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Zur Kenntnis der lyophilen Kolloide. V. Mitteilung. Erg~.nzende Untersuchungen zu den vier vorher- gehenden Mitteilungen. Von H. R. Kruyt. (van 't Hoff-Laboratorium der Reiehsuniversit~it Utrecht.) (F,i~gegangen am 21. August 1929.) Wie schon an den betreffenden Stellen mitgeteilt wurde, sind die Untersuchungen der vorhergehenden vier Mitteilungen in den Jahren 1920--25 angestellt worden. In der IV. Mitteilung wurde schon darauf hingewiesen, datl dieUntersuchung yon H. G. Bungenberg de Jong fiber das Stlirkesol 1) ihrem Inhalte nach zu dieser Serie gehSre. Um nun unsere sehr ausgedehnte chemi.sche Literatur nicht unn6tig mit Wieder- holungen anzuffillen, sollen bier nur kurz sechs Abhandlungen, welche alle schon in dem Receuil des Travaux Chimiques des Pays-Bas publi- ziert wurden und die wit ebenfalls als Ergiinzungen zu dem yon uns entwiekelten Gedankengang betrachten, er6rtert wurden. Wir kSnnen sie in drei Gruppen einteilen: 1. Drei Abhandlungen yon H. G. Bungenberg de Jong fiber die Wechselwirkung yon Tannin (und anderen Gerbstoffen) mit lyo- philen Kolloiden: ,,Contributions to the Theory of Vegetable Tanning" I, Rec. Tray. Chim. 42, 437, 472 (1923); II, ebenda 43, 35--67 (1924) und III, ebenda 46, 727--738 (1927). 2. Zwei Abhandlungen fiber anorganische ]yophile Kolloide, n~mlich eine fiber das Cerihydroxydsol (H. R. Kruyt und Frl. J. E. M. v. d. Made, Rec. Trav. Chim. 42, 277--300 [1923]) und eine fiber das Kiesels~uresol (H. R. Kruyt und J. Postma, Rec. Tray. Chim. 44, 765--789 [1925]). 3. Eine Untersuchung tiber Kautschuksole in Benzol (W. A. N. Eggink, Rec. Tray. Chim. 42, 317--331 [1923]), s. a. H. R. Kruyt und W. A. N. Eggink, Proc. Roy. Acad. Amsterdam 26, 43 [1922]). 1) H. G. Bungenberg de Jong, Ree. Trav. Chim. 43, 189 (1924).

Zur Kenntnis der lyophilen Kolloide

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Page 1: Zur Kenntnis der lyophilen Kolloide

Zur Kenntnis der lyophilen Kolloide. V. M i t t e i l u n g .

Erg~.nzende Untersuchungen zu den vier vorher- gehenden Mitteilungen.

Von H. R. K r u y t . (van 't Hoff-Laboratorium der Reiehsuniversit~it Utrecht.)

(F,i~gegangen am 21. August 1929.)

Wie schon an den betreffenden Stellen mitgeteilt wurde, sind die Untersuchungen der vorhergehenden vier Mitteilungen in den Jahren 1920--25 angestellt worden. In der IV. Mitteilung wurde schon darauf hingewiesen, datl dieUntersuchung yon H. G. B u n g e n b e r g de J o n g fiber das Stlirkesol 1) ihrem Inhalte nach zu dieser Serie gehSre. Um nun unsere sehr ausgedehnte chemi.sche Literatur nicht unn6tig mit Wieder- holungen anzuffillen, sollen bier nur kurz sechs Abhandlungen, welche alle schon in dem Receuil des Travaux Chimiques des Pays-Bas publi- ziert wurden und die wit ebenfalls als Ergiinzungen zu dem yon uns entwiekelten Gedankengang betrachten, er6rtert wurden. Wir kSnnen sie in drei Gruppen einteilen:

1. Drei Abhandlungen yon H. G. B u n g e n b e r g de J o n g fiber die Wechselwirkung yon Tannin (und anderen Gerbstoffen) mit lyo- philen Kolloiden: ,,Contributions to the Theory of Vegetable Tanning" I, Rec. Tray. Chim. 42, 437, 472 (1923); II, ebenda 43, 35--67 (1924) und III, ebenda 46, 727--738 (1927).

2. Zwei Abhandlungen fiber anorganische ]yophile Kolloide, n~mlich eine fiber das Cerihydroxydsol (H. R. K r u y t und Frl. J. E. M. v. d. Made , Rec. Trav. Chim. 42, 277--300 [1923]) und eine fiber das Kiesels~uresol (H. R. K r u y t und J. P o s t m a , Rec. Tray. Chim. 44, 765--789 [1925]).

3. Eine Untersuchung tiber Kautschuksole in Benzol (W. A. N. E g g i n k , Rec. Tray. Chim. 42, 317--331 [1923]), s. a. H. R. K r u y t und W. A. N. E g g i n k , Proc. Roy. Acad. Amsterdam 26, 43 [1922]).

1) H. G. Bungenberg de Jong, Ree. Trav. Chim. 43, 189 (1924).

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KRUYT, ZUR KENNTNIS DER LYOPHILEN KOLLOIDE 433

Hier unten sollen nun die aus diesen Untersuchungen gezogenen Schluttfolgerungen, wenigstens insofern sie zu unserer Betrachtungs- weise beitragen, er6rtert werden.

1. Die Gerbstoffuntersuchung Bungenberg de Jongs. Tannin in Wasser bildet kein kolloides System; es zeigt keine

Kataphorese, durch Hinzuftigen yon Elektrolyten wird die Viskosit~tt, was immer die Valenz der Kat- oder Anionen sein m6ge, nicht geiindert. Allein Alkalihydroxyd hatte einen geringen Einflutl, welcher jedoch ebensowenig auf elektrokapillares Verhalten deutete.

Tannin wirkt in hohem Maile dehydratisierend auf lyophile Kol- loide und ver~indert diese in lyophobe. Die Ladung an sich ~indert sich nicht, es sei denn als Funktion der Wasserstoffionenkonzentration (wie bei den Eiweitlen), wobei das Tannin durch seinen eigenen S~iure- charakter einen hiermit tibereinstimmenden geringen Einflufl haben kann.

Ein geladenes lyophiles Kolloid (z. B. Agar oder nichtisoelektrisehe Gelatine) wird also durch Tannin lyophob; ein ungeladenes lyophiles Kolloid floekt (z; B. Agar + Neutralsalz oder isoelektrische Gelatine).

Viskosimetrische Untersuchungen zeigen die stark herabgesetzte Yiydratation z .B. eines Agarsols dureh 1 Proz. Tannin, wobei in- zwisehen der elektroviskose Effekt v611ig intakt geblieben ist.

Die Tanninhydratation ist die Folge einer Adsorption des Tannins an der Teilehenoberfliiehe: Verdr~ingen des Tannins aus dieser Ober- fl~che bewirkt Rehydratation. Die Frage ist nun : Wie funktioniert diese Dehydratation eigentlich ? Anfangs schien die Theorie der Grenzfl~ichen- orientierung eine genfigende Erkllirung zu geben; in seiner dritten Mit- teilung kommt de J o n g jedoch zu der Annahme, daft sich in der Grenz- schicht eine Entmisehungserscheinung abspielt, wodurch das Teilehen von einem H~iutchen, welches nicht weiter mit Wasser mischbar ist und dem Teileh~n einen lyophoben Charakter gibt, umgeben wird.

Im vorigen Jahre hat de J o n g ausgedehnte Versuche fiber Ent- misehungserscheinungen in lyophilen Systemen angestellt; es ergab sich dabei, dab diese Entmischungen unter geeigneten Umst~inden wahrnehmbar zu machen sind. [Vgl. die hierfiber in n/ichster Zeit er- scheinende Untersuehung in Rec. Trav. Chim.1)] Andere Gerbstoffe weichen quantitativ, nicht qualitativ von dem Tannin und seiner oben charakterisierten Wirkung ab. Hierdurch ~r wiederum gezeigt, dab

1) Seitdem schon erschienen: Rec. Trav. Chim. 48, 494 (1929).

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434 KOLLO1DCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXlX, HEFT5--12

lyophile Kolloide eine elektrische Ladung mit genau dem gleichen Cha- rakter wie lyophobe besitzen, und daft man letztere durch Gerbstoff- Dehydratat ion 'reversibel aus ihnen umwandeln kann. Durch den elektrokinetischen Charakter der Ladung trit t die Heterogenit/tt des Systems wieder deutlich zutage.

Ftir alle anderen Details und ftir die teehnische Bedeutung dieser Untersuchungen sei auf die Originalabhandlungen verwiesen.

2. Anorganische lyophile Kolloide. P a u l i und F e r n a u 1) erkannten als erste den elektroviskosen

Effekt, wie dieser bei visl~osimetrischer Untersuchung yon elektrolyt- oder nichtelektrolythaltigen, durch Dialyse von Ceri-Ammonium- Nitratl6sung hergestellten CeO=-Solen zutage tritt. Unsere Unter- suchungen konnten dies vSllig bestS.tigen. Inzwischen bleibt dieses CeO2-Sol als lyophiles Sol instabil, es zeigt eine Tendenz, sich mit der Zeit in ein lyophobes Sol zu verwandeln. Das lyophile Sol verr~it stets seinen Charakter eines kolloiddispersen Systems, d .h . eines Systems mit polymolekularen Teilchen. Alle zur Peptisation und Ausflockung von Suspensoiden gehOrigen Kennzeichen treten bei dem lyophilen Sol zutage. Dieser spontane Ubergang yon dem einen Typus zum an- deren untersttitzt also auch wieder unsere Einheitsautfassung.

Ftir das KieselsS.uresol gilt prinzipiell das gleiehe. Hier trit t durch die chemische Natur der Substanz jedoch stark der pH-Einflut3 in den Vordergrund: starksaure Sole sind positiv geladen, schwachsaure oder alkalische negativ. Der Zusammenhang zwischen Ladung und elektro- viskosem Effekt trit t deutlich in die Erseheinung.

Ftir Details und spezifische Eigenschaften dieser Sole sei wieder auf die zitierten Abhandlungen ve.a'iesen, ftir das SiO~-Sol tibrigens auf zwei andere Publikationen. 2)

3. Kautschuksol. Eine Andeuttmg in der Literatur, daft Alkali die ViskositS~t eines

Kautschuk-Benzolsoles erh6he, veranlat3te uns, einmal zu untersuchen, ob hier eventuell ein elektroviskoser Effekt im Spiele sei. Die Wahl der Elektrolyte war gering, da nur sehr wenige in Benzol 15slich sind. In {)bereinstimmung mit unseren Erwartungen erhOhte N H a die Vis-

1) A. F e r n a u und Wo. Pauli, Koll.-Zeitschr.20, 20 (1917); S.O.Loesen beck, Kolloidchem. Beih. 16, 27 (1922).

2) S.O. Loesenbeck , Kolloidchem. Beih. 16, 27(1922); W. Grundmann , Kolloidchem. Beih. 18, 197 (1923).

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kosit~tt, w~thrend EssigsSmre, Benzoes~ture, HeS , SO~ und H C1 viskosi- t~itserniedrigend wirkten, und zwar in der bier angegebenen Reihenfolge. W i t b y und l a n e 1) dehnten diese Versuche aus, indem sic noch einige andere Elektrolyte untersuchten, wodurch es zweifelhaft wurde, ob unsere Erklfirung nicht zu einfach ist. Ihre angektindigte Publi- kat ion 'kSnnte hiertiber einiges Interessante bringen. H u m p h r e y und J a n e 2)bezweifeln tiberhaup~ jede Anwesenheit von elektrischer Ladung bei Kautschukteilchen in Benzol, wit halten ihre Versuche jedoch ftir ungentigend, was an anderer Ste!le noch n~ther begrtindet werden wird. z)

In einer folgenddn Mitteilung dieser Serie sollen die von H. R. K r u y t und A. B. B o e l m a n untersuchten Wechselwirkungen zwischen Ei- weifien und Elektrolyten besehrieben und von dem gleichen in diesen ftinf Abhandlungen erSrterten Gesichtspunkt aus behandelt werden. 4)

Zuvor wird aber mein frtiherer Mitarbeiter, H.G. B u n g e n b e r g de J o n g , zurzeit ordentlicher Professor der Biochemie an der Uni- versit~tt Leiden, Untersuchungen von ihm und seinen Schtilern ver6ffent- lichen, welche die weitere Entwicklung unseres Gedankenganges be- zwecken. Ich freue mich dartiber, daft Kollege de J o n g in dieser Seiie weitere Mitarbeiten zu ver6ffentlichen wtinscht und dadurch unsere dauernde Zusammenarbeit auf diesem Gebiete zum Ausdruck bringt.

x) G. S. Witby und R. S. Jane, II. Coll. Symposium, 16 (1925). 2) R. H. H u m p h r e y und R. S. Jane, Trans. Farad. Soc. 22, 420 (1926!;

Koll.-Zeitschr. 41, 293 (1927), vgl. auch R. H. H u m p h r e y , Koll.-Zeitschr. 88, 306 (1926).

3) Siehe vorl/iufig Dissertation J. L. van der Minne (Utrecht 1928). 4) Siehe Diss. Utrecht 1929 yon A. B. Boelman.