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P. PLAT~: Nichtchromaffine Paragangliome des Vagus 385 18. P. PLATIt-Dfisseldorf: Zur Differentialdiagnose der Tumoren des lateralen ttalsbereichs: Nichtchromaffine Paragangliome des Vagus Die sogenannten Glomustumoren odor nichtchromaffinen Para- gang]iome haben in den letzten zehn Jahren auf unserem Fachgebie~ eine zunehmende Bodeutung erlangt (GASTPAR). So konnten wir schon 1958 mohr als 300 Falle solchor Tumoron irn Bereich des Ohres zusam- menstellen (PLATH) ; diese Zahl hat sich sei~dem etwa verdoppolt. Ebenso sind die Glomustumoren am I-Ialse zwar relativ nieht sohr haufig, mfisson aber doch boi Fallen mit Tumoren des lateralen Halsbereiches differen- tialdiagnostisch in Erwagung gezogon werden (BoETT]~). Neben dora sehon lange bekannten Glomus caroticum kommen als Ursprungsort vor allem Paraganglien im Ganglion nodosum und in seiner unmittelbaren Nach- barschaft in Frage; KL~rNSASS~g (1963) hat kfirzlich 42 Falle mit Glomustumoron in diesem Bereich zusammengestel]~. Darfiber hinaus sind abet auch Glomustumoron in andoren Halsgobieten beschrieben wor- den. R6SSlNG berichtet schon 1935 fiber das Auftreton eines enteneigroBen Tumors an der linken Halsseite, dor den histologisehen Aufbau einos Tumors des Glomus caroticum zeigte, dot abor keine Verbindung zu dem unverander~en Paraganglion oder zu einem anderen Organ des I{alses h~tte. M_~cusv. u. CHAM~RLn~ berichten fiber einen Fall mit Tumoren der Paraganglia carotiea beiderseits, boi dem auBerdem noch mehrero Knoten gleicher histologischer Struktur, sicher koine Metastasen, bestanden, die im Verlauf des linken Vagus lokalisiert waren. J~I~NSTlCOM u. FRY fanden einen Glomustumor ira Bereich des l~. vagus, der mit dem Glomus caro~icum und dem Ganglion nodosum sieher keine Verbin- dung hatte. Gleichartige F~lle werden yon DEBAIN; PETIT-DUTAJ:LLIS; DALLAC~Y U. SIMPSON sowie ISrAeL U. BOLLI~G~ beschrieben. Auch im Bereich des Kehlkopfes hat man mohrfach Glomustumoren gefunden (ANDREWS; BERTOGALLI, CALEAI~O U, PIGNATAI%0; BLANCIIARD U. SAU~DE~S; ZwI~LHOF]~). PAu~z boriohtet fiber das Vorkommen yon ,,accossorischen Drfisen des Glomus caroticum" im lateralen Halsbereich; diese anatomische Beobachtung ist wohl als Grund ffir die vielseitige LokaHsation der Glomustumoren am Halse anzusehon. Das Auftreten multipler Glomustumoren, wie es haufig besohrieben wird, ist nach KL]~I~SASS]~ (1957) Ausdruek daffir, daI~ diese Tumoren in vielen Fallen eher Hyperplasien als/qeoplasien darstollen. Wit kSnnen fiber drei Falle mit Glomustumoren am Hals berichten, die in letzter Zeit an unseror Klinik beobachtet wurden: .Fall 1. 41j~hrige Frau, die niemals erustlich krank war. Seit 1~/~ Jahren vor der ersten Untersuchung bei uns beobachtete sie eine langsam zunehmende Schwel- lung an der li. Halsseite, die ihr sonst keine Beschwerden bereitete. Man ffihlte in der Tiefe der Halsmuskulatur li. einen etwa eigroi~en, verh~ltnism~l~ig weichen, ver- schieblichen, nicht pulsierenden Knoten, der keine Druckschmerzhaftigkeit aufwies. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk., Bd. 182 (Kongrel~bericht 1963) 25

Zur Differentialdiagnose der Tumoren des lateralen Halsbereichs: Nichtchromaffine Paragangliome des Vagus

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Page 1: Zur Differentialdiagnose der Tumoren des lateralen Halsbereichs: Nichtchromaffine Paragangliome des Vagus

P. PLAT~: Nichtchromaffine Paragangliome des Vagus 385

18. P. PLATIt-Dfisseldorf: Zur Differentialdiagnose der Tumoren des lateralen ttalsbereichs: Nichtchromaffine Paragangliome des Vagus

Die sogenannten Glomustumoren odor nichtchromaffinen Para- gang]iome haben in den letzten zehn Jahren auf unserem Fachgebie~ eine zunehmende Bodeutung erlangt (GASTPAR). So konnten wir schon 1958 mohr als 300 Falle solchor Tumoron irn Bereich des Ohres zusam- menstellen (PLATH) ; diese Zahl hat sich sei~dem etwa verdoppolt. Ebenso sind die Glomustumoren am I-Ialse zwar relativ nieht sohr haufig, mfisson aber doch boi Fallen mit Tumoren des lateralen Halsbereiches differen- tialdiagnostisch in Erwagung gezogon werden (BoETT]~). Neben dora sehon lange bekannten Glomus caroticum kommen als Ursprungsort vor allem Paraganglien im Ganglion nodosum und in seiner unmittelbaren Nach- barschaft in Frage; KL~rNSASS~g (1963) hat kfirzlich 42 Falle mit Glomustumoron in diesem Bereich zusammengestel]~. Darfiber hinaus sind abet auch Glomustumoron in andoren Halsgobieten beschrieben wor- den. R6SSlNG berichtet schon 1935 fiber das Auftreton eines enteneigroBen Tumors an der linken Halsseite, dor den histologisehen Aufbau einos Tumors des Glomus caroticum zeigte, dot abor keine Verbindung zu dem unverander~en Paraganglion oder zu einem anderen Organ des I{alses h~tte. M_~cusv. u. CHAM~RLn~ berichten fiber einen Fall mit Tumoren der Paraganglia carotiea beiderseits, boi dem auBerdem noch mehrero Knoten gleicher histologischer Struktur, sicher koine Metastasen, bestanden, die im Verlauf des linken Vagus lokalisiert waren. J~I~NSTlCOM u. FRY fanden einen Glomustumor ira Bereich des l~. vagus, der mit dem Glomus caro~icum und dem Ganglion nodosum sieher keine Verbin- dung hatte. Gleichartige F~lle werden yon DEBAIN; PETIT-DUTAJ:LLIS;

DALLAC~Y U. SIMPSON sowie ISrAeL U. BOLLI~G~ beschrieben. Auch im Bereich des Kehlkopfes hat man mohrfach Glomustumoren gefunden (ANDREWS; BERTOGALLI, CALEAI~O U, PIGNATAI%0; BLANCIIARD U. SAU~DE~S; ZwI~LHOF]~). PAu~z boriohtet fiber das Vorkommen yon ,,accossorischen Drfisen des Glomus caroticum" im lateralen Halsbereich; diese anatomische Beobachtung ist wohl als Grund ffir die vielseitige LokaHsation der Glomustumoren am Halse anzusehon. Das Auftreten multipler Glomustumoren, wie es haufig besohrieben wird, ist nach KL]~I~SASS]~ (1957) Ausdruek daffir, daI~ diese Tumoren in vielen Fallen eher Hyperplasien als/qeoplasien darstollen.

Wit kSnnen fiber drei Falle mit Glomustumoren am Hals berichten, die in letzter Zeit an unseror Klinik beobachtet wurden:

.Fall 1. 41j~hrige Frau, die niemals erustlich krank war. Seit 1~/~ Jahren vor der ersten Untersuchung bei uns beobachtete sie eine langsam zunehmende Schwel- lung an der li. Halsseite, die ihr sonst keine Beschwerden bereitete. Man ffihlte in der Tiefe der Halsmuskulatur li. einen etwa eigroi~en, verh~ltnism~l~ig weichen, ver- schieblichen, nicht pulsierenden Knoten, der keine Druckschmerzhaftigkeit aufwies.

Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk., Bd. 182 (Kongrel~bericht 1963) 25

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386 P. PLAW~: Nichtchromaffine Paragangliome des Vagus

Bei der Operation stieB man dicht unter der Haut bereits auf die vorgedr~ngte Teilungsstelle der A. earotis; die V. jugularis war komprimiert und ebenfalls nach lateral verdr~ngt. Hinter der Teilungsstelle der A. carotis land sich ein etwa pflaumengroSer Tumor. Er war mit seiner Kapsel mit dem N. vagus verwaehsen, konnte aber unter Schonung des 1%rven in toto entfernt werden. Die Spitze des Tumors reichte nach cranial bis in die ttShe der Massa Iateralis des Atlas. Die histologische Untersuehung am Pathologischen Institut unserer Krankenanstalten (Direktor: Profi Dr. H. M~ssv.~) ergab einen Glomustumor. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Bei der letzten l~aehuntersuchung, 15 Monate naeh der Operation, ergab sich kein Anhalt far ein Rezidiv.

~'all 2. 47jghriger Mann, der nicht ernstlich krank gewesen ist. Seit einigen Jahren bestand an der ]i. Halsseite eine waehsende Gesehwulst, die in der letzten Zeit zu Sehluekbesehwerden gefiihrt hatte. Es bestand ein st~ndiger Hustenreiz. Bei der Operation gelangte man auf ein sehr blutreiehes, schwammiges Gewebe dieht unter der I-Iaut, das bis in die HShe des ~eso- und Hypopharynx sieh ans- dehnte und hier die Schleimhaut vorwSlbte. Der Tumor hatte die A. carotis eom- munis und ihre Bifurkation umwaehsen, ferner ein Stack der Aa. earotis externa uud interna mit einbezogen, so da$ es nur unter erhebliehem Bhtverlust gelang, die groBen Gef~$e freizuprgparieren; A. earotis externa und V. jugularis mu~ten unterbunden werden. Der I~. vagus war derart vom Tumor durehsetzt, da$ er nicht auffindbar war. Nach oben reiehte der Tumor bis an die Sch~delbasis. Inter opera- tionem durehgeFuhrte Schnellsehnitte aus versehiedenen Tumorabschnitten ergaben alle einen Glomustumor, ebenso die Untersuehung des Operationsprgparates. Der postoperative Verlauf war bis auf eine leiehte StimmstSrung und ein Anhalten des ttustenreizes komplikationslos. In dem halben Jahr der Iqaehbeobachtung hat sieh kein Anhalt far ein l~ezidiv ergeben.

Fall 3. 52j~hrige ~rau mit einer seit 8 gahren zunehmenden Schwellungam Halse ]i. In letzter Zeit zunehmende Spreeh- und Sehluekbeschwerden. Da das li. Tonsillen bert stark vorgewSlbt war, wurde 1958 eine Resttonsillektomie vorgenommen. Wir fanden jetzt eine mehr als apfelgroBe, pulsierende Gesehwulst in der Tiefe der li. Halsmuskulatur und eine Vorw51bung im Bereich des Gaumens und Mesopharynx li. Bei der Operation kurz vor diesem KongreB fand sieh ein groBer, leicht blutender Tumor, der yon der Seh~delbasis bis herunter in 1-I5he der Carotisbifurkation reichte; diese ]ag aber nur am Rande des Tumors und war, ebenso wie die A. carotis eommunis weiter naeh caudal, yon einem Gefleeht varieenartig verdickter Gef~Be bedeekt. Der Iq. vagus und der ~q. aecessorius waren kolbig aufgctrieben, der N. vagus Wies mehrere verdickte Knoten auf. Ein Schnellschnitt aus dem Bereich des Haupt- tumors und eine Reihe yon Sehnitten aus versehiedenen Tumoranteflen ergaben alle das Bfld eines m ~ i g vascularisierten Glomustumors.

W a h r e n d im 1. Fal l der Tumor sicher weder im Glomus carot icum noch im Bereich des Gangl ion nodosum seinen Ursprung haste, sondern wahrscheinlich in e inem Paragangl ion, das wohl in HShe der Caro~is- b i furka t ion lag, aber in direkter Nachbarschaf t des N. vagus, erscheint es in dem zweiten Fal l nach dem eingangs Gesagten n icht mehr feststelL bar, wo der Tumor seinen Ursprung gehabt ha t : Sowohl das Glomus carot icum als aueh das Paragangl ion nodosum kSnnen der Ausgangs- p u n k t dieses ausgedehnten Glomustumors gewesen sein, ebenso aber aueh andere, im Bereieh des cervicalen N. vagus gelegene Paragangl ien, da der ~ e r v nicht , w i t bei den T u m o r e n des Glomus carot ieum meis~ens,

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G. FULL-SctIXl~REtr Pathologie der nichtlymphatischen Kieferwinkeltumoren 387

verdrs sondern in ibm aufgegangen war. I m dri t ten Falle scheinen, wie schon mehrfaeh beschrieben (MA~cUsE U. CHAM~EgLIN; PETIT- DVTXrLLIS), multiple Paragangliome im Bereich des N. vagus und auch des N. aceessorius vorgelegen zu haben.

Die endgfiltige Diagnose eines Glomustumors ist immer nur histo- logisch zu stellen. Differentialdiagnostisch weisen das langsame, aber stetige Wachsen eines relativ weichen Tumors, das Fehlen entzfindlicher Ver/~nderungen und die Darstellbarkeit im Angiogramm auf das Vor- liegen eines solchen Tumors bin. Wegen der m6glichen Komplikat ionen bei der Operation muB daher bei der Differentialdiagnose der Tumoren des seitlichen ItMsbereiches auch an die Glomustumoren gedacht werden, wobei diese im gesamten Bereich des cerviealen N. vagus und ansehei- nend aueh anderer, parasympathiseher Nerven ihren Ursprung haben k6nnen.

Literatur

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19. G. FULL-SCtLkRRER-Mfinehen: Zur Symptomato]ogie, Klinik und Pathologie der nichtlymphatischen Kie~erwinkeltumoren (l~Iit 2 Textab- bildungen)

Liegt eine Schwellung im Kieferwinkelbereieh vor, so bleibt im allgemeinen die klinische Diagnostik trotz aller Verfeinerung un- befriedigend. Meist hilft wegen der besonders engen topographisehen Beziehungeu der in diesem Bereich liegenden anatomischen Gebilde nur

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