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Zur Epidemiologie des Suizids - Zahlen, Daten, Fakten Vortrag von PD Dr. Carlos Watzka (Universität Graz / SUPRA / Trinum) Im Rahmen der Fachtagung Suizidprävention – Klagenfurt, 14.09.2017

Zur Epidemiologie des Suizids - Zahlen, Daten, Fakten · •Präsentation basaler Daten zur Suizidalität in Österreich, von Statistik Austria im Rahmen ... Methodisches, Definitorisches

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Zur Epidemiologie des Suizids

- Zahlen, Daten, Fakten

Vortrag von PD Dr. Carlos Watzka

(Universität Graz / SUPRA / Trinum)

Im Rahmen der Fachtagung Suizidprävention –

Klagenfurt, 14.09.2017

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1. Einleitende Bemerkungen

• Epidemiologische Perspektive

Was sie nicht leisten kann: Einzelfall-Analyse, vollständige kausale Aufklärung

Was schon: Herausarbeitung von Häufigkeiten, Risiken, typischen Konstellationen

Dabei Annahme, dass wenn über Merkmale der Suizidenten mehr bekannt ist,

Prävention besser, zielgerichteter gestaltet werden kann

• Vortragender ist Soziologe – sozialwissenschaftliche Perspektive im Vordergrund

• GLIEDERUNG:

• Präsentation basaler Daten zur Suizidalität in Österreich,

von Statistik Austria im Rahmen der allg. Todesursachenstatistik erhoben

• Dann Präsentation ausgewählter Ergebnisse epidemiologischen Studien

des Verfassers zu größerer Bandbreite von Risikofaktoren

• Zuvor einige methodische und definitorische Bemerkungen und

eine Einordnung im internationalen Kontext

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• Statistik wird niemals vollständig exakt sein können, ebenso wenig wie andere

Form der Beschreibung von Welt, ist eine Abstraktion von Realität

– aber eine sehr kontrollierte. Reliabilität und Validität als zentrale Gütekriterien

• Naheliegender Weise bei Todesursachenstatistik und speziell bei Suiziden

bes. Erhebungsprobleme: Stigmatisierung, rechtliche Folgen (Versicherungsbereich)

• Eine Klassifikation kann falsch-positiv oder falsch-negativ erfolgen,

also konkret ein Unfall oder Mord irrtümlich oder absichtlich als Suizid erfasst werden,

oder umgekehrt ein tatsächlicher Suizid vertuscht oder übersehen werden

• Was meint „Suizid“ genau? – hier und auch bei Statistik Austria nach WHO:

• „eine Handlung mit tödlichem Ausgang, die der Verstorbene mit

Wissen und in Erwartung des tödlichen Ausgangs selbst geplant und ausgeführt hat mit

der Absicht, die [...] gewünschten Veränderungen herbeizuführen“

2. Methodisches, Definitorisches

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• Für Suizidstatistik gilt daher in besonderem Maß, dass eher Unterschiede

in Raten aussagekräftig sind als deren absolute Höhen. wegen unterschiedlicher Erhebungsstandards

sind globale Vergleiche weniger präzise als innereuropäische oder innerstaatliche.

• Messaspekte – Suizidrate - in der einfachen, wichtigen „rohen“ Form:

SR = Anzahl Suizide in einem Jahr durch Einwohnerzahl mal 100.000

Sehr häufig angewandt: Altersstandardisierte Suizidrate (ASR)

Auch aufschlussreich, wenig verwendet - Suizidratio:

Anteil der Selbsttötungen an allen Todesfällen in einem Zeitraum

betrug in Ö nach 2000 1,5-2 % jährl.; in den 1980er Jahren bis 2,5 % -

bedeutet im Umkehrschluss, dass, wenn derzeitige Suizidhäufigkeit

gleichbleibt sich von derzeit lebender öst. Bevölkerung

von ca. 8,8 Millionen über 150.000 (!) früher oder später

selbst das Leben nehmen werden ...

2. Methodisches, Definitorisches

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3. Suizide – Global – aktuelle Karte WHO

Weltweit

gesehen liegen

Hochrisiko-

gebiete für

Suizid seit

mehreren

Jahrzehnten v.a.

in Osteuropa

und Japan,

seit einiger Zeit

– wohl als

Folge der

Globalisierung –

aber auch in

Indien und

Teilen Afrikas

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4. Suizide –Europa – Daten 2015 (rohe SR)

Innerhalb Europas

liegt Österreich mit

einer (rohen)

SR von 16 (gem.

WHO) im oberen

Drittel, nicht an der

Spitze – lässt man

die ehemaligen

„Ostblockstaaten“

beiseite, ist aber die

Situation nur in

Frankreich und

Belgien noch

schlechter ...

Todesursachenstat.

der Stat. Austria

liefert etwas

niedrigere Daten,

für 2015 SR ca. 15.

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5. Suizide und Suizidraten Österreich 2000-15

Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Ö 1588 1489 1553 1456 1422 1399 1297 1285 1267 1278 1264 1288 1276 1291 1314 1251 1204

SR 19,8 18,5 19,3 18,0 17,5 17,1 15,7 15,5 15,3 15,3 15,1 15,4 15,2 15,3 15,4 14,6 13,8

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Suizidrate (roh) in Österreich, 2000-2016 Rate der Suizide war

nach Absinken 2000-06

von einem Stand von

ca. 20 auf ca. 15

2007 bis 2014 nahezu völlig

gleichbleibend,

in den letzten beiden

Jahren gewisser

Abwärtstrend –

erfreulicherweise!

Daten: aktuelle, korr.

Zahlen der Statistik

Austria, eigene

Ratenberechnung

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6. Suizidraten im Bundesländervergleich, 1995-2016

10

12

14

16

18

20

22

24

26

1995-99 2000-04 2005-09 2010-14 2015 2016

B K N O S St T V W

St

W

St

S

S

K

W

K

N

N

O

O

B

B

T

T

V

V

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7. Basale Befund zur österreichischen Suizidstatistik: Geschlecht

• Sog. Gender-Ratio –

• In den Jahren 2000-2015 in Österreich im Durchschnitt

bei 3,1 : 1 - d.h. auf 1 Suizid einer Frau drei von Männern.

keine Universalie, nicht biologisch fixiert –

in Südasien z.B. eher 1:1 - dort mit diskriminierter,

depravierter Lebenslage von Frauen gekoppelt

In Europa in meisten Staaten Verhältnis von ca. 3:1 –

• Suizidraten bei Männern liegen in den letzten Jahren in

Ö. bei ca. 24, bei Frauen bei ca.7

(pro 100.000 Personen und Jahr)

907;

75%

297;

25%

Suizide 2016

Männer Frauen

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8. Basale Befund zur österreichischen Suizidstatistik: Alter

• Grundbefund in den letzten Jahrzehnten gleichbleibend:

das individuelle Risiko für Suizid steigt mit zunehmendem Alter,

insbesondere ab dem Pensionsalter stark an,

hierbei bei Männern noch viel massiver als bei Frauen.

ABER – und das ist präventiv ebenso wichtig – es wäre falsch,

daraus abzuleiten, dass Menschen im Seniorenalter zahlenmäßig

insgesamt die meist betroffenen wären -

(ist nicht der Fall, weil diese Altersklassen bereits „dünner besetzt“):

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8. Basale Befunde – Alter

Suizidraten nach Altersklassen (Daten für Steiermark, 2000-2009)

Aus: Watzka 2015, S. 143.

5,4

9,9

18,1 20,4

28,3

32,5

45,7

57,7

66,3

0

10

20

30

40

50

60

70

10 bis 19 20 bis 29 30 bis 39 40 bis 49 50 bis 59 60 bis 69 70 bis 79 80 bis 89 90 und

mehr

Suizidrate

37

76

159

200 211 212 211

147

23

0

50

100

150

200

250

10 bis 19 20 bis 29 30 bis 39 40 bis 49 50 bis 59 60 bis 69 70 bis 79 80 bis 89 90 und

mehr

Suizide

Suizide nach Altersklassen (Daten für Steiermark, 2000-2009)

Aus: Watzka 2015, S. 145.

Alter 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80+

RR 0,22 0,43 0,71 1,11 1,50 1,76 2,17 3,92

NB: in letzten Jahre relative Zunahme

bei Jugendlichen u. jungen Erwachsenen!

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• Die eben dargestellten Daten,

ebenso wie folgende,

nach Watzka (2015):

Bibliog. Hinweis • Zwei Ebenen analysiert –

1) Makrodaten für Österreich,

bes. für regionale Vergleiche auf

Bezirksebene

(Hintergrund: bes. hohe Suizidrate

der Steiermark – finanziert von

Land Steiermark)

2) Individualdaten (anonymisiert) -

hier beschränkt auf Steiermark,

auf Basis von Todesursachenstatistik

polizeilichen Akten und Informationen

der Sozialversicherungsanstalten

Datenbasis: 2000-2009

Konzept der Studie

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9.1. Raum: Regionale Unterschiede auf Bezirksebene:

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

-> Hochrisiko-Region

im inneralpinen Bereich,

bes. Steiermark,

relativ günstige Lage

im äußersten Westen

und im Bereich Wien

und Umgebung sowie

nördliches Burgenland

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9.1. Raum: Regionale Unterschiede - Aktuelle Daten, bes. für Kärnten:

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

Bezirk H 2015 SR 2015 H 2016 SR 2016

201 Klagenfurt Stadt 26 26,6 20 20,2

202 Villach Stadt 12 19,8 7 11,4

203 Hermagor 4 21,6 4 21,7

204 Klagenfurt Land 12 20,4 14 23,7

205 Sankt Veit an der Glan 12 21,7 17 30,6

206 Spittal an der Drau 19 24,7 16 20,9

207 Villach Land 12 18,7 17 26,3

208 Völkermarkt 5 11,9 8 18,9

209 Wolfsberg 15 28,1 11 20,6

210 Feldkirchen 11 36,6 5 16,5

2 Kärnten ges. 128 23,0 119 21,2

620 Murtal 26,1 (21,9)

623 Südoststeiermark 25,6 (20,9)

614 Murau (21,1) 42,3

322 Waishofen a.d. Thaya (15,2) 37,9

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• 9.2. Verteilung der Suizide nach Wohnortgröße als relevanter Faktor?

zeigen sich zumindest für Österreich nur geringe Differenzen

einzelne größere Städte – etwa Wien – günstiger gestellt

9.3. Zeitliche Verteilung der Suizide

es gibt keine sehr ausgeprägten saisonalen Schwankungen,

etwas höhere Suizidfrequenzen im Frühling und Sommer

(8-10 % der jährlichen Gesamtsterblichkeit je Monat)

als im Herbst und Winter (7-8 % je Monat)

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.4. Familienstand, Partner-, Elternschaft

als Risiko- bzw. Protektivfaktoren

• Familienstand: bei Berücksichtigung der

unterschiedlichen Alterszusammensetzung

haben Verheiratete in den meisten

Altersklassen die niedrigsten Suizidraten.

Der Effekt kehrt sich allerdings ab 70 um.

(Daten f. ST 2005-2009)

• Partnerschaft: schlecht erhebbar –

• Elternschaft: minderj. Kinder

als Protektivfaktor

11

27

57

46

76

31

54

2 7

14

24

29

47

139

15

24 30

35

55

24

36 39

62 67

48

111

0

20

40

60

80

100

120

140

160

20 bis 29 30 bis 39 40 bis 49 50 bis 59 60 bis 69 70 bis 79 80 plus

Ledige Verheiratete Verwitwete Geschiedene

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.5. Erwerbsstatus – hier für Steiermark nach Analyse der Polizeiakten

(+) vermutlich Überschätzung aufgrund von Verzerrungen in der Datenbasis

(-) vermutlich Unterschätzung aufgrund von Verzerrungen in der Datenbasis

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

N

ermittelt

N hoch-

gerechnet

MW

Alter

in Jahren

Anzahl in

Bevölkerung

lt. VZ 2001

geschätzte

Suizidrate

Pensionist/in 433 812 72 286.613 57

Beschäftigungslose/r 60 110 39 37.756 58

Schüler/in und Student/in 19 35 20 59.283 12 (-)

aktive/r Selbstständige/r 23 42 49 40.951 21

aktive/r Landwirt/in 21 39 51 24.011 33 (-)

aktive/r Arbeiter/in 61 112 40 205.516 11 (+)

aktive/r Angestellte/r 45 84 43

261.154

9 (+) aktive/r Beamter/in 15 28 48

Summe 683 1274 --- ---- ----

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• 9.6. Ausbildungsniveau

• wäre inhaltlich sehr wichtige Variable.

Aber keinerlei systematische Angaben, weder in Polizeiakten

noch in Sozialversicherungsinformationen oder Todesursachenstatistik

einziger einigermaßen dokumentierter Aspekt: Personen mit tertiärem

Abschluss (Uni, FH) - akad. Titel angegeben. Sind unter Suizidenten klar

unterrepräsentiert (ca. 2 % ang. Titel bei ca. 5 % Bevölkerungsanteil )

• 9.7. Einkommen

• für STGKK-Versicherte der Jahre 2005-09 Letztbezüge - Vergleich mit Gesamtbevölkerung:

60 % der Suizidenten erhielten maximal Brutto-Medianeinkommen

(bei Gleichverteilung mit Gesamtbevölkerung müssten es eben 50 % sein)

Bezieher niedriger Einkommen deutlich häufiger suizidiert

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.8. Schichtung:

komplexe Analyse, war hier aufgrund Datenlage der polizeilichen Akten

nur in Vorgängerstudie 2000-2004 möglich – für Steiermark ergibt sich:

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

0

5

10

15

20

25

30

I A I B II A II B III A III C IV

Mindest-Suizidrate Geschätzte Suizidrate

IA: Akademiker

IB: Unternehmer und Manager

IIA: Fachangestellte

IIB: Büro- u. kaufm. Angestellte

IIIA: Andere Dienstleistungsberufe

IIC: Facharbeiter u. Handwerker

IV: Fabrikarbeiter, Hilfsarbeiter u.a.

NB: Nicht abgebildet:

Land- und Forstwirte –

bei weitem höchste Suizidraten

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• 9.9. Geburtsland sowie Staatsbürgerschaft

• im Ausland Geborene hatten niedrigere Suizidraten –

• Auch gemäß Staatsbürgerschaft Suizidraten der „Ausländer“

deutlich unter jenen der „Inländer“ (ca. 10 vs. 24 in Stmk.) –

bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Altersstruktur

reduziert sich die Differenz – das Relative Risiko liegt mit ca. 40 %

aber deutlich unter dem der Inländer.-

• Aber: Bei jungen Männern nur wenig niedriger, bei jugendlichen Ausländern

sogar erheblich (RR 1,5) über dem Risiko der Inländer.

• 9.10. Religionszugehörigkeit:

Datenlage bes. schlecht,

aber innerhalb Österreichs wenig Auffälligkeiten zwischen Konfessionen zu erkennen

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.11. Allgemeinmedizinische Versorgung

Umfangreiche Daten in SVI: Angaben zu Hausarztbesuchen

(körperliche und psychische Erkrankungen)

von 444 STGKK-Versicherten, die sich 2005-09 suizidierten,

waren in den letzten 3 Lebensjahren 96% zumindest einmal

in allgemeinmed. Praxis, im letzten Lj. 90 %,

im letzten, „angebrochenen“ Quartal (0-3 Monate) 67 %!

Hier also großes suizidpräventives Potential

(Deckt sich mit vielen Untersuchungen zum Thema)

Zahlen differieren für M und F, aber nicht sehr stark,

und: je älter, desto höher die Arztbesuchsquoten

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.12. ambulante od. extramurale psychotherapeutische Behandlung:

zumindest ist in STGKK-Daten nur höchst selten dokumentiert, in 24 von 444

Suizidfällen (ca. 5 %; letzte 3 Lj.) – zu beachten, dass viele Behandlungen

nicht individuell zuordenbar mit der STGKK abgerechnet werden, und viele gar nicht

dennoch sehr geringer dokumentierter Anteil.

• 9.13. Fachärztliche psychiatrische/neurologische Behandlung

• ist besser dokumentiert, betrifft auch nur ein Drittel der späteren Suizidenten bei

Rückblick auf letzte 3 Lj. - im letzten Lj. nur ein Viertel !

(von 444 Suiziden von STGKK-Versicherten)

• Anteil der Suizidopfer, die zumindest einmal im Quartal ambulanten

psychiat.-neurol. Kontakt hatten, ist mit 3 % sogar für letztes Lj. erschütternd gering

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.14. Auswertung der psychopharmakologischen Verschreibungen

50%

42%

72%

20%

50%

57%

39% 35%

52%

13%

38%

46%

25% 22%

33%

4%

17%

37%

65%

58%

83%

27%

60%

77%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

Gesamt Männer Frauen 10-29-Jähr. 30-59 Jähr. 60+ Jähr.

Quote der Personen unter Suizidenten (N=444), die in letzten 3 Lj. mind.

einmal die betr. Arzneimittelgruppe verschrieben bekamen:

Antidepressiva (N06) Antipsychotika/Tranq. (N05) Analgetika (N02) Psychopharm. ges. (N-Gruppe)

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• Aufschluss hinsichtlich der so wichtigen Konsequenz der Verordnungen:

• Daten zeigen, dass medikamentöse Behandlung in vielen Fällen, wenn sie überhaupt

stattfand, dann konsequent erfolgte.

• Allerdings: Etwa die Hälfte der späteren Suizidenten hatte im letzten Lebensjahr

keine Verschreibung von Antidepressiva erhalten

• 9.15. Stationäre psychiatrische Behandlung

Von den hier erfassten STGKK-Versicherten waren

im letzten Lebensjahr 22 %,

in den letzten drei Lebensmonaten 12 % in stat. Behandlung

2 % tötete sich während Anstaltsaufenthalt;

3 % waren in den letzten drei Lebensjahren fünf bis fünfzehnmal (!)

in stationärer Behandlung gewesen – zeigt auch systemische Probleme

des Betreuungs- und Behandlungssystems

Diagnosen hier vorrangig F32/F33, also Depressionen

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.16. Vorangegangene Suizidversuche – kaum dokumentiert

in Polizeiakten in ca. 10 % (2005-09) bzw. 15 % (2000-04)

der Fälle angeführt, hohe Dunkelziffer aus and. Studien bekannt

9.17. Körperliche Erkrankungen

Hausarztbesuche schon behandelt; hohe Frequenz zeigt sich in SVI

auch an Facharztbesuchen – Auswertung für letztes Lebensjahr zeigt

Anteile von 20 und mehr %, die Fachärzte best. Ausrichtung aufgesucht haben

• Krankenhausaufenthalte mit rein somatischen Diagnosen im letzten Lj.: 26 %

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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• 9.18. Weitere Aspekte der psychosozialen Lage der Suizidenten

• Nur anhand Polizeiakten – hohe Lückenhaftigkeit.

„Familiäre Probleme“ relativ häufig angegeben, „Probleme“ im Wohnbereich,

ökonomische Probleme – eher selten angegeben - hohe Dunkelziffer anzunehmen

• 9.19. Suizidankündigung:

gem. polizeilichen Akten in 20 % der Fälle ausdrücklich erfolgt

• 9.20. Örtlichkeit des Suizids:

in über 60 % der Fälle an eigener Wohnadresse (oft aber Nebengeb., Keller u.ä.)

• 9.21. Suizidmethoden (2005-2009)

Erhängen bei weitem am häufigsten (ca. 50 %), gefolgt von Erschießen

(ca. jeder 6. Suizid), folgen Sturz, Vergiftung, Ertränken,

Sich vor Zug oder Auto legen mit je 5-8 %

9. Ergebnisse vertiefter epidemiologischer Analysen

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit

Kontakt:

Dr. Carlos Watzka

[email protected]