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Zur Kenntnis der hydroschwefligen Saure. Von JULIUS MEYER. Mit 3 Figuren im Text. Die hydroschweflige (unterschweflige) Saure gehbrt noch heute zu den weniger bekannten und untersuchten Verbindungen der an- organischen Chemie, obwohl sie und ihre Salze (hydroschweflig- oder unterschwefligsaure) schon im Jahre 1852 von SCHONBEIN~ entdeckt und 1869 von SCH~TZENBERGER~ als chemische Individuen erkannt worden sind. Dieser Mangel an Kenntnis eines so interessanten und technisch wichtigen Korpers ist wohl einerseits zuriickzufiihren auf die Schwierigkeit der Isolierung fester Salze dieser Saure, welche erst in letzter Zeit von BERNTHSEN4 iiberwunden ist, andererseits aber auf die aulserordentliche Empfindlichkeit, welche die Salze und ihre Losungen gegen freien Sauerstoff, also gegen Luft, zeigen. Bei meinen Untersuchungen wurde ich yon der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen mit einem grolseren Quantum hydroschwefligsauren Natriums unterstutzt. Fur ihre Liberalitat sei ihr daher auch an dieser Stelle mein verbindlichster Dank abgestattet. Da ich nicht erwarten konnte, das hydroschwefligsaure Natrium rein cheniisch auf einem besseren Wege herstellen zu konnen , wie dies von BERNTHSEN 6 geschehen ist, so versuchte ich eine elektrochemische 1 Beziiglich der Benennung der Verbindungen verweise ich auf das von ROSCOE, v. WAGNER und BERNTHSEN Gesagte, denen ich mich vollstandig an- schliehe. a SCRONBEIN, Verh. d. Basler Naturf. Qesell. 1852, 1858; Sikunpber. Akad. Wiem 1853, 1864; Journ. prakt. Chem. 61, 193. SCH~TBENBEROER, Compt. rend. 69, 196. BERNTHSEN, Ber. dezrtsch. chem. Qes. 33, 126. BERNTESEN, 1. c.

Zur Kenntnis der hydroschwefligen Säure

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Page 1: Zur Kenntnis der hydroschwefligen Säure

Zur Kenntnis der hydroschwefligen Saure. Von

JULIUS MEYER.

Mit 3 Figuren im Text.

Die hydroschweflige (unterschweflige) Saure gehbrt noch heute zu den weniger bekannten und untersuchten Verbindungen der an- organischen Chemie, obwohl sie und ihre Salze (hydroschweflig- oder unterschwefligsaure) schon im Jahre 1852 von SCHONBEIN~ entdeckt und 1869 von SCH~TZENBERGER~ als chemische Individuen erkannt worden sind. Dieser Mangel an Kenntnis eines so interessanten und technisch wichtigen Korpers ist wohl einerseits zuriickzufiihren auf die Schwierigkeit der Isolierung fester Salze dieser Saure, welche erst in letzter Zeit von BERNTHSEN4 iiberwunden ist, andererseits aber auf die aulserordentliche Empfindlichkeit, welche die Salze und ihre Losungen gegen freien Sauerstoff, also gegen Luft, zeigen.

Bei meinen Untersuchungen wurde ich yon der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen mit einem grolseren Quantum hydroschwefligsauren Natriums unterstutzt. Fur ihre Liberalitat sei ihr daher auch an dieser Stelle mein verbindlichster Dank abgestattet. Da ich nicht erwarten konnte, das hydroschwefligsaure Natrium rein cheniisch auf einem besseren Wege herstellen zu konnen , wie dies von BERNTHSEN 6 geschehen ist, so versuchte ich eine elektrochemische

1 Beziiglich der Benennung der Verbindungen verweise ich auf das von ROSCOE, v. WAGNER und BERNTHSEN Gesagte, denen ich mich vollstandig an- schliehe.

a SCRONBEIN, Verh. d. Basler Naturf. Qesell. 1852, 1858; Sikunpber. Akad. Wiem 1853, 1864; Journ. prakt. Chem. 61, 193.

SCH~TBENBEROER, Compt. rend. 69, 196. BERNTHSEN, Ber. dezrtsch. chem. Qes. 33, 126. BERNTESEN, 1. c.

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Methode auszuarbeiten, allerdings ohne den gewunschten Erfolg. Es ist schon lange bekannt, dals sich bei der Elektrolyse von schwefliger Saure oder von Natriumbisulfit an der Kathode eine gelbe, stark reduzierende Losung bildet, welche wahrscheinlich Hydrosulfit gelost enthalt. In einem Glascylinder befand sich eine Bleischlange zu- gleich als Kuhler und als Kathode. Der Cylinder wurde init ge- siittigter Sulfitlauge (techn.) oder mit gesattigter reiner Natrium- bisulfitlosung oder mit schwefliger Saure gefiillt. I n dem Kuhler hing eine Thonzelle, die mit verdunnter Schwefelsaure angefullt war und einen Bleistreifen als Anode enthielt. Es wurde mit Spannungen von 2-12 Volt gearbeitet. Die anfangs minimale Wasserstofi- entwickelung verstarkte sich rasch und zugleich sanken von der Bleischlange gelbe Schlieren herab. Bei der technischen Sulfitlauge schied sich aulserdem ein schwerer, schwarzer Schlamm ab. Trotz aller Variationen konnte aber die Konzentration des Hydrosulfits nicht so hoch gebracht werden, dais es sich auf Zusatz von Chlor- natrium ausschied. Dak jedoch hydroschweflige Saure vorlag, ergab sich aus der Indigo entfarbenden und Sauerstoff absorbierenden Wirkung der Losung. Auf die Ursachen des Mifslingens dieser Versuche will ich nicht niiher eingehen. Sie durften wohl in der Zersetzlichkeit der entstandenen freien hydroschwefligen Saure zu suchen sein.

Aus dem technischen Natriumhydrosulfit, welches ca. 55 o/io wasser- freies reines Salz enthalt, kann man mit nicht allzugrofser Muhe das reine Salz gewinnen. Zu diesem Zwecke wurde der Alkohol, unter welchem das technische Produkt aufbewahrt wird, abgegossen urid durch destilliertes Wasser ersetzt. Durch fleilsiges Schutteln unter Luftabschluk und Erwarmen auf hochstens 25-30° erhalt man eine gesattigte Losung, welche nach mehrstiindigem Stehen vijllig klar ist und d a m in einer Kohlensaureatmosphare in einen ltnderen Kolben hinubergehebert oder event. auch gegossen wid . Kuhlt man diese Losung in einer Kaltemischung ab, so scheidet sich rasch ein dichtes Haufwerk von feinen Krystallen ab, die aus wasserhaltigem Natriumhydrosulfit bestehen und schon ziemlich rein und farblos sind. Aus der abgegossenen Mutterlauge kann man meistens noch etwas Substanz durch Kochsalz und Abkuhlung er- halten. Nach drei- bis viermaligem Umkrystallisieren erhalt man so eine sehr reine Natriumhydrosulfitlosung, wie sich aus folgenden Daten ergiebt, deren Erlauterung in den folgenden Abschnitten ent- lialten ist.

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45 - -

Es wurden 14.96 ccm einer durch dreimaliges Umkrystallisieren erhaltenen reinen Natriumhydrosulfitlosung in alkalischer Losung rnit reinem Wasserstoffsuperoxyd behandelt, mit Salzsaure schwach angesauert zum Sieden erhitzt und durch Baryumchlorid gefallt. Es wurden 1.6672 und 1.6656 g BaSO, erhalten, entsprechend 0.4651 und 0.4647 g H2S,0,. Ferner entfarbte dasselbe Quantum 396.5 bezw. 394 ccm einer ammoniakalischen Kupfersulfatlosung, entsprechend 39.65 und 39.4 ccm Sauerstoff, was einem Gehalte von 0.4604 und 0.4575 g H,S,O, entspricht. Demnach ist der Schwefel in der Losung zu 98.99 und 98.47O/, als hydroschwefligsaures Natrium enthalten. Unter der gerechtfertigten Annahme, dafs die Sauerstoffabsorption etwas zu gering ausgefallen ist infolge des Zu- trittes yon Spuren von Sauerstoff mit der Kohlensaure u. s. w., konnen wir die Losung als aus ganz reinem Hydrosulfit bestehend ansehen.

I. Zusammensetzung der Hydrosulfite.

Der Formel, welche von SCHUTZENBERGER fur die hydroschweflige Saure aufgestellt worden war und welche sogar noch heute in ver- schiedenen Hand- und Lehrbiichern anzutreffen ist, trat BERNTHSEN rnit gewichtigen Griinden entgegen, ohne dafs jedoch die von ihm vertretene Formel der hydroschwefligen Saure HSO, oder H,S,O, zunachst Anklang fand. Obwohl es nun kiirzlich gelungen ist, feste Hydrosulfite herzustellen, deren Analysen der Formel H,S,O, ent- sprechen, ist doch noch in letater Zeit von einigen Ir70rschern3 die alte SCEuTzENBERCTEdsche Formel H,So, als die richtige betrachtet worden. Daher habe ich es fur niitig erachtet, die Richtigkeit der BERNTHSEN’SChen Formel auf verschiedene Weise zu erharten. Zu- erst analysierte ich das feste Natriumsalz, das sich nach der von BERNTHSEN angegebenen Methode aus den Hydrosulfitliisungen mit einiger Sorgfalt erhalten laBt.

0.3108 g Na,S,04,2aq ergaben 0.6873 g BaSO,. 0.2873 g Na2S,0,.2q ergaben 0.1924 g Na,SO,.

Berechnet: S 30.48 Gefunden: S 30.36 Na 21.90 Na 21.69.

BERNTHSEN, Ann. 208, 142; 211, 285. NABL, Wien. Nonntsli. Chein. 1899, 679; BERNTHSEN, Ber. tleadseh. chem.

j )?RULJ’HOMME, &dZ. Sac. h d . Hzdhouse 1899, 216; GROSSJIANN, Jourm. Ges. 33, 126 u. D.R.P.

Soe. Cltem. Ind. 1898, 1109; 1899, 452.

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Zweitens bestimmte ich die Sauerstoffmengen, welche einerseits bei der Oxydation des Hydrosulfits zu Sulfit, andererseits des ent- standenen Sulfits zum Sulfat erforderlich sind. Nach den bisherigen Untersuchungen entsteht namlich bei der Oxydation des Hydrosulfits durch gebundenen Sauerstoff, also z. B. durch ammoniakalisches Kupfersulfat, nur Sulfit. Das Natriurnsulfit Iafst sich nun aber, wie ich gezeigt habe,l unter gewissen Kautelen durch dasselbe Oxydations- niittel quantitativ in Sulfat iiberfiihren. Durch Vergleich der Sauer- stoffmengen, welche zur Bildung des Sulfits und des Sulfats er- forderlich sind, lafst sich nun ein sicherer Schlufs auf die Zusammen- setzung des Hydrosulfits machen. Geben wir dem hpdroschweflig- sauren Natrium die Formel SCH~TZENBERGER’S Na,SO,, so verlauft die Uinsetzung in folgenden Phasen:

I. 11.

Na,SO, + 0 = Na,SO,. Na,SO, + 0 = Na,SO,.

Es wird also in beiden Fallen dasselbe Sauerstoffvolum ab- sorbiert. Ganz anders liegt die Sache jedoch, wenn wir die BERNTHSEN’SCbe Formel in Betracht ziehen. Hier bilden sich aus einem Molekiil Hydrosulfit zwei Molekiile Bisulfit.

I. 11.

Na,S,O, + 0 3 Na,S,O,. Na,S,O, + 0, + H,O = 2NaHS0,.

Es bildet sich also ein saueres Salz, und das Verhaltnis der verbrauchten Sauerstoffvolumina verhalt sich wie 1 : 2. D a k eine Hydrosulfitlosung bei der Behandlung mit Luft sauer wird und zu ihrer Neutralisation zweier Molekiile Natronlauge bedarf, ist schon von BBERNTHSEN~ nachgewiesen und ware auf Grund der alten Formel unverstandlich. Das Verhaltnis der verbrauchten Sauerstoflmengen zur Uberfuhrung des Hydrosulfits in das Sulfit und in das Sulfat ergiebt sich nus folgenden Versuchen.

Bis zur Entfarbung in der Kalte verbrauchten 20 ccm einer verdunnten Hydrosulfitlosung a ccm Kupfersulfatlosung. Es wurde nun etwas Salmiaklosung hinzugegeben, bis fast zum Sieden erhitzt und weiter titriert, bis die Farbe eine schwach blaue blieb. Hierzu waren b ccm erforderlich. Die Titrationen mufsten natiirlich im Wasserstoffstrome ausgefiihrt werden.

JULIUS M E Y E H , Ber. deutsch. chenz. Bes. 36, 3952. BERNTHSEN, Ber. deutsch. chem. Ges. 33, 126.

Page 5: Zur Kenntnis der hydroschwefligen Säure

Tabelle I. ________________________________ Hydrosulfit in ccm i a b i a : b I -~ ______ _____________ - __ __ __ ~ _ _ __ _ _ ____ ____

20 I 10.9 j 24.2 ~ 0.4504 1 0.4748

1 0.4451 20 11.3 I 23.8

7.3 16.4 I 0.4552 10 7.1 15.6

I

I I 10 I

I

Das Verhaltnis der verbrauchten Sauerstoffvolumina verhalt sich alscr sehr angenahert wie 1 : 2 = 0.5, wiihrend es nach der alten Formel 1 : 1 = 1 sein mulste. Demnach ist es wohl ganz zweifellos, dals der hydroschwefligen Saure die Zusammensetzung HSO, oder ein Vielfaches hiervon zukommt und dals das Natriumsalz mit einem Molekul Krystallwasser krystallisiert , entsprechend der Formel (NaS0,.H,0)2.

Um nun das Molekulargewicht der Verbindung festzustellen und damit zugleich die Frage zu entscheiden, ob der Schvefel hier etwa funfwertig auftritt, wurde das Natriumsalz auf sein kryo- skopisches Verhalten hin untersucht. I n ein gemessenes Quantum reinen Wassers, dessen Gefrierpunkt best,immt worden war, wurde ein gewisses Volum einer Natriumhydrosulfitlosung von bekanntem Gehalt pipettiert. Dann wurde auf bekannte Weise der Gefrierpunkt von neuem bestimmt. Um eine Oxydation des Hydrosulfits zu ver- hiiten, wurde in einer Wasserstoffatmosphare gearbeitet, analog wie W. BILTZ und ichl bei den Gefrierpunktsbestimmungen des E’erro- chlorids verfuhren.

I3,O

14.96 18.72 20.47 24.83

Ware

- 0.0738 0.1081 0.1937

Tabelle II.

Depression _I___

- 0.107 0.145 0.201

__ __ __ __ M fur R = 3.18.5

- 204 202 215

ie hydrosc.,.wefl.de Saure einbasisch , en-iprechend der Formel NaSO,, d a m hatten die Werte fur M etwas uber 43 liegen miissen. Da sie aber mehr zu 58 passen, so konnen wir der hydroschwefligen Siure unbedenklich die Formel H,S,O, geben.

W. BILTZ, Zeitschr. phys. Chem. 40, 200.

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Zum Schlusse versuchte ich noch, die Basizitiit der Siiure nach der OSTWALD-WALDENISchen Regel am der Leitfahigkeit zu be- stimmen. Durch Spuren von Sauerstoff w i d aber die Leitfahigkeit ganz enorm verandert, wie dies ja durch den Ubergang eines Mole- kiils Natriumhydrosulfit in zwei Molekiile Bisulfit erkliirlich ist. Nach einigen vergehlichen Versuchen, die Luft bei der Verdiinnung vollstandig auszuschlielsen , habe ich daher meine Absicht aufgegeben.

Die Resultate dieses Kapitels werden durch eine inzwischen erschienene Bbhandlung yon MOISSAN bestatigt.

11. Reduktionswirkungen des Natriumhydrosulfits.

Auf der aukerordentlich energisch reduzierenden Wirkung der hydroschwefiigen SBure und ihres Natriumsalzes beruht bekanntlich ihre Anwendung in der Technik, wo man mit ihrer Hilfe den Indigo in Indigweirs iiberfuhrt. Aber auch andere organische Verbindungen kann man auf diese Weise haufig sehr hequem uncl elegant red{]- zieren, wie P. GoLDBERGER~ gezeigt hat U n d woranf hinzuweisen ich nicht unterlassen mBchte, da das Natriumhydrosulfit jajetzt im Handel zu bekommen ist. Von groherem Interesse schien mir aber das Verhalten gegen anorganische Verbindungen zu sein und in erster Linie gegen solche Stoffe, aus deren Reduktionsprodukten sich eventuell eine einfache quantitative Bestimmungsmethode fur hydroschweflige Saure ergeben konnte. Denn die Titration gegen ammoniakalische Kupfersulfatliisung erfordert bestimmte Vorsichtsmnlsregeln und eincn etwas umstandlichen Apparxt.

Es war zu erwarten, d d s durch Hydrosulfit aus Nitriten ein Stickstoffoxyd entstehen wiirde, dessen volumetrische Bestimmung zur Berechnung des angewandten Hydrosulfits dienen konnte. Die alkalische Losung der beiden Verbindungen reagierte jedoch nicht im geringsten mit einander, weder in cler Kalte. noch beini Kochen. Eine mehrmals beobachtete minimale Krystallausscheidung ist auf ungeniigenden Luftabschlufs zuriickzufuhren. LBlst man niimlich eine Losung von Natriumhydrosulfit und Kaliumnitrit an der Luft offen stehen, so scheiden sich nach einiger Zeit feine Krystalle ab. Sie wurden abfiltriert, getrocknet und analysiert. Die Werte ent- sprechen dem amidosulfonsauren Kalium.

~- -

OSTWALD, Zeitschr. phys. Chem. 1, 74; 3, 901. H. >~OIHSAN, Coompt. re72d. 335, 247; Chem. Centrhl. 1903, 11, 1354. P. GOLDBCnQmz, (jStt?Yr. Chem. .&J. 3, 470.

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Berechnet: S 23.69 Gefunden: 23.74 23.79 K 28.94 28.61 28.53

Es bildet sich demnach aus dem hydroschwefligsauren Natrium unter Einwirkung ‘ des Luftsauerstoffs zunachst saures schweflig- saures Natrium, ein Vorgang, welcher weiter unten noch ausfiihr- licher behandelt werden wird, und dieses Salz setzt sich dann mit dem Natriumnitrit nach folgender Gleichung um:

KNO, + 3HNaS0, + H,O = H,N.SO,K + NaOH + 2NaHS0,.

Wahrend also in alkalischer Liisung die gewiinschte Reaktion nicht vor sich geht, kiinnen wir in saurer eine lebhafte Gas- entwickelung beobachten. Anfangs und bei genugender Menge von Hydrosulfit ist das entweichende Gas farblos und wird an der Luft auch nicht rotbraun gefarbt. Diese Erscheinung tritt erst spater bei Zusatz von viel Salzsaure oder bei Gegenwart von viel Nitrit ein. Es wird also die salpetrige Saure durch das Hydrosulfit bis zum Stickoxydul reduziert, denn das entweichende Gas unterhalt die Verbrennung. Ob die Reduktion nicht auch teilweise bis zum Stickstoff weiter geht, wage ich nicht zu entscheiden. 1st das gesamte Hydrosulfit oxydiert, dann verl’auft die Reaktion zwischen Nitrit und Sulfit weiter,, und am Ende entweichen nur noch die rotbraunen Dampfe der salpetrigen Saure.

Zu sehr interessanten Reduktionsprodukten gelangt man, wenn die hydroschwefligsauren Salze auf MetallsalzlSsungen einwirken, deren Metalle eine geringere LGsungstension haben als Wasser- stoK Es ist schon lange bekannt, dab z. B. ammoniakalisches Kupfersulfat entfarbt wird. Bei einem kleinen Uberschusse des Reduktionsmittels tritt eine intensive Gelb- bis Orangefarbung ein, der eine Abscheidung von metallischem Kupfer folgt. Die gelbe Farbe kann nicht, wie es von einigen Autoren gethan ist, auf die Bildung von Kupferwasserstoff zuriickgefuhrt werden, denn dieser ist unloslich in Wasser. Sie riihrt vielmehr yon freier hydro- schwefliger Saure her. Diese entsteht durch Umsetzung aus Natrium- hydrosulfit und dem saueren Natriumsulfit, das sich durch Oxydation des verbrauchten Hydrosulfits gebildet hat.

Xa,S,O, + H,O + 0 = 2HNaSO,, 2HNaS0, + Na,S,O, = H,S,O, + 2Na,SO,.

RASOHIQ, Ann. 241, 239. RASCRIGI, 1. c.

Z. anorg. Chem. Bd. 34. 4

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Die freie hydroschweflige Saure ist in verdunnter Losung einige Zeit neben Kupferoxydulsalzen bestandig. D a m tritt aber weitere Reduktion unter Kupferabscheidung ein. Arbeitet man in konzea- trierten Losungen, so scheidet sich das Kupfer sehr schnell ab. Eine Bildung von Kupfcrwasserstoff habe ich niemals und eine solche von Kupfersulfid nur selten beobachten konnen. Wendet man aber sehr verdunnte Kupfervitriollosungen an, so erhalt man nach langerer oder kiirzerer Zeit , notigenfalls durch gelindes Erwkmen, eine prachtvoll rote Losung von kollordalem Kupfer. Sie zeigt dieselbe Farbe wie das bekannte Uberfangglas. Beim Erwarmen auf hohere Temperatur, bei langerem Stehen, auf Zusatz eiuiger Tropfen Chlor- ammoniumlosung oder ahnlicher Elektrolyte , beginnt die Metall- ausscheidung in aul'serst feiner Form. Die Losung bleibt noch einige Zeit durchsichtig, zeigt aber deutliche Fluorescenz und bei auffallendem und durchfallendem Lichte Komplementarfarben. Hier durfte also wohl zum ersten Male das Hydrosol des Kupfers frei von anderen Kollorden vorliegen. Denn nach der einzigen bisher bekannten Methode von LOTTERMOSER~ erhalt man es stets rnit mehr oder weniger Zinnsiiure gemischt. Die Anwendung einer ammoniakalischen Kupfervitriollosung, deren ich mich stets bediente, ist ganz ohne Nachteil, abgesehen davon, dals sich die kollordale Losung durch den Luftsauerstoff an der Oberflache oxydiert und farbt.

Auch aus anderen Metallsalzlijsungen laii'st sich auf aiialoge Weise das Hydrosol des betreffenden Metalls gewinnen. Eine sehr verdiiiinte Silbernitratlosung nimmt auf Zusatz von Natriumhydro- sulfit eine dunkelbraune Farbung an. Die Losung des Silber- hydrosols ist bedeutend haltbarer als die des Kupfers. Gegen hohere Temperatur, gegen viele Elektrolyte, vor allem gegen Chlorammonium ist sie ebenfalls sehr empfindlich. Die Losung wird d a m rascli schwarz unter Silberabscheidung, ohne jedoch einen Spiegel zu bilden.

Quecksilberhydrosol erhielt ich aus einer verdunnten Losung von Merkurinitrat als dunkelbraune Losung, die aber sehr bald zu fluoreszieren begann und metallisches Quecksilber abschied. Der Ubergang des Hydrosols in das Gel ist wohl auf die Anwesenheit des Natriumsulfits zuruckzufiihren. Nach den bisherigen Unter- suchungen scheint reines kollordales Quecksilber ein sehr unbestandiger Korper zu sein. BREDIG~ konnte es durch elektrische Zerstaubung

' LOTTERMOSER, Journ. prakt. Chem. [3] b9, 489; A H R E N S ' S C ~ ~ Sammlung 1901, s. 61.

RREDIO, 2. anyew. Chem. 1898, 951.

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nicht gewinnen und LOTTERMOSER erhielt es nur mit kolloldaler Zinnsaure gemischt.

Eine verdiinnte Losung von weinsaurem Kalium-Wismutoxyd farbt sich auf Zusatz von etwas Natriumhydrosulfit dunkelbraun. Nach kurzer Zeit geht das Wismuthydrosol jedoch in das Gel iiber.

Bei einer mafsig verdiinnten Platinchloridlosung konnte ich nur ein Dunklerwerden der Farbe konstatieren. Ob hier das Platin- hydrosol vorliegt, ist zweifelhaft, denn eine Metallausscheidung konnte nicht herbeigefuhrt werden.

Eine sehr schone und haltbare Losung von kollordalem Selen erhalt man aus sehr verdiinnter seleniger Saure und etwas Hydro- sulfit. Die farblose Losung nimmt rasch eine rotbraune Farbung an und scheidet beim Erwarmen oder auf Zusatz von Elektrolyten amorphes Selen ab.

Es verhalt sich das hydroschwefligsaure Natrium also im all- gemeinen gegen Salzlosungen edlerer Metalle u. s. w. wie Hydrazin, Schwefeldioxyd, Zinnoxydul u. s. w. und es scheint der Schlul's nicht unberechtigt, dak der kollordale Zustand von Substanzen, welche auf diese Weise ausgeschieden sind, der primare ist und dafs diesem dann Urnwandlungen in den krystallinischen folgen.

111. Verhalten der Hydrosulfite bei der Oxydatioa.

Die reduzierende Wirkung der Hydrosulfite beruht, wie wir oben gesehen haben, darauf, dafs sie zunachst in Sulfite ubergehen. Unter gewissen Bedingungen bilden sich aber auch noch andere Reaktionsprodukte, welche durch Veranderungen aus den entstandenen Sulfiten hervorgehen ; hierher gehoren Schwefelsaure, Dithionsaure und Thioschwefelsaure.

Die Oxydation durch gebundenen Sauerstoff, also z. B. durch ammoniakalisches Kupfersulfat, durch Ferrichlorid u. s. w., ist schon von SCHONBEIN ,a von SCH~TBEXBERGER und anderen untersucht worden. Wie sich aus dem ersten Teile der vorliegenden Unter- suchung ergiebt, verlauft sie glatt nach folgender Gleichung :

Na,S,O, + 2CuS0, + 2H,O = 2NaHS0, + Cu,SO, + H,SO,.

LOTTERMOSER, Journ. prakt. Chem. [2] 57, 484. SCH~NBEIN, 1. c. SCH~TZENBEBQER, 1. c.

4*

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Bei einem Uberschusse von Hydrosulfit wird das Kupferoxydul weiter zu metallischem Kupfer reduziert, wahrend bei Siedehitze das Sulfit auf iiberschiissiges Kupfersulfat unter Entfarbung einwirkt.

Verwenden wir zur Oxydation Wasserstoffsuperoxyd, so erhalten wir sowohl in saurer wie in alkalischer Losung fast den gesamten Schwefel als Schwefelsaure. Ein kleiner Teil, dessen Grol'se von noch nicht naher bestimmten Bedingungen abhangt, wird iiber das Sulfit in Dithionsaure iibergefuhrt. 1st aber, wie es bei der Zer- setzlichkeit des Natriumhydrosulfits meistens der Fall ist, Natrium- thiosulfat zugegen, so mufs man die Losung stets alkalisch halten, denn nur bei Gegenwart von Alkali scheint Wasserstoffsuperoxyd quantitativ auf Thiosulfat einzuwirken. Eine Zurucktitrierung des iiberschiissigen Wasserstoffsuperoxyds ist also zur Bestimmung des Hydrosulfits nicht geeignet. Die von mir gefundenen Werte zeigen sehr grofse Differenzen unter einander und deshalb setze ich sie nicht hierher.

Dafs sich Permanganat sehr ahnlich verhklt, und demnach die von SCH~TXENBEROER hierauf basierten Behauptungen unrichtig sind, ist von BERNTHSEN gezeigt worden.

Schiittelt man eine wasserige Losung von Natriumhydrosulfit mit Luft, so tritt eine rapide Volumenverminderung des angewendeten Luftquantums ein, denn der Sauerstoff wird sehr energisch absorbiert. Hierbei fiirbt die Losung sich zunachst gelb bis orange, wird aber bei fortschreitender Oxydation wieder farblos. Die Gelbfarbung ruhrt von der Bildung freier hydroschwefliger Saure her, welche durch Umsetzung des gebildeten Bisulfits mit noch nicht verbrauchtem Hydrosulfit entsteht.

Na,S,O, + H,O + 0 = 2NaHSO,, 2NaHS0, + Na,S,O, = H,S,O, + 2Na,SO,.

Nach Angaben SCH~TZENBERGER'S sol1 nun beim Schiitteln mit Luft genau doppelt so vie1 Sauerstoff aufgenommen werden, als zur Bildung des Bisulfits notwendig ist. Andere Forscher schliefsen sich diesem an. Ich babe aber bei yuantitativen Versuchen diese Behauptungen durchaus nicht bestatigt gefunden. Es wurden 100 ccm einer ammoniakalischen Kupfersulfatlosung, 10 ccm Sauerstoff ent- sprechend, gegen eine Losung von Natriumhydrosulfit titriert und

SCH~TZENBERQER, Bey. deutaeh. ehem. Qes. 6, 678; Bull. SOC. Ghim. 20, 9s. 145; Compt. rend. 76, 1214.

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dadurch ihre Absorptionsfahigkeit fur Sauerstoff bestimmt, wenn nur Bisulfit gebildet wird. Dann wurde ein gemessenes Quantum derselben Losung mit Luft geschuttelt und die Volumabnahme bestimmt. Die Schuttelversuche wurden in dem abgebildeten Appa- rate vorgenommen, der dem von J. HERZOG~ gebrauchten ahnlich ist. Um ein sichereres Einstellen der Niveaufiachen in der Flasche und der Melsbiirette herbeizufuhren, wurde die Verbindungsrohre

Fig. 1.

mit der Burette bis auf den Boden der Flasche verlangert. Dadurch fallt das lastige Eintreten von Luftblasen in den Gummischlauch weg, das leicht zu Versuchsfehlern Veranlassung giebt. Wegen der Empfindlichkeit des Natriumhydrosulfits gegen Luft wurde der Tropf- trichter mit Wasserstoff gefullt, mit der Losung beschickt und geschlossen. Nach Feststellung des Volums wurde der Hahn geoffnet und bis zur konstanten Volumabnahme geschuttelt, was gewohnlich nach 12 bis 15 Minuten der Fall ist. Eine Reihe Versuche wurde mit einer Hydrosulfitlijsung angestellt, welche zur Verhinderung des Luftzutrittes unter einer Benzolschicht aufbewahrt wurde. Begreif- licherweise erhielt ich hier erst richtige Resultate, als auch das Innere der Flasche vor dem Versuche mit etwas Benzoldampf ge- sattigt war.

1 J. HERZOG, Dissertation, GBttingen 1901.

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Tabelle 111.

Nr.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

100 cbcm CuSO, verbraucht in cbcm Na,S,O,

5.5 5.8 6

6.7 5.9 5.5 5.6 5.3 5.3 6 4.8

6

Angew. Na,S,O,

20 20 20.3 20 20.4 21.2 20.3 26.1 26.6 26 15.7 22.6

Theor. Volum-

abnahme

34.4 34.4 33.8 33.3 30 4 35.9 34.4 46.6 50.2 49.0 26.2 47.1

Gefundene Volurn-

abnnhme

57.0 62.4 63.1 65.7 48.8 55.7 60.9 80.7 78.8 93.2 35.8 75.6

Wie man aus der Tabelle ersieht, iiberschreitet die beobachtete Sauerstoffaufnahme bei weitem die theoretische, bleibt aber mehr oder weniger hinter dem doppelten Volum zuriick,

Bei verdunnten Losungen scheint die Absorption verhaltnismafsig grofser zu sein wie bei konzentrierten. Auf jeden Fall ist aber die Angabe SCHUTZENBERGEB’S unrichtig, dafs genau das doppelte theoretische Volum verbraucht wird. Auf die auf dieser Basis beruhende Bestimmung gelosten Sauerstofls von SCH~TZENBERGER und RISLER, nnd von TIEMANN und PREUSSE* werde ich an nnderer Stelle im Zusammenhange eingehen.

Was geschieht nun mit dem iiberschiissigen Sauerstoffe ? SCHUTZENBERGER und KBNIG und KRAUCH lassen daraus Wasserstog- superoxyd entstehen. Da dieses Produkt sich aber neben Sultit nicht halten wiirde, nimmt ENGLER4 die Bildung eines Hydrosulfit- superoxyds an, d. h. es mulste eine isomere Dithionsaure H,S,O, entstanden sein. Begrundet werden diese Annahmen damit, dais eine luftoxydierte Hydrosulfitlosung bei 40-50 O ein gleiches Quantum derselben unveranderten Losung in Sulfit iiberfiihren konne. Das beruht jedoch auf einer falschen Interpretation der richtigeri Be-

SCR~TZENBERQER u. RISLER, Ber. deutsch. chem. Ges. d, 678.

K ~ N I Q u. KRAUCE, Zeitschr. analyt. Chem. 19, 259. ENQLER, Ber. deutsch. chm. Ges. 33, 1102.

a TIEMANN u. PREUSSE, Ber. deutsch. chem. Qes. 12, 1768.

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Nr. ccm Hydrosulfit

1 15

obachtungen. Die Sauerstoffmenge, welche uber die theoretische Menge aufgenommen ist, erscheint namlich als Sulfat wieder.

Zur Bestimmung der in einer Hydrosulfitlosung vorhandenen Schwefelsaure wurde ein gewisses Quantum in Salzsaure gegeben, aufgekocht und durch Baryumchlorid gefallt. Ein anderes Quantum wurde durch Natronlauge stark alkalisch gemacht, um ein Entweichen des bei der Oxydation entstehenden Schwefeldioxyds zu verhindern, und dann kraftig geschiittelt. Wurde kein Sauerstoff mehr absorbiert, so wurde durch Chlorwasserstoff angesauert, wobei sich wie oben etwas Schwefel ausschied, und durch Chlorbarium gefallt. Um eine Oxydation des Sulfits durch den Luftsauerstoff zu verhuten, wurde stets etwas Alkohol hinzugefiigt.

Ba80, vor und nach d. Oxydat. 1 Bcmerkungen

Auf ungefiihr 0.0352

Tabelle IV.

2 3

4

50 ccm 15 0.0352 20

15

0.0457 0.3203 aufgefullt

j 0.0405 0.4670 i

Einen quantitativen Vergleich zwischen der Schwefelsaurebildung und der Sauerstoffabsorption konnte ich nicht machen, da, wie aus den Tabellen hervorgeht, die Absorption ungleichmafsig ist und von unbekanaten Bedingungen abhangt. Immerhin ist es klar, dafs eine Superoxydbildung nicht stattfindet. Dies konnte auch noch auf einem anderen Wege bestatigt werden. 25 ccm einer Hydrosulfit- losung verbrauchten bei 1 7 O 42 ccm Sauerstoff. Die oxydierte Losung wurde nun in den Tropftrichter gegeben, mit 25 ccm frischer Losung versetzt, durch etwas Wasser bis oben aufgefullt und durch einen Korken verschlossen. Dann wurde der Trichter herausgezogen und umgekehrt in ein Becherglas mit heifsem Wasser gestellt, SO

dals er rasch auf 45O erwarmt wurde. Wahrend der Erwarmung wurde natiirlich der Hahn ein wenig geoffnet. Nachdem dann die Temperatur wieder auf 1 7 O gebracht war, wurde der Apparat wieder zusammengesetzt und die Volumabnahme beim Schiitteln der Losung

BIQELOW, Z. phys. Chem. 26, 493.

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bestimmt. Sie war 34.2 ccm. Da bei 45O bereits eine kleine Zer- setzung des Hydrosulfits erfolgt, so war, entgegen den bisherigen Angaben, keine Oxydation des frischen Hydrosulfits durch dns bereits oxydierte eingetreten.

Aus den ganzen vorliegenden Versuchen ergiebt sich daher, dafs die Oxydation beim Schutteln von Natriumhydrosulfit mit lufthaltigem Wasser zum grofsten Teile nach folgender Gleichung verlauft.

H,S,O, + 0, + H,O = H,SO, + H,SO,.

Bei einem geringeren Teile, der von der Verdunnung, Warme u. s. w. abhangig ist, tritt jedoch folgende Reaktion ein:

2H,S,O, + 0, + 2H,O = 4H2S0,.

IV. Zerfall der hydroschwefligsauren Salze.

Es ist bisher nicht moglich gewesen, Salze der hydroschwefligen Sabre mit Schwermetallen zu gewinnen. Wahrend diese Salze also &on bei der Bildung sofort wieder zerfallen, sind die Alkali- und Erdalkalihydrosulfite etwas haltbarer, aber durchaus nicht sehr bestandig. Schon BERNTHSEN hat beobachtet, dafs ein alkohol- feuchtes festes Praparat von Natriumhydrosulfit sich nach langerem Aufbewahren zersetzt hatte, und zwar hatte sich dabei reichlich Natriumthiosulfat gebildet. Aber auch in mehr oder weniger ver- diinnten Losungen tritt allmaihlich eine Zersetzung ein, welche von einer Abnahme des Sauerstoffabsorptionsvermogens begleitet ist. Bei gewohnlicher Temperatur verlauft diese Unisetzung sehr langsam. Bei 45-50° wird sie schon merkbar, und bei Siedehitze ist sie in ziemlich kurzer Zeit vollendet. Um 25 ccm einer Kupfersulfatlosung zu entfarben, waren 5.3 ccm einer Hydrosulfitlosung erforderlich. Nachdem dieselbe Losung eine Stunde lang unter sorgfaltigem Luft- abschlufs in siedendem Wasser gehangen hatte, waren aber 52.2 ccm notig. I n welchem Grade die Zersetzung von der Temperatur be- einflulst wird, ergiebt sich aus folgender Tabelle, in welcher die Sauerstoffabsorption beim Schutteln mit Luft angegeben ist, nachdem die Losung wahrend der Zeit t auf eine bestimmte Temperatur erwarmt worden ist. Es wurden jedesmal 14.96 CCM Hydrosulfit- losung aus dem EItLENMEYER’schen Kolben herauspipettiert, in welchen

BERNTHSEN, 1. c.

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0 Min. 82.4 0 Min. 91.5 0 Min. 10 ,I 80.4 11 15 ,, 83 10 >,

30 11 76.7 1 45 50 ,, 65 ., 60 1, ' 25.4 70 9 , 63.8 85 ,. 21.5

39.6 , 20 11 78.1 35 ,,

40 ,, 75.1 55 1 )

62.6 95 7) 15.0 60 t l 80 ,, 90 ,, 58.3 105 ,, 10.9 1 ,

zur Vermeidnng des Sauerstoffzutrittes kontinuierlich Wasserstoff geleitet wurde.

Tabelle V.

86.4 70.4 17.4 12 10.3

7.7 5.7 3.2 2 9

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Bei 45O ist die Zersetzung also nur eine mafsig langsame. Bei 60° und 80° beginnt sie langsam, wachst dann ganz rapide, so dafs die Sauerstoffabsorption plotzlich herabsinkt, und wird zum Schlusse wieder langsamer. Da nun, wie ich oben gezeigt habe, die Sauerstoffabsorption durch Schiitteln mit Luft kein exaktes Mars, sondern nur ein angenahertes fur den Hydrosulfitgehalt einer Losung ist, so habe ich in folgender Tabelle das Entfarbungsvermogen einer erwarmten Hydrosulfitlosung gegen ammoniakalische Kupfersulfat- losung angegeben. Da mit der Zeit das Reduktionsvermiigen ab- nimmt, so miissen die als Ordinaten angegebenen Volumina, die den entsprechenden Sauerstoffmengen reziprok sind, zunehmen. Nach der Zeit t wurden zur Entfarbung von 100 ccm ammoniakalischem Kupfersulfat verbraucht :

Tabelle VI. __ ___

I 0 A h . 7 1 1 60 Min. 1 16.2 10 1, 7.3 70 ,. 19 20 ,, 30 ., 11 40 ,, I 13.5 1 1 100 ,, j 64

50 1) l4 I I I

Tragen wir die Werte in ein Koordinatensystem ein, so erhalten wir eine Kurve, deren Verlsuf ein ahnlicher ist wie oben.

Fig. 3.

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Der Verlauf der Abnahme der Sauerstoffabsorption, also der Zersetzung des Hydrosulfits mit der Zeit lalst sich durch folgende Gleichung angenahert wiedergeben:

d X d t

__ = k.2 (A--2).

Es ist A die ursprunglich vorhandene Menge Hydrosulfit und x der nach der Zeit t zersetzte Teil. Durch Integration erhalten wir

X In --, I . - - L -

t . A A-x 1

Indessen wird k beim Einsetzen der Werte nicht sehr konstant, sondern zeigt einen Gang, so dals also die Gleichung nur angenahert gilt. Ihre Bedeutung ist, dals die Zersetzungsgeschwindigkeit des Natriumhydrosulfits der Menge unveranderten Salzes und der Menge der Zersetzungsprodukte proportional ist. Es wirkt also ein Teil des zersetzten Salzes wiederum zersetzend auf unverandertes Salz ein.

Um den Zerfall des Hydrosulfits aufzuklaren, wurde eine gewisse Quantitat Natriumhydrosulfitlosung, die mehrere Stunden in sieden- dem Wasser gehangen hatte, in verdunnte Salzsaure gegeben und nach dem Aufkochen durch Baryumchlorid gefallt. Es zeigte sich indessen, dals nur Spuren von Schwefelsaure entstanden waren.

Die nicht erwarmte Losung lieferte 0.0752 g BaSO,, die zer- setzte aber 0.0902, 0.824, 0.811 g BaSO,. Demnach kann sich also weder Schwefelstiure noch eine der Polythionsauren gebildet haben. Da beim Ansauern der zersetzten Losung nach einiger Zeit Schwefelabscheidung eintrat, aber bedeutend spater wie bei einer Hydrosulfitlosung , so war also Thiosulfat zugegen. Die schweflige Saure gab sich schon durch den Geruch kund. Die Zersetzung des hydroschwefligsauren Natriums verlauft also beim Erwarmen wahr- scheiiilich folgendermalsen:

2Na,S,O, + H,O = Na,S,O, + 2HNaS0,.

Zum Schlusse war nun noch aufzuklaren, in welcher Weise die freie hydroschweflige Saure zerfallt, wenn sie aus ihren Salzen frei gemacht wird. Stiuert man eine Losung von hydroschweflig- saurem Natrium durch Salzsaure an, so wird sie gelb bis orange und scheidet reichlich Schwefel ab. Zugleich tritt der Geruch von Schwefeldioxyd sehr kraftig auf. Bei dieser Zersetzung entsteht

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nun aber, worauf schon BERNTHSEN hingewiesen hat, keine Schwefel- saure, also auch keine Polythionsaure. Der freie Schwefel kann also nur der Bildung von Thioschwefelsaure oder von schwefliger Saure und Schwefelwasserstoff sein Dasein verdnnken. Auf gleiche Weise ist das Auftreten yon Schwefelcadmium zu erklaren, dafs sich beim Ansauern eines Gemisches von Cadmiumsulfat und Natrium- hydrosulfit abscheidet. Entweder setzt sich das Cadmiumsalz mit dem Schwefelwasserstoff urn, oder aber es vereinigt sich das metallische Cadmium, welches durch Reduktion entstanden ist, mit dem frei werdenden Schwefel. Eine Entscheidung ist hier wohl schwierig zu treffen.

V. Schlufs.

Ob man das Schwefelsesquioxyd als das Anhydrid der hydro- schwefligen Saure betrachten kann, ist wohl zweifelhaft. Denn einmal ist es noch nicht genugend festgestellt, ob in der blaugriinen Substanz, welche man durch Eintragen von Schwefel in Schwefel- trioxyd erhalt, eine einheitliche chemische Verbindung S,O, vorliegt, und andererseits liefert dieser Korper beim Behandeln mit Wasser keine hydroschweflige Baure. Dafs die Saure nur neutrale, keine sauren Salze giebt, ist zu Gunsten der Formel HSO, herangezogen worden. Aber andere Sauren, welche unzweifelhaft zweibasisch sind, verhalten sich ebenso, und gerade durch diese Eigenschaft reiht sich die hydroschweflige Saure an einige andere Sauren des Schwefels, wie sich aus folgender Tabelle ergiebt.

H,S,O, . . . . . Thioschwefelsaure H,S,O, . . . . . hydroschweflige Saure H,SzO, . . . . . pyroschweflige Skure H,S,O, . . . . . Dithionsaure H,S,O, . . . . . Pyroschwefelsaure H,S,O, . . . . . Uberschwefelsaure

Samtliche angefiihrten Sauren sjnd im freien Zustande nicht haltbar, oder sogar unbekannt. Saure Salze sind ebenfalls von keiner dieser Sauren dargestellt. Eber die Konstitution unserer SBure konnen wir nur Vermutungen anstellen. Einen Anhalt gewinnen wir, wenn wir die Bildung der Dithionsaure aus Sulfiten in Betracht ziehen. Nur bei Anwesenheit sehr milder Oxydations-

BERNTHSEN, Ann. 208, 148.

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/-H--~ K + O ! ~ -+ 4- 2S0,H.

HSO, HSO, ~ - 0 F - O H + H , ~ ---+ ~ .

HSO, I HSO,

Einen ganz analogen Prozefs nimmt auch C. ENGLER~ bei der Bildung des hydroschwefligsauren Natriums aus Bisulfit und Zink an.

Na.S.0, NaSO,

NaSO, NakO, Diese Formel scheint sehr plausibel zu sein. Sie erklart uns

jedoch aber z. B. nicht, warum sich bei der Oxydation nicht Dithion- saure bildet, wie es doch zu erwarten ware, wahrend die starke Reduktionskraft durch den Ubergang des einen Wasserstoffatoms in die Hydroxylgruppe, begleitet von einer Spaltung und Umlagerung des Molekiils, veranschaulicht werden konnte. Immerhin sind diese Ansichten sehr hypothetisch, da sie noch der experimentellen Grund- lagen entbehren.

JULIUS MEYER, Ber. deutsch. chem. Qes. 34, 3606; 36, 3429. FORSTER u. FRIESSNER, Ber. deutsch. chem. Ges. 35, 251!. Nach fortlaufender brieflicher Mitteilung des Herrn Geh. Rat C. ENGLER.

Breslau, Chem. Institut der Universiliit.

Bei der Redaktion eingegangen am 1. Dezember 1902.