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Archly Ohr- usw. Heflk. u. Z. ttals- usw. Heilk., ]~d. 160, S. 316--327 (1951). Aus der Universit/ttsklinik fiir Hals-, Nasen- und Ohrenkranke Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. A. SEIFFE~T). Zur Genese der Dermoideysten am Mnndboden, Von ~. UNGERECHT. (Eingegangen am 3. August 1951. ) Die Erkennung der Mundbodendermoide ist in der Regel nicht schwer. Wichtige diagnostische Fingerzeige geben der Hinweis, da9 schon 1/~ngere Zeit eine schmerzlose, ]angsam gr/~J3er werdende Schwellung am Mund- beden bestanden habe, der Tastbefund und vor allem die Lage der meisten Cysten in oder nahe der Mitre des Mundbodens. Die Kasuistik enth/~lt neben den charakteristischen Befunden auch Fs bei denen eine Ent- zfindung der Cyste das typische Krankheitsbild verwischt hat. Die Ur- sache dieser Entziindungen war unbekannt oder nicht selten eine un- zachgem~l~e Behandlung der nicht erkannten Cyste. Auf Grund des ersten Eindruckes wird gew5hnlich eine 1Kundbodenphlegmone angenommen und eine entsprechende Therapie eingeleitet. Da der erwartete Erfolg ausbleibt, erhebt sich doch der Verdacht auf Vorliegen besonderer Ver- h/iltnisse. Letzteres war auch bei der Patientin, deren Krankengeschichte sich anschlicBt, in mehrfaeher Hinsicht der Fall. 2~ Jahre vor der Klinikaufnahme stellte sich pl5tzlich bei dem 13js M/idchen eine schmerzhafte Schwellung unter der Zunge ein, die rasch grSl~erwurde und mit l~ieber sowie Sehluekschmerzen einherging. Naeh spontanem Eiterdureh- br~eh gingen Schwellung und Sehmerzen zurfick. Naeh 14 Tagen traten dieselben Erscheinungen nocbmals auf. Diesmal mul~te inzidiert werden, worauf sich angeblieh reichlich Eiter entleerte. Die Schwellung am Mundboden bildete sigh seither nicht mehr vSllig zurfick. 1 Jahr sparer bekam das Kind wieder dieselben Beschwerden. Naeh erneuter Incision batte es dann filr 1 Jahr l%uhe. 8 Woehen vor der Klinik- einweisung trat naeh 1V[itteilungdes Hausarztes der letzte, aber sehlimmste Rtick- fall auf. Trotz aller Bemfihungen besserte sich tier Zustand des Ms nicht. Als neuer ]3efund bemerkte man jetzt auf der Zunge eine feine 0ffnung, aus der sieh ein /iul3erst iibelriechender Eiter entleerte. In dieser Gegend war vorher nichts gemaeht worden. Am Tag der Klinikaufnahmebot das Kind/~ul3erlieh keinen besonderen Befund. Unter der Zunge war die Mundschleimhaut in der Mitre und etwas nach links hin- fiberreiehend vorgewSlbt und st/irker als normal ger5tet. Rechts neben dem Zungen- b/~ndchen befand sich eine etwa 3 em lange alte Narbe. Am Mundboden sah man nirgends Eiter, auch nieht nach Ausstreichen der Drfisenausffihrungsg/inge. ])as Palpieren der Sei~wellung tat dem Madchen web. Die VorwSlbung ffihlte sich derb an und konnte nicht genau gegen die Umgebung abgegrenzt werden; die Schleimhaut war hier auf der Unterlage fixiert. Eine Fluktuation fehlte. Die Submentalgegend war nicht ver~ndert.

Zur Genese der Dermoidcysten am Mundboden

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Archly Ohr- usw. Heflk. u. Z. ttals- usw. Heilk., ]~d. 160, S. 316--327 (1951).

Aus der Universit/ttsklinik fiir Hals-, Nasen- und Ohrenkranke Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. A. SEIFFE~T).

Zur Genese der Dermoideysten am Mnndboden, Von

~ . UNGERECHT.

(Eingegangen am 3. August 1951. )

Die E r k e n n u n g der Mundbodendermoide ist in der Regel nicht schwer. Wichtige diagnostische Fingerzeige geben der Hinweis, da9 schon 1/~ngere Zeit eine schmerzlose, ]angsam gr/~J3er werdende Schwellung am Mund- beden bes tanden habe, der Tas tbe fund und vor allem die Lage der meis ten Cysten in oder nahe der Mitre des Mundbodens . Die Kasuis t ik enth/~lt neben den charakter is t ischen Befunden auch Fs bei denen eine En t - zf indung der Cyste das typische Krankhe i t sb i ld verwischt hat . Die Ur- sache dieser E n t z i i n d u n g e n war u n b e k a n n t oder n icht selten eine un- zachgem~l~e Behand lung der n icht e rkann ten Cyste. Auf Grund des ersten Eindruckes wird gew5hnlich eine 1Kundbodenphlegmone a n g e n o m m e n und eine entsprechende Therapie eingeleitet. Da der erwartete Erfolg ausbleibt , erhebt sich doch der Verdacht auf Vorliegen besonderer Ver- h/iltnisse. Letzteres war auch bei der Pa t ien t in , deren Krankengeschich te sich anschlicBt, in mehrfaeher Hins icht der Fall.

2 ~ Jahre vor der Klinikaufnahme stellte sich pl5tzlich bei dem 13js M/idchen eine schmerzhafte Schwellung unter der Zunge ein, die rasch grSl~er wurde und mit l~ieber sowie Sehluekschmerzen einherging. Naeh spontanem Eiterdureh- br~eh gingen Schwellung und Sehmerzen zurfick. Naeh 14 Tagen traten dieselben Erscheinungen nocbmals auf. Diesmal mul~te inzidiert werden, worauf sich angeblieh reichlich Eiter entleerte. Die Schwellung am Mundboden bildete sigh seither nicht mehr vSllig zurfick. 1 Jahr sparer bekam das Kind wieder dieselben Beschwerden. Naeh erneuter Incision batte es dann filr 1 Jahr l%uhe. 8 Woehen vor der Klinik- einweisung trat naeh 1V[itteilung des Hausarztes der letzte, aber sehlimmste Rtick- fall auf. Trotz aller Bemfihungen besserte sich tier Zustand des Ms nicht. Als neuer ]3efund bemerkte man jetzt auf der Zunge eine feine 0ffnung, aus der sieh ein /iul3erst iibelriechender Eiter entleerte. In dieser Gegend war vorher nichts gemaeht worden.

Am Tag der Klinikaufnahme bot das Kind/~ul3erlieh keinen besonderen Befund. Unter der Zunge war die Mundschleimhaut in der Mitre und etwas nach links hin- fiberreiehend vorgewSlbt und st/irker als normal ger5tet. Rechts neben dem Zungen- b/~ndchen befand sich eine etwa 3 em lange alte Narbe. Am Mundboden sah man nirgends Eiter, auch nieht nach Ausstreichen der Drfisenausffihrungsg/inge.

])as Palpieren der Sei~wellung tat dem Madchen web. Die VorwSlbung ffihlte sich derb an und konnte nicht genau gegen die Umgebung abgegrenzt werden; die Schleimhaut war hier auf der Unterlage fixiert. Eine Fluktuation fehlte. Die Submentalgegend war nicht ver~ndert.

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Genau in der Mittellinie der Zunge, etwa 11/2 cm hinter der Spitze entle+rte sich aus dem Sulcus eine serSse, dunkelbraune, iiuBerst fibelriechende Flfissigkeit, wenn das M/~dehen die Zunge an die oberen Z~hne preSte und dabei die Mundboden- muskulatur anspannte. Ubte man selbst mittels Ffundspatel einen Druek auf die Zunge aus und dri~ngte gleiehzeitig mit der Hand yon auBen den Mundboden naeh oben, dann entleerten sieh nur Spuren dieser Fltissigkeit. Die Stelle, an der letztere zum Vorschein kam, war unauff~llig. Beim Auseinanderziehen der Zungenh$1ften schien deft der Suleus medianus nur etwas tiefer zu reiehen. Eine Sonde lieB sieh nicht in die Offnung einfiihren. ])as Kind teilte erst auf einch'ingliches Befragen mit, dal~ es schon 1949, ein halbes Jahr vor Auftreten der ersten Sehwellung, gelegentlich auf der Zungenoberfl~che eine scharf schmeekende Fliissigkeit bemerkt habe.

Der fibrige Fach- and Allgemeinbefund war, abgesehen yon einer Otitis media ehronica mesotympanali s eines Ohres, nnauff~llig.

Operation: In Lokalan/~sthesie wurde veto Mundinnern her eine dickwandige Cyste yon der GrS$e einer Kastanie ausgeseh/~lt. Die Freilegung der Cystenwand maehte keine Sehwierigkeiten, da sie nirgends verwaehsen war. Das Gebilde lag auf dem M. genioglessus. Im Innern befand sich als einziger Inhalt ein alter, iibel- rieehender Tamponadestreifen.

Veto oberen Anteil der Cyste fiihrte ein Fistelgang yon der Dicke einer Bleistift" mine genau in der Mittellinie dureh die Zunge hindurch zu der Stelle der Zungen- oberfl~che, we die Flfissigkeit beim Pressen erschien. W~ihrend des Eingriffes gelang es erst, ,:on oben her eine feine Sonde in den Gang einzuffihren. Man konnte jetzt erkennen, dab dieser zun~ichst naeh vorn zur Zungenspitze hin und dann bogen- f0rmig in der Mitte durch die Zungenmuskulatur nach unten verlief. Die Wand wurde freigeleg~ und der Gang in tote zusammen mit der Miindungsregion der Fistel auf der Zungenoberfli~ehe excidiert. Die Wunden heilten rasch. ])as Kind hatte hinterher keine Beschwerden mehr und spraeh unver/~ndert.

Die h is to logische U n t e r s u c h u n g besti~tigte den kl in ischen Verdach t auf das Vor]iegen einer Dermoidcys te . Der Pa tho loge erhob fo lgenden Befund :

, E s hande l t sich in der T a t u m eine yon v e r h o r n e n d e m gesch ich te tem P la t t enep i the l ausgekle ide te Cyste. Die subep i the l i a l en Ante i l e der W a n d der Cyste en tha l t en e indeu t ig Anhangsgeb i lde der H a u t . Es f inden sich H a a r e mi t H a a r w u r z e l n und mi t t yp i schen gro$en Talgdr i isen. Schweil]- dr i isen s ind in den bisher vor l i egenden P r ~ p a r a t e n ebenfal ls nachweisbar . Die C y s t e n w a n d bes t eh t somi t aus H a u t . Sie is t a l lerdings sehr s t a rk unspezif isch chronisch-entzf indl ich veri~ndert. Die his tologische Un te r . suchung bes t~ t ig t somi t die kl inische Diagnose des Vor]iegens einer sogenannten Dermoidcys te .

Der Verb indungsgang yon der Cyste a m M u n d b o d e n zur OberflKche der Zunge zeigt den gleichen W a n d a u f b a u wie die Cyste selbst . Die innere Oberfliiche des Ganges wird yon ve rho rnen de m geschieh te tem P la t t en - epi thel gebi ldet . ] )as d a r u n t e r l iegende, ebenfal ls s t a rk chronisch- entz i indl ich in f i l t r i e r te Bindegewebe enthi i l t w lederum H a a r e und Talg- dr i isen sowie Sehweil~drfisen. Wei t e r auften is t der Gang yon F e t t g e w e b e und querges t re i f ter Musku la tu r umgeben .

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Dieses Gewebsstiickchen (= Abzweigung des Ganges yon der Zungenspitze ?)besteht lediglich aus quergestreifter Muskulatur und aus Binde- und Fettgewebe. Bestandteile der Cystenwand oder des Ver- bindungsganges sind darin nieht enthalten.

Das 4. Gewebsstiiek enth~lt die Miindung des Verbindungsganges yon der Cyste zur Zungenoberfl~che. Das gesehichtete Platteneloithel der Zungenoberfliiche ist an einer Stelle unterbrochen und senkt sich in den Verbindungsgang ein. Unmittelbar nach Einsenkung des Verbindungs- ganges befinden sich schon dicht unterhalb der Zungenoberfli~che, abet im Bereich des Verbindungsganges unter dem den Gang auskleidenden verhornendem geschichteten Plattenepithel im Bindegewebe wiederum Haarwurzeln mit typisehen Talgdrfisen. Gez. Prof. I~A~DE~ATH, P a t h . Institut Heidelberg, Einlauf 1Vr. 2021/51."

Epikrise: Das M~dchen hatte, was den histologisehen Befund an- belangt, eine typische Dermoidcyste. Der Krankheitsverlauf zeichnete sieh durch rezidivierende phlegmonSse Entziindungen der Cyste samt Umgebung aus, wodurch der wahre Saehverhalt nicht erkannt wurde. Nach dem letzten Riickfall unterhielt ein in der Cyste zuriiekgebliebener Tamponadestreifen den Entziindungsprozel~. Der ganze Verlauf und die Erfolglosigkeit der vor der Klinikaufnahme durchgefiihrten Thsrapie lieBen den Verdacht aufkommen, da~ bei diesem M~dchen etwas Anderes als eine einfache ~undbodenphlegmons vorliegen miisse. Dies wurde durch den Operationsbefund bests Die Sekretion aus dem entziindlich ver~nderten Cysteninnern erleichterte die Auffindung des Fistelganges.

Die Infektion einer Dermoidcyste wird in der Praxis immer wieder gelegentlieh gesehen und stellt daher nichts Aul~ergewShnliches dar. Hingegen ist die Verbindung der Cysge mit der Zungenoberfl~che eine l~arit~t. Die Fistel ist nicht die Folge einer Entziindung oder sines Ein- griffes, sondern das Gewebe der Wandung zeigt yon der Cyste bis zur Miindung denselben Aufbau wie die Wand der Hohlgeschwulst Selbst, d. h. sie gehSren genetiseh zusammen.

Beziiglieh der Genese der Dermoideysten wird heute allgemein deren ektodermale Herkunft anerkannt. In diesem Sinne sprechen aul~er der Tatsache, da9 allein das ~ultere Keimblatt Haut und deren Anhangs- gebilde hsrvorbringen kann, aueh dis Ergebnisse yon Tiersxpsrimenten (KAUFMAN~, RIBBERT U. a.).

Auf die Abstammung vom Ektoderm weisen bei der beschriebenen Cyste nicht nur der histologische Befund, sondern such der i~tiologisch wiehtige Sitz der Fistelmfindung hin; denn das Epithel dieses Teils der Zungenoberfl~che leitet sich vom Ektoderm her. Die MundhShle des Embryos wird bis zur I~achenmembran vom ~uBeren Keimblatt aus- gekleidet. Die Membran, welehe spi~ter vSllig verschwindet, trennt die ektodermale 1VIundbucht yon der entodermalen vorderen Darmbucht.

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Nach AbschluB der Entwicklung entspricht die Grenze zwischen beiden am ]~achen sehr wahrscheinlich dem vorderen Gaumenbogen, w~hrend sic auf der Zunge dicht vor der l~eihe der Papillae vallatae verl~uft. Die Fistel miindet also in einem Epitelbereich, der vor der Geburt vom i~uBeren Keimblat t eingenommen wurde.

Eine andere Eigentiimlichkeit der Cyste ist der Verlauf des Fistel- ganges genau in der lV[itte zwischen den beiden Zungenh~lftcn. Dadurch erh~lt man einen weiteren Hinweis auf die, Genese.

Die Ursache fiir die zur Dermoidenentstehung notwendigen Ekto- dermversprengungen bzw. die Umsti~nde, die entgegen dem normalen Geschehen eine vollst~ndige Rfiekbildung yon Ektodermteilen verhin- dern, werden ganz allgemein mit den verschiedenen Umbildungsprozessen w~thrend der embryonalen Wachstumsperiode in Zusammenhang ge- bracht. So erkli~rt man dan h~ufigen Sitz yon Dermoiden an bestimmten iStellen des Kopfes dadurch, dab dort, wo embryonale Spalten bzw. Furchen geschlossen werden, reichlich Gelegenheit zur Einstiill)ung mit Abschniirung und Isolierung you t tautkeimen geboten sei. Man spricht deshalb yon fissuralen Dermoidcysten (BoRsT). Pr~dilektionsorte am Kopf sind die Umgebung des Ohrcs, der •ase, des Auges usw.

Bei dem oben erw~hnten Fall l~l~t sich die Topographie yon Cyste und iFistel zwanglos mit der Entwieklung der Zunge in Einklang bringen.

Die Zunge entsteht beziiglich der hier interessierenden Teile - - Zungenspitze und -kSrper - - aus drei Anlagen an der Inncnseite des ersten Kiemenbogens. In der Mitte erhebt sich zuerst das Tuberculum linguale impar. Etwas sparer t r i t t weiter oben und seitlieh auf jeder Seite des- ..selben Kiemenbogens das Tuberculum linguale laterale auf. Die beiden .seitlichen Wfilstc iiberfliigeln im Wachstum bald das Tuberculum impar, ~streben aufeinander zu un'd legen sich mit ihren Ektodermfl~chen in der Mitte vor dem Tuberculum impar aneinander. Sie verwachsen unter ;Sehwund des Ektoderms und unter Vereinigung des mesodermalen Gewebes an der Stel]e, wo sich dann der Sulcus medianus und das Septum linguae befinden. Die seitliehen Wiilste bilden somit die Zungenspitze und dan grSl~ten Teil des ZungenkSrpers, das Tuberculum impar nur einen ~kleinen Bezirk vor dem Foramen caecum. Die hinter diesem Gebiet ]iegende Region um das Foramen caecum ist iibrigens entodermalen Ursprungs und enth~lt die Anlage der Schilddrfise.

Beriicksichtigt man neben dem iibereinstimmenden Bau yon Cysten- und Fistelwand diese Entwicklung der Zunge, dann kann nur das Ekto- derm in der Mitre zwischen den seitlichen Zungenwfilsten als Ausgangs- material fiir die Dermoidcyste in Frage kommen. Es gibt allerdings zwei •Sglichkeitcn, die ~tiologie der Cyste zu deuten. Einmal kSnnte im ~Bereich der sp~teren Fistel das Ektoderm der einander zugekehrten n~edialen. Fl~chen der seitlichen Wiilste nieht vSllig zuriickgebildet

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worden sein. Die allmghlich gr6ger werdende Cyste dehnte sieh dann bis in das sublinguale Mundbodengewebe aus. Andernteils ist es denkbar, dag sich an der Zungenoberflgehe, we die Fistelmfindung lag, das Ektoderm nach unten senkte, u n d yon dort nach und nach immer tiefer in das Zungengewebe eindrang. Diesen Prozeg fSrderte unter Umstgnden die Ausbildung der Zungenmuskula~ur, deren Entstehungsort noch um- stri t ten ist. Nach der einen Auffassung entwickel~ sie sigh in der Zungen- anlage selbst, nach der anderen geh6rt sie genetisch zu den Occipital- myotomen. Nach der zuletzt genannten Auffassung wandert sie unter Nachziehen des zugeh6rigen N. hypoglossus erst nachtrgglieh in die Zunge Gin. Wie dem auch sei, es kommt auf jeden Fall wghrend deren Ausbrei~ung zu einer t tochdrgngung des ~undh6hlenbodens, d. h. es wg.re m5glich, dal3 sigh die Ektodermeinsenkung gleiehzeitig nach unten aus- dehnt.

Ein Zusammenhang mit der BLA~m~-XuH~schen Driise ist ira Hinb]ick auf deren Lokalisation seitlich yon der ~ittellinie in diesem Falle unwahrscheinlich.

Die Entwicklungsgeschiehte liefert bei diesem Fall somit den Schlfissel zum Verstgndnis der Xtio]ogie. Es fragt sieh nun, ob man die Folgerungen aus dieser Einzelbeobaehgung verallgemeinern und Schliisse auf die Genese der iibrigen Mundbodendermoide ziehen darf. Bevor hierzu Stelhing genommen wird, ist es notwendig, auf die anatomischen Ver- hgltnisse der bisher publizierten F~lle einzugehen, die auch in den ver- schiedenen Klassifizierungen der Dermoide zum AusdruCk kommen. Die Epidermoide bleiben unberiieksichtigt, da sie Gin Problem fiir sigh dar- stellen.

Nach den kaSuistischen ~i t te i lungen handelt es sich bei der Mehrzahl der Fglle um v6llig isol{ert im Gewebe liegende Cysten. Manche Opera- teure fanden al]erdings Verwaehsungen der Cystenwand mit dem Zungen- bein oder seltener mi$ dem Unterkiefer. MARC~A~D nannte diese Der- moide daher , ,Kystes adhyoidiens und adgeniens". DEBONNELLE und BA~XER trennten median am ]V[undboden gelegene Cysten von denen der seitliehen Halsgegend. Gs untersehieden wiederum Mlein auf Grund des Sitzes sublinguale und submentale Dermoid6. V. BERCMANX gebrauchte dieselben Bezeichnungen, setzte aber die Lage der Cysten zur 3s in Beziehung. KLAPP schlug fitr dieselben Typen die Einteilung in intra- und extraorale bzw. intra- und extramuskulgre Dermoide vor. Wie die yon KidTT~]~, A o x ] ~ u . a . publizierten Fglle zeigen, gibt es auch Kombinat ionen zwischen den zuletzt genannten Arten. Sublingua]er und submentMer Anteil sind bei diesen durch ein enges Stiick verbunden (Zwerchsackdermoide).

Augerdem sind hier noeh einige Beobachtungen anzufiihren, die zwar selten sind, aber t rotzdem im Hinblick auf die Genese yon Bedeutung

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sein kSnnen. CoLP bringt in einer seiner Arbeiten einen Operations- berieht, in dem die Ausseh~lung einer Mundbodendermoideyste be- sehrieben wird. Bei dem Patienten war, wie bei dem oben angeffihrten Fall, eine Fistel vorhanden, die zum vorderen Drittel der Zungenober- fl~che hinffihrte und genau in der Mitte mfindete. Der Gang der Fistel war sondierbar. Eine histologische Untersuehung lieB den Aufbau der Wandung aus dermoida]em Gewebe erkennen. PERCY FURNIWALL fand in der Zunge eines ~lteren 3/[annes gleichfalls eine Cyste mit einer Fistel. Der Fistelgang reiehte, was sich erst bei der Operation herausstellte, yon der Zungenspitze bis zum Zungenbein. Diese beiden Befunde waren die einzigen in der Literatur, die dem eingangs gesehilderten/ihnelten.

STIEDA 11. a. trafen Cysten in der Zunge selbst an. OBE~LI~G und WO~INGER trennten bei einem Neugeborenen oben nahe dem Zungenrand auf jeder Seite eine erbsengroB% gestielte Dermoideyste ab. GUETERBOCK sehilderte, wie er auf der linken Seite des Mundbodens eines Mannes eine Dermoidcyste entfernte, welehe naeh hinten bis zu den 3/[olaren und naeh unten bis in die seitliche Italsgegend reiehte. Die Cyste war mit dem Zungenbein verwachsen. CEDERBAUM, I~AQUET, GUSSENBAUEI~, BARKER, ACKE~T U. a. beriehten yon seitlieh am Hals in der Loge der Glandula submandibu]aris gelegenen Dermoideysten. Ein eigener Fall kann hinzu- geffigt werden.

Eine junge Frau hatte schon l~ngere Zeit eine langsam grSger werdende Schwellung auf der linken HMsseite. AuBerhalb der Klinik ~ugerte man den Ver- daeht auf Tuberkulose. Bei der Operation wurde jedoch in der Submandibularisloge eine Dermoidcyste gefunden, die unter der Speicheldriise lag und diese nach oben verdri~ngt hatte. Adh/isionen bestanden nicht.

Es handelt sich bei diesen zuletzt angeffihrten F~llen um ein seltenes, aber typisches Krankheitsbild. Erw/~hnenswert ist noch das yon ACKERT beriehtete Vorkommen yon 2 Dermoiden bei einem Patienten, die in der SubmaI~dibularisloge ihren Sitz hat ten und yon denen bindegewebige Stri~nge zum Nundboden hin ausstrahlten. Auch CEDER~AU~ mugte bei einer derartig gelegenen Cyste Str/~nge durchtrennen, welche fiber den lV[. mylohyoideus hinweg zum lVIundboden verliefen. Von Interesse ist sehlieBiich noeh ein Fall yon SEED LINDON mit einer Dermoideyste; diese hat te eine Fistel, welehe vor dem N. sternocleidomastoideus in HShe des oberen Sehildknorpelrandes mfindete.

I m Sehrift tum trifft man auf die verscMedensten Ansiehten, welehe die Genese dieser unterschiedlieh gelegenen I)ermoide zu erkl~ren ver- suchen. Einig ist man sieh darin, dab die Hoh]gesehwfilste angeboren sind und die Entwieklung der Hals- und ?r kompliziert genug ist, die Entstehung aus dem Ektoderm dieser Gegend glaubhaft zu machen. ROSER brachte sehon 1859 als einer der ersten die Cysten mit der Bildung und Absehnfirung yon Hautke imen im Gebiet des Kiemengangs_

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apparates in Verbindung. V v ~ E u r L , I~OLLA:ND und andere Autoren schlossen sich dieser Ansicht an. KOSTAN]SCKI und 1VII~LECKI lenkten die AufmerksamkeR auf die Vorggnge im mesobranchiMen Feld. HIs be- zeichnete so die Vorderwand des Halses unterhalb des 1. Kiemenbogens. Dort vereinigen sich die medianen Enden der Kiemenbogenhglften nicht miteinander, sondern lassen ein nach unten breiter werdendes Gebiet, das mesobranchiale Feld, frei. Die beiden Autoren. meinen, dal~ infolge dort auftretender EntwicklungsstSrungen Gewebskeime abgetrennt wtirden. Sie schlagen deshalb fiir die daraus hervorgehenden Cysten die Bezeich- nung mesobranchiale Dermoide vor. HILD]~B:aANDT weist auf eine vor dem Tuberculum impar eine Zeit lang vorhandene zweibliittrige Epi the l - lamelle bin, die sich beim Aneinanderriicken der oberen Kiemenbogen einstfilpen und zum Ausgangsort yon Ektodermabschniirungen werden kSnnte. Diese Hypothese ver tr i t t auch KA~ow. V. BERCMAXN spricht sich dafiir aus, dab sich an 3 Stellen Dermoide entwickeln: in der )/[itte des Unterkiefers, wo die beiden Unterkieferan]agen verwachsen, ferner in der embryona]en Spalte zwischen den miteinander sich vere inigenden 2. und 3. Kiemenbogen sowie in der Gegend, wo 1. und 2. Kiemenbogen aufeinandertreffen. I-IAssEL machte hierzu den Einwand, dag die zuerst genannte Stelle am Mandibularbogen desha]b nicht in Frage kiime, weft yon Anfang an nur eine gemeinsame, median nur e~was eingekerbte Antage des Unterkiefers vorhanden sei. Aul3erdem miil~ten die Dermoide bei dieser Genese h6her am ~undboden sitzen als dies der Fall sei. HASSEL selbst hglt die b]indsackartig endenden Ausli~ufer der Sinus cervicMes, die Vesiculae cervica]es, fiir die einziger~ Stellen, die das Ektoderm fiir die Dermoide zu liefern imstande wgren. Die mediane Lage der Dermoide versucht er damit zu erkliiren, dab die anfangs seit]ich gelegenen Ekto- dcrmreste durch die Umbildungsvorggnge info]ge des Wachstums all- mghlich Bach dcr Mitte des Halses verlagert wfirden. CoLe faBt die Dermoide als ein Produkt des Ektoderms auf, das hei der SchlieBung des 1. und 2. Kiemenbogen s fibriggeblicben sei. Xeue Gesichtspunkte sind in ]etzter Zeit nicht bekannt geworden.

Sgmtliche Theorien versuchen in erster Linie die anatomischen Befunde dieser angeborenen Gebilde an Hand der jeweils herrschenden Lehre yon der Entwicklungsgeschiehte zu deuten, wobei sich diese Hypo- thesen immer wieder mit dem Problem auseinandersetzen, wie man am besten die hiiufig anzutreffende Lage in der Mitre des Mundb~dens erklgren kSnnte.

FM~t man nochmMs die oben hervorgehobenen MerkmMe zusammen, dann dienen folgende Befunde und Tatsachen als Grundlage fiir den Ver- such, die Genese verstgndlieh zu maehen: 1. die strenge Einhaltung der ~undbodenmi t t e yon den meisten der verschieden tief im Zungen- und Mundbodengewebe loka]isierten Dermoiden, sei es ober- oder unterhalb

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des M. mylohyoideus, 2. das Vorkommen yon Cysten auf der Zungen- oberfl/iehe, seitlieh am Mundboden und in der Submandibularisgegend, wobei in der Driisenloge gleiehzeitig aueh einmal 2 Dermoide angetroffen wurden, 3. die yon mehreren Autoren erwghnten Verwaehsungen zwi- sehen Cystenwand einerseits, Zungenbein, Kinn und Mundbodengewebe andererseits, 4. E.inzelbeobaehtungen wie die F/ille yon SEED LI~TDON, COL]? und PERCY FU~NIWALL mit ihren Fisteln, die bei den beiden zuletzt genannten Autoren dem oben gesehilderten Befund ~ihnlieh sind, 5. die ektodermale Herkunft der Dermoide.

Bei der Zusammenstellung wurden, soweit dies mSglieh war, alle in der Li tera tur aufzufindenden auBergew6hnliehen anatomisehen Variationen berfieksichtigt. Das Aufsuehen war im /~lteren Sehrift tum mitunter dadureh ersehwert, dab die Dermoide, dem damaligen Stand des Wissens entspreehend, h/infig zusammen mit solchen Cysten besproehen wurden, die eine andere Atiologie haben, z .B. den Cysten des Duetus thyreo- glossus. I m Laufe der Zeit t rennte man auf Grund neuer entwieklungs- gesehiehtlieher Erkenntnisse die Dermoide neben anderen Cysten als eine eigene Gruppe ab.

Als MaBstab fiir die Wahrseheinliehkeit einer der oben zitierten Theorien mug man den Grad der Ubereinst immung zwisehen den anatomisehen Gegebenheiten und den entwicklungsgeschiehtliehen Er- kenntnissen heranziehen. Der makroskopisehe Befund soll mSgliehst dureh histologisehe Untersuehungen fnndiert werden. Im/~Iteren Sehrift- turn wird abet gerade die feingewebliehe Kontrolle h~ufig vermiBt, so dab die SehluBfolgerungen hinsiehtlieh der Atiologie morphologiseher Be- sonderheiten anfeehtbar sind. I n diesem Zusammenhang sei vor allem auf die erw/~hnten Verwaehsungen mit dem Zungenbein 0der dem Kinn erinnert. Die damit sieh befassenden Betraehtungen verlieren um so mehr ihren speknlativen Charakter, je bekannter die Struktur jener Gebilde dutch histologisehe Untersuehungen wird.

Der Fall yon S~ED LI~DO~, um dies vorweg zu nehmen, weist z. B. auf eine Fehlbildung im Sinne der I-IAss]~Lsehen Theorie bin. Im.fibrigen kann diese Hypothese nieht ffir alle median gelegenen Mundbodendermoide Geltung haben, da sie den anatomisehen VerhS~ltnissen doeh einen zu groBen Zwang antut. AuBerdem treffen die yon HASSEL angeffihrten Voraussetzungen yon seiten der Entwieklungsgesehiehte zum Teil nieht mehr zu, was aueh bei den anderen Deutungsversuehen der i~lteren Aut'oren der Fall ist.

Ein Uberbliek fiber die Kasuist ik zeigt, dab die Einteilung D~- ~ o ~ L L ~ s und BA~XERS zu Reeht besteht. Bedenkt man, dab typisehe Dermoide nieht nur auf der Zungenoberfl~tehe, sondern aueh an allen mSgliehen Stellen zwisehen Zungen- sowie ~undsehle imhaut und Sub- mentalgegend angetroffen werden, so ist es naheliegend, aueh einen Teil

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dieser Dermoide auf das die Mundh6hle auskleidende Ektoderm zuriick- zufiihren.

Was die medianen Dermoide anbelangt, so ist deren Lage hinreichend durch die Entwicklungsabl~ufe dieser Region zu erkl~ren. Ein wesentl licher Faktor hierbei ist die Gewebswanderung yon den Seiten zur Mitte des Organismus hin. Dieses Verhalten ~rifft man bei der Ausbildung sowohl der Zunge als auch der ~undbodenmuskula tur an; denn der ~ . mylohyoideus besteht aus zweivon derTrigeminusmuskulatur abstammen- den Halften, die erst nach Verwachsung in der Raphe das Diaphragma oris bilden. Es ist nicht ausgesehlossen, dab diese beiden IV[uskelanteile einen schon bestehenden Ektodermkeim yon den Seiten her einsehniiren und dadureh die Gestalt der Zwerehsaekdermoide zustande kommt. Leider fehlen in der Literatur genaue Angaben dariiber, ob ihr •erbindungsstiick genau in der Raphe oder seitlieh davon lag. KLAI'I" ist der Meinung, dab die allmahlich gr6Ber werdenden Cysten unter Umst~inden die Mund- bodenmuskulatur znr Atrophie br~ehten, und anf diese Weise die Cysten aueh augen in der Submentalgegend in Erscheinung trgten.

I)en in versehiedenen Tiefen des Zungen- und iKundbodengewebes lokalisierten Dermoiden ist die Medianlage gemeinsam. Diese Lokali- sation bereehtigt zu der Annahme, dab zumindest bei den Cysten, die in irgendeinem Zusammenhang mit der Zungenmitte stehen, das Ektoderm der medianen Fliichen der seitliehen Zungenwiilste den Keim zu den Cysten lieferte. Vielleieht ist dies dariiber hinaus bei den meisten der derartig gelegenen sublingualen Dermoiden der Fall. Dutch anhaltendes Waehstum breiten sieh die Cysten im Nundbodengewebe als dem Ort des geringsten Widerstandes aus. M6glieherweise sind Fistelg~nge h~iufiger als auf Grund des Literaturstudiums anzunehmen ist. Dureh solehe Fisteln kSnnten Keime in die Cyste eindringen und. die bisher unerkl~r- lichen spontanen Entziindungen der Cysten, z. B. im Verlauf einer Angina oder einer entziindliehen Zahnerkrankung hervorrufen. Bei dem M~dehen kam es sehr wahrseheinlieh zuerst zu einer Entziindung; denn die Ent- ziindungserseheinungen waren das Prim/~re und erst sparer wurden die Ineisionen gemaeht. Eine falsehe Behandlung mittels Punktion oder Incision ist aber sieher die h/~ufigste Ursaehe der sekundaren Cysten- infektionen.

Am sehwierigsten ist eine Stellungnahme zu der Ntiologie der Sub- mentaldermoide. Letzten Endes kSnnte man als Kri ter ium wiederum die Mittellage heranziehen, wenn sonst alle Anhaltspunkte fehlen, um das Mundh6hlenektoderm als lV[uttergewebe gelten zu lassen. Bei diesen Arten w~ire der Zusammenhang zum Ursprungsort, wie ihn z .B. ein Fistelgang dars~ellen kann, verlorengegangen. In Anbetraeht der N~he der Kiemengangsregion mit ihren komplizierten Gewebsumbildungen ist

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Zur Genese der Dermoideysten am Nundboden. 325

es aber nieht ausgesehlossen, dab dort auftretende St6rungen die Sehuld an Ektodermabsprengungen tragen.

Die seitlieh am Nundboden und in der Submandibularisloge vor- gefundenen Cysten liegen in einer auffallenden Naehbarsehaft der Speieheldrtisen. Die Glandula sublingualis und submandibularis sind genetiseh auf Ektodermleisten zuriiekzufiihren, die sieh beiderseits im Suleus alveo-lingualis yon hinten naeh vorn vom Ektoderm absehniiren. Charakteristiseh fiir die Entwieklung dieser l~[undspeieheldr/isen ist der Umstand, dab deren endgiiltiger Sitz nieht mit dem Oft der ersten Anlage fibereinstimmt. Es geht die weitere Ausbildung der Driisen viel- mehr mit einer Aussprossung zuerst solider, spater tiohhverdender Ektodermsl0rossen in die Tiefe des umgebenden Gewebes einher.

Halt man sieh diese Vorgange vor Augen, dann ist der Gedanke nieht so abwegig, dab St6rungen zur Aussehaltung yon undifferenziert liegen- bleibenden Ektodermbestandteilen ffihren. Riihren letztere yon der Anlage der Glandula sublingualis her, dann ist die Cyste seitlieh am Mundboden lokalisiert, stammen sie abet yon der Glandula submandi- bularis, dann liegt jene in der Drt~senloge oder an irgendeiner Stelle des Weges, dan die Drfisenanlage genommen hat.

In diesem Rahmen sei noeh auf das sogenannte ACKEaK~EC~tTsehe Organ hingewiesen. Es gilt als sine nut vorfibergehend angelegte SpeieheL drtisenanlage, die sieh gleiehfalls aus Ektoderm zusammensetzt und ungefahr in der Gegend der Caruneula salivalis liegt. Ein ahnliehes Gebilde ist fibrigens das sogenannte CmEvITzsehe Organ in der Nahe der Parotisanlage. Das ACKE~KNEeETsehe Organ mug gleiehfalls bei diesen Betraehtnngen genannt werden, da man nieht ganz aussehliegen kann, ob nieht doeh gelegentlieh bei unvollst/~ndiger Riiekbildung dieses Gebilde fiir die Entstehung yon Dermoiden verantwortlieh gemaeht warden kann. CLAAS verfolgt /~hnliehe Gedankengange in bezug auf das C~IIEVlTzsehe Organ. Die betreffenden Dermoide wiirden in den Wangen- weiehteilen liegen.

Die Frage, welehe Bewandtnis es mit den Cysten habe, die mit dem Zungenbein oder Unterkiefer dureh Adhasionen verbunden sind, muB solange often bleiben, bis die lV[orphologie soleher Strange geklart ist. Es ist mSglieh, dab es sieh bei den losen Anheftungen lediglieh um eine Anlagerung der Cystenwand an den einer weiteren Ausdehnung Halt bietenden Knoehen handelt. Auf der anderen Seite mug man abet aueh

�9 @ daran denken, dab eine der aufgezahlten Entstehungsm6gliehkeiten zutrifft, und die Adhasionen eine besondere genetisehe Bedeutung be- sitzen.

Neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet sind yon einer genauen Be- aehtung der anatomisehen Verhaltnisse wahrend Operationen zu erwgr- ten. Aussehlaggebend wird, wie gesagt, das Ergebnis yon histologisehen

A r c h . Ohr- usw. H e i l k . u. Z. H a l s - u sw . H e i l k . , 13d. 160. 22

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Untersuchungen sein. Kontrastffillungen des leeren Cystenbalgs oder Ein: bringen yon Methylenblau k6nnen noch Fistelg~nge zur Darstellung bringen, die sonst leicht iibersehen wiirden. Weiterhin ist es empfehlens- wert, mSglichst vom ~undinneren aus zu operieren. Man hat dann einen besseren Uberbliek fiber den oberen Pol, der naeh den oben gebrachten Darlegungen genetisch besonders wiehtig zu sein scheint. ~ a n kann sich nicht des Eindruckes erwehren, daJ~ bei Eingriffen yon auBen die Sach- lage nicht immer r ichtigbeurtei l t wurde. Die Erfahrung wird dann auch lehren, welche der oben zitierten Hypothesen an W~hrscheinlichkeit gewinnen und welche abzulehnen sind. Auf jeden Fall mu~ jede Phase der Entwicklung beaehte t werden, in deren Verlauf es zu Ektodermum- lagerungen oder zu einer ResorptiOn desselben kommt.

Zusammenfassung.

Beschreibung einer sublingualen Dermoidcyste mit einer Fistel zur Zungenoberfl~che. Bei der Patientin, einem 13j~hrigen ~gdchen, kam es infolge Infektion der Cyste zu rezidivierenden Entziindungen, so dab aul~erhalb der Klinik jedesmal eine ~undbodenphlegmone angenommen wurde. Ein weiterer besonderer Befund war ein Fremd_kSrper (alter Tamponadestreifen) i nder HShle der Cyste. Es gibt zwei M5glichkeiten, die Genese dieser Cyste zu deuten. Entweder ist das Ektoderm der median aneinanderliegenden Fl~chen der seitlichen Zungenwiilste teilweise in Ausdehnung der sp~teren Fistel erhalten geblieben anstatt vollst~ndig zurfickgebildet zu werden oder an der Stelle, wo die Fistelmfindung lag, senkte sich das Ektoderm yon der Zungenoberfli~che her in das Zungen- gewebe hinein. ~aeh Schilderung der verschiedenen Lokalisationen und Eigentfimliehkeiten der in der Kasuistik angefiihrten und in diesem Zusammenhang interessierenden Fs werden die im Sehrffttum ent- haltenen Ansichten fiber die Genese der Mundbodendermoide zusammen- gestellt. Es wird auch auf die seitlich am Mundboden und in der Loge der Glandula submandibularis gelegenen Cysten eingegangen, deren Ent- stehung mit der Entwicklung der Speicheldriisen in Zusammenhang gebraeht wird. Hinweis auf das sogenannte ACX~RK~CI~Tsehe Organ, eine rudiment~re Speicheldriisenanlage, in deren unvollsts Riick- bildung gleichfalls einmal der AnlaB zur Bildung einer Dermoidcyste gesueht werden kann. Es sind demnach sehr wahrseheiniich mehrere Mechanismen und Orte der ]~ktodermisolierung mSglich. Eine genaue Beaehtung der anatomischen Verh~ltnisse w~hrend Operationen und vor allem histologische Kontrollen versprechen eine Vertiefung der Kennt- nisse fiber die J(tiologie dieser Hohlgeschwfilste. Wan wird insbesondere AtifschluB dariiber erhalten, welehe der in der Literatur angefiihrten t typothesen zutreffen. Weiterhin wird die Erfahrung lehren, ob der an

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Z ur Genesc de r D e r m o i d c y s t e n am ~ u n d b o d e n . 3 2 7

H a n d d e s e i n g a n g s b e s c h r i e b e n e n F a l l e s e n t w i c k e l t e E n t s t e h u n g s m o d u s

f f i r a l l e m e d i a n e n s u b l i n g u a l e n u n d t e i l w e i s e a u c h s u b m e n t a l e n D e r m o i d e

g i i l t i g i s t , o d e r o b e s s i c h b i e r u m e i n e n A u s n a h m e f a l l h a n d e l t .

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