagnostischen l%st- stellungen. Obwohl die r~umliche Ausdehnung der Hydrome nur gering und infolgedessen die neurologischen Symptome nur minimal waren, ent- wiekelte sich ein schweres Krankheitsbild, das durch chirurgisehe Be- handlung vollst~ndig beseitigt werden konnte. Zur Frage der Patho- genese wurde ausffihrlich Stellung genommen.

Literatur

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Professor Dr. H. WOLFF, Medizinisehe Universit~ts-Klinik, Kie]