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(Aus dem Neurologischen Forschungsinstitut Breslau [Direktor: Prof. O. Foerster].) Zur Frage des Zwischenhirn-Hypophysensystems*. Von O. Gagel und W. Mahoney. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 21. August 1933.) :Faseranatomische Untersuchungen, bei denen man sich der Silber- impregnation bediente, legen eine Verbindung zwisehen I-[ypophysen- hinterlappen und Nucleus supraopticus nahe (Greying 1, Pines 2). Wenn auch an der Richtigkeit dieser Beobachtungen nicht gezweifelt werden soll, so regt sich doch bei jedem kritischen Untersucher der Wunsch dieses auf normalanatomischem Wege gewonnene Ergebnis durch irgend- eine andere Methode zu erh~rten. So suchten schon vor einigen Jahren Friedrich, Greving a und ich diese normalanatomische Beobaehtung durch das Tierexperiment zu stiitzen, und zwar bedienten wir uns der sog. retrograden Reaktion. Es warde bei jungen ]:[unden der I{ypophysen- hinterlappen yore Rachen aus entfernt (Friedrich) und die Tiere sollten 10 Tage nach der Operation zum Nachweis der retrograden Reaktion getStet werden. Leider gelang es, soweit mir bekannt ist, nur ein Tier so lunge am Leben zu erhalten, das auch sonst makroskopisch keine Verletzungen an der Hirnbasis aufwies. Das Gehirn wurde in Alkohol fixiert, Zwischenhirnbl6cke herausgeschnitten und diese in 20,u-Serien nach Nissl verarbeitet. Die B15cke waren in Celloidin eingebettet. An den Zellen des Nucleus supraopticus konnte Vakuolenbildung, Schrumpfung und Hyperehromatose, vielleicht auch Verlagerung des Zellkerns festgestellt werden, i~hnliche Ver~tnderungen fanden sieh auch an den Zellen des Nucleus mamillo-infundibularis. Der Nucleus para- ventricularis zeigte keine pathologischen Ver~nderungen. Zu einer deut- lichen Gliareak~ion war es innerhalb der ver/~nderten Kerngebiete nicht gekommen. Da diese Zellbilder nicht mit der sog. retrograden Zellver- /~ndertmg iibereinstimmen und mir nur diese eine Beobachtung zur Verfiigung stand, konnten postmortale oder Ver/~nderungen infolge * Herrn Prof. O. Fcerster zum 60. Geburtstag.

Zur Frage des Zwischenhirn-Hypophysensystems

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Page 1: Zur Frage des Zwischenhirn-Hypophysensystems

(Aus dem Neurologischen Forschungsinstitut Breslau [Direktor: Prof. O. Foerster].)

Zur Frage des Zwischenhirn-Hypophysensystems*. Von

O. Gagel und W. Mahoney.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 21. August 1933.)

:Faseranatomische Untersuchungen, bei denen man sich der Silber- impregnation bediente, legen eine Verbindung zwisehen I-[ypophysen- hinterlappen und Nucleus supraopticus nahe (Greying 1, Pines 2). Wenn auch an der Richtigkeit dieser Beobachtungen nicht gezweifelt werden soll, so regt sich doch bei jedem kritischen Untersucher der Wunsch dieses auf normalanatomischem Wege gewonnene Ergebnis durch irgend- eine andere Methode zu erh~rten. So suchten schon vor einigen Jahren Friedrich, Greving a und ich diese normalanatomische Beobaehtung durch das Tierexperiment zu stiitzen, und zwar bedienten wir uns der sog. retrograden Reaktion. Es warde bei jungen ]:[unden der I{ypophysen- hinterlappen yore Rachen aus entfernt (Friedrich) und die Tiere sollten 10 Tage nach der Operation zum Nachweis der retrograden Reaktion getStet werden. Leider gelang es, soweit mir bekannt ist, nur ein Tier so lunge am Leben zu erhalten, das auch sonst makroskopisch keine Verletzungen an der Hirnbasis aufwies. Das Gehirn wurde in Alkohol fixiert, Zwischenhirnbl6cke herausgeschnitten und diese in 20,u-Serien nach Nissl verarbeitet. Die B15cke waren in Celloidin eingebettet. An den Zellen des Nucleus supraopticus konnte Vakuolenbildung, Schrumpfung und Hyperehromatose, vielleicht auch Verlagerung des Zellkerns festgestellt werden, i~hnliche Ver~tnderungen fanden sieh auch an den Zellen des Nucleus mamillo-infundibularis. Der Nucleus para- ventricularis zeigte keine pathologischen Ver~nderungen. Zu einer deut- lichen Gliareak~ion war es innerhalb der ver/~nderten Kerngebiete nicht gekommen. Da diese Zellbilder nicht mit der sog. retrograden Zellver- /~ndertmg iibereinstimmen und mir nur diese eine Beobachtung zur Verfiigung stand, konnten postmortale oder Ver/~nderungen infolge

* Herrn Prof. O. Fcerster zum 60. Geburtstag.

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des operativen Eingriffes, der in der n~chsten N~he des Nucleus supra- opticus vorgenommen werden muBte, nicht ausgeschlossen werden. Daher konnten diese einmalig festgestellten Zellver~nderungen in den erw~hnten Zellgruppen nicht die Annahme stfitzen, dal~ die Zellen des Nucleus supraopticus ihre Neuriten in den Hypophysenhinterlappen senden. Wesentlich ~riiher aber glaubte Kary 4 nach experimenteller ZerstSrung der ttypophyse beim I~und schwere Entartungen und Gliazellwuche- rungen im Ganglion basale opticum, welches identiseh mit dem Nucleus supraopticus ist, sowie im Tuber cincereum-Kerngebiet nachweisen zu kSnnen. Die gro~e Sehwierigkeit, die bei der Verwertung der patho- logisehen Befunde in dieser Gegend immer wieder auftaucht, liegt in dem bereits erw~hnten Umstand begrfindet, dai~ die Operationsstelle sehr nahe dem Nucleus supraopticus liegen muG. Der Wert der Befunde richtet sich also sehr nach der Operationstechnik sowie nach der opera- tiven Nachbehandlung und Versorgung des Tieres. Der eine yon uns, Mahoney, fiihrte I-[ypophysenexstirpationen, nachdem er sich erst an einer Reihe yon jungen Tieren die fiir diese spezielle Operation n5tige Teehnik angeeignet hatte, an mehreren jungen Terrierhunden aus und zwar naeh der )~ethode, die an der Cu~hingschen Klinik gefibt wird.

Zur anatomischen Untersuchung gelangten drei tIunde, yon denen der erste die Operation 2 Tage fiberlebte und dann unter Abmagerung und Zuckungen am ganzen KSrper starh. Da Mahoney an mehreren Hunden immer wieder beobachtete, daI~ diese unter Abmagerung und Zuckungen nach wenigen Tagen starben, trotzdem die Operation ent- sprechend gelungen und die postoperative Versorgung, die yon ihm selbst vorgenommen wurde, eine gute war, ginger der Ursache dieser Zuckungen nach und konnte eine auffallend starke Hypoglyki~mie nach- weisen. Des weiteren gelang ihm eine Besserung des Zustandes dutch Zufuhr yon Zucker. Die Erscheinungen kamen zum Verschwinden und die Tiere konnten lange Zeit am Leben erhalten werden. Es taucht daher Ifir uns die Frage auf, ob diese Hypoglyki~mie als Folge der Hypo- physenexstirpation aufzufassen ist oder ob eine Mitverletzung yon vegeta- tiven Kerngebieten ffir die Hypoglyk~mie verantwortlich zu machen ist.

Das Gehirn des ersten 2 Tage nach der Operation an Hypoglyks gestorbenen Tieies wurde sogleich in 70% und sps in 96%igem Alkohol fixiert. Von dem Gehirn wurde das Mittelhirn hinter den Corpora mamil- laria in der Fossa interpeduneularis durch einen senkrecht auf dem Mittelhirn stehenden Schnitt abgetrennt. Von dem Hirnstamm saint Cortex wurden zwei FrontalblScke hergestellt, sonst wurde noch das Mittelhirn und Ponsgebiet samt Kleinhirn, ebenso wie die Medulla ob- longata in QuerschnittsblScke zerlegt. Die B15cke wurden in Celloidin eingebettet und in Serien yon 20/~ geschnitten. Von den Pr~paraten wurde jeder fiinfte Schnitt mit Thionin gef~rbt. Auf eine genaue Schilderung der Schnittserien wird verzichtct, da normal-anatomische

Z. f. d. g. Neut . u. Psych. 148. 18a

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Untersuchungen fiber die vege ta t iven Kerngebie te des Htmdezwischen- hirns bereits vorl iegen (Griinthal 5 und GrSschel ~), es sollen daher nur eventuel le pathologische Veri tnderungen an den vege ta t iven Kerngeb ie ten angeffihrt werden.

Hund 1. Auf s/~mtlichen untersuchten Pr/iparaten von ttund 1 lassen die Zellen des Nucleus supraopticus, paraventricularis, mamillo-infundibularis, sowie die- jenigen der Nuclei der Corpora mamillaria und des zentralen H6hlengraues die fiir diesc Zelltypen charakteristischeNissl-Struktur erkennen. Es kann beigenauestcr Durchsicht der Serien keinerlei Zweifel darfiber herrschen, da$ diese Zellgruppen

Abb. 1. Gegend des l:Iypophysenstieles mit starker Bindegewcbsanh~tufung, in welcher cubische Zellen, die zum Tell in Kan~len angeordnet sind, eingesprengt liegen (Nissl-Bild

Hund 1).

kcine sicheren pathologischen VerAnderungen aufweisen. Nur an einigen Zell- exemplaren des Nucleus mamillo-infundibularis sowie des Nucleus supraopticus sind kleine ,,V~kuolcn" ohne Pigmenteinlagerung festzustellen. Innerhalb der sog. vegetativen Zellgruppen fehlt auch jegliche Gliareaktion. Sehr deutlich sind auf den Pr~paraten Inseln yon 5--10 Zellen ausgeprggt, die zwischen Nucleus supra- opticus und p~raventricularis gelegen sind. Gri~nthal 7 weist auf diese Zellinseln in seiner Arbeit fiber die Ganglienzellgruppen des Zwischenhirns beim Tiere bin, wghrend der eine yon uns 8 diese Zellinseln bereits vorher beim Menschen fest- gestellt und in einer Arbcit fiber die vegetativen Zentren des Zwischenhirns (s. S. 562) beschrieben hat. An der Hirnbasis erkennt man in Gegend des ttypophysens~ieles eine Anh~ufung yon Bindegewcbe, in welcher kubische Zellen eingesprengt liegen (s. Abb. 1). Diese ordncn sich zuwcilen in Form yon Str~ngen bzw. Schlguchen an, in deren Lumen manchmal Erythrocyten gelegen sind.

Zusammenfassend l~Bt sich also sagen: Ein junger Ter r i e rhund s t i rb t 2 Tage nach der H y p o p h y s e k t o m i e an Abmagerung und un te r Zuckungen

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am ganzen K6rper. Die Blutzuckeruntersuchung ergibt eine hochgradige Hypoglyk/~mie. An den sog. vegetat iven Kerngruppen des Zwischen- hirns sind mit der Nissl-Methode keine pathologischen Ver~nderungen, vor allem keine retrograde Reakt ion nachzuweisen. Die an einigen Zellen des Nucleus gigantocellularis Substantiae reticularis gefundene prim~re Reizung wird nieht mit Sicherheit auf die Hypophysenexst i rpat ion zuriiek- gefiihrt, da dem einen yon uns aus friiheren Untersuchungen (Bodechtel und Gagel 9) die groBe Empfindlichkeit dieser Zellart, die schon normaler- weise an retrograde Zellver/~nderung bzw. prim~re Reizung erinnern kann, wohl bekannt ist. Bei den kubischen Zellen, die in der Gegend des Hypophysenstieles in Str~ngen bzw. Schl~uchen angeordnet zwischen Bindegewebe gelegen sind, handelt es sieh wahrscheinlich um Wuche- rungen yon mit Epithel ausgekleideten Hohlr~umen, wie sie sonst im Zwischenlappen der Hypophyse geiunden werden.

Hund 2. Junger Terrierhund stirbt 8 Tage nach der tIypophysenexstirpation ebenfalls an Abmagerung und unter Zuckungcn am ganzen K6rper. Die Blut- zuckeruntersuchung deckt wie bei Hun4 1 eine starke ttypoglyk~mie auf. Das Gehirn wurde aus ~uBeren Griinden nicht sofort in Alkohol gebracht, sondern zuni~chst 3 Tage im Eisschrank aufbewahrt. Die tterstellung der B16cke sowie deren Verarbeitung erfolgte genau so wie bei Hund 1.

Bei der histologischen Untersuehung waren an allen sog. vegetativen Kern- gruppen des Zwischenhirns, deren ZeUexemplare einen gr6Beren Protoplasmaleib aufweisen, also an den Zellen des Nucleus supraoptieus, mamillo-infundibularis und den gr6Beren Zellen des Nucleus paraventricularis sowie der Corpora mamillaria Ver~nderungen nachweisbar. Diese Ver~nderungen bestanden in Aufl6sung der Nissl-Zeichnung, in feinster ,,Vakuolenbildung" innerhalb des Protoplasmas, in unregelm~Bigen Einziehungen des Zelleibs, wodurch ein Bild entsteht als w~ren die Zellen angefressen; der Zellkern weist hi~ufig Schrumpfung und Hyperehroma- tose, zuweilen auch Verlagerung an die auBerste Peripherie auf. Ein Kernk6rperchen ist an manchen Zellen nieht mehr abgrenzbar, denn der Kern stellt nur mehr eine unregelmi~Bige, dunkle, intensiv angefarbtc, kugelige Masse dar. An anderen Zell- exemplaren ist der Zellkern noch relativ gut crhalten, w~hrend der Zelleib nur noch schattenhaft angedeutet ist. Diese Ver~nderungen, die sich auBer auf die bereits erwi~hnten sog. vegetativen Zellgruppen auch auf die Pyramidenzellen der Hirnrinde, auf die motorischen Kerngruppen der I-Iirnnerven, auf die drei Zell- typen der Substantia reticularis, auf die Zellen des dorsalen Vaguskernes, auf die motorischen Vorderhornzellen usw. erstrecken, sollen um an Abbildungen zu sparen, nur an den ZeUen des Nucleus supraopticus gezeigt werden (Abb. 2). An der Zell- glia sind keine progressiven Veri~nderungen festzustellen. Sonst ist nur im Mark- weiB des einen Temporallappen ein kleiner Fettk6rnchenherd nachweisbar. In tier NiChe des Hypophysenstiels erkennt man zwar wieder die Wucherung vom Bindegewebe, in das kubische Zellen in der bereits bei ttund 1 beschriebenen Anordnung eingelagert sind, doeh ist die Wucherung im vorliegenden Falle bedeutend geringer.

Zusammenfassung. Bei einem hypophysektomier ten jungen Terrier- hund tr i t t 8 Tage nach der Operation unter Zuckungen am ganzen K6rper und unter den Erseheinungen der Abmagerung der Tod ein. Der Blutzuckerwert ist s tark erniedrigt. An zahlreiehen Zellgebieten des erst 3 Tage nach dem Tode in Alkohol fixierten Gehirnes beobachtet

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man AuflSsung der Nissl-Zeiehnung, feinste ,,Vakuolenbildung", unregel- m/~I~ige Einziehungen des Zelleibs, Schrumpfung und Hyperehromatose sowie manehmal Verlagerung des Zellkernes. Die angeffihrte Zellver- /~nderung lieB sieh auBer an den sog. vegetativen Zwischenhirnkernen an zahlreiehen anderen Kerngebieten naehweisen, weshalb sie nicht als Folge der Hypophysenexstirpation aufgefaBt wird. Gegen die Auffassung einer Reaktion dieser Kerngebiete auf die Hypophysenexstirpation spricht aueh der Umstand, dab die Zellver/inderung nicht der sog. retrograden

Abb. 2. Zellen des Nucleus supraopticus. Zeitintervall zwischen Ted und Fixierung 3 Tage (Nissl-Bild Hund 2).

Zellver/~nderung gleieh~. Wenn man aber das lange Zeitintervall zwischen Tod und Fixierung in Betraeht zieht, liegt es nahe, postmortale Prozesse fiir diese Ver/~nderungen anzusehuldigen. Vielleicht tr/~gt der niedrige Blutzuekergehalt dazu bei, dab die Ver/~nderungen in diesem Grade in Erseheinung treten.

Hund 3. Bei einem jungen Terrierhund, dem auf gleiche Weise wie ttund 1 und I-Iund 2 die I-Iypophyse exstirpiert wurde, stellten sieh wi~hrend der ni~ehsten 8 Tage nach der Operation wiederholt Zuekungen am ganzen Kfrper ein, die als Ausdruck der bestehenden Hypoglykamie aufzufassen sind und gefi~hrten das Leben des Tieres. Durch entsprechende Zuckerzufuhr kSnnen diese Zustiinde immer wieder behoben werden. Naeh einiger Zeit bleiben sie aber aus und das Tier zeigt normales Verhalten, nach 31/2 Monaten wird das Tier schlieBlieh getStet. Das Gehirn wird naeh der Entnahme sogleich in 70% und spi~ter in 96% Alkohol fixiert. Seine Verarbeitung erfolgt in der gleichen Weise wie bei Hund 1 und ttund 2.

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Bei genauester Durchsicht der Zwischenhirnserie konnte weder am Nucleus supraoptieus und paraventricularis noeh am Nucleus mamillo-infundibularis und an den Kerngruppen der Corpora mamillaria ein sicherer pathologischer Befund erhoben werden. Vereinzelt lassen sich an den Zellen des Nucleus supraopticus und mamillo-infundibularis gr6Bere ,,Valmolen" feststellen. Ein Ausfall yon Zellen in den sog. vegetativen Zwischenhirnkernen kann nicht nachgewiesen werden, ebenso weist die Glia keine progressiven Veri~nderungen auf. Gef~tBinfiltrate konnten nirgends beobachtet werden. In cler Umgebung des I-Iypophysenstieles erkennt man wieder eine Bindegewebswacherung, die zwar nicht so grol~es AusmaB erreicht wie bei I-Iund l, jedoch ausgedehnter als bei ttund 2 ist. Die in das Bindegewebe eingeslarengten kubischen Zellen verha]ten sieh ebenso wie bei Hund 1 und Hund 2. Vereinzelte Zellexemplare des Nucleus gigantocellularis Substantiae reticularis zeigen das Bild der primi~ren Reizung, und zwar sind diese Zellexemplare haupt- sachlich am ~bergang vom Ponsgebiet zur Medulla oblongata im lateralen Antell der Substantia reticularis anzutreffen. In einem Temporallappen trifft man im Markweil3 ebenso wie bei ]~und 2 auf einen kleinen Herd yon FettkSrnchenzellen.

Zusammenfassung. Bei einem hypophysektomierten jungen Terrier- hund wurde die nach der Operation auftretende Hypoglyk&mie durch enspreehende Zuekerzufuhr mit Erfolg bek&mpft. Nach ungef&hr 8 Tagen war die Gefahr der Hypoglyk&mie iiberstanden und das Tier muBte dann 31/2 ~ona t e naeh der Operation zweeks Untersuchung des Zentral- nervensystems get6tet werden. An den sog. vegetativen Zwischenhirn- zellen war kein pathologiseher Befund festzustellen. Vereinzelte Zell- exemplare des Nucleus gigantocellularis Substantiae reticularis lassen die fiir die prim&re Reizung typisehen Ver&nderungen erkennen. Wegen der bereits erw&hnten hohen Empfindliehkeit dieses Zelltypes erscheint es nieht gerechtfertigt diese Zellver&nderung, die im wesentlichen mit tier retrograden Zellver&nderung fibereinstimmt, als Folge der Hypo- physenexstirpation zu deuten. Der FettkSrnehenherd im Markweil~ ist dureh operative Sch&digung verursaeht.

Bei jungen Terrierhunden, bei denen das Zeitintervall zwischen Hypo- physektomie und Tod 2 Tage, 8 Tage und 31/2 l~onate betrug, sind weder an den Zellen des Nucleus supraopticus noch an denen des Nucleus paraventrieularis retrograde Zellveri~nderungen nachweisbar. Die vor- liegenden tierexperimentellen Untersuchungen kSnnen daher keine Stiitze fiir die normalanatomisehen Beobaehtungen yon Greving und Pines liefern. Auch fiir eine yon Greying angenommene Verbindung zwischen Nucleus paraventricularis und Hypophysenhinterlappen sprechen die vorliegenden Resultate nicht. Sie stehen aber nicht im Widerspruch zu der eingangs erw~hnten Beobachtung, die ich vor Jahren an dem von Friedrich operierten jungen Hunde (Exstirpation des Hypophysenhinter- lappens) erheben konnte. Naeh den neuerdings an Hund 2 gewonnenen Erfahrungen neigen wir mehr denn je zu der Anschauung, dal~ die damals am Nucleus supraoptieus und mamillo-infundibularis festgestellten Zell- ver&nderungen nicht auf die ~interlappenexstirpation zurfickzuffihren, sondern erst postmortal entstanden sind. Die bei Hund 2 erhobenen Befunde stimmen mit den friiher festgestellten Zellver&nderungen

Z. f. d. g. Neu t . u. P sych . 148. 185

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weitgehend fiberein, nur erscheinen die an Hund 2 festgestellten Ver~n- derungen noch deutlicher ausgepr~gt. Es sei nochmals darauf hin- gewiesen, wie sehr schwierig oft die Beurteilung yon Zellver~nderungen am kindlichen Zwisehenhirn sind, worauf Bodechtel und der eine yon uns 10 schon in einer frfiheren Arbeit hingewiesen haben (vgl. Abb. 3 der betreffenden Arbeit). Das gleiehe gilt natiirlich yon dem Zwischen- him" junger Hunde, die zur Hypophysektomie Verwendung finden. Es daft uns daher aueh das Vorkommen sog. ,,Vakuolen" im Protoplasma yon einzelnen Zellen des Nucleus supraoptieus und mamillo-infundi- bularis nicht wundernehmen. Wenn so auch die Existenz einer Ver- bindung vom Nucleus supraopticus bzw. Nucleus paraventricularis zum Hypophysenhinterlappen dureh die vorliegenden Untersuehungs- ergebnise nicht gestfitzt werden kann, so soll damit wenigstens die erste normalanatomisch festgestellte Verbindung nieht in Abrede gestellt werden. Es besteht immerhin die N[Sgliehkeit, dal3 die Zellen des Nucleus supraopticus und paraventricularis, die sieh morphologisch gleichen, auf die Durchschneidung ihrer Neuriten nicht mit der sog. retrograden Degeneration oder besser gesagt retrograden Reaktion antworten. Was die Zeitintervalle zwischen Operation und Tod betrifft, so sind diese nach unserer Erfahrung ffir das Zustandekommen einer retrograden Reaktion giinstig gew~hlt. An motorischen Vorderhornzellen des N[enschen sahen wir n~mlich schon 24 Stunden nach der Vorderwurzeldurchschnei- dung retrograde Reaktionen auftreten und andererseits waren retro- grade Reaktionen noch Monate nach der Vorderwurzeldurehsehneidung gut nachweisbar (Foerster und Gagel). Auf alle Fiille gewinnt man auf Grund der vorliegenden Pri~parate die sichere Meinung, dal3 nach Hypophyselctomie retrograde Reaktionen an den Zellen des Nucleus supra- opticus sowie paraventricularis nicht nachweisbar sind.

Die an einJgen Zellen des Nucleus gigantoeellularis Substantiae reti- cularis beobachteten Zellvers die mit der retrograden Reak- tion in allem fibereinstimmen, kSnnten in dem Sinne gedeutet werden, dab diese Zellen Neuriten in den Hinterlappen der Hypophyse senden. Werm diese MSglichkeit natiirlich nicht auszuschalten ist, so mSchten wir doch vor einem solchen Schlusse warnen, da, wie bereits erw~hnt, bei den versehiedensten Sch~tdigungen an diesem Zelltyp eine der retro- graden Reaktion vollkommen gleichende Zellveriinderung beobachtet wird und auch manche Zellexemplare schon normalerweise sehr an diese Zellvers erinnern.

Nochmals sei auf die nach der ttypophysektomie vorfibergehend auf- tretende starke Hypoglykiimie aufmerksam gemacht, die durch Zucker- zufuhr gebessert wird und. sich schlieBlich nach ungef~hr einer Woche verliert. Da diese Hypoglykiimie bei allen drei Hunden festgestellt werden konnte und bei allen diesen Tieren keine Vers an den sog. vegetativen Zwischenhirnkernen nachweisbar waren, geht man wohl

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nicht fehl, die Hypoglyk/~mie als Folge der Hypophysektomie aufzufassen. Es sei noch darauf hingewiesen, da$ die Hypoglyk/~mie auch noch an mehreren anderen hypophysektomierten Tieren nachgewiesen werden konnte, deren Zwischenhirn aber nicht anatomisch untersucht wurde.

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(1925). -- a M~ller, L. 1L: Lebensnerven, Lebenstriebe, S. 189. -- 4Kary, C.: Pathologisch-anatomische und experimentelle Untersuehungen zur Frage des Dia- betes insipidus und der Beziehungen zwisehen Tuber cincereum und ttypophyse. Virchows Arch. 252 (1924). -- 5 Gr~nthal E. : Zellaufbau des Hypothalamus beim Hunde. Z. Neur. 120, 157 (1929). -- e Gr6schel: ]~ber die Cytoarehitektonik und Histologie der Zwisehenhimbasis beim Hund. Dtsch. Z. Nervenheilk. 112, 108 his 123 (1930). -- 7 Grfenthal: Der Zellaufbau im Hypothalamus des Kaninchens und des Maeaeus Rhesus nebst einiger allgemeiner Bemerkungen fiber dieses Organ. J. Psyehol. u. Neur. 42, 425--464 (1931). -- s Gagel, 0.: Zur Topik und feineren ttistologie der vegetativen Kerne des Zwisehenhirns. Z. Anat. 87, ~I. 5 u. 6. --

Gage[, O. u. Bode~htel: Die Topik und feinere I-Iistologie der Ganglienzellgruppen in der Medulla oblongata und Ponsgebiet mit einem kurzen Hinweis auf die Glia- verh~ltnisse und die Histopathologie. Z. Anat. 91, It. 1--3. -- 10 Bodechtel u. O. Gagel: Die Histologie der ,,vegetativen" Kerne des menschlichen Zwischen- hirns am Beispiel der tuberkulSsen Meningitis und Polioeneephalitis. Z. Neur. 182, H. 5 (1931).