9
HERRMANN. Zur Klinik und Diagnose usw. 127 8. O. M u c k, Ist die weil3e Strichzeichnung in dem sogenannten Adrenalin- Sondenversuch ein Hilfsmittel zur Friihdiagnose der Schwanger- schaft ? Monatsschr. f. Geburtsh. u. GynAkol. Bd. 77. 9. --Nachweis yon vorfibergehenden, dutch kalorische Vestibularis- reizung erzeugten Tonusst6rungen der Gehirngef~iBinnervation mit dem A. S. V. Mfinch. reed. Wochenschr. 1928. Nr. 3. 10. -- Beitrag zur Begutachtungsfrage Sch~delverletzter. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie. Bd. 115. H. 3 u. 4. 11. W. Hesse, Klinische Untersuchungen mit der Muckschen Adrenalin- Sondenprobe. Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u. Ohrenheilk. Bd. 17, Heft 4. 12. C. Seynsche, ~ber ein neues Vasomotorenphaenomen und seine prak- tische Verwendbarkeit bei der Eklampsie. Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gyn~kol. ]3d. 78. 13. C. Weil3, Untersuchungsergebnisse mit dem Muckschen A. S.V. Zeitschr. f. d. ges. Neurol u. Psychiatrie. Bd. 114, Heft 1. u. 2. 14. P. Kuhlmann, Ist die weil3e Strichzeichnung in dem Muckschen A. S. V. ein differentialdiagnostisches Hilfsmittel bei der Erw~gung yon Extrauteringravidit~t oder Adnexentzfindung ? Monatsschr. f. Ge- burtsh, u. Gyn~kol. Bd. 78. 15. A. Lunedei, l~ber Bedeutung und semiologischen Weft des Muekschen Reflexes. Monatsschr. f. Ohrenheilk. u. Laryngo-Rhinol. 62. Jahrg. H. 6. Aus der Universit~tsklinik fiir Hals-, Nasen- und Ohrenkranke zu GieBen. (Direktor: Prof. Dr. Briiggemann.) Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen. Von Privatdozent Dr. A. Herrmann, Oberarzt der Klinik. Mit 3 Abbildungen. Die h~iufigste Ausgangsstelle der kranialen Chordome ergibt sich ohne weiteres, wenn wir die bisher bekanntgewordenen F~ille tabellarisch zusammenstellen. Lassen wir die gutartigen Chordome unberiicksichtigt, so bleiben im ganzen 24 bSsartige Geschwiilste dieser Art am Sch/idelskelett iibrig. Sie verteilen sich nach dem Schema yon C o e n e n: 1. das Clivuschordom 18 2. das nasopharyngeale Chordom 4 3. das hypophys~ire Chordom 1 4. das dentale Chordom 1 Die vertebralen und kaudalen Chordome lassen wir hier fort, weil sie nicht in unser Fachgebiet gehSren. Die genaue Kenntnis der Histologie dieser Tumoren verdanken wir neben ~ilteren Untersuchungen aus der zweiten H~lfte des

Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

HERRMANN. Zur Klinik und Diagnose usw. 127

8. O. M u c k, Ist die weil3e Strichzeichnung in dem sogenannten Adrenalin- Sondenversuch ein Hilfsmittel zur Friihdiagnose der Schwanger- schaft ? Monatsschr. f. Geburtsh. u. GynAkol. Bd. 77.

9. - -Nachweis yon vorfibergehenden, dutch kalorische Vestibularis- reizung erzeugten Tonusst6rungen der Gehirngef~iBinnervation mit dem A. S. V. Mfinch. reed. Wochenschr. 1928. Nr. 3.

10. - - Beitrag zur Begutachtungsfrage Sch~delverletzter. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie. Bd. 115. H. 3 u. 4.

11. W. Hesse, Klinische Untersuchungen mit der Muckschen Adrenalin- Sondenprobe. Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u. Ohrenheilk. Bd. 17, Heft 4.

12. C. Seynsche , ~ber ein neues Vasomotorenphaenomen und seine prak- tische Verwendbarkeit bei der Eklampsie. Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gyn~kol. ]3d. 78.

13. C. Weil3, Untersuchungsergebnisse mit dem Muckschen A. S.V. Zeitschr. f. d. ges. Neurol u. Psychiatrie. Bd. 114, Heft 1. u. 2.

14. P. K u h l m a n n , Ist die weil3e Strichzeichnung in dem Muckschen A. S. V. ein differentialdiagnostisches Hilfsmittel bei der Erw~gung yon Extrauteringravidit~t oder Adnexentzfindung ? Monatsschr. f. Ge- burtsh, u. Gyn~kol. Bd. 78.

15. A. Lunedei , l~ber Bedeutung und semiologischen Weft des Muekschen Reflexes. Monatsschr. f. Ohrenheilk. u. Laryngo-Rhinol. 62. Jahrg. H. 6.

Aus der Universit~tsklinik fiir Hals-, Nasen- und Ohrenkranke zu

GieBen. (Direktor: Prof. Dr. B r i i g g e m a n n . )

Z u r K l i n i k u n d D i a g n o s e d e r v e r s c h i e d e n e n k r a n i a l e n

C h o r d o m t y p e n .

Von P r iva tdozen t Dr. A. H e r r m a n n , Oberarzt der Klinik.

Mit 3 Abbildungen.

Die h~iufigste Ausgangsstelle der kranialen Chordome ergibt sich ohne weiteres, wenn wir die bisher bekanntgewordenen F~ille

tabellarisch zusammenstel len. Lassen wir die gutar t igen Chordome unberiicksichtigt, so bleiben im ganzen 24 bSsartige Geschwiilste dieser Ar t am Sch/idelskelett iibrig. Sie verteilen sich nach dem Schema yon C o e n e n :

1. das Cl ivuschordom 18

2. das nasopharyngeale Chordom 4 3. das hypophys~ire Chordom 1 4. das dentale Chordom 1

Die vertebralen und kaudalen Chordome lassen wir hier fort, weil sie nicht in unser Fachgebiet gehSren.

Die genaue Kenntnis der Histologie dieser Tumoren ve rdanken wir neben ~ilteren Untersuchungen aus der zweiten H~lfte des

Page 2: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

128 HERRMANN.

19. J a h r hunde r t s vor al lem L i n c k . E r ha t uns auch wertvolle For - schungsergebnisse fiber die menschliche Chorda dorsalis im Hals- und Kopfskele t t geliefert und ihre Beziehungen zur Anatomie des Nasenrachenraumes und zur Geschwulstbi ldung an der Schitdel- basis beschrieben.

Sp~ter ha t C o e n e n die gesamte L i t e ra tu r des In- und Aus- landes fiber diese Geschwfilste (68 F~lle gut- und bSsart iger kranialer und kaudaler Chordome) zusammengestel l t und sie umfassend be- arbei te t .

Bei der angefi ihr ten schematischen Einte i lung C o e n e n s be- s tehen aber gewisse Schwierigkeiten. So weist auch L o eb e l l in seiner Arbei t fiber die Behandlung der bt~sartigen Clivus- u n d Nasenrachen- chordome besonders da rauf hin. Die Entscheidung, ob nasopharyn- geales oder Clivuschordom, ist zu Lebzei ten bisweilen unm6glich, wie auch die Beobach tung von H e l l m a n n es bewiesen hat . Auch C o e n e n gibt diese Schwierigkeiten der Einffigung in sein Schema zu.

Den AnlaB zu dieser Arbei t gab uns die Beobach tung eines Kranken , bei dem wir lange schwankten, ob es sich u m ein naso, pharyngeales oder u m ein v o m Zahn des Epis t ropheus ausgehendes Chordom handel te . Wi r fi ihren kurz die Krankhei tsgeschichte an:

F. B., 44 Jahre alt, sucht im April 1928 unsere Klinik auf. Vor- gesch ich te : Als Kind oft ohrenkrank. Seitdem sei er auch schwerh6rig. Mit 31 Jahren habe er eine Nierenentzfindung durchgemacht. GegenwArtig babe er fiber behinderte Nasenafmung zu klagen. Auch bestAnde Druckgeffihl in der Stirngegend. Nachts schlafe er mit offenem Mund und schnarche viel.

A l l g e m e i n b e f u n d : KrAftiger Mann in gutem ErnAhrungszustand. Innere Organe ohne Besonderheiten.

S p e z i a l b e f u n d : ]3eide Trommelfelle weisen ausgedehnte narbige Ver- Anderungen auf.

H6rp r f i fung : F1. r. 1,3 m 1. 70 cm

Weber median Rinne (a t) r. ~ 12"

1 . - 16"

tiefe T. r. A - 1 1. A--1

hoheT, r. 13000 1. 13000

Nase: sehr hochgradige Nasenscheidewandverbiegung nach links, so dab diese Seite kaum luftdurchg~ingig 1st. Rachen-, Nasenrachenraum und Kehlkopf ohne Besonderheiten.

Die R6ntgenaufnahme (dorsofrontal) zeigt auBer einer Verschleierung der linken Kieferh6hle scharfe Zeichnung aller Nebenh6hlen. Die Kiefer- b6hlenspiilung ist negativ.

Es wird die submuk6se Septumresektion vorgenommen. Der Heil- verlauf war glatt. Der Patient ging nach 5 Tagen nach Hause.

Page 3: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

Zur I~linik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen. 129

A n f a n g O k t o b e r (also �89 J a h r sp~iter) s u c h t e e r e r n e u t u n s e r e

K l i n i k auf .

Je tz t klagt er fiber Schmerzen im Nacken und Hinterhaupt . Er k6nne den Kopf nicht bewegen. Das rue weh. Es knacke bei Bewegungen im Kopfe und im Halse. Btieken k6nne er sich gar nicht. Er habe das Gefiihl, der Kopf w~re zu schwer.

I~eim Anblick des Kranken und w/~hrend der Unterhal tung fXllt die steife unbewegliche, nach vorn und links geneigte Hal tung des Halses und Kopfes auf.

Ohrenuntersuchung wie frtiher. Nase: Die Nasenscheidewand steht in der Medianlinie gerade. M u n d : Die hintere Rachenwand ist s tark vorgewSlbt. (Wie beim retro-

pharyngealen Abszeg.) Beim Phonieren t r i t t das Gaumensegel h6her, man sieht dabei die Ausmage der VorwSlbung noch deutlicher. 13eim Hoch- schieben des Gaumensegels mit einem Ins t rument erkennt man dann, wie der Tumor weiter oben anscheinend wieder flacher wird und die Rachenwand wenigervorw61bt. D i e s e S e h w e l l u n g l~Bt s i c h n a e h o b e n a b t a s t e n u n d s c h e i l l t y o n d e n o b e r s t e n z w e i W i r b e l n a u s z u g e h e n . S i e f f i h l t s i c h p r a l l e l a s t i s e h an , l g B t a b e r k e i n e F l u k t u a t i o n e r - k e n n e n . Der Schleimhauttiberzug sieht blab aus. Die Probepunkt ion vom Munde her ergibt keinen Eiter.

Die Drehbewegungen des Kopfes sind s tark eingeschrgnkt. Beim Klopfen auf den Kopf zur Prtifung des Stauchungsschmerzeg werden S c h m e r z e n i m H a l s t e i l d e r W i r b e l s ~ u l e angegeben. B e i m Y e r s u c h , d e n K o p f zu d r e h e n , i s t d e u t l i c h K n a c k e n v e r n e h m b a r . Vorw~r t s -und Rtick- w~rtsbewegung verursacht Schmerzen. Lymphknoten am Halse und hinter dem Kopfnickermuskel sind nicht ftihlbar. Kehlkopf o. B. Die W a s s e r - m a n n s c h e Reaktion im Blute ist negativ.

A u g e n ~ r z t l i c h e U n t e r s u c h u n g : Fundus beiderseits normal. Ge- sichtsfeld ohne ]3esonderheiten. Visus normal.

N e u r o l o g i s c h e U n t e r s u e h u n g : Pa t ien t gibt bei Prtifung der Sensi- bilit~t an, dab er gelegentlich pelziges Geffihl in den H~nden verspiire. Es lassen sich abet keine sicheren Sensibilit~tsstSrungen an Rumpf- und Glied- maBen naehweisen. Auch der Temperatursinn ist in Ordnung. Fazialis, Trigeminus, Abduzens, Hypoglossus usw. normal. Romberg negativ. Vesti- bularis o. t3.

E s w i r d z u r h i s t o l o g i s c h e n U n t e r s u c h u n g e in z i e m l i c h grol3es

S t i i c k des T u m o r s aus d e m R a c h e n r a u m k e i l f 6 r m i g e x z i d i e r t . D a s

G e w e b e i s t w e i c h u n d ga l l e r t i g .

A l s d a n n w i r d e in m i t J o d i p i n g e t r / i n k t e r T a m p o n in d i e W u n d e

e i n g e f i i h r t u n d e ine s e i t l i che R S n t g e n a u f n a h m e des Sch~idels u n d

d e r o b e r e n Ha lswi rbe l s~ iu le a n g e f e r t i g t . N a c h E n t f e r n u n g des

J o d i p i n s t r e i f e n s w i r d d ie W u n d e m i t K a t g u t gen~iht ( A b b . 1).

Dieses R S n t g e n b i l d ze ig t uns d e n i n t e n s i v s c h a t t e n g e b e n d e n

J o d i p i n t a m p o n i m T u m o r g e w e b e in H S h e des I I . H a l s w i r b e l s u n d

g i b t uns e in unge f / ih re s B i l d f iber d ie A u s m a g e d ie se r G e s c h w u l s t . Archly f. Ohren-, Nasen- u. Idehlkopfheilkunde. Bd. 124, 9

Page 4: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

130 HERRMANN.

Ein TeiI des Jodipins ist der Rachenwand entlang nach unten ge- laufen. Die Gegend des Atlas und insbesondere des Zahns des Epistropheus ist unscharf. Die Knochenstruktur ist bier ver- waschen. Die Sch~tdelbasis und insbesondere den Clivus kann man an Hand dieses RSntgenbildes nicht sicher beurteilen. Ver-

Abb. 1.

schiedene andere Aufnahmen, die wir eigens zu diesem Zwecke machten, lassen hier keine Ver~inderungen erkennen.

Bei der histologischen Untersuchung konnten wir die Diagnose auf ein bSsartiges Chordom stellen. Diese Ansicht wurde yon unserem pathologischen Anatom (Prof. G e o r g H e r z o g ) best~itigt. Auch Herr Prof. L i n c k , der die Liebenswiirdigkeit hatte, meine Pr~iparate durchzusehen, schlol3 sich dieser Diagnose an (Abb. 2).

Betrachten wir die klinischen Symptome, so kSnnen wir ein Clivuschordom wohl mit Sicherheit ausschliel3en.

Page 5: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen. 131

Beim Clivusch0rdom treten vor allem St6rungen yon seiten der Hirnnerven (Abduzens usw.) auf. Auch die Stauungspapille, die man hierbei so gut wie stets findet, war in unserem Falle nicht vor~ handen. HirndruckerscheinUngen bestanden nicht. Liquordruck 140 m m . Auf Grund des k l i n i s c h e n u n d des r 6 n t g e n o ~ l o g i s c h e n B e f u n d e s schlieBen wit also ein Clivuschordom aus.

Es w~ire abet denkbar, dab es sich hier um ein b6sartiges Chor-

Abb. 2. (Histologisches Bild.)

dom handelt, das der Gruppe der n a s o p h a r y n g e a ! e n zuzu" rechnen w~ire.

Dieses Chordom miigte dann allerdings durch sein destruierendes Wachstum in den Atlas und Epistropheus: hineingewuchert seirz und dort Vergnderungen gemacht haben, so dab dieses klini~che Bild der Spondylitis cervicalis zustande k/ime. Gegen eine solche Annahme spricht auch nicht das folgende R6ntgenbild, das vor etwa 2 Monaten angefertigt wurde und den Tumor nach der Bestrahlung zeigt (Abb, 3). Diese Geschwulst hat sich im Vergleich zum ersten RSntgenbild verkleinert.

9*

Page 6: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

132 HERRMANN.

Um die Grenzen des Chordoms besser sichtbar zu machen, in- jizierten wir etwas schattengebende Fliissigkeit unter die Rachen- schleimhaut. Auf diese Weise entstand dieses Bild. Es zeigt uns, dab der Tumor bis zum oberen Drittel des dritten Halswirbels herabreicht. Die st~irkste Vorw61bung nach vorn findet sich in der Gegend des 1. und 2. Halswirbels. Die hinteren Partien des Nasen- rachenraumes sind yon dieser Geschwulst ausgefiillt.

Abb. 3.

Schliel31ich bleibt noch differentialdiagnostisch das d e n t a l e C h o r d o m iibrig.

Die klinischen Symptome unseres Falles zeigen weitgehendste Llbereinstimmung mit denen des Malum suboccipitale. Der Kopf wurde wie bei einer Spondarthritis cervicalis bei gesenktem Kinn in Schonungsstellung steif gehalten. Er war nach der linken Seite gedreht und etwas nach links geneigt.

Zum ausgesprochenen Bilde des Malum suboceipitale fehlte nur die typische VorwSlbung in der Nackengrube unter dem Hinter- hauptsbein, ein Symptom, das Iiir dieses Leiden als besonders charakteristisch gilt, wenn ein S e n k u n g s a b s z e B in dieser Gegend

Page 7: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

Zur KIinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen. 133

vorhanden ist. Der Abszel3 kann sich aber auch entgegengesetzt in den Retropharynx senken. An eine solche Entwicklung haben wir auch anfangs gedacht und nahmen deshalb auch die Probe- punktion der prall elastischen Geschwulst vor.

Bei kritischer Betrachtung m6ehten wir glauben, dab den Kranken schon beim ersten Besuch Beschwerden yon seiten des Chor- doms in unsere Klinik fiihrten. Denn die Nasenscheidewandver- biegung hatte er schon 40 Jahre, Warum sollte sie jetzt im fiinften Jahrzehnt so viel Beschwerden machen , dab er mit einmal darauf aufmerksam wird und den Arzt aufsucht. Man wird woh! mit Recht annehmen, dab schon im April 28 das Chordom wucherte, vielleicht erst zu wuchern anfing, m/3glicherweise aber schon seit vielen Jahren im Wachstum begriffen war, denn gerade die langsame Wachstumsneigung ist bei diesen Geschwiilsten seit langem bekannt. DaB bei der ersten Untersuchung am Rachen nichts auffiel, besagt an sich gar nichts. Eine leichte gleichm~iBige Verdickung der hinteren Rachenwand braucht nicht aufzufallen, besonders, wenn sie fl~ichen- haft die Rachenwand einnimmt und nicht als Geschwulst imponiert.

Das eine aber ist sicher, dab die Geschwulst sich in der Zeit nach der Nasenscheidewandoperation besonders rasch entwickelt und zu diesem - - dem ,,Malum suboccipitale" so ~ihnlichen --- Krankheits- bilde gefiihrt wird.

Wir haben unser Chordom zu der dentalen Gruppe des C o e n e n - schen Schemas gez~ihlt, weil es gro/3e Ahnlichkeit mit dem einzigen in der Literatur beschriebenen Fall yon dentalem Chordom aufweist. (Von F i s c h e r ver6ffentlicht.) Jenes dentale Chordom betraf einen 16j~ihrigen Gymnasiasten, der mit Nackenschmerzen und Druck- empfindlichkeit der oberen Halswirbel erkrankte. Die Diagnose lautete auch Malum suboccipitale. Wegen dieser Spondylitis tuberculosa cervicalis wurde der Kranke in den Extensionsverband gelegt. Nach einigen Wochen traten L~ihmungen auf (Arme, Beine, sp~iter Hypo- glossusl~ihmung usw.). Bei vollem Bewul3tsein trat schlieBlich ganz pI6tzlieh der Tod ein. Die Sektion ergab ein malignes Chordom, das vom Zahn des Epistropheus ausging, in der Occipitalrinne gegen den Clivus vordrang und den Abduzens und Hypoglossus ummauerte.

Beim Vergleich mit unserem Fal le besteht in den Anfangs- symptomen weitgehende Ubereinstimmung.

Der Beginn mit den ausgesprochenen Beschwerden einer Spon- dylitis, den Nackenschmerzen, der Druckschmerzhaftigkeit im Be-

Page 8: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

136 HERRMANN.

reich der obersten Halswirbel usw. Nur eins ist in unserem Falle anders. Unser Tumor ist nicht nach oben durch die Occipitalrinne gegen das Sch~tdelinnere vorgedrungen, denn es fehlen j egliche zerebralen Symptome. Er ist offenbar durch das Ligamentum apicis dentis nach dem Nasenrachenraum zu gewachsen.

M6glich w~ire es auch, dab es sich iiberhaupt um ein Chordom handelt, das yon diesem Ligamentum apicis dentis ausgeht, denn dies Ligament ist ja bekanntlich nichts anderes als ein Teil der um- gebildeten Chorda dorsalis.

Nach dem b i she r Gesagten sehen wir, wie unzu l~ tng l i ch d a s S c h e m a v o n C o e n e n ist. Es ist kaum m6glich, den von uns beobachteten Fall in diese Einteilung einzufiigen.

N u r die S y m p t o m e de r S p o n d y l i t i s c e r v i c a l i s h a b e n u n s b e w o g e n , d e n T u m o r zu den d e n t a l e n C h o r d o m e n z u z ~ i h l e n .

Auf die Behandlung dieser Geschwiilste will ich nur kurz ein- gehen. Von den bisher beobachteten 25 bSsartigen Chordomen am Sch~idelskelett sind, wie L o e b e l i berichtet, nur 9 operiert worden. Aus den meisten Operationsbefunden geht hervor, dab sich die Geschwiilste nicht radikal entfernen liegen. Die weichen, gallertigen Massen wurden mehr oder weniger ,,ausgeliSffelt".

Man soll sich deshalb iiberhaupt fiberlegen, o b m a n di e s e b / S s a r t i g e n C h o r d o m e im B e r e i c h e de s S c h f i d e l s o p e r i e r t .

Bei den kaudalen, den sacrococcigealen, ist die chirurgische Behandlung h~ufig erfolgreich. Hier iassen sich die Tumoren relativ oft im Gesunden entfernen.

]3ei den kranialen Chordomen scheitert die Operation racist daran, dab man nicht geniigend wegnehmen kann, d. h. dab man nicht im Gesundenoperiert. So e r i n n e r t d i e s e s V o r g e h e n d e s , ,Ausl6f felns" zu s e h r a n d a s b e h e l f s m ~ i g i g e A u s l 6 f f e l n e i n e s i n o p e r a b l e n v e r j a u c h t e n U t e r u s k a r z i n o m s .

Wit haben unseren Kranken nicht operiert. Wo, wie in unsercm Falle, gar noch die Wirbelgelenke befallen

sind, kommt u. E. eine operative Behandlung iiberhaupt nicht in oFrage. Teile des Atlas oder den Zahn des l?;pistropheus kann man nicht entfernen. Die Operation ist bier nicht nur nutzlos, sondern iiberfliissig und gef/ihrlich. Diese Tumoren sind der S t r a h l e n - b e h a n d l u n g z u z u f i i h r e n . Sic sollte in keinem Falle unterlassen werden.

Page 9: Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen

Zur Klinik und Diagnose der verschiedenen kranialen Chordomtypen. 135

Wir haben unseren Kranken mit R6ntgen bestrahlt, mit dem Erfolg, dab der ProzeB wenigstens vorl~iufig station~ir geblieben ist. Die Vorw61bung im Nasenrachenraum ist erheblich zuriickgegangen. Die Erscheinungen der Spondylitis cervicalis haben nicht zugenom- men. Die Nackenschmerzen sind nicht st~trker geworden, die Be- weglichkeit und die Kopfhaltung ist steif und behindert wie vor der Bestrahlung. Beim Versuch Drehbewegungen auszufiihren, ist noch deutliches Knacken vernehmbar.

D r i n g e n d w a r n e n m ~ c h t e ich bei T u m o r e n de r W i r - bels~iule im G e g e n s a t z zur S p o n d y l i t i s t u b e r c u l o s a vo r de r E x t e n s i o n s b e h a n d l u n g . Die Schmerzen werden dadurch nicht gelindert, sondern gesteigert.

Zusammenfassung. 1. Im Anschlul3 an die Beobachtung eines malignen Chordoms

unter dem Bilde eines Malum suboccipitale werden die klinischen Symptome n~ther besprochen.

2. Es wird auf die Schwierigkeiten der Einftigung der ver- schiedenen Chordomtypen in das yon C o e n e n entworfene Schema hingewiesen.

3. Auf Grund des klinischen und r/Sntgenologischen Bildes ist Verfasser geneigt, den beobachteten Fall zu den dentalen Chor- domen zu rechnen. Es werden aber noch andere Entstehungsm6g- lichkeiten ftir diese beobachtete Spondylitis cervicalis angefiihrt.

4. Dutch Injektion yon schattengebender Fliissigkeit unter die Schleimhaut des Rachens werden die Konturen des Tumors r6ntgeno- logisch deutlich sichtbar gemacht.

5. Von einer operativen Behandlung dieser Tumoren wird ab- geraten, besonders, wenn Wirbel und Wirbelgele~lke befallen sind. Ebenso wird dringend vor der Extensionsbehandlung bei Geschwiil- sten der Wirbels~tule gewarnt, da die Schnlerzen nur gr6Ber werden.

R6ntgen- und Radiumbestrahlung sollten stets versucht werden. Auch im mitgeteilten Falle ist das destruierende Wachstum wenigstens vorl~iufig scheinbar zum Stillstand gekommen.

Literatur. Ausftihrliche Literaturangaben bis 1924 bei Coenen, Bruns Beitr~ge

z. klin. Chirurgie, Bd. 133. Literaturangaben .bis 1928 bei Loebell, Zeitschr. f. Hals-, Nasen- u.

Ohrenheilk., Bd. 21.