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Zur Lehre von der Deckung des öffentlichen Bedarfs durch nichtinflatorische Papiergeldausgabe Author(s): Rudolf Stucken Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 3, H. 1 (1935), pp. 122-130 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907844 . Accessed: 16/06/2014 18:39 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.76.48 on Mon, 16 Jun 2014 18:39:28 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Zur Lehre von der Deckung des öffentlichen Bedarfs durch nichtinflatorische Papiergeldausgabe

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Zur Lehre von der Deckung des öffentlichen Bedarfs durch nichtinflatorischePapiergeldausgabeAuthor(s): Rudolf StuckenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 3, H. 1 (1935), pp. 122-130Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907844 .

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Zur Lehre von der Deckung des öffentlichen Bedarfs

durch niditinflatorische Papiergeldausgabe von

Rudolf Stucken

I.

Nöll y. d. Nahmer hat die Ergebnisse seiner Untersuchung1) in scharfen Gegensatz gestellt zu der herrschenden Lehre, oder, wie er sich auch aus- drückt, zu der bisherigen wissenschaftlichen Doktrin. Das Bild vom Stand unserer Wissenschaft auf dem Gebiet der Geldlehre ebenso wie auf dem der Pinanzwissenschaft, das sich dabei ergibt, ist so wenig erfreulich, daß wir uns fragen müssen, ob Nöll s Kennzeichnung richtig ist. Und da können wir feststellen, daß das, was Nöll als herrschende Lehre oder als bisherige wissenschaftliche Doktrin be- zeichnet, zwar auch vertreten wird, daß aber der Stand der wissen- schaftlichen Forschung damit nicht richtig charakterisiert wird.

1. Auf dem Gebiet der Geldlehre. Die Forschung auf geldtheoretischem Gebiet hat in den letzten zehn Jahren Anregun- gen und wesentliche Bereicherung von der Konjunkturforschung emp- fangen. In der Konjunkturforschung ist mit wachsender Klarheit her- ausgearbeitet worden, welche Veränderungen bei der Geld- oder Kauf- mittelmenge, beim Produktionsumfang und bei den Preisen sich gleichzeitig vollziehen, und wie diese ursächlich miteinander zusammen- hängen, und die Ergebnisse sind zum Ausbau der Geldlehre verwertet worden, was sich als ganz selbstverständlich daraus ergibt, daß im

*) Robert Nöll v. d. Nahmer, Die Deckung des öffentlichen Be- darfs durch nichtinflatorische Papiergeldausgabe, im Finanzarchiv N. F. Bd. II H. 4 (1934) S. 549 ff.

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großen und ganzen die Konjunkturforscher, soweit sie nicht spezielle Konjunkturstatistiker sind, auch Geldtheoretiker bzw. die Geldtheo- retiker auch Konjunkturforscher sind. Die von N ö 1 1 als herrschend bezeichnete Lehre ist mit den Erkenntnissen der Konjunkturforschung schlechthin unvereinbar; es trifft auch nicht zu, wie er behauptet, daß die Wissenschaft die Möglichkeit inflatorischer Wirkungen einer Geldmengenvermehrung, die auf einer Vermehrung der Goldmenge beruht, nicht erkannt habe, wir brauchen demgegenüber nur daruaf hinzuweisen, daß der Begriff der „Goldinflation" durchaus eingebür- gert ist.

2. Auf dem Gebiet der finanzwissenschaft- lichen Beckungsgrundsätze. Nöll hat sich hierbei einer besonders scharfen Ausdrucksweise bedient: „Tatsächlich er- übrigt es sich aber, diese Frage unter Zugrundelegung der hierfür von der Finanzwissenschaft aufgestellten Grundsätze zu entscheiden-. Zu welchem Ergebnis man nämlich auch kommt, es ergibt sich, daß die bisherigen Deckungsregeln der Finanzwissenschaft völlig versagen und eine Lösung des Problems nach den überlieferten Grundsätzen der Enanzwissenschaft unmöglich ist** *). Er behauptet, daß nach der bisherigen finanzwissenschaftlichen Doktrin die Beantwortung der Frage, wie irgendwelche Ausgaben zu decken sind, davon abhängig sei, ob diese Ausgaben als ordentliche oder außerordentliche anzu- sprechen sind, womit aber im Falle der Krisenausgaben nicht weiter- zukommen sei. Demgegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß schon Georg v. Schanz Ansätze für eine neue Deckungslehre gebracht hat 2). Darübef hinausgehend habe ich in meinem Aufsatz „Grund- sätze für die Anleihepolitik** 3) die Deckungslehre auf eine neue Grund- lage gestellt unter Ablehnung der bisherigen Basierung auf die Schei- dung in ordentliche und außerordentliche Ausgaben. Unter Ausrich- tung auf das Ziel, die Aufgabenerfüllung nicht nur in der Gegenwart zu ermöglichen, sondern auch für die Zukunft sicherzustellen, habe ich dabei beispielsweise folgenden Grundsatz entwickelt: „Anleihen dürfen in Depressionszeiten aufgenommen werden zwecks Ausgleich zwischen Jahren schlechter und guter Konjunktur, insoweit sie bei

x) S. 558/59. *) Die Frage der Arbeitslosigkeit und die öffentliche Haushaltsführung,

Ztschr. f. Sozialwiss., 5. Jahrg. 1902, S. 47 ff.; ferner Artikel „Budget", Handwb. d, Staatswiss., 4. Aufl., III. Bd., bes. S. 108.

8) Arch. f. Sozialwiss. u. Sozialpol., 57. Bd. 1927, S. 746 ff.

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gleichbleibenden Steuer- und Tarifsätzen in den nachfolgenden gün- stigeren Jahren getilgt werden können . . . Darüber hinaus nur, so- weit die Tragbarkeit voû Steuer- und Tariferhöhungen zwecks Ab- deckung der Kredite in der Zeit besserer Konjunktur erwiesen ist" 1). Ist es richtig, daß eine solche finanzwissenschaftliche Deckungsregel „völlig versagt ?" Wird nicht tatsächlich sogar in der heutigen Finanz- politik im Einklang mit ihr gehandelt ? Und ist es N ö 1 1 entgangen, daß diese Lehre nicht nur überhaupt existiert, sondern auch eine ge- wisse Auswirkung auf die Lehren anderer Finanzwissenschaftler ge- habt hat?

II.

N ö 1 1 s positiver Beitrag zur Deckungslehre betrifft zunächst die Frage, inwieweit Staatsausgaben durch Kauf- mittelschöpfung gedeckt werden können, ohne Preissteigerungen hervorzurufen. Seine Antwort lautet: soweit sich die Kaufmittelschöpfung im Eabmen des volks- wirtschaftlichen Kreditfonds hält, anders gesagt, soweit noch Arbeits- kräfte und Eohstoffe zur Ausdehnung der Produktion vorhanden sind. Auf das Vorhandensein der zur Produktionsausdehnung nötigen An- lagen legt er weniger Wert, er meint, daß die Anlagen in solchen Lagen, in denen Arbeitslose vorhanden sind, durchgängig auch nicht optimal ausgenutzt werden, und daß die Anlagen im übrigen mit Hilfe vor- handener Eohstoffe und Arbeitskräfte rechtzeitig erweitert werden können. Das mag den besonderen Nachkriegsverhältnissen entsprechen, in der Vorkriegszeit war es anders ; damals gab es im Verlauf des Kon- junkturaufschwungs mit einer gewissen Eegelmäßigkeit Zeiträume, in denen Preissteigerungen vorkamen, weil sich die Anlagen nicht schnell genug erweitern ließen, während gleichzeitig noch Arbeits- kräfte verfügbar waren 2). Überhaupt glaube ich, daß N ö 1 1 den Tat- bestand, daß die Produktionsausdehnung, besonders auf agrarischem Gebiet, Zeit kostet, trotz gelegentlicher Erwähnung nicht genügend berücksichtigt. Aus diesem Grunde scheint mir eine vorsichtigere Formulierung geboten. Ein schwerwiegender Einwand gegen seine Lehre ergibt sich aber sodann aus den bitteren Erfahrungen, die wir

*) S. 760, dort gesperrt gedruckt. *) Vgl. vom Verfasser: Die Konjunkturen im Wirtschaftsleben, Jena 1932,

S. 108 f. und die dort zitierte frühere Arbeit.

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in den Jahren 1924 - 1929 machen mußten1); in diesen Jahren gab es ständig Lohnsteigerungen und Erhöhungen der Soziallasten und der Steuern, wenn nicht mindestens eine halbe bis eine Million unter- stützte Arbeitslose vorhanden waren, und zwar in einem Maße, daß diese Kostensteigerungen durch technische Fortschritte vielfach nicht mehr wettgemacht werden konnten; dank der herrschenden Sozial- und Steuerpolitik kam es also zu Preissteigerungen, wenn nicht der volkswirtschaftliche Kreditfonds in erheblichem Maße un- ausgenützt blieb.

Die Erkenntnis, daß die Deckung von Staatsausgaben durch Kauf- mittelschöpfung unter gewissen Umständen nicht zur Preissteigerung führt, scheint mir N ö 1 1 allzuschnell zu dem Satze umzuformen, daß ein e solche D e e kung ins o weit auch zweckmäßig ist. Demgegenüber möchte ich betonen, daß das Urteil über die Zweckmäßigkeit doch wohl unter weiteren Gesichtspunkten geprüft werden muß. Selbstverständlich ist es wünschenswert, daß feiernde Hände in Arbeit gebracht werden. Aber es kommt daneben in Frage, daß durch Staatsausgaben, die heute getätigt Werden, und durch etwaige Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen, die zur Deckung dieser Ausgaben übernommen werden, die Aufgabenerfüllung in der Zukunft nicht gefährdet werden soll, ein Gesichtspunkt, der zweifel- los zur Begrenzung der Staatsausgaben in der Gegenwart Anlaß gibt, und der auch die Finanzpolitik des Reichsfinanzministeriums mit be- herrscht. Es kommen weiterhin Rücksichten auf die Stabilität der Währung in Frage, die zur Zurückhaltung nötigen können 2). Schließ- lich ist die Tatsache der Arbeitslosigkeit und der Nichtausnutzung vorhandener Rohstoffe und Produktionsanlagen oftmals nur die Folge unheilvoller Wirtschaftsführung - ich erinnere an die obigen Aus- führungen über die Jahre 1924 - 1929 - es scheint mir wenig zweck- mäßig, in solchem Falle der Deckung von Staatsausgaben durch Kauf- mittelschöpfung zwecks Überwindung der Arbeitslosigkeit zuzustim- men, wodurch nur die Fortsetzung oder der Fortbestand fehlerhafter Maßnahmen - z. B. der Überhöhung des Kostenniveaus - ermög- licht würde. Der Nachteil solcher Ausgabendeckung macht sich nicht sofort geltend, aber wenn dann der Staat mit starker Vorbelastung

*) Vgl. Die Konjunkturen im Wirtschaftsleben, a. a. O. S. 124 ff. 2) Mit N ö 1 1 s Forderung, daß die Beschaffung der benötigten ausländi-

schen Rohstoffe gesichert sein soll, scheint mir der Wãhrungsgesichtspunkt noch nicht genügend berücksichtigt zu sein.

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in eine wirtschaftliche Krise hineingeht, so führt dies zu einer Ver- schärfung des Niedergangs, und darüber hinaus beeinträchtigt es die Bewegungsfreiheit des Staates auf dem Gebiet der Krisenbekämpfung. So möchte ich sagen: Die Frage der Zweckmäßigkeit wird durch Nölls Lehre vom volkswirtschaftlichen Kreditfonds nur teilweise beant- wortet. Die Fragenach der Zweckmäßigkeit kann nur unter Berücksichtigung der gesamten Si- tuation der Finanz wir t s cha ft und der Volks- wirtschaft beantwortet werden, selbst wenn wir nur zu einer spezifisch wirtschaftspolitisch ausgerichteten Antwort kom- men wollen; unter spezifisch-staatspolitischem Gesichtspunkt kann sodann die Antwort noch wieder anders lauten, man denke nur daran, daß die Deckung von Kriegsausgaben durch Kaufmittelschöpfung auch dann geboten sein kann, wenn die Stabilität der Währung und des öffentlichen Haushalts dabei verloren geht.

III.

Ich möchte N ö 1 1 unbedingt zustimmen, wenn er sagt, daß die grundsätzliche Ablehnung des Staatspapiergeldes nicht dem heutigen Stand geldtheoretischer Erkenntnis entspricht. Er führt aus, daß übermäßige Kreditnahme des Staates bei der Notenbank ebenso schadet wie übermäßige Staatspapiergeldausgabe; der Hinweis auf die Inflation in Deutschland von 1918 - 1923 ist hierfür Beweis ge- nug. Ich möchte dem hinzufügen : auch wenn der Staat sich der Kre- ditnahme bei der Notenbank enthält, kann er die Stabilität der Wäh- rung und der Wirtschaft gefährden, sei es durch übermäßige Kredit- nahme bei den Banken ohne Notenausgaberecht, oder sei es durch übermäßige Ausschöpfung der für langfristige Anlagen verfügbaren Kapitalien, oder sei es durch übermäßigen Steuerdruck oder sonstige wirtschaftspolitische Maßnahmen x), insbesondere kann er auf jedem dieser Wege eine sinnvolle Notenbankpolitik unmöglich machen. Ein Übermaß der Staatspapiergeldausgabe ist kaum schlimmer als ein Übermaß auf einem der anderen genannten Gebiete; und für alle Ge- biete gilt auch gleichmäßig, daß die schlimmen Folgen sich zumeist nicht sofort einstellen oder nicht sofort in ihren Zusammenhängen deutlich werden, sie treten meist erst klar in Erscheinung und zeigen

*) Vgl. die Darstellung der deutschen Verhältnisse vom Jahre 1925 ab, in: Die Konjunkturen im Wirtschaftsleben, a. a. O. S. 125 ff.

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ihre wirtschaftszerstörende Wirkung, wenn andere Momente hinzu- treten und eine Wirtschaftskrise entstehen lassen *).

Ist nun aber, wenn man die grundsätzliche Ablehnung des Staats- papiergeldes zurückweist, in der gegenwärtigen Lage die Finanzierung der staatlichen Arbeitsbeschaffungspolitik durch Ausgabe von Staats- papiergeld der Finanzierung durch Arbeitsbeschaffungswechsel vorzu- ziehen, bzw. welche Vorteile bringt der erste gegenüber dem bisher beschrittenen zweiten Weg. N ö 1 1 betont den Vorteil der Zins- ersparnis. Ersparnisse bringt die Finanzierung durch Staats- papiergeld, das unverzinslich ist, gegenüber den Arbeitsbeschaffungs- wechseln, für die das Eeich die Zinslast trägt, sicherlich; aber in wel- chem Umfang, wird die ganze Zinslast erspart oder nur ein Teil ? Man stelle sich einmal vor, daß das Eeich heute für eine Milliarde Eeichs- mark Staatspapiergeld drucken läßt und damit Arbeitsbeschaffungs- wechsel, die sich in den Händen der Kreditbanken befinden, vorzeitig zurückkauft. Bekanntlich haben die Kreditbanken Schwierigkeiten, in der privaten Wirtschaftssphäre geeignete Kreditnehmer zu finden - bestände diese Schwierigkeit nicht, so bedürfte es gar keiner staat- lichen Arbeitsbeschaffung, sondern es "würde zur Konjunkturankurbe- lung genügen, wenn die Eeichsbank durch Diskont- oder offene Markt- politik den Geldmarkt verflüssigte - die Kreditbanken würden des- halb die zugeflossenen baren Kassenmittel kaum andçrs verwerten können als durch Eückzahlung bzw. durch Nichtmehrinanspruch- nahme bisher bei der Notenbank genommener Kredite. Benutzt das Eeich das Staatspapiergeld unmittelbar zur Arbeitsbeschaffung, gibt es also das Staatspapiergeld aus anstatt diskontfähige Arbeitsbeschaf- fungswechsel entstehen zu lassen, so würde wiederum der größte Teil der einen Milliarde zusätzlichen Bargeldes in den Kassen der Kredit- banken erscheinen und von diesen mangels geeigneter Anlagenmög- lichkeit der Eeichsbank zugeführt werden 2). Wir müssen damit rech-

*) Vgl. vom Verfasser: Konjunkturbeeinflussung durch die Notenbank, Jahrb. f. Nationalökon. u. Stat., 140. Bd., 1934, S. 35 ff., insbesondere die Ausführungen über „latent vorhandene konjunkturverschlechternde Momente", S. 43 ff. u. S. 49.

2) Ich vermag keinen Grund zu erkennen, warum im Falle der Staatspapier- geldausgabe mehr Bargeld in den Verkehr kommen oder in ihm bleiben soll als im Falle der Finanzierung durch Arbeitsbeschaffungswechsel, wenn die Banken im ersten Falle die Geldfülle, die in ihren Kassen entsteht, nicht zu vermehrter Kreditgewährung ausnutzen können, und wenn sie sich im zweiten Falle in ihrer sonstigen Kreditgewährung auch keine Beschränkung aufzuerlegen brauchen, weil

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nen, daß infolgedessen die werbenden Anlagen der Beichsbank wenn nicht um eine volle Milliarde, so doch um den größten Teil einer Mil- liarde Eeichsmark reduziert würden, wodurch sodann die Gewinne der Beichsbank verringert werden. An diesen Gewinnen aber nimmt das Beich mit 90 - 95% x) nach dem Bankgesetz teil, ein entsprechender Posten ist also von der durch die Staatspapiergeldausgabe erzielten Zinsersparnis abzusetzen. Wie groß danach der finanzielle Vorteil der Staatspapiergeldausgabe bleibt, möchte ich einer detaillierteren Be- rechnung überlassen.

Wichtig ist dann weiter die Frage, welche Grenzen bei einer Finanzierung der Arbeitsbeschaffung durch Ar- beitsbeschaffungswechsel einerseits und duroh Staatspapiergeld andererseits innezuhalten sind. Die Grenzeistim Falle der Finanzierung durch Staats- papiergeldausgabe zweifellos enger gezogen, denn wir müs- sen nach obigen Ausführungen damit rechnen, daß der größte Teil des ausgegebenen Staatspapiergeldes zu einer Verminderung der wer- benden Anlagen der Beichsbank Anlaß gibt. Welche Verminderung tragbar ist, ohne die Aktionsfähigkeit der Beichsbank, die sie im Inter- esse ihrer geld- und kreditpolitischen Aufgaben besitzen muß, zu ge- fährden, wird man kaum unter Zugrundelegung ihres heutigen relativ hohen Bestandes an werbenden Anlagen entscheiden können, es sei denn, daß man auch für die Zukunft darauf verzichtet, einen Gold- und Devisenbestand zur Stabilisierung der Währung bei der Beichs- bank wieder aufzubauen bzw. daß man sich darauf beschränkt, diesen Wiederaufbau nur in dem Maße zu vollziehen, in dem das ausgegebene Staatspapiergeld wieder getilgt wird. Man wird sich ferner fragen müs- sen, ob man nicht im Interesse des Kapitalmarktes eine Verminderung der Wertpapierbestände der Beichsbank als unerwünscht bezeichnen muß und deshalb auch den Betrag der Wertpapiere von dem heutigen Betrag der werbenden Anlagen der Beichsbank absetzen muß. Bech- net man mit «inem beschränkten Wiederaufbau der Gold- und Devisen- bestände der Beichsbank auf Kosten ihrer werbenden Anlagen und

sie etwaigen Bargeldansprüchen durch Rediskont bei der Beichsbank Rechnung tragen können und sie von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen.

1) Infolge der Geringfügigkeit des Goldbestandes sind die werbenden An- lagen und damit auch die Gewinne der Notenbank vorläufig so hoch, daß der Reichsanteil an den infolge der Staatspapiergeldausgabe entgehenden Gewinnen wohl auf 90 bis 95% beziffert werden darf.

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rechnet man damit, daß die Wertpapierbestände der Eeichsbank nicht vermindert werden sollen, so kommt man m. E. zu einer Summe für das möglicherweise auszugebende Staatspapiergeld, die zwei Milliar- den Eeichsmark nicht erreicht, wahrscheinlich aber weit dahinter zurückbleibt; ich gebe diese Zahl mit allem Vorbehalt, insbesondere mit dem Vorbehalt ihrer weitgehenden Eevision nach unten, nur um überhaupt eine Vorstellung der Grenzen zu vermitteln, die einer Finan- zierung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch Staatspapiergeld gesteckt sind.

Im Falle der Finanzierung durch Arbeits- beschaffungswechsel gewinnen die Kreditbanken in diesen Wechseln eine geeignete Anlage, der durch Eediskontzusagen der Eeichsbank zum Teil eine große künstliche Liquidität verliehen wor- den ist. Die Kreditbanken können bzw. konnten diëfce Wechsel in großem Umfang aufnehmen, o h n e daß dabei eine Kauf- mittelvermehrung eintritt, weil in dem bisherigen Teil des Konjunkturverlaufs fortgesetzt früher genommene Kredite seitens der Bankenkundschaft zurückgezahlt wurden, und weil die Banken für die so verfügbar werdenden Beträge keine geeigneten Kreditnehmer in der eigentlich privaten Wirtschaftssphäre zu finden vermochten. (Die konjunkturverbessernde Wirkung der Arbeitsbeschaffung beruht hierbei einmal in der Verhinderung einer Verminderung der Kauf- mittelmenge, die bei Kreditrückzahlung ohne entsprechende Neu- kreditgewährung eintritt und leicht Konjunkturverschlechterung her- vorrufen würde; zum anderen in der Verbesserung der Ausnutzung, d. h. Erhöhung der Umsatzgeschwindigkeit der vorhandenen Kauf- mittel, insbesondere der Bankguthaben). Darüber hinaus können die Kreditbanken große Beträge von solchen Wechseln unter Kauf- mittelvermehrug übernehmen, sofern eine geeignete Zu- sammenarbeit zwischen ihnen selbst und zwischen ihnen und der Eeichsbank vorhanden ist ; nur für einen Teilbetrag müssen sie dabei die Eeichsbank in Anspruch nehmen, nämlich insoweit ihnen im Zu- sammenhang mit der Kreditvermehrung mehr Bargeld als bisher ab- verlangt wird, und insoweit sie ihre baren Kassenreserven erhöhen wollen. Diese Möglichkeit läßt Nöll in seinem Aufsatz unter den Tisch fallen, sie ist aber m. E. vorhanden, und die Grenze für die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung wird dadurch weit hinausge- schoben. Denn mit Eecht erschrecken wir bei dem Gedanken, daß etwa die Notenbank Milliardenbeträge von neuen Arbeitsbeschaffungs-

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wechseln übernehmen sollte; aber wir erschrecken keineswegs so bei dem Gedanken, daß die Kreditbanken in ihrer Gesamtheit solche Mil- liardenbeträge übernehmen, und daß im Zusammenhang damit auch die Beanspruchung der Beichsbank um einen Teilbetrag wächst. Nöll hat in seinem Buche „Der volkswirtschaftliche Kreditfonds" x) die Fähigkeit der Kreditbanken, ihre Kredite um ein Vielfaches des Be- trages auszudehnen, um den die Notenbank ihre werbenden und nichtwerbenden Anlagen erhöht, nicht glatt bestritten, er steht dem Gedanken vielmehr nur skeptisch gegenüber 2), in seinem Aufsatz ist dann aber von dieser Fähigkeit der Kreditbanken keine Eede mehr. Über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Theorie, um die seit Jahren der Kampf geht, will ich an dieser Stelle nicht streiten, jeden- falls aber komme ich unter Bejahung dieser Theorie zu einer Anschau- ung über das ganze Funktionieren des Finanzierungsprozesses, die auch den finanziellen Spielraum für die Durchführung der Arbeits- beschaffung .relativ groß erscheinen läßt.

Ergänzend möchte ich bemerken, daß es m. E. nicht zu heißen braucht: Arbeitsbeschaffungswechsel oder Staatspapiergeld, sondern daß außerdem eine Kombination beider Finanzie- rungsmethoden in Frage kommt. Ob allerdings angesichts der geschilderten Zusammenhänge die Ausgabe eines beschränkten Be- trages von Staatspapiergeld finanziell genügend einbringt, um die psychologische Belastung aufzuwiegen, die nun einmal mit der Vor- stellung des Staatspapiergeldes gerechtfertigter- oder ungerechtfertig- terweise verbunden ist, das scheint mir der Abwägung noch sehr be- dürftig zu sein.

l) Berlin 1934. «) S. 37 ff., insbesondere S. 60 f.

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