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56 H. Meier und I. MenzeI Bd. 739 Liebigs Ann. Chem. 739, 56-62 (1970) Zur Photolyse von 1-Acyl-benzotriazolen von Herbert Meier *), unter Mitarbeit von Irmgard Menzel Aus dem Institut fur Organische Chemie der Universitat, D-74 Tiibingen Eingegangen am 30. April 1970 Die Photolyse von 1-Acyl-benzotriazolen wird in Abhangigkeit von Solvens, Konzentration und eingestrahlter Wellenlange untersucht. Im photochemischen Primarschritt spaltet sich Stickstoff ab; die Diradikale stabilisieren sich durch Wasserstoff-Abstraktion, Addition von Losungsmittel-Molekulen, RingschluO-Reaktionen unter Wasserstoff-Verschiebung und Poly- merisation. Die Konkurrenz dieser Prozesse llBt sich an Hand der Ausbeuten der gebildeten N-Acyl-aniline, 2-Acylamino-biphenyle und des Phenanthridons verfolgen. Photolysis of I-Acylbenzotriazoles The photochemical decomposition of I-acylbenzotriazoles is investigated by variation of solvent, concentration and used frequencies. After elimination of nitrogen the diradicals formed are stabilized by abstraction of hydrogen, addition of solvent molecules, ring closure (accompanied with a hydrogen shift) and polymerisation. The competition of these reactions is studied by evaluating the yields of formed N-acylaniline, N-acyl-2-biphenylamine and phenanthridone. 1.2.3-Triazole mit Substituenten in 1-, 4- oder 5-Stellung spalten - im Gegensatz zu den photostabilen 2-substit. Triazolen - bei Einstrahlung in ihren Absorptions- bereich leicht Stickstoff ab 1) : R R lm photochemischen Primarschritt wird die Bildung von 1.3-Diradikalen ange- nommenz), deren Reaktivitat wir bei der Photolyse von l-Acyl-benzotriazolen unter- sucht haben. *) Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. E. Miiller, zum 65. Geburtstag gewidmet. 1) E. M. Burgess, R. Carithers und L. Mc Cullagh, J. Amer. chem. SOC. 90, 1923 (1968); A. f. Hubert, Chem. Commun. 1969, 328; M. Marky, Th. Doppler, H.J. Hansen und H. Schmid, Chimia [Aarau, Schweiz] 23, 230 (1969); F. G. Willey, Angew. Chem. 76, 144 (1964). 2) Vgl. dam auch R. M. Moriarty und J. M . Kleigman, J. Amer. chcm. SOC. 89, 5959 (1967); W. Kirmse, Angew. Chem. 71, 537 (1959); f. Sauer und K. K. Mayer, Tetrahedron Letters [London] 1968, 325; sowie M. Markyl).

Zur Photolyse von 1-Acyl-benzotriazolen

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56 H. Meier und I. MenzeI Bd. 739 Liebigs Ann. Chem. 739, 56-62 (1970)

Zur Photolyse von 1-Acyl-benzotriazolen

von Herbert Meier *), unter Mitarbeit von Irmgard Menzel

Aus dem Institut fur Organische Chemie der Universitat, D-74 Tiibingen

Eingegangen am 30. April 1970

Die Photolyse von 1-Acyl-benzotriazolen wird in Abhangigkeit von Solvens, Konzentration und eingestrahlter Wellenlange untersucht. Im photochemischen Primarschritt spaltet sich Stickstoff ab; die Diradikale stabilisieren sich durch Wasserstoff-Abstraktion, Addition von Losungsmittel-Molekulen, RingschluO-Reaktionen unter Wasserstoff-Verschiebung und Poly- merisation. Die Konkurrenz dieser Prozesse llBt sich an Hand der Ausbeuten der gebildeten N-Acyl-aniline, 2-Acylamino-biphenyle und des Phenanthridons verfolgen.

Photolysis of I-Acylbenzotriazoles

The photochemical decomposition of I-acylbenzotriazoles is investigated by variation of solvent, concentration and used frequencies. After elimination of nitrogen the diradicals formed are stabilized by abstraction of hydrogen, addition of solvent molecules, ring closure (accompanied with a hydrogen shift) and polymerisation. The competition of these reactions is studied by evaluating the yields of formed N-acylaniline, N-acyl-2-biphenylamine and phenanthridone.

1.2.3-Triazole mit Substituenten in 1-, 4- oder 5-Stellung spalten - im Gegensatz zu den photostabilen 2-substit. Triazolen - bei Einstrahlung in ihren Absorptions- bereich leicht Stickstoff a b 1) :

R R

lm photochemischen Primarschritt wird die Bildung von 1.3-Diradikalen ange- nommenz), deren Reaktivitat wir bei der Photolyse von l-Acyl-benzotriazolen unter- sucht haben.

*) Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. E. Miiller, zum 65. Geburtstag gewidmet. 1) E. M. Burgess, R. Carithers und L. Mc Cullagh, J. Amer. chem. SOC. 90, 1923 (1968);

A. f. Hubert, Chem. Commun. 1969, 328; M . Marky, Th. Doppler, H . J . Hansen und H. Schmid, Chimia [Aarau, Schweiz] 23, 230 (1969); F. G . Willey, Angew. Chem. 76, 144 (1964).

2) Vgl. dam auch R . M. Moriarty und J. M . Kleigman, J. Amer. chcm. SOC. 89, 5959 (1967); W. Kirmse, Angew. Chem. 71, 537 (1959); f. Sauer und K. K. Mayer, Tetrahedron Letters [London] 1968, 325; sowie M. Markyl).

1970 Photolyse von 1 -Acyl-benzotriazolen 57

Als Stabilisierungsreaktionen fur die Acylamino-benzol-Diradikale kommen in Frage: 1) Wasserstoff-Abstraktion vom Solvens, die zu N-acylierten Anilinen fuhrt :

R-C=O

R = CH3,C,HS

2) Addition von Losungsmittel-Molekiilen (z. B. Benzol), wobei 2-Acylamino-biphenyle entstehen:

I R-C.0 K-C=O

R = CH,,C,II,

3) RingschluD-Reaktionen unter Ausbildung eines Azirin- bzw. Oxazol-Systems :

4) RingschluB-Reaktionen mit gleichzeitiger Wasserstoff-Verschiebung, wobei aus 1-Ben- zoyl-benzotriazol Phenanthridon entsteht :

5) Dimerisation von zwei 1.3-Diradikalen:

6) Polymerisation zu nicht naher untersuchten Oligomeren.

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Experimentell lassen sich die Wege 1 , 2 , 4 und 6 verfolgen. N-Acylierte Benzoazirine und Benzo[d]oxazole nach Weg 3 sowie 5.1 0-Dihydro-phenazine bzw. 5.6-Dihydro- benzo[c]cinnoline nach Weg 5 wurden nicht erhalten. Urn die Konkurrenz der Reaktionswege 1, 2, 4 und 6 zu untersuchen, wurden Photolysen n i t verschiedenen Wellenlangen, Konzentrationen und Losungsmitteln durchgefiihrt.

Variation der eingestrahlten Wellenlangen Die zur Photolyse verwendete Strahlung einer Quecksilber-Hochdrucklampe

kann durch Filter eingeengt werden. Betrachtet man wegen der unvermeidbaren Reflexionsverluste an Phasengrenzen eine Durchlassigkeit der Filter von 10 % des eingestrahlten Lichtes als untere Intensitatsgrenze, so sperren die venvendeten Filter unterhalb folgender Wellenlangen: Pyrex: 290 mp, Solidex: 280 mp, Corex: 270 mp, Vycor : 225 mp.

Fur die Photolysen von 1-Acetyl-benzotriazol bzw. 1-Benzoyl-benzotriazol gibt Tabelle 1 an Hand der relativen Ausbeuten Auskunft iiber die Konkurrenz der Stabilisierungsreaktionen 1, 2, 4 und 6 in Abhhgigkeit der eingestrahlten Wellen- langen.

Tabelle 1 . Relative Ausbeuten bei der Photolyse von a) I-Acetyl-benzotriazol (3.10-2 m) bzw. b) 1-Benzoyl-benzotriazol (1.10-2 m) in Chloroform/Benzol (1 : 1)

bei einem Totalumsatz3) von 50 %

a) % relative Ausbeute an

W e g 1) biphenyl (Weg 2) (Weg 6 ) Filter Acetanilid 2-Acetamino- Polymeren

Pyrex 6 Solidex 8 Corex 8 Vycor 5 Quarz 8

74 68 59 42 37

20 24 33 53 55

b) relative Ausbeute an Filter Benzanilid 2-Benzamino- Phenanthridon Polymeren

( Weg 4 biphenyl ( W e g 2) (Weg 4) ( W e 6 )

Pyrex 10 57 9 24 Corex 11 52 9 28 Vycor 8 42 5 45 Quarz 6 39 5 50

Bei den Ausbeuten (Tab. 1) fallt auf, da13 die Wasserstoff-Abstraktion (Weg I) praktisch unabhangig von der eingestrahlten Wellenlange ist, wahrend die Addition von Benzol ( Weg 2) und die Phenanthridon-Bildung ( Weg 4 ) mit abnehmender

3) Der Totalumsatz ist stets auf die gemessene Stickstoffentwicklung bezogen.

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Wellenlange zugunsten der Polymerisation ( Weg 6) rucklaufig sind. Insbesondere tritt dies beim Ubergang vom Corex- zum Vycor-Filter auf. Abb. 1 zeigt bei den 1-Acyl-benzotriazolen je zwei Maxima, die wegen ihrer Intensitat x -+ x*-Ubergangen zugeordnet werden mussen.

Die Filter Pyrex, Solidex und Corex gestatten eine selektive Einstrahlung in das lang- wellige Maximum mit A,,, M 295 mp. Strahlt man dagegen mit einem Vycor-Filter oder ohne Filter ein, so wird auch der kurzwelligex +x*-Ubergang mit A,,, w250mp erfafit, was sich in einem hohen Anteil an Polymeren bemerkbar macht. Die durch die Wellenlange nicht beeinflufibare Wasserstoff-Abstraktion geht moglicherweise auf einen angeregten n -+ Tc*-Zustand zuriick. Der uberlappungsverbotene ubergang eines Elektrons von einem freien Elektronenpaar des Carbonyl-Sauerstoffs in ein angeregtes x*-Orbital des Ringsystems ist im Bereich von 300mp zu erwarten4) und wird von dem vie1 intensiveren langwelligen x --f x*-nbergang verdeckt.

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I _ R- C=Q

I I i

If - I \

4 3 5 d[cm'l 3 10'

I l l I l l l l l l l I

250 300 A [mpl Abbildung 1. UV-Absorption von 1 -Acetyl-benzotriazol (-), 1-Benzoyl-benzotriazol

(- - -) und Benzotriazol (. . . . .) in Cyclohexan

4) J. Derkosch, 0. E. Polonsky, E. Rieger und G. Derflinger, Mh. Chem. 92, 1131 (1961).

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Variation der Konzentration

Belichtet man Losungen von 1-Acetyl- bzw. 1-Benzoyl-benzotriazol verschiedener Konzentration in Benzol/Chloroform (1 : 1) mit einer Quecksilber-Hochdrucklampe ohne Filter, so ergeben sich fur die einzelnen Reaktionswege die in Tabelle 2 zusam- mengestellten relativen Ausbeuten.

Tabelle 2. Relative Ausbeuten bei der Photolyse von a) I-Acetyl-benzotriazol bzw. b) I-Benzoyl-benzotriazol in Chloroform/Benzol (1 : 1) bei einem Totalumsatz3) von SO %

a) % relat. Ausbeute an molare Ausgangs- Acetanilid 2- Acetamino- Polymeren

konzentration ( W e 1) biphenyl ( Weg 2) ( Weg 6 )

1.0.10-3 6 3.0.10-2 8 1.2.10-1 -

86 37

21

8 5s

19

b) % relat. Ausbeute an molare Ausgaugs- Benzanilid 2-Benzamino- Phenanthridon Polymeren

konzentration (Weg 1) biphenyl (Weg 2) (Weg 4 ) ( W e 6)

0.9.10-3 I 81

1.0.10-2 6 39 1.1 - 10-1 5 11

- 12 5 50

18 66

Auch bei dieser Versuchsreihe lafit sich die Wasserstoff-Abstraktion (Weg I ) , die zu Aniliden fiihrt, nicht beeinflussen. Die Addition von Benzol (Weg 2 ) wird mit abnehmender Konzentration des 1-Acyl-benzotriazols zur Hauptreaktion. In kon- zentrierten Losungen sind dagegen die RingschluB-Reaktion zu Phenanthridon (Weg 4) und die Polymerisation ( Weg 6) bevorzugt.

selbst in 10-lrn Losung in Chloroform/Benzol (1 : I) nicht beobachtet werden. Bei I-Acetyl-benzotriazol konnte der Weg 4 (Cyclisierung unter Wasserstoff-Verschiebung)

Variation des Losungsmittels

und 6 gibt Tabelle 3 Auskunft. Uber den EinfluB des Losungsmittels auf die Konkurrenz der Reuktiorzen I, 2, 4

Aus den Daten der Tabelle 3 entnimmt man, daf3 die Reaktion nach Weg 2 (Addi- tion von Losungsmittel-Molekiilen) bei Anwesenheit von Benzol stark bevorzugt ist. Chloroform dagegen addiert sich nicht. Die bei der Stickstoff-Eliminierung gebildeten 1.3-Diradikale sind dann gezwungen, niit sich selbst intra- oder intermolekular zu reagieren oder sich durch Wasserstoff-Abstraktion abzusattigen.

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Tabelle 3. Relative Ausbeuten bei der Photolyse von a) 1-Acetyl-benzotriazol(3.10-2m) bzw. b) 1-Benzoyl-benzotriazol(1.10-2 rn) mit einem Corex-Filter in verschiedenen Losungsmitteln

bei einem Totalumsatz3) von 50%

a) % relat. Ausbeute an Losungs- Acetanilid 2-Acetamino- Polymeren

mittel ( w e g 1) biphenyl ( Weg 2) ( Weg 6 )

Benzol - 62 38 66 Chloroform 34

Benzol/Chloro- 8 59 33 form (1 : 1)

-

b) % relat. Ausbeute an Losungs- Benzanilid 2-Benzamino- Phenanthridon Polymeren

mittel ( Weg I ) biphenyl ( Weg 2) ( Weg 4 ) (Weg 6 )

Benzol - 65 8 15 Chloroform 18 -

Benzol/Chloro- 11 52 9 form (1 : 1)

27 67 28

Setzt man Alkohole als Losungsmittelkomponente ein, so tritt die erwartete Zunahme der Wasserstoff-Abstraktion nicht ein, da in diesem Fall alle Photoreaktionen von einer Dunkel- reaktion der schon bei Raumtemperatur ablaufenden Alkoholyse ubertroffen werden:

R-C=O H

R = CHs,C,H,

Das dabei in Freiheit gesetzte, unsubstituierte Benzotriazol wird zwar auch photochemisch zersetzt; dieser ProzeR verlauft aber gegenuber der Alkoholyse so langsam, da5 z. B. bei der geringen Lichtintensitat in einem UV-Spektrographen die zeitliche Umwandlung des Ab- sorptionsspektrums von 1 -Acetyl-benzotriazol in das Spektrum des Benzotriazols (Abb. 1) verfolgt werden kann.

Zusammenfassend lal3t sich sagen, daR die Variation von Losungsmittel, Konzen- tration und Wellenlangenbereich einen ganz erheblichen Einflulj auf den Ablauf der Photolyse von 1 -Acyl-benzotriazolen hat. Synthetische Moglichkeiten ergeben sich daraus vor allem fur Derivate des 2-Amino-biphenyls und des Phenanthridons.

Fur die Unterstutzung unserer Arbeit danken wir dem Wirtschaftsministerium von Baden- Wiirttemberg, der Stiftung Volkswagenwerk, dem Fonds der Chemischen Industrie, der Direk- tion der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.