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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben Author(s): Heinz Haller Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 19, H. 1 (1958/59), pp. 72-91 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40909265 . Accessed: 12/06/2014 14:37 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.2.32.96 on Thu, 12 Jun 2014 14:37:26 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher AusgabenAuthor(s): Heinz HallerSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 19, H. 1 (1958/59), pp. 72-91Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40909265 .

Accessed: 12/06/2014 14:37

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben

von

Heinz Haller

Die Frage, in welchen Fällen es geboten erscheint, öffentliche Ausgaben mit Krediten zu finanzieren, ist nach wie vor umstritten. Weitgehende Einig- keit dürfte darüber bestehen, daß gewinnbringende Investitionen, die den Schuldendienst selbst tragen, ohne Bedenken mit Kredit finanziert werden können. Ferner wird heute kaum jemand ernsthaft bestreiten, daß der Staat in Depressionszeiten zum Mittel des Kredits greifen darf. Die Mehrzahl der Meinungen dürfte sogar dahin gehen, daß er in diesem Fall zum Kredit greifen sollte, um die Konjunktur im günstigen Sinne zu beeinflussen.

Zweifel und Uneinigkeit herrschen jedoch hinsichtlich der Frage, ob man öffentliche Investitionen, und zwar sowohl rentable wie unrentable, mit Kredit finanzieren sollte, und weiter darüber, ob es angebracht ist, nicht regelmäßig wiederkehrende, „einmalige" Ausgaben mit Hilfe von Krediten zu bestreiten. Diese beiden Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussion, bevor der konjunkturpolitische Aspekt die Oberhand gewann. In neueren, abgerundeten Darstellungen der Problematik des Staatskredits finden sie neben dem konjunkturellen Gesichtspunkt nach wie vor Berücksichtigung1. Während früher die Finanz Wirtschaft die beiden Fragen überwiegend be- jahte, sich also dafür aussprach, daß im Falle öffentlicher Investitionen und „einmaliger" Ausgaben eine Kreditfinanzierung geboten sei, ist heute, wie gesagt, die Meinung sehr viel weniger einheitlich.

Es lohnt sich, die Argumente, die für und gegen eine Kreditfinanzie- rung in diesen beiden Fällen sprechen - Argumente, die von der „klassi- schen" Finanzwissenschaft vorgebracht wurden, und solche, die sich aus unserer heutigen Sicht der Zusammenhänge ableiten lassen -, noch einmal

1 Vgl. Rudolf Stucken und Walter Sies, Finanz wissenschaftliche Deckungs- grundsätze und konjunkturpolitische Postulate, Finanzarchiv, N.F., Bd. 12 (1951), S. 616 ff. (ferner: Stucken, Kredit als finanzwirtschaftliches Deckungsmittel, Finanzarchiv, N.F., Bd.5 (1938), S. 529 ff.), Robert Nöll v. d. Nahmer, Artikel: öffentlicher Kredit II (Theorie), Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 18. Lieferung (1958), S. 329 ff., und vor allem die umfassendste neuere Abhandlung in deutscher Sprache: Richard A.Musgrave, Theorie der öffentlichen Schuld, Hand- buch der Finanzwissenschaft, 2. Aufl., Bd. 3, Tübingen 1956, S. 68 ff.

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genau zu durchdenken und sich über die Konsequenzen der Kreditfinanzie- rung einerseits und der steuerlichen Finanzierung andrerseits möglichst klar zu werden. Nur so wird es allmählich gelingen, zu einer einheitlicheren Be- urteilung zu kommen.

Ein derartiger Versuch soll hier unternommen werden. Es erscheint dabei angezeigt, zunächst von den konjunkturellen Erscheinungen abzusehen und die erforderlichen Überlegungen für eine Wirtschaft durchzuführen, für die das Saysche Theorem gilt und die sich stets im Zustand der Vollbeschäfti- gung ohne Inflation befindet1. Eine solche Wirtschaft hatte ja auch die „klassische" Finanzwissenschaft im Auge. Erst danach soll untersucht wer- den, wie unsere Fragen unter Berücksichtigung der konjunkturellen Aspekte zu beurteilen sind. Die Problematik soll nur für Ausgaben des Gesamtstaats und für eine Kreditaufnahme im Inland erörtert werden. Erst am Schluß werden die lokalen Gebietskörperschaften und die Außenverschuldung kurz berücksichtigt.

Wir beginnen mit der Untersuchung der Finanzierungsproblematik für die „einmaligen" Ausgaben.

I

Zunächst ist genauer zu umreißen, was sinnvollerweise in dem hier be- trachteten Zusammenhang unter „einmaligen" Ausgaben verstanden werden soll. Vielfach meint man mit „einmaligen" Ausgaben einmalig auftretende oder wenigstens nicht regelmäßig wiederkehrende Ausgabepositionen. Ver- wendet man den Begriff so, dann läßt sich eine Kreditfinanzierung nicht ohne weiteres rechtfertigen. In einem größeren Staatswesen werden alljährlich viele Posten im Budget erscheinen, die nur einmalig auftreten, und trotz- dem kann ihr Gesamtbetrag gleichbleiben oder allmählich zunehmen, sich also parallel zu dem Gesamtbetrag der periodisch wiederkehrenden Posten entwickeln. In ihrer Summe können sie dann als laufende Ausgaben auf- gefaßt und hinsichtlich der Finanzierung wie diese behandelt werden. Treten dagegen Sonderausgabeposten von solcher Bedeutung auf, daß sie die Ge- samtausgaben des Staates in die Höhe reißen, so liegt eine andere Situation vor, und jetzt werden die Überlegungen relevant, die eine Kreditfinanzie- rung rechtfertigen sollen. Wir sehen nun, worauf es ankommt: auf die Be- wegung der Gesamtausgaben. Diese können sich kontinuierlich entwickeln, z. B. gleichbleiben oder langsam ansteigen. Es können aber auch Zeiten auf- treten, in denen sie eine Spitzenhöhe erreichen, um dann wieder abzufallen, also Zeiten einer Sonderbeanspruchung der Wirtschaft durch den Staat. An einer solchen Entwicklung können sowohl einmalig auftretende Posten als auch periodisch wiederkehrende, vorübergehend anschwellende Ausgaben schuld sein. Der Tatbestand, der für die Frage der Finanzierung bedeutsam ist, wird daher besser als einmalige Spitze oder Welle der Gesamtausgaben be- zeichnet.

1 AuchMusgrave (vgl. a.a.O. S. 71 ) und Nöü v. d. Nahmer (vgl. a.a.O. S. 332) gehen so vor.

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Wenn dieser Tatbestand einer vorübergehenden beträchtlichen Steige- rung der Gesamtausgaben eintritt und insbesondere dann, wenn dies abrupt der Fall ist, die Ausgabensteigerung also schlagartig notwendig wird, ergibt sich, falls man die Ausgaben in vollem Umfang mit Steuereinnahmen finan- zieren will - damit kommen wir zum ersten für die Finanzierungsfrage wich- tigen Punkt -, die Schwierigkeit, daß die Steuersätze die Ausgabenschwan- kung mitmachen müssen. Sie müssen also u. U. ruckartig erhöht und über mehrere Perioden hinweg weiter gesteigert, nach Beendigung der Zeitspanne, die die Sonderbeanspruchung gebracht hat, jedoch wieder auf das Ausgangs- niveau gesenkt werden. Handelt es sich um eine sehr hohe Ausgabenspitze, so stellt eine solche Prozedur für eine Volkswirtschaft eine Art Pferdekur dar. Wir arbeiten zwar vorläufig mit der wirklichkeitsfremden Annahme, daß es keine konjunkturellen Probleme gibt; trotzdem ist festzustellen, daß es ohne gewisse Störungen1 nicht abgehen wird. Diese Störungen werden sich vor allem darin zeigen, daß die Leistungsantriebe zurückgehen infolge der sprunghaften Steigerung der Steuersätze. Allein schon die psychologische Schockwirkung wird beträchtlich sein.

Es ist also aus diesem Grunde zu überlegen, ob die Ausgabenspitze nicht besser mit Hilfe von Anleihen finanziert wird, die dann über einen langen Zeitraum hinweg vermittels einer gleichbleibenden mäßigen Erhöhung des Steuersatzes getilgt und verzinst werden. Selbstverständlich würde ein solches Vorgehen nicht bedeuten - es muß dies ausdrücklich betont werden, weil sich in diesem Punkte immer wieder Mißverständnisse ergeben -, daß sich an der zeitlichen Verteilung der realen Zusatzbelastung der Wirtschaft (der zusätzlichen Inanspruchnahme des Produktionspotentials durch den Staat) irgend etwas ändern würde. Die Realbelastung muß im Zeitraum der Ausgabenballung in Kauf genommen werden, das läßt sich nicht umgehen. Der Vorteil des Verfahrens besteht jedoch darin, daß das Nettoeinkommen der Gesamtheit der Wirtschaftspersonen nicht schon im Ausgabezeitraum im gesamten Betrage der Zusatzausgaben reduziert wird, sondern erst in der relativ langen Zeitspanne der Anleihetilgung. Vorläufig werden Erspar- nisse, die sonst für Investitionen verwendet worden wären (andere Geld- mittel stehen in unserem Modell nicht zur Verfügung), zur Finanzierung der Zusatzausgaben herangezogen, so daß die vorübergehende Höchstanspan- nung der Steuerschraube vermieden werden kann. Diese zeitliche Verteilung der zusätzlichen Steuerbelastung ist aber noch aus einem zweiten Grunde bedeutsam.

Wenn es sich bei der Ausgabenspitze um eine völlig singuläre Erschei- nung handelt, deren Wiederkehr nach menschlichem Ermessen nicht zu er- warten ist, so erscheint es angebracht, daß die Einkommensbelastung, die sie für die Bevölkerung mit sich bringt, nicht ausschließlich denjenigen Generationen auferlegt wird, die im Zeitraum ihres Auftretens am Erwerbs- leben beteiligt sind und daher mit Steuern belastet werden. Vielmehr sollten auch diejenigen Generationen an der Aufbringung der Last beteiligt werden, die erst später ins Erwerbsleben treten, denn auch sie sind Nutznießer der

1 Musgrave nennt sie „Steuerfriktionen" (vgl. a.a.O. S, 75).

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Vorteile, die die Sonderausgaben für die Bevölkerung bringen. Würden solche Sonderlasten normalerweise in der ,, Erwerbsspanne" jeder Genera- tion einmal auftreten, so wäre es unnötig, aus diesem Grunde eine „zeit- liche Streckung" der Belastung vorzunehmen: jede Generation würde ein- mal betroffen, sei es am Anfang, in der Mitte oder am Ende ihrer Erwerbs- spanne. Die eben angestellten Erwägungen sind also nur von Bedeutung, wenn es sich wirklich um (nach menschlichem Ermessen) „einmalige" Sonder- belastungen handelt; nur dann wird das Problem des Lastenausgleichs zwi- schen den Generationen1 relevant2.

Wenn man nun mit Hilfe von Anleihen - bei selbstverständlich un- veränderter realer Belastung in der Ausgabeperiode - einen zeitlichen Be- lastung sausgleich herbeiführt, so hat dieser nicht nur die Bedeutung, daß die endgültige Belastung durch Steuern auf eine längere Periode verteilt werden kann, sondern darüber hinaus noch die, daß im Augenblick der Aus- gabentätigung noch nicht im Erwerbsleben stehende Jahrgänge am Tragen der Last beteiligt werden können. Diese müssen die Zusatzsteuern mit auf- bringen, die zur Tilgung und Verzinsung der Anleihen erhoben werden müs- sen. Im gleichen Umfang tritt für die altershalber aus dem Erwerbsleben ausscheidenden und daher nicht mehr mit Steuern belasteten Jahrgänge eine Entlastung ein.

Das folgende schematische Zahlenbeispiel soll den Lastenausgleich zwi- schen den Generationen mit Hilfe der Anleihefinanzierung verdeutlichen.

Nehmen wir an, es werde eine in einem Jahr anfallende Sonderausgabe von 10 Milliarden durch eine Anleihe finanziert, die vom folgenden Jahr an innerhalb von 40 Jahren in gleichen Jahresquoten von 250 Millionen getilgt werden soll. Die Erwerbsspanne jedes Jahrgangs betrage ebenfalls 40 Jahre. Wir wollen ferner an- nehmen, daß sich jeder im Erwerbsleben befindliche Jahrgang mit einer gleichen Quote, also wiederum mit 250 Millionen, an der Anleihezeichnung beteiligt hat. Im ersten Jahr der Tilgung erhält der älteste an der Zeichnung noch beteiligte Jahr- gang, der eben aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, seine Anleihequote zurück- bezahlt. Er wird nicht mehr herangezogen bei der endgültigen Belastung, weil er zu Beginn der Tilgungsperiode kein Erwerbseinkommen mehr bezieht. Bei einer steuerlichen Finanzierung wäre er dagegen in voller Höhe seiner „Jahrgangsquote" von 250 Millionen endgültig belastet worden in seinem letzten Erwerbsjahr. Im zweiten Tilgungsjahr erhält der nächstälteste Jahrgang seine Anleihequote zurück, deren Rückzahlung er selbst noch zu 1/40 mitfinanzieren mußte. Der nächste Jahr- gang ist mit 2/40 seines Anteils endgültig belastet, der folgende mit 3/40 usf., immer entsprechend der Zahl der Erwerbs jähre, die in die Tilgungsperiode hineinreichen. Derjenige Jahrgang, der zu Beginn der Tilgungsperiode ins Erwerbsleben eingetreten ist, ist mit 40/40, also dem vollen Betrag der auf einen Jahrgang fallenden Anleihe- quote von 250 Millionen belastet. Er muß 40 Jahre lang die Tilgungsteuer zahlen, da seine Erwerbsperiode genau mit der Tilgungsperiode übereinstimmt. Für die folgenden Jahrgänge nimmt die Beteiligung an der Last wieder ab, und zwar von Jahrgang zu Jahrgang um 1/40 der Tilgungsquote. Es sind also noch 39 weitere Jahrgänge an der endgültigen Belastung beteiligt.

1 Mußgrave nennt es das Problem der ,,inter-generation equity" (vgl. a.a.O. S. 76). 2 In abgeschwächtem Grade ergibt es sich allerdings auch dann, wenn Phasen der Sonderbelastung zwar wiederkehren, aber nicht so, daß jede Generation un- gefähr gleichmäßig belastet wird, wenn also z. B. innerhalb von 30 Jahren zwei Sonderlasten zu verkraften sind und dann 60 Jahre ohne eine solche vergehen.

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Das Beispiel ist so gewählt, daß jeder ausscheidende Jahrgang die seinerzeit dem Staat zur Verfügung gestellte Ersparnis wieder voll zurück- erhält und sie für private Investitionen verwenden oder auch wieder rück- gängig machen kann durch konsumtive Verausgabung des Betrages. Ist die Tilgungsperiode länger, so reichen die Tilgungsbeträge nicht für eine solche volle Rückzahlung im Jahr nach dem Ausscheiden aus. Bei einer Verteilung der Tilgung über 80 Jahre z. B. könnte der zu Beginn der Tilgungsperiode eben ausscheidende Jahrgang erst innerhalb der ersten zwei Jahre voll be- friedigt werden. Der nächste Jahrgang käme erst im dritten und vierten Tilgungsjahr an die Reihe usw. So ergibt sich zwar bei immer größer werden- dem Abstand zwischen dem Zeitpunkt des Ausscheidens und dem der Til- gung kein automatisches Rückgängigmachen des Verzichts auf private Ein- kommensverwendung mehr, aber nicht dies ist entscheidend, sondern die Tatsache, daß die ausscheidenden Jahrgänge Forderungen gegen den Staat in der Hand haben. Diese Forderungen können sie jederzeit an die jüngeren Jahrgänge verkaufen und nun die Beträge für private Ausgaben verwenden. Auch wenn die Tilgungsbeträge zur vollen Befriedigung der ausscheidenden Jahrgänge ausreichen, spielt sich der Tilgungsvorgang praktisch nicht so ab, daß nur die ausscheidenden Jahrgänge Zahlungen erhalten. Normalerweise wird ausgelost, und die Empfänger der Tilgungszahlungen sind irgendwie auf die verschiedenen Generationen verteilt. Die Befriedigung der ausscheiden- den Jahrgänge kommt nur dadurch zustande, daß diese die nicht getilgten Anleihestücke an Tilgungsempfänger der jüngeren Jahrgänge abstoßen.

Tatsächlich werden die ausscheidenden Jahrgänge die nicht getilgten Stücke der in ihrem Besitz befindlichen Anleihen nur in beschränktem Um- fang verkaufen, insoweit nämlich, als sie die Erlöse konsumieren wollen. Besteht diese Absicht nicht, so ist es für sie gleichgültig, in welchen Werten sie ihr Vermögen angelegt haben. Insoweit als sie ihre Papiere behalten, er- folgt also keine reale Entlastung in dem Sinne, daß der früher erfolgte Ver- zicht auf eine Einkommensverwendung im privaten Sektor (auf Inanspruch- nahme des Produktionspotentials für private Zwecke) rückgängig gemacht wird. Die im Ausgabenzeitraum erfolgte Realbelastung der betreffenden Jahrgänge bleibt also bestehen, aber nur deswegen, weil die Beteiligten frei- willig auf eine spätere Korrektur verzichten. Entscheidend ist, daß sie ihren Verzicht auf Einkommensverwendung im privaten Sektor rückgängig ma- chen könnten, was bei einer steuerlichen Finanzierung der Sonderausgaben nicht der Fall wäre, weil sie endgültig auf die entsprechenden Einkommens- teile hätten verzichten müssen. Die Realbelastung stellt keine einkommens- mäßige Belastung dar. Eine solche erfolgt nur in dem Umfang, in dem sie an den für die Tilgung erhobenen Steuerzahlungen beteiligt sind. Die Real- belastung ist, auch dies ist noch zu beachten, eine andere als im Fall der steuerlichen Finanzierung, insofern nämlich, als ausschließlich auf In- vestitionsausgaben verzichtet werden muß zugunsten des Staates, nicht jedoch auf Konsumausgaben. Hierauf wird noch zurückzukommen sein.

Je länger die Tilgungsperiode ist, desto geringer ist die einkommens- mäßige Belastung der ausscheidenden Jahrgänge, weil die „Tilgungsteuer" niedriger gehalten und eine entsprechend größere Zahl späterer Jahrgänge

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mit herangezogen werden kann. Bei einer relativ kurzen Tilgungsperiode wäre die einkommensmäßige Belastung der anleihezeichnenden Jahgänge entsprechend höher, die Zahl der später mitbelasteten Jahrgänge geringer. So würde in unserem Beispiel bei einer Tilgungsperiode von 20 Jahren jeder anleihezeichnende Jahrgang pro Erwerbsjahr mit 1/20 seiner An- leihequote belastet, und entsprechend würden nur 20 jüngere Jahrgänge zum Tragen der Last mit herangezogen. Von der einkommensmäßigen Umvertei- lung der Last auf die Schultern späterer Generationen würden nur die 20 ältesten der 40 anleihezeichnenden Jahrgänge einen Vorteil haben.

Die schematisierten, weitgehend wirklichkeitsfremden Annahmen, die wir in unserem Zahlenbeispiel hinsichtlich der Erwerbsperiode und der Be- teiligung der einzelnen Jahrgänge an der Anleihezeichnung gemacht haben, sind bei einer realistischeren Betrachtung natürlich zu modifizieren. Unser Beispiel soll ja nur die tendenzielle Wirkung der Anleihefinanzierung im Sinne des Lastenausgleichs zwischen den Generationen demonstrieren. In der Tendenz sind diese Wirkungen auch noch gegeben, wenn die von uns ge- machten rigorosen Annahmen nicht gelten, d. h. wenn die Erwerbsperioden der Einzelnen verschieden lang sind und wenn die Beteiligung der ver- schiedenen Jahrgänge (wegen der Einkommensunterschiede) an der Anleihe- zeichnung und an der Steueraufbringung unterschiedlich sind.

Man wird nach dem Gesagten nicht bestreiten können, daß die Anleihe- finanzierung zum zeitlichen (generationenmäßigen) Lastenausgleich beim Auftreten von einmaligen beträchtlichen Ausgabestößen ihren guten Sinn hat. Wenn man konkret vor der Frage steht, ob man sich ihrer bedienen soll, wird man sich zuerst darüber klar werden müssen, ob die Ausgabeerhöhung wirklich nur vorübergehend ist und ob es sich um eine ,, einmalige" oder zumindest sehr selten wiederkehrende Erscheinung handelt. In manchen Fällen, so bei Kriegsausgaben und Wiederaufbauausgaben nach Kriegs- und Katastrophenschäden, wird man den vorübergehenden Charakter der Aus- gaben mit Sicherheit prognostizieren können, in manchen anderen Fällen hingegen, in denen die Verursachungsfaktoren der Ausgaben sowohl ver- schwinden als auch fortdauern können, wird die Prognose sehr schwierig sein. Ob und in welchen Abständen mit einer Wiederholung vorübergehender Sonderausgaben zu rechnen ist, dürfte normalerweise nicht zu ermessen sein.

Praktisch ist also das Problem dieses: Man steht vor einer sprunghaften Ausgabenerhöhung, von der man günstigenfalls weiß, daß sie vorübergehen- der Natur ist und daß sie sich nach menschlichem Ermessen in absehbarer Zeit nicht wiederholen wird. Im ungünstigen Fall weiß man nichts über den weiteren Verlauf. Im ersten Fall ist es unter Beachtung der bisher disku- tierten Gesichtspunkte angebracht, die Kreditfinanzierung heranzuziehen. Im ungünstigeren Fall erscheint dies immer noch angezeigt, um die Schock- wirkung eines plötzlichen kräftigen Anziehens der Steuerschraube zu ver- meiden. Wenn man auf einen späteren Ausgabenrückgang hoffen darf, so kommt auch hier noch das Lastenausgleichsmotiv für die Begründung der Kreditfinanzierung in Frage. Eine gewisse zeitliche (generationenmäßige) Lastennivellierung wird immer erreicht werden, wenn die Ausgaben wieder zurückgehen.

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Nun ist aber das bisher gezeichnete Bild zu positiv. Bevor die Kredit- finanzierung zur Bewältigung sprunghaft auftretender Zusatzausgaben end- gültig beurteilt werden kann, müssen auch noch die Nachteile dieses Ver- fahrens berücksichtigt werden.

Hier ist zunächst auf folgende Konsequenz hinzuweisen: Die Kredit- finanzierung beeinträchtigt im Normalfall, d. h. bei freiwilliger Anleihe- zeichnung, im Vergleich mit der steuerlichen Finanzierung - zumindest vor- läufig - die private Investition der Volkswirtschaft und vermindert damit deren Produktivitätszuwachs. Dies ist unschwer einzusehen: Bei einer rein steuerlichen Finanzierung werden zugunsten der zusätzlichen Staatsausgaben weitgehend die privaten Konsumausgaben reduziert. In welchem Grade dies der Fall ist, hängt davon ab, welche Gruppen von Einkommensempfängern die zusätzlichen Steuern zu tragen haben. Geht man von einer linearen An- hebung des Einkommensteuertarifs und (oder) einer Erhöhung des Umsatz- steuersatzes aus, was durchaus eine realistische Annahme darstellt, so wer- den die Schichten der kleineren und mittleren Einkommensempfänger er- heblich getroffen, für die die Zusatzsteuer überwiegend Einschränkung der Konsumausgaben bedeutet. Es kommt natürlich auch zu einer Verringerung der Ersparnis, die in der vorläufig zugrunde gelegten, nach klassischem Muster funktionierenden Wirtschaft gleichbedeutend ist mit einer Verminde- rung der Investition, doch werden Ersparnis und Investition wahrscheinlich in geringerem Maße getroffen als der Konsum. Nur wenn die Zusatzsteuer auf die großen Unternehmergewinne konzentriert wäre, würde sich eine um- gekehrte Relation ergeben.

Bei ausschließlicher Anleihefinanzierung der Zusatzausgaben werden in deren Umfang Ersparnisse absorbiert, was zu einer entsprechenden Ein- schränkung der Investition führt. Nehmen wir an, daß die Anleihezeichner, die später die Tilgungszahlungen erhalten, diese nicht für Konsumausgaben verwenden und daß die mit der „Tilgungsteuer" Belasteten dieselbe Konsum- quote haben wie diejenigen, die bei der steuerlichen Finanzierung belastet worden wären, so wird der durch die Kreditfinanzierung herbeigeführte In- vestitionsausfall im Laufe der Tilgungsperiode in vollem Umfang wieder rückgängig gemacht, und die Gesamtinvestition hat am Schluß dieselbe Höhe erreicht wie bei der steuerlichen Finanzierung1. Trotzdem erleidet aber die Wirtschaft eine Produktivitätseinbuße, und zwar deswegen, weil ein Teil der Investitionen zeitlich verlagert worden ist. Es leuchtet ein, daß bei gleicher Gesamtinvestition über eine Periode hinweg der Produktivitäts- effekt um so größer ist, je mehr sich die Investitionstätigkeit auf den An- fang der Periode konzentriert. Ferner ist nicht damit zu rechnen, daß die Empfänger der Tilgungsbeträge gänzlich auf eine konsumtive Verwendung verzichten. Soweit dies aber der Fall ist, wird das eingetretene ,, Investi tions-

1 Musgrave kommt in seiner Berechnung des Konsum- und des Investitions- ausfalls, wie sie sich bei der Anleihefinanzierung ergeben würden (vgl. a.a.O. S.74), auch zum gleichen Ergebnis wie im Fall der Steuerfinanzierung. Er arbeitet also ebenfalls mit einer Sparquote für die Tilgungsbeträge von 100%, was jedoch im Gegensatz steht zu seiner Annahme, daß keine Erbschaften hinterlassen werden sollen (vgl. a.a.O. S. 73).

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defizit" nicht mehr aufgefüllt, was wiederum die Produktivität beeinträch- tigt.

In welchem Umfang die zurückgezahlten Beträge für den Konsum ver- wendet werden, hängt in erster Linie von der Verteilung der Anleihen auf die einzelnen Einkommensschichten ab. Befinden sie sich im wesentlichen in den Händen der Schichten mit hohem Einkommen, die in der Regel auch über größere Vermögen verfügen, so wird die konsumtive Verwendung der Ausnahmefall sein. Anders dagegen, wenn auch kleinere Einkommens- empfänger in beträchtlichem Umfang Anleihen gezeichnet haben. Der ex- tremste Fall dieser Art ist dann gegeben, wenn die Anleihe zwangsweise untergebracht wurde, etwa dergestalt, daß von einer bestimmten Ein- kommenshöhe ab jeder einen bestimmten (evtl. mit dem Einkommen zu- nehmenden) Prozentsatz des Einkommens zeichnen mußte. Wenn keine Zin- sen für die überlassenen Beträge gezahlt werden, kann man auch von einer Steuer mit Rückerstattungsanspruch sprechen1. Bei Vorliegen einer solchen Zwangsanleihe wird eine erhebliche Quote der Tilgungsbeträge in den Kon- sum fließen. Dabei ist aber zu beachten, daß bei der Auflegung der Zwangs- anleihe - genau wie bei einer Steuererhebung - zugunsten der Staats- ausgaben auf Konsum verzichtet werden mußte. Dieser aufgezwungene Konsumverzicht wird nun wieder rückgängig gemacht. Hier wird also im Vergleich mit der steuerlichen Finanzierung die Investition nicht reduziert. Auch im Zuge des Tilgungsprozesses kommt es nicht zu einer Reduktion, wenn wir annehmen, was im großen und ganzen zutreffen wird, daß die- jenigen, die für die Tilgung die erforderliche zusätzliche Steuer aufzubringen haben, dieselbe Konsum- bzw. Sparneigung haben wie die Empfänger der Tilgungsbeträge. Die zeitliche Investitionsverlagerung mit ihren ungünstigen Folgen für die Produktivitätsentwicklung tritt also nicht ein, so daß die Zwangsanleihe unter dem augenblicklich relevanten Gesichtspunkt als günstiger zu betrachten ist als die freiwillige. Der Ausgleich in der realen Belastung der einzelnen Jahrgänge tritt bei diesem Verfahren auch etwas deutlicher zutage, insofern nämlich, als die aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Jahrgänge nunmehr den früher unterlassenen Konsum nachholen. Dieser Unterschied ist allerdings für die Beurteilung nicht von Bedeutung. Die Kehrseite dieser Art der Ausgabenfinanzierung kann darin gesehen werden, daß bei der Zeichnung der Anleihe ein Zwang ausgeübt wird. Man darf aber die Bedeutung dieses Umstandes nicht überschätzen. Man erreicht einen generationenmäßigen Lastenausgleich ohne Beeinträchtigung der Produk- tivität. Bei der steuerlichen Finanzierung hat man ebenfalls den Zwang, aber keinen Lastenausgleich ; und bei der freiwilligen Anleihe hat man zwar den Lastenausgleich ohne Zwang, aber eine Produktivitätseinbuße.

Ein weiterer Vorzug der Zwangsanleihe wird sichtbar, wenn wir nun- mehr noch die bisher in unseren Überlegungen vernachlässigte Verzinsung der Anleihen berücksichtigen. Wenn sich die Anleihezeichner, wie für den Fall der freiwilligen Anleihe anzunehmen ist, hauptsächlich in den oberen Einkommensgruppen finden, so führen die Zinszahlungen, die ja über Steuern

1 Vgl. Musgrave, a.a.O. S. 76.

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80 Heinz Haller

finanziert werden müssen, zu einer Umverteilung der Einkommen, und zwar in Richtung einer schärferen Differenzierung. Die Steuern, die der Zinsen- finanzierung dienen, belasten alle steuerpflichtigen Einkommensschichten, auch die unteren, während die Zinszahlungen fast ausschließlich den Emp- fängern höherer Einkommen zufließen. Eine Redistribution in dieser Rich- tung ist vom sozialen Standpunkt nicht wünschenswert. Nun kann man zwar sagen, bei einer steuerlichen Finanzierung ergebe sich eine gleichartige Redistribution, nur spiele sie sich in der privaten Wirtschaft ab (Zins- zahlungen der privaten Schuldner an die Gläubiger, der Allgemeinheit be- lastet über die Güterpreise), doch stimmt dies nicht ganz. Es werden ja durch die Steuern auch die privaten Ersparnisse reduziert, so daß sich weniger Zinseinnahmen ergeben. Aber auch dann, wenn die Redistribution im gleichen Umfang gegeben wäre, wäre die Situation doch eine andere, weil die Redistribution nicht über staatliche Zwangsabgaben zustande käme, sondern über den Marktprozeß. Erst wenn Zinszahlungen über Steuern finanziert werden, wird man von einer .Redistribution sprechen und sie als unsozial empfinden.

Legt man nun eine Zwangsanleihe auf, an der alle Einkommensschich- ten beteiligt sind, so empfangen im großen und ganzen die Zahler der „Ver- zinsungsteuern" diese in Form der Zinszahlungen wieder zurück, es findet also keine Redistribution statt. Man könnte aus diesem Grunde auf die Ver- zinsung auch ganz verzichten und wäre dann bei der Steuer mit Rück- erstattungsanspruch.

Ziehen wir das Fazit aus den vorstehenden Überlegungen, so können wir sagen, daß die Anleihefinanzierung vorübergehender Ausgabenhäufungen bei freiwilliger Anleihezeichnung zwar mit Nachteilen behaftet ist, trotzdem aber in einer Wirtschaft des „klassischen" Typs den Vorzug vor der steuer- lichen Finanzierung verdient. Verwendet man die Zwangsanleihe, so können diese Nachteile sogar vermieden werden. Wir kommen also zu einem Er- gebnis, das überraschen mag: Die Zwangsanleihe erscheint als günstigste Finanzierungsmethode, nur ist eben der Zwang nicht von ihr zu trennen.

Wir haben bisher ausschließlich den Ausgabenverlauf berücksichtigt und uns um die Art der Ausgaben überhaupt nicht gekümmert. Die Über- legungen, die wir angestellt haben, werden, wie leicht zu sehen ist, von der Ausgabenart in keiner Weise berührt. Es kann sich genausogut um Ausgaben für Dienstleistungen und Verbrauchsmaterial handeln wie - der wahrschein- lichere Fall bei stoßweise auftretenden Sonderausgaben - um solche für dauerhafte Güter, also um Investitionsausgaben einmaliger Art, die keine Ausgaben für Ersatzbeschaffung nach sich ziehen. Entscheidend ist immer nur, daß es sich um Ausgabenspitzen handelt, mit deren Wiederkehr nicht zu rechnen ist. Bei der Frage, wie lange man die Tilgungszeit bemessen sollte, kann daher auch nicht von der voraussichtlichen Nutzungszeit der mit Hilfe der Ausgaben finanzierten Güter und Dienste ausgegangen wer- den. Rechnet man nicht mit einer Wiederholung, so halten die betreffenden Leistungen ewig vor; ist die Zeit eines eventuellen Eintritts unbestimmt, so hat man keinen Anhaltspunkt für eine solche Rechnung. An sich wäre

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben 81

es sinnvoll, falls die Nutzungen, die von den betreffenden Ausgaben er- wartet werden können, sich auf eine beschränkte und genau übersehbare Zeit erstrecken, die zeitliche Lastenverteilung mit der Nutzungsspanne zur Deckung zu bringen. Es würden dann nur diejenigen Jahrgänge (während ihrer Erwerbsperiode) belastet, die auch an den Nutzungen teilhaben. Der Gedanke, Finanzierungsbeiträge und empfangene Nutzungen miteinander abzustimmen, spielt nun auch eine entscheidende Rolle bei den Über- legungen, die zu dem Vorschlag einer Kreditfinanzierung der öffentlichen Investitionsausgaben führen. Inwieweit wird er in diesem Zusammenhang mit Recht angewandt ? Wenden wir uns nun der Frage nach der geeignetsten Finanzierung sforni für öffentliche Investitionen zu und versuchen wir, auch hier durch exakte Würdigung der relevanten Argumente zu einer klaren Stellungnahme vorzudringen.

II

Wiederum ist es erforderlich, zuerst die Investitionsausgaben genau ab- zugrenzen. Wir wollen darunter solche Ausgaben verstehen, die das Sach- vermögen der öffentlichen Hand vermehren. Ob die zusätzlichen Vermögens- bestände als „produktiv" angesehen werden können oder nicht, diese alte, nie eindeutig zu beantwortende Streitfrage ist dabei ohne Belang. Zum Glück, so muß man sagen, kann man, wie sich in den folgenden Aus- führungen bestätigen wird, von diesem problematischen Unterscheidungs- merkmal absehen. Außer Betracht bleiben die finanziellen Investitionen des Staates, die nicht als Ausgaben betrachtet werden. Von den Sachinvestitio- nen wollen wir ferner diejenigen, die in Form der Vergrößerung von Lager- beständen erfolgen, vernachlässigen, da sie normalerweise nur eine sehr be- scheidene Bedeutung haben. Wir beschränken uns also auf die Betrachtung der Ausgaben für dauerhafte Güter, die dem öffentlichen Leistung sapparat ein- verleibt werden, und zwar nicht als Ersatzstücke für ausgediente, nicht mehr gebrauchsfähige Güter, sondern zusätzlich. Entscheidend ist, daß die Güter dauerhaft sind, d. h. in der betreffenden Ausgabenperiode nicht im Zuge der öffentlichen Leistungserstellung verbraucht werden, sondern über eine Reihe von Perioden hinweg ihre Nutzungen abgeben. Soll das öffentliche Leistungspotential aufrechterhalten bleiben, so müssen sie nach Ablauf ihrer Nutzungszeit durch neue ersetzt werden. Ergeben sich nun bei Be- achtung der Dauerhaftigkeit und der Notwendigkeit der Ersatzbeschaffung Gründe, die dafür sprechen, öffentliche Ausgaben für Anlagegüter grund- sätzlich mit Anleihen zu finanzieren ?

Die hauptsächliche Begründung, die für eine Kreditfinanzierung der Ausgaben für dauerhafte Anlagen herangezogen wird, ist die folgende: Man sagt, auf die einzelne finanzwirtschaftliche Periode entfalle bei der Ver- wendung der Anlagegüter nur die Quote ihres Anschaffungswertes, die der Abnutzung in der betreffenden Periode entspricht und die in der privat- wirtschaftlichen Aufwandsrechnung durch die Abschreibung berücksichtigt wird. Es sei nun angemessen, die Steuerzahler lediglich im Umfang dieses Periodenaufwandes zu belasten, der in die entsprechenden staatlichen Lei-

6 Finanzarchiv N. F. 19. Heft 1

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stungen eingeht. Die Anschaffung, die ja noch keinen entsprechenden Auf- wand in der Anschaffungsperiode bedeutet, solle dagegen mit Krediten finanziert werden. Nur so könne erreicht werden, daß die Steuerbelastung dem tatsächlichen Aufwand der Periode entspreche und die Steuerzahler in dem Umfang belastet werden, in dem ihnen die Nutzungen der Anlagegüter zufließen1.

Wie leicht zu sehen ist, steht hinter dieser Argumentation wieder die Vorstellung, eine gerechte zeitliche Lasten Verteilung zu erreichen. Werden die Investitionen diskontinuierlich vorgenommen, treten also Investitions- stöße auf, die später zu entsprechenden stoßweisen Ersatzbeschaffungen führen, so sind die obigen Überlegungen stichhaltig. Die steuerliche Finan- zierung würde dann u. U. einzelne Generationen benachteiligen, während die Kreditfinanzierung der Erstanschaffung und die Steuererhebung in Höhe der Abschreibungen eine gleichmäßige Aufteilung der Lasten auf die ein- zelnen Perioden und damit auch auf die verschiedenen Generationen er- möglichen würde2. Nun ist aber dieser Fall wenig realistisch. Beim Auf- treten vorübergehender Ausgabenballungen wird im allgemeinen kein Er- satzbeschaffungszyklus in Gang gesetzt werden. Auch wenn es sich um In- vestitionsausgaben handelt, wird man eine Ersatzbeschaffung gar nicht ins Auge fassen oder den Zeitpunkt für deren Eintritt in nebelhafter Ferne ver- muten. Wenn man aber die Ersatzbeschaffung nicht berücksichtigt, so ist der Fall identisch mit dem in Abschnitt I behandelten, und es gilt das dort Ausgeführte, d. h. Investitionen werden wie sonstige Ausgaben behandelt, sie stellen keinen Spezialfall dar.

In normalen Zeiten werden sich die öffentlichen Investitionsausgaben ge- nauso wie die laufenden mehr oder weniger kontinuierlich entwickeln, d. h. sie werden in der Regel langsamer oder schneller zunehmen. Geht man hiervon aus, so ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung keine Rechtfertigung der Anleihefinanzierung. Bei rein steuerlicher Finanzie- rung (Finanzierung der Erstanschaffung mit Steuern, keine Steuerbela- stung während der Abschreibungsperioden, Steuererhebung für die Ersatz- beschaffung) tritt nämlich keinerlei Benachteiligung der heute Steuern zah- lenden Generationen zugunsten der nachfolgenden ein. Die Kinder und Kindeskinder müssen im Gegenteil mehr Steuern für öffentliche Investitio- nen aufbringen. Jede Generation übernimmt von der vorhergehenden mehr als diese selbst übernommen hat, aber nur, um mehr an die folgende weiterzugeben, als sie selbst erhielt. Dies gilt auch schon für eine gleich-- bleibende staatliche Nettoinvestition, die ja eine zunehmende Ersatzinve- stition im Gefolge hat3.

1 Musgrave nennt diese Methode der Finanzierung und Lastenverteilung treffend „Pay-as-you-use-Finanzpolitik" (vgl. a.a.O. S. 72). 2 Im Unterschied zu dem im ersten Abschnitt betrachteten Fall der „ein- maligen" Ausgabenstöße käme jetzt der Ausgleich über die Belastung mit den Abschreibungen zustande und nicht mit den Tilgungen, die hier entfallen würden.

8 Auf diese Zusammenhänge hat ¡Stucken (vgl. seinen Autsatz „Kredit als finanzwirtschaftliches Deckungsmittel", a.a.O. S. 558 f.) besonders hingewiesen.

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben 83

Es ist klar, daß bei steuerlicher Finanzierung der Erstanschaffungs- und Ersatzausgaben die Einkommensreduktion durch die Besteuerung lau- fend größer ist als bei einer Kreditfinanzierung der Anschaffungen und nachfolgender Steuererhöhung in Höhe der Abschreibungen. Der Unter- schied ist jedoch, wenigstens bei nicht allzu langlebigen Gütern, nicht ein- mal so groß, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, und zwar deswegen, weil die Ersatzbeschaffungen hinter den Abschreibungen her- hinken. Diese Tatsache wirkt sich andrerseits so aus, daß bei der Kredit- finanzierung nicht der volle Betrag der Anschaffungsausgaben durch An- leihen aufgebracht werden muß, weil aus den noch nicht für die Ersatz- beschaffung benötigten, mit den Abschreibungen gekoppelten Steuer- einnahmen ein erheblicher Teil der Neuinvestitionen finanziert werden kann. Dem Staat kommt der in der Betriebswirtschaftslehre wohlbekannte sog. Ruchti-'Enekt zugute1. In jedem Fall müssen eben im Zeitpunkt der Erst- anschaffung und der jeweiligen Ersatzbeschaffung die entsprechenden Be- träge verfügbar sein. Eine Ansammlung von Steuereinnahmen, die nicht ausgegeben werden, weil die Ersatzbeschaffungen noch nicht fällig sind, wäre wenig sinnvoll. Die bei rein steuerlicher Finanzierung erforderliche höhere laufende Steuerbelastung kann, wie gesagt, der Bevölkerung zu- gemutet werden, weil dabei keine ungerechte Lastenverteilung zwischen den Generationen entsteht. Von daher ergibt sich also, dies sei nochmals be- tont, keine Rechtfertigung für die Anleihefinanzierung. Wir müssen aber nun noch andere Aspekte berücksichtigen.

Da eine Tilgung der für die Investitionsausgaben aufgenommenen An- leihen unter der Annahme der Aufrechterhaltung des Bestandes an öffent- lichen Anlagegütern per Saldo nicht in Betracht kommt - die einzelnen An- leihen würden natürlich getilgt und durch neue ersetzt werden müssen -, ergibt sich insofern ein beachtlicher Unterschied zwischen den beiden Finan- zierungsmethoden, als im Fall der Anleihefinanzierung, wenigstens zum Teil, Privatpersonen indirekte Eigentümer (Eigentümer im wirtschaftlichen Sinn) an den neugeschaffenen öffentlichen „Produktionsanlagen" sind, während im Fall der rein steuerlichen Finanzierung ausschließlich staatliches Ver- mögen entsteht. Wir sehen jetzt, daß die Entscheidung über die Finanzie- rungsmethode weitgehend eine Vermögensverteilung apolitische und damit auch eine einkommensverteilungspolitische Entscheidung ist. Es ist also zu erwägen, wie unter diesem Gesichtspunkt die beiden Methoden zu beurteilen sind.

Wenn das vom Staat angesammelte Realvermögen mit Hilfe von Kre- diten finanziert wird und damit letzten Endes den privaten Kreditgebern gehört, so mag man darin einen Vorteil sehen, weil kein „autonomes" öffent- liches Vermögen entsteht, das völlig vom privaten Vermögen abgetrennt und dessen alleiniger Eigentümer der Staat ist. Der Ausdehnung des rein staat- lichen Sektors, so wird man von diesem Standpunkt aus sagen, wird ein Riegel vorgeschoben. Je mehr der Staat investiert, desto mehr verschuldet er sich bei seinen Bürgern. Würden sich die Kreditgeber des Staates einiger-

1 Natürlich könnte man die Abschreibungen auch zu Tilgungen verwenden und zur Wiederbeschaffung einen neuen Kredit in Anspruch nehmen.

6*

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maßen gleichmäßig aus allen Bevölkerungsschichten rekrutieren, hätte also praktisch jeder Staatsbürger einen Anteil am öffentlichen Vermögen durch sein Gläubigerverhältnis zum Staat, so würde sich wohl kaum ein Einwand gegen diese positive Beurteilung der vermögensmäßigen Konsequenzen der Kreditfinanzierung ergeben. Tatsächlich wird aber bei freiwilliger Anleihe- zeichnung die Situation so sein, daß nur ein beschränkter Kreis von Staats- bürgern Anleihen übernehmen und zum Staatsgläubiger werden kann: Nur die, die in der Lage sind, in größerem Umfang Ersparnisse zu machen, also die Bezieher höherer Einkommen, werden zu „Teilhabern" am öffentlichen Vermögen.

Wenn dem so ist, so kann man genausogut entgegengesetzt argumen- tieren und sagen : Ein so einseitiger privater Vermögenszuwachs ist schlech- ter als gar keiner. Wenn der Staat die Investitionen mit Steuern finanziert, nimmt er zwar auch den kleinen Einkommensempfängern etwas weg, aber den großen doch sehr viel mehr, ohne daß ihnen Vermögensansprüche gegen den Staat daraus erwachsen. Das „kollektive" Vermögen, das so beim Staat entsteht, ist eben doch Vermögen der Gesamtheit der Staatsbürger, der Träger des Staates, es hat also jeder daran seinen Anteil, wenn auch keine Schuldner-Gläubiger-Beziehung besteht. Also: lieber Kollektiwermögen als einseitig verteiltes Privatvermögen.

Nur im Fall einer Zwangsanleihe, an der sich die Einzelnen im Verhält- nis der Einkommensteuerzahlung zu beteiligen hätten, würde auch bei den kleineren Einkommensempfängern eine private Vermögensbildung eintreten. Doch auch hier könnte man immer noch sagen, daß der Vermögenszuwachs recht einseitig verteilt wäre, während das bei der Steuerfinanzierung ent- stehende Kollektiveigentum allen Staatsbürgern gleichmäßig gehört. Man wird ferner Zwangsanleihen nicht als ständige Einrichtung und in dem Um- fang empfehlen können, wie er sich bei genereller Anleihefinanzierung der öffentlichen Investitionen ergeben würde. Also auch unter dem vermögens- verteilungspolitischen Gesichtspunkt wird man keine durchschlagenden Argu- mente zugunsten der Anleihefinanzierung gewinnen können.

Ein Umstand soll in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden, der als Vorteil der Anleihefinanzierung erscheinen mag, aber, wie wir gleich sehen werden, nicht zu recht. Wenn im Zuge der Anleihefinanzierung private Vermögen entstehen, so können in Not geratende Besitzer von Staats- anleihen durch deren Verkauf ihre lebensnotwendigen Konsumausgaben finanzieren, was natürlich nicht möglich wäre, wenn sie an den Staat hätten Steuern abführen müssen zur Finanzierung der Investitionsausgaben. Diese Möglichkeit ist deswegen nicht positiv zu werten, weil ja, wie wir gesehen haben, die steuerliche Finanzierung unter dem Gesichtspunkt der genera- tionenweisen Lastenverteilung bei gleichbleibender oder zunehmender In- vestition durchaus als gerecht betrachtet werden muß, ein Abwälzen der Last auf jüngere Generationen, auf den dieser Fall in der Regel hinaus- laufen wird, somit nicht als gerechtfertigt erscheint. Jedenfalls ergibt sich hier kein stichhaltiger Grund für die Anleihefinanzierung.

Neben dem vermögensverteilungspolitischen muß nun noch der ein- kommensverteilungspolitische Aspekt berücksichtigt werden. Alles hierzu

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben 85

Auszuführende wurde im wesentlichen bereits im ersten Abschnitt gesagt. Bei freiwilliger Anleihezeichnung kommt über die durch Steuern zu finan- zierenden Zinszahlungen ein sozial ungünstig zu beurteilender Umvertei- lungsprozeß zustande. Da die Investitionsanleihen per Saldo nicht getilgt werden, hat dieser Prozeß permanenten Charakter, während er bei der An- leihefinanzierung von Stoßausgaben im Zuge der Tilgung abgebaut wird. Außerdem hat die Redistribution bei ausschließlicher Anleihefinanzierung der Investitionen einen sehr viel größeren Umfang als dort. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist also die Anleihefinanzierung als nachteilig zu be- trachten. Der Nachteil würde nur dann nicht auftreten, wenn man zur Zwangsanleihe greifen würde. Diese Methode der Anleihefinanzierung ist hier jedoch, wie wir gesehen haben, so problematisch, daß sie kaum emp- fohlen werden kann.

Schließlich ist noch hinzuweisen auf die Beeinflussung der privaten In- vestition durch die Anleihefinanzierung. Diese wird wiederum stärker ein- geschränkt durch die öffentlichen Ausgaben als bei einer steuerlichen Finan- zierung. Während aber im Fall der Ausgabenspitzen die private Investition später wieder aufholt und im ganzen nur eine Verzögerung der privaten Investitionstätigkeit eintritt, ist im Fall öffentlicher Investitionen der Aus- fall bei der privaten Investition endgültig, da ja keine Tilgung vorgenommen wird. Nur bei der problematischen Zwangsanleihe würde keine Reduktion der privaten Investition eintreten. Wir haben also einen weiteren Nachteil zu verzeichnen.

Beachten wir die zuletzt erörterten, mehr oder weniger negativen Sei- ten der Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß sie für den Normalfall des von Periode zu Periode gleich- bleibenden oder zunehmenden Investitionsvolumens nicht befürwortet werden kann. Erst recht nicht kann davon gesprochen werden, daß sie zur Er- reichung einer gerechten Lastenverteilung geboten erscheint. Nur dann, wenn vorübergehend besondere Ballungen bei den Investitionsausgaben auf- treten - ein Tatbestand, der oft erst nachträglich erkannt werden kann -, erscheint die Kreditfinanzierung angebracht wegen der zeitlichen (genera- tionenmäßigen) Lastenverteilung, obwohl sie auch dann mit den aufgezeigten Nachteilen behaftet ist. Die Erwägungen, die in diesem Fall für die Kredit- finanzierung sprechen, sind dieselben, die für den Fall der vorübergehenden Ausgabenspitzen allgemein gelten. Unsere Untersuchung ergab also, daß sich für die öffentlichen Investitionen keine zusätzlichen für eine Kredit- finanzierung sprechenden Argumente ergeben, die eine generelle Entschei- dung für diese Finanzierungsform rechtfertigen würden1.

Man hat bei der Diskussion der hier erörterten Problematik sehr häufig die Frage in den Mittelpunkt gestellt, ob zu erwarten sei, daß die Zins- zahlungen aufgebracht werden. Bejahendenfalls sprach man sich für die Kreditfinanzierung aus, bei negativer Antwort nicht. Man kam so zu der Ansicht, daß öffentliche Investitionen, die im privatwirtschaftlichen Sinne

1 Wir müssen in diesem Punkt unsere eigene zuletzt geäußerte Stellungnahme (vgl. Heinz Holler, Finanzpolitik. Grundlagen und Hauptprobleme, Tübingen und Zürich, 1957, S. 142 f. und 183 f.) revidieren.

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86 Heinz Haller

Erträge abwerfen, ohne weiteres mit Kredit finanziert werden können und dazu vielleicht auch noch jene, die eine so starke produktivitätssteigernde Wirkung auf die private Wirtschaft haben, daß die Steuereinnahmen auto- matisch über eine Einkommenszunahme steigen. Für unsere Überlegungen, die ja immer unter der Fragestellung vorgenommen wurden, ob eine Kredit- finanzierung geboten erscheint, insbesondere zur Erreichung einer gerechten Lasten Verteilung, war dieser Gesichtspunkt nicht relevant. Wir gingen da- von aus, daß das Volumen der öffentlichen Investitionen feststeht. Unter dieser Annahme ist selbstverständlich die Kreditfinanzierung hinsichtlich der Aufbringung der erforderlichen Steuereinnahmen immer günstiger als die rein steuerliche Finanzierung. Überlegt man sich jedoch, in welchem Umfang kreditfinanzierte Investitionen allenfalls vorgenommen werden kön- nen, so wird der Gesichtspunkt der Mittelaufbringung für den Schulden- dienst relevant. Hier geht es also um die Grenze der Kreditinanspruchnahme.

Zwischen der Kreditfinanzierung rentabler öffentlicher Investitionen und solcher, die keinen Ertrag abwerfen, scheint jedoch auch unter unseren Betrachtungsaspekten ein Unterschied zu bestehen. Wenn der Staat von den Benutzern der mit Hilfe der betreffenden öffentlichen Investitionen ge- schaffenen Einrichtungen bzw. von den Beziehern der mit ihrer Hilfe produ- zierten Leistungen Preise oder Gebühren verlangt, so geht er von seinem generellen Prinzip der „kollektiven" Leistung und Gegenleistung ab und verhält sich wie ein privatwirtschaftlicher Produzent. In diesem Fall scheint es nicht gerechtfertigt zu sein, daß der Staat zur Finanzierung seiner Pro- duktionsanlagen auch noch Steuern erhebt. Er belastet ja so die Bevölke- rung einmal generell und anschließend noch einmal die Empfänger der be- treffenden Leistungen besonders. Konkurriert er mit privaten Anbietern gleichartiger Leistungen, so erzielt er wegen des Ausfalls der Zinskosten in gewissem Umfang einen zusätzlichen Gewinn. Handelt es sich um Lei- stungen, die er allein anbietet, so kann er jedoch die Gebühren entsprechend senken. Er kann diese sogar so niedrig ansetzen, daß nicht einmal mehr die Abschreibungen gedeckt sind (von den entstehenden Personalkosten sehen wir einmal ab). Je weiter er in dieser Richtung geht, desto mehr wird die Situation derjenigen angenähert, die bei den nicht ertragabwerfenden öffent- lichen Investitionen gegeben ist. Ferner kann man sagen, daß der Staat in dem Umfang, in dem er Überschüsse über die Kosten erzielt, auf ent- sprechende Steuereinnahmen verzichten kann. Berücksichtigt man dies, so wird man kaum sagen können, daß ertragbringende Investitionen auf Grund von Lastenverteilungsüberlegungen anders behandelt werden sollten als die übrigen Investitionen. Unter dem Gesichtspunkt der Aufbringung der Zin- sen sind sie natürlich günstiger zu beurteilen als jene. Dies gilt zu einem gewissen Grade auch noch für die produktivitäts- und einkommensteigern- den Investitionen, deren diesbezügliche Wirkung allerdings nur schwer voraussehbar ist.

Nach Berücksichtigung dieses Sonderfalles können wir die Erwägungen, die für die Beurteilung der Kreditfinanzierung öffentlicher Investitionen von Bedeutung sind, abschließen. Sie haben ergeben, daß es keine stich- haltigen Gründe dafür gibt, eine generelle Kreditfinanzierung zu verlangen.

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben 87

Wir geben nun die vereinfachenden ,, klassischen" Annahmen über das globale Funktionieren des Wirtschaftsprozesses auf, um die zusätzlichen Probleme in den Blick zu bekommen, die in der realen „konjunkturbehaf te- ten* * Wirtschaft mit der Kreditfinanzierung verknüpft sind.

III

Unsere bisher durchgeführten Überlegungen haben ergeben, daß in einer nach klassischer Vorstellung funktionierenden Wirtschaft im Falle des Auftretens einmaliger Ausgabenspitzen eine Kreditfinanzierung als geboten erscheint. Die Frage ist nun, ob man dies auch uneingeschränkt behaupten kann für die reale, konjunkturellen Schwankungen unterworfene Wirtschaft. Wenn Einschränkungen zu machen sind, so sind diese genauer zu bestimmen.

Zunächst ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß in der realen Wirt- schaft die Aufnahme einer Anleihe durch den Staat nicht bedeutet, daß im gleichen Umfang die privaten Investitionsausgaben reduziert werden. Auch dann, wenn die Anleihen ausschließlich beim privaten „Publikum" unter- gebracht werden, die Banken also nicht als Anleihezeichner auftreten, wird die Anleihezeichnung keineswegs automatisch zu einer entsprechenden In- vestitionskürzung führen, weil Reservegeld bestände herangezogen und „zu- sätzliche" Bankkredite für Investitionen in Anspruch genommen werden können. Sind die Banken an der Anleihezeichnung beteiligt oder ist ein Ver- kauf der staatlichen Schuldpapiere an die Banken ohne weiteres möglich, so kann natürlich die Investition erst recht unabhängig von der staatlichen Geldinanspruchnahme durch die Anleihe Zeichnung gehalten werden. Diese Möglichkeit kann man zwar unterbinden, man wird aber nicht erreichen können, daß eine zusätzliche Kreditinanspruchnahme unterbleibt und daß der staatlichen Zusatznachfrage ein Ausfall bei der privaten Nachfrage von gleicher Höhe entspricht. Wenn sich durch die Anleihezeichnung zusätzliches privates Vermögen bildet, das bei steuerlicher Finanzierung der Sonder- ausgaben nicht entstehen würde, so regt dies zu einem gewissen Grad zu zusätzlichen privaten Ausgaben an, und zwar sowohl zu Investitions- als auch zu Verbrauchsausgaben (Verringerung der Sparquote)1. Für Besitzer staatlicher Schuldpapiere ist es auch leichter, Bankkredit zu bekommen.

Ob es im Zuge einer Anleihefinanzierung durch Inanspruchnahme von Krediten, denen keine Ersparnis gegenübersteht, zu einer Anhebung der Gesamtnachfrage der Wirtschaft kommt, hängt ganz von der konjunk- turellen Lage ab. In der Depression, in der dies erwünscht wäre, wird die Unterbringung einer Staatsanleihe bei Nicht-Banken vielleicht gar keinen derartigen Effekt haben. Auf diesen Fall wird noch zurückzukommen sein. Wird die Anleihe zur Finanzierung von Sonderausgaben in einer Zeit auf- genommen, in der konjunkturell eine ausgeglichene Lage gegeben ist (guter Beschäftigungsgrad ohne Preissteigerungstendenzen), so werden vielleicht ebenfalls „expansive" Wirkungen ausbleiben. Geht die Konjunktur später

1 Diesen „Vermögenseffekt" hat Musgrave (vgl. a.a.O. S. 97 ff.) ausführlich diskutiert und dabei vielleicht ein bißchen zu sehr in den Vordergrund gerückt.

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88 Heinz Haller

in eine Phase der „Überhitzung" über, so wird die Entfaltung einer un- gesunden Übernachfrage nachträglich durch die Kreditfinanzierung gefördert. Ohne den Besitz von Staatspapieren würden dann die privaten Wirtschafts- einheiten nicht so viel nachfragen. Die Lage wird noch verschärft, wenn die Zentralbank zur Kursstützung Staatspapiere aufkauft. Das Vorhandensein von Staatspapieren erhöht also die Labilität der Wirtschaft in Richtung von Konjunkturexzessen.

Berücksichtigt man die eben erwähnten Zusammenhänge, so erkennt man, daß in Zeiten, in denen sich konjunkturelle Übersteigerungen abzeichnen, die Kreditfinanzierung von einmaligen unvermeidlichen Sonderausgaben nicht angebracht erscheint, obwohl sie unter dem Lastenausgleichsgesichtspunkt geboten wäre. Die hier mit Sicherheit als Folge der Anleihefinanzierung auf- tretenden expansiven Tendenzen können nicht in Kauf genommen werden, wenn man das Ziel verfolgt, generelle Preissteigerungen und damit eine Geldentwertung zu vermeiden. In solchen Zeiten wird eine Finanzpolitik, die bestrebt ist, in günstigem Sinne auf die konjunkturelle Entwicklung einzuwirken, versuchen, eine Dämpfung der Gesamtnachfrage zu erreichen. Sie wird also danach trachten, nach Möglichkeit Geld aus dem Wirtschafts- kreislauf abzuschöpfen durch Senkung der Staatsausgaben und (oder) Er- höhung der Steuern. Treten nun unvermeidliche Sonderausgaben von gro- ßem Umfang auf, so wird eine Ausgabensteigerung auch dann unvermeid- lich sein, wenn die normalen Ausgaben gedrosselt werden. Zumindest wird nun das Ziel sein müssen, die erhöhten Staatsausgaben in vollem Umfang mit Steuereinnahmen zu finanzieren. Man wird also die Steuern erhöhen müssen. Ein Budgetüberschuß wird sich in einer solchen Situation allerdings wohl kaum erzielen lassen. Es hätte wenig Sinn, wegen der Lastenausgleichs- zielsetzung auf der einen Seite die Sonderausgaben mit Anleihen zu finan- zieren und dadurch Expansivtendenzen zu erzeugen und auf der anderen Seite durch Hochhalten bzw. Erhöhen der Steuern und Senken der nor- malen Ausgaben Überschüsse anzustreben, um der Wirtschaft kontraktive Impulse zu vermitteln. Eine solche Politik wäre wohl auch kaum gegenüber dem Parlament durchsetzbar. Dieses würde höchstwahrscheinlich verlangen, daß die Überschüsse mit zur Finanzierung der Sonderausgaben heran- gezogen würden.

Nur wenn man völlig darauf verzichtet, über die Gestaltung der Staats- finanzen konjunkturpolitisch zu wirken, ja darüber hinaus gleichgültig ist gegenüber den konjunkturellen Wirkungen finanzpolitischer Maßnahmen, wird man auch in Zeiten einer konjunkturellen „Überhitzung" an der An- leihefinanzierung von Ausgabenspitzen festhalten. Ist man bestrebt, die Finanzpolitik in den Dienst der Konjunkturpolitik zu stellen oder diese wenigstens nicht zu durchkreuzen, so wird man in einer solchen Situation auf die Anleihefinanzierung verzichten und dabei auch in Kauf nehmen, daß ein Lastenausgleich zwischen den Generationen nicht zustande kommt. Die konjunkturpolitische Zielsetzung dürfte aus zwei Gründen den Vorrang haben gegenüber der Lastenausgleichszielsetzung: Einmal ist anzunehmen, daß eine Geldentwertung größere Ungerechtigkeiten mit sich bringt als der Verzicht auf den Lastenausgleich zwischen den Generationen, und zwar

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben 89

wegen der Entwertung der Ersparnisse; zum anderen ist man nur in ver- hältnismäßig seltenen Fällen sicher, daß eine einmalige Ausgabenerhöhung vorliegt und daß daher der zeitliche Lastenausgleich angezeigt ist.

Bedient man sich der Zwangsanleihe, die wir ja als geeignetste Form der Finanzierung von Ausgabenstößen ermittelt haben, so gilt das oben Ge- sagte nicht mehr in vollem Umfang. Bei der Zwangsanleihe kann das Ab- stoßen, die „Monetisierung" der staatlichen Schuldpapiere vermieden und damit der Spielraum für die Entfaltung expansiver Tendenzen eingeengt werden. Eine Unterbindung dieser Tendenzen gelingt jedoch auch hier nicht so gut wie bei einer Finanzierung durch Steuererhebung; zumindest bleibt noch der Vermögenseffekt wirksam. Gleichwohl ist zu sagen, daß auch unter Beachtung der konjunkturellen Gesichtspunkte die Zwangsanleihe vor der freiwilligen Anleihe den Vorzug verdient und daß über die Zwangsanleihe zugleich den konjunkturellen Belangen zu einem gewissen Grad Rechnung getragen und die Lastenausgleichszielsetzung berücksichtigt werden kann. Zwangsanleihe und Überschußbildung werden allerdings nicht gekoppelt werden können, und gewisse expansive Tendenzen sind auch mit der Zwangs- anleihe verbunden, so daß bei absoluter Vorrangigkeit der konjunkturpoliti- schen Zielsetzung auch die Zwangsanleihe verworfen werden muß. Immer- hin, gewisse Kompromißmöglichkeiten sind hier gegeben.

Betrachten wir nun noch kurz den Fall der Depression. Hier tritt, wie wiederum leicht erkannt werden kann, kein Konflikt auf zwischen dem Grundsatz, Ausgabenspitzen mit Kredit zu finanzieren, und den konjunktur- politischen Erfordernissen. Die konjunkturpolitische Zielsetzung verlangt vom Staat die Kreditfinanzierung, und zwar gleichgültig, ob es sich um un- umgängliche Sonderausgaben oder um sonstige Ausgaben handelt. Treten Sonderausgaben nicht zwangsläufig auf, so schafft der Staat solche aus konjunkturpolitischen Gründen, indem er seine Investitionen ausdehnt, wenn er nicht das Mittel der Steuersenkung unter Aufrechterhaltung der Ausgaben vorzieht. Die Anleihefinanzierung ist also immer richtig, ob nun die Finanzpolitik Rücksicht nimmt auf die konjunkturelle Situation oder nicht. Es muß allerdings beachtet werden, daß eine Lastenausgleichswirkung der Anleihefinanzierung insoweit überflüssig ist, als die Anleihezeichnung nicht zu einer Einschränkung der privaten Nachfrage führt. Konjunktur- politisch ist dies ja gerade erwünscht, weshalb der Staat den Kredit zweck- mäßigerweise in einer Form aufnimmt, bei der die private Nachfrage gar nicht oder möglichst wenig eingeschränkt wird. Bei schwereren Rückschlägen ist es angezeigt, daß der Staat Kredit der Zentralbank in Anspruch nimmt. Vom Lastenausgleichsgesichtspunkt ist hiergegen nichts einzuwenden. Nie- mand verzichtet auf private Nachfrage zugunsten des Staates, also brauchen auch keine privaten Ansprüche gegenüber dem Staat zu entstehen. Ab- sorbiert der Staat über Anleihen Ersparnisse, die nicht zu entsprechenden Investitionen führen würden, so braucht er keine Tilgung vorzunehmen, weil auch in diesem Fall die Lastenausgleichszielsetzung nicht relevant ist. Insofern besteht ein Unterschied gegenüber der Situation in einer voll- beschäftigten Wirtschaft. Für uns ist hier wesentlich, daß die Kreditfinanzie- rung von Sonderausgaben in Depressionsphasen durch konjunkturpolitische

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90 Heinz Holler

Zielsetzungen nicht durchkreuzt wird. Eine Zwangsanleihe, dies sei noch er- wähnt, ist natürlich in Depressionszeiten nicht geeignet, weil der erwünschte expansive Effekt nur in geringem Umfang auftreten würde und für diese ja auf jeden Fall eine Tilgung vorgesehen werden müßte. Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, daß die auftretenden unumgänglichen Sonder- ausgaben so hoch sind, daß sie den zur „ Auffüllung*

* des Nachfragedefizits erforderlichen Betrag weit übersteigen, könnte man sie mit in Betracht ziehen.

Das Ergebnis der vorstehenden Überlegungen besteht darin, daß man den Grundsatz, Ausgabenspitzen seien mit Kredit zu finanzieren, in der realen Wirtschaft mit ihrer elastischen Geld- und Kreditversorgung und ihren konjunkturellen Schwankungen nicht in jeder Situation aufrecht- erhalten kann, wenn man die finanzpolitischen Maßnahmen auf die Kon- junktur abstimmen will. Man muß ihn in Zeiten konjunktureller Übersteige- rungen aufgeben, es sei denn, man greift zu Zwangsanleihen, die konjunktur- politisch wenigstens nicht allzu ungünstig wirken. In Depressionen behält er seine Gültigkeit, verändert aber seine Bedeutung zu einem gewissen Grad. Im ganzen sind die Modifikationen gegenüber einer Wirtschaft „klassischer" Prägung nicht allzu groß1. Die Finanzierung öffentlicher Investitionen haben wir für die „konjunkturbehaftete" Wirtschaft nicht nochmals erörtert, weil sich ja der Grundsatz, Investitionen generell mit Kredit zu finanzieren, nicht aufrechterhalten ließ.

Es soll nun noch kurz der Fall der lokalen Gemeinwesen (Kommunen) berücksichtigt werden, der gewisse Besonderheiten aufweist.

Je kleiner solche Gemeinwesen sind, desto eher werden die Investitions- ausgaben diskontinuierlich auftreten (z. B. Bau einer Gemeindeschule, die für lange Zeit den Bedarf an Schulraum deckt) und daher als Stoßausgaben eine Kreditfinanzierung erfordern. Da kleine Gemeinden jedoch in der Regel keinen Zugang zum Kredit haben, sind sie bei der Finanzierung auf Über- weisungen des übergeordneten Verbandes angewiesen. Bei großen Gemeinden werden die Investitionsausgaben mehr oder weniger kontinuierlich erfolgen, so daß es an sich gerechtfertigt wäre, diese mit Steuern zu finanzieren. Ob dies möglich ist, hängt davon ab, in welchem Umfang den Gemeinden eigene Steuern zugestanden werden und welchen Spielraum sie für die Variierung der Steuereinnahmen haben. Reichen die Steuereinnahmen auch bei voller Ausnutzung des „Gestaltungsspielraums" für die Finanzierung der Investi- tionen nicht aus und kann die Lücke auch nicht mit Hilfe von Überweisungen des Oberverbandes geschlossen werden, so sind die Großgemeinden ge- zwungen, zur Kreditfinanzierung zu greifen.

Bei der gemeindlichen Kreditinanspruchnahme ist nun im Vergleich mit der Aufnahme eines inländischen Kredits durch den Gesamtstaat insofern ein Unterschied gegeben, als es sich um eine „äußere" Schuld handelt: Als Kreditgeber treten nicht nur (direkt oder indirekt) Bürger der betreffenden

1 Je geringer die Bedeutung der Konjunkturschwankungen, je ähnlicher die Wirtschaft also der des „klassischen" Modells ist, desto weniger eingeschränkt gilt natürlich der Grundsatz.

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Zur Problematik der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben 91

Gemeinde auf, sondern in erster Linie solche fremder Gemeinden. Die Kon- sequenzen, die sich aus einer „äußeren" Verschuldung ergeben, sind nun teilweise andere als die einer „inneren" Verschuldung. Insbesondere tritt keine Einschränkung der Realversorgung der Gemeindebürger auf im Um- fang der Investitionsausgaben der Gemeinde. Erst im Zuge der Tilgung, die mit entsprechenden Steuereinnahmen finanziert werden muß, wird diese reale Belastung nachgeholt. Dies gilt allerdings nur, wenn lediglich einzelne Gemeinden eine Kreditfinanzierung betreiben. Sind alle größeren Gemeinden in ähnlichem Umfang dazu gezwungen, so entsteht eine allseitige Schuld- verflechtung, und der sofortige Verzicht auf private Einkommens Verwendung tritt überall auf. Bei kontinuierlicher, in ähnlichem Umfang kreditfinanzier- ter Investition aller größeren Gemeinden nähert sich die Situation der- jenigen an, die bei einer Kreditfinanzierung von Investitionen beim Gesamt- staat gegeben wäre. Man könnte deshalb auch auf eine endgültige Tilgung verzichten und Steuern im Zusammenhang mit der kreditfinanzierten In- vestition nur im Umfang der Abschreibungen erheben, wie das im Rahmen einer „pay-as-you-use"-Politik des Gesamtstaats geschähe. Wenn einzelne Gemeinden Investitionsspitzen zu bewältigen haben, so werden sie aller- dings danach trachten, in deren Umfang eine endgültige Tilgung vor- zunehmen. Es sei nochmals betont, daß bei ausreichendem Spielraum der steuerlichen Finanzierung eine Kreditinanspruchnahme, nicht geboten wäre, soweit eine kontinuierliche Investitionstätigkeit der Gemeinden gegeben ist.

Bei regionalen Gebietskörper Schäften (Gliedstaaten) werden die Investi- tionsausgaben ebenfalls weitgehend kontinuierlich sein, so daß die Not- wendigkeit einer Kreditfinanzierung entfällt, falls ein ausreichender Besteue- rungsspielraum besteht. Wenn ein Kredit in Anspruch genommen wird, so wird er mit zunehmender Größe der Körperschaft mehr und mehr zum „inneren". Für den Gesamtstaat kommt eine äußere Verschuldung nur in Betracht, wenn seine Produktionsmöglichkeiten noch nicht voll entfaltet (unterentwickelte Länder) oder wenn sie durch Kriegs- bzw. Katastrophen- schäden dezimiert sind. Mit Hilfe von später zu tilgenden äußeren Schulden kann der staatliche Produktionsapparat (wieder) auf die Höhe gebracht werden, und zwar erheblich schneller, als wenn man auf die eigene Kraft angewiesen wäre. Auf die im Zusammenhang mit der äußeren Verschuldung des Gesamtstaats entstehenden Transferprobleme kann hier selbstverständ- lich nicht eingegangen werden.

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