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132 [ [J" Orn. IO0 Aus der Staatl. Vogelsehutzwarte fiir Baden-Wiirttemberg, Ludwigsburg Zur Frage des Zeitpunktes einer Pr~igun,g auf die Heimatregion beim Halsbandschn~ipper (Ficedula albic ollis ) * ) Von Hans L5hrl Bei verschiedenen Populationssmdien tier let.zten Jahre ergab die Beringung, dai3 Altv5gel weitgehend heimattreu waren, wghrend die Ortstreue der Jung- vSgel innerhalb der Arten ~n.d Populationen stark weehselte. DRosT (1953) spricht yon ,,Geburtsortstreue", wenn ein Jungvogel in einer spgteren Brutsaison an seinen Geburtsort zuriiekkehrt. Untersuehungen an ,den Fliegens&,n@per-Arten Fieedul~ hypoleuea und albi- coIlis ergaben, dab die Geburtsortstreue des Trauer- und aueh des Halsb,andsehngp- pet's zwar regional versehieden, aber doeh relativ groB war. Hier interessiert dies insofern, als diese Arten im Jahr ihrer Geburt nur sehr kurze Zeit bei uns bleiben. ~Die Halsbandsehn~ipper, die Mitte Juni ausfliegen, verlassen uns bereits um den 1. August herum. Ais Nestlinge haben .sie keine Gelegenheit, ihre Umge- bung kennenzulernen, ,da sie HShlenbriiter sind. Innerhalb yon etwa 6-7 Wochen miissen sie also imstande sein, ihre ,,Heimat" so kennenzulernen, dal3 sie im ngehstdn o, de.r s.o.gar ~m iibern~ehsten Jahr (vgh yon HAARTMAN 1951, CREUTZ 1955, L5HRZ 1957) wieder dorthin zurii&finden. Eine ganze Anzahl kehrt nieht nut in das Heimatgebiet zurii&; die se VSgel versuehen sogar, sieh in der ngehsten Umgebung des Nestes anzusiedeln, in dem sie aufwuehsen (L5~L 1957). Zu Experimenten fiber das Heimfinden von Jungv5geln wurdea bisher fa.st aus- sehlieBlieh Tauben benfitzt. Das Kennenlernen des heimatli&,en Sehlages dauert hier aber liinger, wenigstens wer,den junge Brieftauben im allgemeinen erst ver- fraehtet, wenn sie mehrere Monate alt sin& Naeh,dem Versuehe KRAlUERS (KRAMER un,d YON ST. PA~JL 1954) ergebert ha.tten, dab Tauben imstande sind, die geographisehe Lage ihrer Heimat aueh yore Kgfig aus zu erfassen, plante ieh einen Ve.rsueh mit einer freilebenden Art, dem mir gut bekannten Halsbandsehn~pper. Fragestellung Zungehst galt es, festzustellen, ob junge F'liegenschn~ipper die ganze Zeit zwisehen Ausfliegen and Wegzug benStigen, um geburtsortstreu werden zu kSnnen. Ich vermutete, daft dies nieht der Fall sei, well viele Jungv5gel naeh dem Ausfliegen .die Tendenz haben, mehr o.der weniger weit in der Umgebung nmher- zustreifen. Eine in diesem Sinn deutbare Aktivitgt zeigt sieh aueh bei jungen KgfigvSgeln, sobald sie selbst~in.dig fressen k5nnen. Augerdem war aufgefallen, dai3 die Familien yon Fliegensehngppern moistens sofort naeh dem Ausfliegen aus ihrem Territorium versehwinden und z.B. in meinem Obstbau-Versuehsgebiet sieh in den nahe gelegenen Wald begeben. Ieh hielt es des.halb fiir mSglieh, dab *) Mit Unterstiltzung dot Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Zur Frage des Zeipunktes einer Prägung auf die Heimatregion beim Halsbandschnäpper(Ficedula albicollis)

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Aus der Staatl. Vogelsehutzwarte fiir Baden-Wiirttemberg, Ludwigsburg

Zur Frage des Zeitpunktes einer Pr~igun,g auf die Heimatregion beim Halsbandschn~ipper (Ficedula albic ollis ) * )

Von Hans L5hrl

Bei verschiedenen Populationssmdien tier let.zten Jahre ergab die Beringung, dai3 Altv5gel weitgehend heimattreu waren, wghrend die Ortstreue der Jung- vSgel innerhalb der Arten ~n.d Populationen stark weehselte. DRosT (1953) spricht yon ,,Geburtsortstreue", wenn ein Jungvogel in einer spgteren Brutsaison an seinen Geburtsort zuriiekkehrt.

Untersuehungen an ,den Fliegens&,n@per-Arten Fieedul~ hypoleuea und albi- coIlis ergaben, dab die Geburtsortstreue des Trauer- und aueh des Halsb,andsehngp- pet's zwar regional versehieden, aber doeh relativ groB war. Hier interessiert dies insofern, als diese Arten im Jahr ihrer Geburt nur sehr kurze Zeit bei uns bleiben. ~Die Halsbandsehn~ipper, die Mitte Juni ausfliegen, verlassen uns bereits um den 1. August herum. Ais Nestlinge haben .sie keine Gelegenheit, ihre Umge- bung kennenzulernen, ,da sie HShlenbriiter sind. Innerhalb yon etwa 6 - 7 Wochen miissen sie also imstande sein, ihre ,,Heimat" so kennenzulernen, dal3 sie im ngehstdn o, de.r s.o.gar ~m iibern~ehsten Jahr (vgh yon HAARTMAN 1951, CREUTZ 1955, L5HRZ 1957) wieder dorthin zurii&finden. Eine ganze Anzahl kehrt nieht nut in das Heimatgebiet zurii&; die se VSgel versuehen sogar, sieh in der ngehsten Umgebung des Nestes anzusiedeln, in dem sie aufwuehsen (L5~L 1957).

Zu Experimenten fiber das Heimfinden von Jungv5geln wurdea bisher fa.st aus- sehlieBlieh Tauben benfitzt. Das Kennenlernen des heimatli&,en Sehlages dauert hier aber liinger, wenigstens wer,den junge Brieftauben im allgemeinen erst ver- fraehtet, wenn sie mehrere Monate alt sin&

Naeh,dem Versuehe KRAlUERS (KRAMER un,d YON ST. PA~JL 1954) ergebert ha.tten, dab Tauben imstande sind, die geographisehe Lage ihrer Heimat aueh yore Kgfig aus zu erfassen, plante ieh einen Ve.rsueh mit einer freilebenden Art, dem mir gut bekannten Halsbandsehn~pper.

F r a g e s t e l l u n g

Zungehst galt es, festzustellen, ob junge F'liegenschn~ipper die ganze Zeit zwisehen Ausfliegen and Wegzug benStigen, um geburtsortstreu werden zu kSnnen. Ich vermutete, daft dies nieht der Fall sei, well viele Jungv5gel naeh dem Ausfliegen .die Tendenz haben, mehr o.der weniger weit in der Umgebung nmher- zustreifen. Eine in diesem Sinn deutbare Aktivitgt zeigt sieh aueh bei jungen KgfigvSgeln, sobald sie selbst~in.dig fressen k5nnen. Augerdem war aufgefallen, dai3 die Familien yon Fliegensehngppern moistens sofort naeh dem Ausfliegen aus ihrem Territorium versehwinden und z.B. in meinem Obstbau-Versuehsgebiet sieh in den nahe gelegenen Wald begeben. Ieh hielt es des.halb fiir mSglieh, dab

*) Mit Unterstiltzung dot Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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eine kurze Pr~gungszeit sogleich n~ch dem Ausfliegen in Frage k~me. Ferner trifft man selbst~r~dige JungvSgel in ]osen Gruppen, aber doch in deutlich er- kennbarem Zusammenhang im Gel~nde. Es war also zu kl~ren, welcher Zeitraum entscheide~d war.

1. Versuch

Erstmals wurden ,1955 fund ]00 Halsbandschn~pper im Alter yon etwa 12 Tagen, d.h. 3 -5 Tage vor dem Ausfliegen, dem Nest entnommen und hand- aufgezogen. Es wurde dar~uf geachtet, dab die Tiere, wenn sie aus ihren Auf- zuchtsk/isten ausfliegen wo]lten, in den Flugk~fig gebracht wurden, so dab ihr erster Aul]eneindruck sofort frei nach alle~ Seiten erfolgen konnte.

Abb. 1. Halsbands,chn~pper im Flugk~fig w~hrend der Aufzucht in Ludwigsburg. Foto: LShrl.

Abb. 2. Ausgewachsene und selb,stgndige Halsbar~dschn~pper des ersten Versuchs vor der Verfrachtung. Foto: LShrl.

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Diese VersuchsvSgel wurden in zwei Gruppen ge.trennt: die eine blieb am Ge-

bu r t so r t H a u b e r s b r o n n bei Sehorndorf bis 5 Tage naeh dem Ausfliegen,

zu einem Zei tpunkt , wo sie anfingen, selbst i indig zu fressen. Sie hat ten vom Kiifig

aus freien 1Jberbliek i iber das ganze Geli~nde. Die zweite Gruppe wurde sofort

30 km westnordwestl ieh naeh L u d w i g s b u .r g gebra&t , dor t aufgezogen und

in den Flugkiif ig entlassen. Die e.rste Gruppe folgte dor th in im Al te r yon 5 Tagen

nach .dem Ausf l iegen und wur,de dann unter denselben Bedingungen wie die an- deren gehalten, bis sie vSllig ausgewachsen un.d imstande waren, selbst i indig

Beute zu maehen.

Abb. 3. Schlol?park von Inzigkofen (Mitte rechts), Ort der Auflassung. Foto: Luftverkehr Striihle, Schorndorf.

Die Aufzucht der JungvSgel erfolgte grSgtenteils mit frischen Ameisenpuppen unter regelm~iBigem Zusatz yon lebenden jungen Seidenraupen, die wit zu diesem Zwecke ziichteten. Gelegentlich wurden auch Mehlwiirmer geboten. Die nach allen Seiten Aus- blick gewiihrenden Flugk~ifige waren 12 m 3 bzw. 24 m s groB und enthielten natiirliches Gebfisch. Der Geruch des reichlich anfa]lenden Kotes sowie zusiitzlich eingebrachter K~ise- abf~lle usw. zog kleine Insekten an, auf die die JungvSgel Jagd maehten. Die Kiifige standen am Rande einer Wiese mit lockerem Obstbaum-Bestand und eines waldartigen Teiles des Favoriteparkes.

Fiir ihre Mithilfe bei der Anfzucht danke ieh Frau Dr. F. VIEFHU~S, Frau Ds. G. BSItRII'~GER, Dr. E. SP[)RLE und Dr. E. CuRIo, dem letzteren auch ftir seine Arbeit am

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Auflassungsort 1957, wo er allein die Riickkehrer registrierte. Herrn K. SCHWAMMBERGER und meiner Frau bin ieh fiir vielfiiltige Mitarbeit dankbar.

Der Bundesforschungsanstalt fiir Kleintierzucht in Celle bin ich fiir stetige und termin- gerechte Lieferung der sehliipfreifen Seidenraupen-Eier zu groBem Dank verbunden.

Im Alter yon 10--12 Tagen nach dem Ausfliegen wurden dann alle JungvSgel in zwei Gruppen an einem Tag mit giinstiger Witterung (23.6. und 12. 7. 1955) 90 km siidlich yon Ludwigsburg im Schlol3park yon I n z i g k o f e 11 bei Sigma- ringen in der Morgend~mmerung freigelassen, nachdem sie vorher mit Farbring und Aluminiumring gekennzeichnet worden waren. (Der Transport erfolgte im Kraftwagen bei Naeht, jeder Vogel war einzeln in einem S~ckehen verpackt, um Besch~digungen auszuschlieBen). Sie begaben sieh naeh kurzer Zeit entsprechend den Gewohnheiten ihrer Art in die Wipfel dortiger hoher B~ume und begannen sofort, Insokten z~t jagen.

Abb. 4. Oft der Geburt (S~horndorf), Aufzucht (Ludwigsburg) und Auflassung (Sigmaringen) der VersudasvSgel. Entfernung Ludwigsburg--Sigmaringen 90 km

Die einzige anfiingliehe Schwierigkeit nach der Freilassung bestand - und besteht offenbar stets -- im Fixieren und zielgerichteten Anfliegen yon Sitzunterlagen. Dies zeigte sich immer im h~iufigen AnstoBen an Zweige usw., war aber nach sp~itestens einer Vier- telstunde behoben. Im K~ifig scheinen sich die VSgel auf ihre Sitzpl~tze zu dressieren.

D a~ ,die Ve~suchs~Sgel imstande waren, s:ich s elbst£n~lig z~t ern~hrer~ und ira Freien zu behaupten, haben zwei wenige Wochen naehher aus Italien kommende Riickmeldungen Erlegter bewiesen.

Der Ort der Auflassung wurdo sorgfiiltig ausgesucht. Er liegt in einem Gebiet, w0 diese Vogolart nieht vorkommt, sondern mlr die nshe verwartdte Art Ficedula hypoleuca. Die Trennungs,linie bildet das Mitte~geb~rge der LSehwiibischen Alb, auf deren Hochfl~,ehe beide Arten fehlen. Der Auflassungsort wurde weiterhin

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gew~h:lt, dab tier Bio.top einigermaBen ,den Bet~ingungen yon F. albicollis ent- sprach, dab jedoch in der weiteren Umgebung nur wonigs adiiquate Biotope vor- handen waren, sondern im wesentlichen Nadelwald oder Junglaubbiiume, we keine BrutmSgliehkeit bestand. ,Der Park, in dem .die VSgel aufgelassen wurden, ist yon den ,umgebenden W~ildern isol,iert im lar~&sclmftlieh pr~gnanten oberon Donau- tal, ,so dab das Wiederauffinden dieses Parks bessere MSglichkeiten der Orien- tierung etwa zuriiekkehrendor VSgel bet, als dies in einem einfSrmigen Wald- gebiet der Fall gewesen w~ire.

Ergebnisse des ersten Versuchs: In einer natiirliehen Population mit guten Bedingungen des Wiederfa~ags waren

in friiheren Jahren yon den JungvSgeln im Durchsehnit~ 4% ~ ~ und 3,1% ~ zuriiekgekehrt. In einem besonders giinstigen Jahr betrug der hSchste Riick- kehrer-Prezentsatz bei den ~ ~ 8 %, webei vorausgesetzt wurde, d~aB die Ver- teilung der Geschlechter .dem Verh~iltnis 1:1 entspricht (LSHRL 1957).

Bei 96 mSgliehen Riickkehrern des Versuchs 1955 wiiren, wenn man die bis- herige maximale Riiekkehr-Rate zugrunde legte, yon 48 ~ (3 8%, d.h. also 3,8 bzw. aufgerundet 4 zu erwarten gewesen. Sieher naehgewiesen wurden im Auflas- sungsgebiet jedo.ch 9 ~ ~, zwei weitere wahrscheinlieh. Diese 9 ~ ~ entspreehen 19 % Riickkehrern.

Die VersuehsvSgel betrachteten also weder den Geburts- noeh den Aufzucht- ort, sondern den Auflassungsort als ,,Heimat". Der geringere Prozentsatz an Riiekkehrern in natiirlichen Populationen ist zweifellos auf die hehe Sterbliehkeit der Jur~gviSgel kurz nach dem Ausfliegen zuriickzufiihren, w~ihrend diese Periods yon unseren aufgelas.senen jungert VersuchsvSgeln bereits iiberstanden war.

Weitere Faktoren kSnnten darin zu suchen sein, dab das Goblet frei yen Art- genossen war, ,so dab die ~ ~ nieht dutch iiltere Rivalen daran gehindert wurden, sel3haft zu werden. Aueh d4e L~ge ,des Auflassungsgebiets, tlns einen isOlierten Biotop d~rste'llt, ,diirfte einer weiteren :Streuung vorgebeugt haben.

Von den ~? wurde nur sines mit vSlliger Sicherheit identifiziert, sin zweites beringtes konnte nieht abgelesen werden. Die Ergebnis.se des Jahres 1957 machen es jedoch wahrscheinlieh, dab mehr ~?~ vorhanden waren. Ihr Nachweis war sehwieriger als der der ~ ~, da die VSgel bedau~rlieherweise zum Toil nieht in kiinstlichen NisthShlen briiteten, :sondern in natiirlichen, nieht kontrollierbaren B au_mlaShlen.

Es wurden jedoch 1957 ,am Aufl.ass~ngsort .dutch Dr. CURIO 4 unbe~ingte Hnls- bandsehniipper festgestellt und gefangen. Dieser Nachweis deutet auf eine relativ grebe Zahl von gegliickten Bruten im Vorjahr hin, es sei denn, man hiilt es fiir mSglich, dab auf der Wanderung befindliehe VSgel unserer Population einige Exemplars anderer Populationen mit ins Goblet gebrneht h~itten.

Das Ergebnis l~il3t sich dahingehend zusammenfassen, dab die jungen Hals- bandschn~pper sine Kenntnis ihrer Heimat neck erwerben kSnnen, nachdem sie yell erwaehsen und selbst~ndig geworden ~sind.

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2. Versuch Um den Zeitpunkt noch exakter zu fassen, zu dem diese Kenntnis erworben

wird, wurde 1956 eine zweite Aufzucht durchgefiihr~. S~mtliche VSgel wurden yore Geburtsort an den Aufzuchtsort Ludwigsburg gebracht und dort wie die V/~gel des Vorjahres behandelt.

Etwa 20 Tage nach dem Ausfliegen f~ngt bei den Fliegenschn~ippern die Jugend- mauser an, die 3-4 Wochen lang dauert. Kurz vor Beendigung dieser Jugendmauser beginnen die Fliegenschn~ipper wegzuziehen. Wit schlieBen das einerseits aus der Tat- sache, dab dann keine Halsbandschn~ipper mehr beobachtet werden, andererseits daraus, dab Trauerschn~ipper, die noch nicht roll vermausert sind und die in Ludwigsburg nut ganz gelegeutlich briiten, yon Ende Juli ab bei uns auf dem Durchzug erscheinen. Auf den sehr friihen Abzug der JungvSgel weist aueh die Rfickmeldung eines am 13. Juni 1952 im Nest beringten Jungvogels, der schon am 10. August desselben Jahres in der Umgebung yon Neapel erlegt wurde.

Die erste H~Ifte dieser Aufzucht 1956, bestehend aus 44 JungvSgeln, wurde nun w ~i h r e n d der Jugendmauser, also 4 - 5 Wochen nach dem Ausfliegen, am 24. 7. 1956 verfrachtet und aufgelassen. Die andere H~ilfte, 48 VSgel, wurde so lange in den K~ifigen belassen, bis die Jugendmauser vollst~ndig oder nahezu voll st~indig beendet war, also rund 6 Woehen nach dem Ausfliegen. Der Terrain dieser zweiten Auflassung lag sehr sp~t, n~mlich am 10. August 1956. Bei dieser Gruppe han,delte es sich um AngehSrige besonders sp~iter Bruten. Auch war beim Zeitpun.kt d, er Aufla:s~sung stets, a~f die Witterung Riicksicht zu nehmen, da an regnerischen, nahrungsarmen Tagen c~ie Umstel]ung yon :der K~figern~ihrun,g auf das selbst~,r~dige Erbeuten der Nahrung ~s,icher zu s,chwierig w~re.

Ergebnisse des zweiten Versuchs:

Von 44 aufgelassenen V/Jgeln der ersten Gruppe, also yon etwa 22 ~ 8, kehrten 4, vielleicht 5, zurfick, was 18--19 0/@ entspricht .unct damit dem vor- j~,hrigen Ergebnist e~staunl.i~ glei,ch kommt.

Vor~ cter zw~iten Gruppe, <lie aus 48 VSgeln 'bestan~l, ~lso mehr ale .der ersten Gruppe, wurde kein einziges Exemplar wieder festgestell't.

Das klare Ergebnis ,dieses zweiten Ve~suchs liegt d.arin, dab eine Zeit yon rund zwei Wochen vor dem Abzug ausreicht, um dam Vogel eine volle Kenntnis der geographischen Lage .des Heimatortes zu vermitteln, die ihn befiihigt, nicht nur in ein ,grSl]eres, Geb~et zuriickz~uke'hren, ,son~dern den er~gsten Bereich des vor- j~ihrigen Aufenthal'tsortes wieder zu finden. Die 4 nachgewiesenen VSgel wurden in einer Entfernung yon hSchstens 200 m yon der Stelle registriert, a~ ,der wir sie hatten fliegen lassen.

Schwieriger wird die Beurteilung des negativen Ergebnisses der zweiten Auf.- lassung. Es handelt sich bei jener Gruppe, wie erwghnt, um AngehSrige yon Sp~itbruten. Ein groBer Tell solcher sp~t erbriiteter JungvSgel wird erst im zweiten Lebensjahr brutreif und kehrt erst dann an den Geburbsort zuriick. Bei der Auflassung 1955 stammte allerdings gleichfalls ein Teil aus Sp~tbruten;

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yon diesen wurde mindestens 1 Stiick schon im ersten Jahr nachgewiesen. Es bestand also dur~aus ~die MSglichkeit, da~ ein Tell der am 10. August 1956 auf, gelas,senen VSgel erst im n~chstfolgenden Friihjahr festgesteilt werden wiirde.

Zur Unterstfitzung des negativen Riickkehrergebnisses der nach vollendeter Mauser 1956 aufgelassenen Schn~pper wurden 1957 zus~tzlich 20 weitere VSgel ebenfalls nach v o 11 e n d e t e r Jugendmauser am 1. August aufgelassen. Sie stammten aus Friihbruten, waren also teilweise siche~lich im Friihjahr 1958 am Brutort z,u erw, arten.

Die Kontrolle zu dieser Zeit e rgab wie,derum keinen einzi,gen Riickkehrer der Sp~tauflassung.

Geht man davon aus, dal~ die AngehSrigen tier zweiten ,Gruppe tats~ichlich .die letzten zwei Wochen vor dem Abzug beniitigten, um eine Heimatkenntnis zu erwerben, so miiBten sie an den A u f z u c h t s o r t nach Ludwigsbu~g zuriick- gekehrt ,sein, wo sie die entscheidende Phase im Flugk~ifig verbracht hatten. Die MSgliehkeit des Naehweises ist jedoch in Ludwigsburg ersehwert, da dort eine natiirliehe Population lebt und nicht, wie am Auflassungsort, jeder akustisch festgestellte Halsbandschn~pper mit Sicherheit ein Versuch.svogel (oder neuer- dings ain AbkSmmling davon) s ein mu~. Ein nicht bestimmbarer Prozentsatz der Ludwigsburger Brutpaare nistet zudem in NaturhShlen hoher alter Eichen u n d i s t vom Boden aus nur sehr schwer auszumachen.

Dazu kommt die Frage, ob vom Flugk~ifig aus eine so genaue Ortskenntnis erworben werden konnte. Nachdem yon deu verffachteten K~figtauben KRAMERS immerhin eine gauze Anzahl zuriickgekehrt is~ (KRAMER und yon St. PAUL 1954, 1956), kSnnte tats~chlich mit einem solchen Fund gerechnet wer4en, vor allem, da auch tier Ludwigsburger Park isoliert liegt und leicht auffindbar sein miiBte.

Um eine bessere (Jbersicht fiber das Gel~nde zu ermiiglichen, war fibrigens die H~lfte dieser zweiten Gruppe vor der Auflassung zwei Tage lang auf dem flachen Dach des hSchsten Geb~udes innerhalb jenes Parkes untergebracht worden, von wo aus die V5gel einen Uberblick fiber das gesamte Gebiet batten erwerben kSnnen.

Naehdem die Kontrolle aller in kiinstlichen NisthShlen briitenden Paare und aller dariiber hinaus beobachteten Halsbandschn~pper ergebnislos blieb und aueh im Auflassun~sge!~nde nut Rfickkehrer der friiheren Auflassungen fest- gesteIlt worden waren, mull unter Vorbehalt damit gerechnet werden, dab die erst zur Wegzugszeit verfrachteten VSgel aus irgendeinem Grund desorientiert waren und an keinen der bei:den Orte zuriickkehrten. Die MSglichkeit, eine geringe Anzahl yon Riickkehrern im Ludwigsburger Park festzustellen, muB indessen in einem weiteren Versuch noeh gepriift we rden, um endgiiltig zu kliiren, ob tats~ichlich die Viigel der Sp~tauflassungen der Kontrolle entgangen sein kSnnen.

Nach den bisherigen Ergebnissen kSnnte vielleicht erwogen werden, ob nicht solehe VSgel geburtsortstreu sind, welche in der letzten Phase vor dem Wegzug sich no ch oder wieder an ihrem Geburtsort aufhalten. Dann wfirde die Geburts- ortstreue abh~ngen yon der Tendenz der einzelnen Arten, nach dem Selhst~ndig-

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werden kfirzere ode,r 1/ingere Wanderungen zu unternehmen. Vielleicht wgre bei einigen Arten schon anhand der bisherigen Beringungsergebni.sse eine Kontrolle darfiber mSglieh, ob der Ort, an dem sich ein Jungvogel neu angesiedelt hat, nieht identisch ist mit seinem Aufenthaltsort als Jungvogel vor .dem Wegzug.

Zum Schlul] sei noeh auf die Versuehe und VerSffentliehungen russischer Autoren hingewiesen, mit denen MAUERSBERGER (1957) bekannt gemacht hat. Die dort aufgeffihrten Autoren haben soeben fliigge gewordene junge Traner- schn~pper zusammen mit alten ~ verfrachtet; diese wurden am Auflassungsort yon de~ AltvSgeln vollends aufgezogen und dort selbst~indig. Von den einzelnen Gruppen kehrten 5,5 %, 9 , 1 % , 5,9 % und etwa 6 % an die Auflassungsorte zurfick und siedelten sich dort an. Die Versuche hatten jedoeh lediglich ,die Neu- ansiedlung zum Ziel und sagen fiber die Pr~gungszei~t nichts aus, da die Jung- v5geI vom Ausfliegen an am ,neuen Ort lebt~n.

Kurz hinwe~sen mSchte ich noch auf ein Nebenergebnis der besprochenen Ver- suehe. Ein ~rheblieher Teil tier zurfickgekehrten (~ ~ verband sich in Ermange- lung arteigner mit dort ansEssigen 9~ des Trauerschn~ppers (vgl. L5HRL 1950 und 1955), ein Beweis daffir, dab es sich bei der grSl]eren Zahl zurfiekgekehr- ter ~ (~ nieht um einen Beobaehmngsfehler handelt, sondern .dab die ~ tats~eh- lieh in der Minderzahl waren.

Am Auflassungsort leben nunmehr neben beiden Arten anch Bastarde; 1956 wurden davon 16 beringt, yon denen allerdings nur e iner zurfickkehrte. Dr. CURIO fand jedoch noeh drei weitere unberingte Bastarde, die sowohl mit einem re, hen H,alsban,dschn~pper, ein,em reinen Tranevs,chn~pper als auch einem Bastard brfiteten.

Diese Verh/iltnisse biete~ zus~tzlich besonders giinstige Gelegenheiten zu ver- gleichenden Verhaltensstudien.

Zusammenfassung

Junge Halsbandschn~ipper wurden handaufgezogen, flogen im Flugk~fig aus und wur- den dort selbst~indig. Darauf wurden sie 90 km nach Siiden verfrachtet und in einem von dieser Art unbewohnten Gebiet freigelassen. Im n£ehsten Friihjahr siedelten sich mindestens 9 (~ ~ dort an, was 19 o/~ Riickkehrern entspricht, wenn die H~ilfte der VSgel ~ ~ waren. ~ kehrten in geringerer Zahl zuriiek und wurden nicht restlos erfaBt.

Eine weitere Gruppe wurde erst vor Ende der Jugendmauser verfrachtet. Auch davon kehrten 18-19°/~ der ~ ~ zuriiek. Ein Zeitraum yon fund 2 Wochen vor dem Wegzug reichte also zur Pr~gung auf ein Gebiet als ,,Heimat" aus.

Von einer dritten Gruppe yon insgesamt 68 Schn~ippern (= ca. 34 ~ ~), die erst nach Ende der Jugendmauser zur Wegzugzeit aufgelassen wurde, konnte sparer keiner nach- gewiesen werden, auch nicht am Aufzuchtsort. Letzteres kSnnte an tier Ungunst der 5rt- lichen Verh~iltnisse liegen.

Literatur C~EuTz, G. (1955): Der Trauerschn/ipper (Muscicapa hypole~ca [Pallas]). Eine Popula-

tionsstudie. J. f. O. 96, 241-326. DROST, R. (1953): ~ber die Heimattreue deutscher SeevSgel. J. f. O. 94, 181-193.

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[ j .Orn. 140 HAr~S L~HRI~: Pr~igung auf die Heimatregion [ I00

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- - (1956): Ober das Heimfinden yon K~ifigtauben fiber Kurzstrecken. J. f. O. 97, 371--376.

L~HRL, H. (1950): Ein Bastard Halsbandschn~pper-Trauerschn~ipper (Muscicapa albi- collls x M. hypoleuca). Ornith. Ber. 3, 126--130.

- - (1955): Beziehungen zwischen Halsband- und Trauerfliegenschn~ipper (Muscicapa albicollis und M. hypoleuca) in demselben Brutgebiet. Acta XI. Congr. Int. Orn.

1954, 333--336. - - (1957): Populationsiikologische Untersuchungen beim Halsbandschn~pper (Fice-

dula albicollis). Bonn. Zool. Beitr. 8, 130--177. MAUSRSB~RGER, G. (1957): Umsiedlungsversuche am Trauerschn~pper (Muscicapa hypo-

leuca), durchgeffihrt in der Sowjetunion. - - Ein Sammelreferat. J. f. O. 98, 445--447.