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1 Acta hydrochim. hydrobiol. I 2 I 1974 1 3 1 217-224 I A. GNAUCK Technische Universitiit Dresden, Sektion Wasserwesen, Bereich Hydrobiologie Zur regelungstheoretischen Beschreibung yon Prozessen in hydrischen okosystemen Zuaammenfamung: Die Darstellung von Wirkungsmechanismen zwischen stochastischen GrolJen erfolgt in der Regelungstheorie im allgemeinen durch SignalflulJbilder. Diese Art dsr Veranschaulichung besitzt den ,Vorteil, daB sie den Koppelpliinen eines Analogrechners sehr Lhnlich ist und 80 dessen Programmierung erleichtett. Bei der mathematischen Modellierung komplizierter Systeme (hydrische Okosysteme, Systeme der chemischen Verfahremtechnik) ist eine iiberschaubare Darstellung der meist nichtlinearen Zuaammenhiinge besonders notwendig. Obwohl fiir solche Systeme keine geschlossene Theoris exietiert, laseen Bich diese nach gewissen Linearisiernngen mit relativ einfachen regelungstheoretischen Methoden beachreiben, wie am Beispiel eines idealen Riihrkreises gezeigt wird. Chemische Reaktionssysteme unterscheiden sich von den Bausteinen der ,,klas- sischen" Regelungstheorie in zwei wesentlichen Punkten: Einmal liegt in solchen Systemen meist eine inhomogene riiumliche Verteilung der reagierenden Stoffe vor, wobei als zusiitzliche Schwierigkeit ein Energieaustausch mit der Umgebung des Systems auftritt. Die Losung dieser Probleme fiihrt auf Differentialgleichungen mit verteilten Parametern. Zum anderen sind die Zusammenhange in chemischen Re- aktionssysteinen ihreni Wesen nach nichtlinear. Fur die Behandlung dynamischer Vorgiinge, die durch linesre Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten charakterisiert werden, existiert eine geschlossene Theorie. Nichtlineare Systeme werden dagegen wegen mathematischer Schwierigkeiten oft nur niiherungsweise behandelt (vgl. PESCHEL 1967, 1970, 1972; SCZILITT 1960, 1970; SOLODOWNIKOW 1960, 1971). Ruhrkesseluntersuchungen von WICKE (1964) zeigen aber, daB nach Linearisierung der Beziehungen hiiufig die Eigenheiten des nichtlinearen Prozesses nicht analysiert werden kkinnen. WICKE (1 964) zeigte weiterhin, daB bei der Behand- lung des Riihrkessels in linearer Niiherung keine stabilen Dauerschwingungen auf- treten. Dagegen konnen analytisch bei Hinzunahme hoherer Niiherungsglieder stabile Grenzzyklen nachgewiesen werden. Bei der technischen Durchfiihrung chemischer Umsetzungen sind Fragen des dynamischen Verhaltens von Reektoren entscheidend. Vor allem ist dies der Fall fur alle Probleme der Regelung und Steuerung von Reaktoren, fiir die instationiiren Anfahr- (und Abschalt-) Vorgange, fiir die Behandlung von Betriebsstorungen und fiir den anzustrebenden stationiiren Betriebszustand und seine Stabilitat. Die Dar- stellung dynamischer Systeme in Form von SignalfluDbildern, in denen die Wechsel- wirkungen der verschiedenen EinfluBgroflen durch Operatorglieder symbolisiert werden, ist bekannt. Diese Betrachtungsweise erleichtert die Beurteilung der Frage, welcher Reaktionsapparat bzw. welche Verfahrenskombination fur eine bestimnite 16 Acta hydrochim. 3 (1074)

Zur regelungstheoretischen Beschreibung von Prozessen in hydrischen Ökosystemen

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1 Acta hydrochim. hydrobiol. I 2 I 1974 1 3 1 217-224 I A. GNAUCK

Technische Universitiit Dresden, Sektion Wasserwesen, Bereich Hydrobiologie

Zur regelungstheoretischen Beschreibung yon Prozessen in hydrischen okosystemen

Zuaammenfamung: Die Darstellung von Wirkungsmechanismen zwischen stochastischen GrolJen erfolgt in der Regelungstheorie im allgemeinen durch SignalflulJbilder. Diese Art dsr Veranschaulichung besitzt den ,Vorteil, daB sie den Koppelpliinen eines Analogrechners sehr Lhnlich ist und 80 dessen Programmierung erleichtett. Bei der mathematischen Modellierung komplizierter Systeme (hydrische Okosysteme, Systeme der chemischen Verfahremtechnik) ist eine iiberschaubare Darstellung der meist nichtlinearen Zuaammenhiinge besonders notwendig. Obwohl fiir solche Systeme keine geschlossene Theoris exietiert, laseen Bich diese nach gewissen Linearisiernngen mit relativ einfachen regelungstheoretischen Methoden beachreiben, wie am Beispiel eines idealen Riihrkreises gezeigt wird.

Chemische Reaktionssysteme unterscheiden sich von den Bausteinen der ,,klas- sischen" Regelungstheorie in zwei wesentlichen Punkten: Einmal liegt in solchen Systemen meist eine inhomogene riiumliche Verteilung der reagierenden Stoffe vor, wobei als zusiitzliche Schwierigkeit ein Energieaustausch mit der Umgebung des Systems auftritt. Die Losung dieser Probleme fiihrt auf Differentialgleichungen mit verteilten Parametern. Zum anderen sind die Zusammenhange in chemischen Re- aktionssysteinen ihreni Wesen nach nichtlinear. Fur die Behandlung dynamischer Vorgiinge, die durch linesre Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten charakterisiert werden, existiert eine geschlossene Theorie. Nichtlineare Systeme werden dagegen wegen mathematischer Schwierigkeiten oft nur niiherungsweise behandelt (vgl. PESCHEL 1967, 1970, 1972; SCZILITT 1960, 1970; SOLODOWNIKOW 1960, 1971). Ruhrkesseluntersuchungen von WICKE (1964) zeigen aber, daB nach Linearisierung der Beziehungen hiiufig die Eigenheiten des nichtlinearen Prozesses nicht analysiert werden kkinnen. WICKE (1 964) zeigte weiterhin, daB bei der Behand- lung des Riihrkessels in linearer Niiherung keine stabilen Dauerschwingungen auf- treten. Dagegen konnen analytisch bei Hinzunahme hoherer Niiherungsglieder stabile Grenzzyklen nachgewiesen werden.

Bei der technischen Durchfiihrung chemischer Umsetzungen sind Fragen des dynamischen Verhaltens von Reektoren entscheidend. Vor allem ist dies der Fall fur alle Probleme der Regelung und Steuerung von Reaktoren, fiir die instationiiren Anfahr- (und Abschalt-) Vorgange, fiir die Behandlung von Betriebsstorungen und fiir den anzustrebenden stationiiren Betriebszustand und seine Stabilitat. Die Dar- stellung dynamischer Systeme in Form von SignalfluDbildern, in denen die Wechsel- wirkungen der verschiedenen EinfluBgroflen durch Operatorglieder symbolisiert werden, ist bekannt. Diese Betrachtungsweise erleichtert die Beurteilung der Frage, welcher Reaktionsapparat bzw. welche Verfahrenskombination fur eine bestimnite 16 Acta hydrochim. 3 (1074)

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chemische Umsetzung, insbesondere hinsichtlich der notwendigen RegelungsmaB- nahmen, die giinstigste technische Losung darstellt . Bei hydrischen C)kosystemen lassen sich die Verkniipfungen der einzelnen Parameter sowie deren Wirkungen klar erkennen.

Das Aufstellen und die Angabe der mathematischen Prozeljgleichungen geniigt meist nicht, urn daraus das Zusammenwirken der verkoppelten ZustandsgroSen eindeutig zu iiberschauen. Deshalb werden die mathematischen Beziehungen als Beschreibung kausaler Zusammenhange zwischen Ursachen und Wirkungen auf- gefaBt, was graphisch durch Blocksyrnbole veranschaulicht werden kann. (Eine andere Moglichkeit besteht in der Darstellung durch Pfeile und Knotenpunkte im Sinne der Graphentheorie.) Da diese Auffassung von der physikalischen oder energetischen Beschaffenheit von Ursache und Wirkung unabhangig ist, konnen beide ,,Variable" als Signale bezeichnet werden. Die Verbindung einzelner Blocksymbole ergibt dann das Signalflufibild (vgl. Abb. 1). Als Verbindungsglieder der verschiedenen Blocke des Signalfluljbildes dienen die lineare Additionsstelle, die Verzweigungsstelle und der Signalmultiplizierer (Abb. 2).

Die Verwendung der LAPLACE-Transformation zur Losung von durch lineare Differentialgleichungen beschriebenen zeitvarianten Prozessen ist ebenfalls bekannt -

Sei f ( t ) ein zeitabhiingiger Vorgang im Interval1 0 5 t 5 00. Die Funktion

F (s) = J e - s t f ( t ) dt wird als LAPLACE-Transformierte von f ( t ) bezeichnet. Die Um- 00

0

Ursoche lust& Mrkung

a ) a) Lineares Blocksymbol

Abb. 1. Elemente eines Signalflul3bildee

I a l

a) Additionsstelle zweier Signale

b) Blocksymbol einer niehtlinearen Operation

x

X - X * - *

b) Verzweigungsstelle

I

c) Signalmultiplizierer

Abb. 2. Verbindungsglieder ekes SigndfluDbildes

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Regelungstheoretische Beschreibung von Prozessen 219

kehrung der Transformation lautet :

f ( t ) fiir t > O 0 fur t < 0.

1 a + i o -. J e*F(s) ds = 2 n ? 0 - j ,

(1)

Da die komplexe Funktion analytisch ist, lassen sich die Methoden der Funktionen- theorie anwenden. Fur regelungstechnische Zwecke ist es meist nicht notig, die Riick- transformation in den Zeitbereich vorzunehmen, da viele Eigenschaften der Zeit- funktion bereits aus dem Verhalten der komplexen Bildfunktion hervorgehen. Die Verwendung von Zeitdistributionen bei der Prozeflbeschreibung vereinfacht in man- chen Fallen die mathematische Formulierung und liefert gewisse Vorteile bei der rechnerischen Bewiiltigung der zu losenden Aufgaben. F (s) wird meist Ubertragungs. funktion genannt.

Zur Interpretierung der durch die Obertragungsfunktion (Gewichtsfunktion) beschriebenen Systemeigenschaften werden die Regelkreisglieder durch ihre Zeit- antworten auf bestimmte Testsignale charakterisiert. Dabei spielen insbesondere die Sprungantwort (Obergangsfunktion) und die Antwort auf die harmonische An- regung x ( t ) = sinwt eine bedeutende Rolle, da die zugehorigen Testsignale technisch einfach erzeugt werden konnen und sich ubersichtliche Zusammenhiinge zwischen dem zeitlichen Verlauf und der Obertragungsfunktion herleiten lassen. Die nbergangs- funktion entsteht dabei als Folge einer sprungformigen hderung der EingangsgroOe eines linearen Systems zum Zeitpunkt t = 0. Waren alle Anfangsbedingungen dabei identisch Null, so zeigt diese Systemanregung den Obergang vom Ruhezustand in einen neuen Zustand an. Hliufig reicht es, das Verhalten der Obergangsfunktion bei gewissen Grenzwerten zu untersuchen, damit hinreichende Informationen uber die Eigenschaften des Systems erhalten werden konnen. Mit Hilfe des bekannten Satzes vom Anfangs- und Endwert werden aus F(s) direkt die entsprechenden Werte f ( t ) der Obergangsfunktion nach

f (0) = lim F (s) und f (00) = lim F (s) bestimmt. a-m a-0

(2)

Wiihrend der Satz vom Endwert nur fur stabile Systeme gilt, laDt sich der Satz vom Anfangswert stets anwenden. Fur die Steigung der Anfangstangente eines Zeit- verlaufes existieren Lhnliche Bedingungen. Zu Aussagen uber weitere KenngroDen (Einschwingzeitkonstante, Dlimpfung u. a.) mu0 die Pol- und Nullstellenverteilung von F (s) in der komplexen Ebene herangezogen werden. Die Anregung eines Regel- kreisgliedes durch x (t) = sin o t vermittelt Aufschlusse uber das Verhalten bei ver- schiedenen Frequenzen o. Die Antwortfunktion im eingeschwungenen Zustand ist eine erzwungene phasenverschobene Sinusschwingung. Wird x ( t ) durch die komplexe Schwingung 2 ( t ) = ejot = cos o t + j sin o t ersetzt, so lli13t sich fiir die partikuliire Losung einer Differentialgleichung mit verschwindenden Anfangswerten folgender Ansatz schreiben : Sei :

(3) y(%) ( t ) + ~ , - 1 y("-') ( t ) + . . . + CI y' ( t ) + CO y ( t ) = bo x ( t ) + b i d ( t ) + . . . eine Differentialgleichung mit verschwindenen Anfangswerten

y (0) = y' (0) - . . . . = y("-l) (0) = 0. Dann ist

(4) (9 + cn-l sn-1 + . . . + CIS + co) Y (8) = X ( s ) (bo + bi + . . .) 15.

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die LAPLACE-Transformierte von (3), oder anders geschrieben

Fur die partikuliire Losung gilt

(6) y ( t ) = F ( j w ) ef '. Der Operator P ( jw) berucksichtigt, daB die Ausgangsschwingung in Amplitude und Phase gegenuber der Anregung abweicht. Werden (6) und Ir: ( t ) in (3) eingesetzt und die Gleichung nach F ( j w ) aufgelost, so ergibt

Die Funktjon F ( jw) wird als Frequenzgang bezeichnet und ist nach Betrag nnd Phase aufspaltbar :

(8) F ( j w ) = I F(jw) I e j v ( w )

mit 1 F ( jw) 1 als Amplitudengang und (w) als Phasengang. F ( j w ) wird als Frequenz- ortskurve in der komplexen Ebene dargestellt.

Der Frequenzgang kann auch als Wert von F (s) auf der imaginliren Achse analog zu (5) aufgefaBt werden, wobei Stabilitlit des betrachteten Systems vorausgesetzt wird. Von besonderer Bedeutung ist weiterhin, daD die Antwortfunktion fur eine harmonische Anregung direkt rnit Hilfe von F (jo) berechnet werden kann.

Es seix ( t ) = I m ( e i w t ) = sinwt. Dann ist y ( t ) = I m (F(jw) e f m t ) = IF ( j w ) 1 sin (wt + tp (w)). (Diese Beschreibungsart wurde in der Wassergutewirtschaft von BRAUN (1971) fur verschiedene Beschaffenheitsparameter bei der FlieBgewllssermodelIierung verwendet).

Durch physikalische Zusammenhiinge treten bei den meisten Prozessen in einem Okosystem Riickkopplungen auf. Da die ProzeBgleichungen oft nur niiherungsweise bekannt sind und Storungen einen ProzeB beeinflussen konnep, miBt men die Aus- gangsgrol3e x ( t ) und vergleicht sie rnit der EingangsgroBe w (t) . Die Regelabweichung zw(t) = x ( t ) - w ( t ) ist dann ein MaB fur den Grad der Abweichung der RegelgroBe z (t) von der FuhrungsgroBe w ( t ) . I m Regler (Steuergeriit) wird xm(t) in das ProzeBeingangssignal y ( t ) , die StellgroBe, umgewandelt. Nach Umkehrung des Signalwirkungssinnes an einer beliebigen Stelle des Regelkreises versucht der Regler, die Regelabweichung zu verkleinern (Abb. 3).

I m Gegensatz zur Steuerkette, die stets stabil arbeitet, konnen Regelkreise oder dynamische Systeme mit Ruckkopplungen auch instabil werden. Die AusgangsgroBe wllchst dann bei Anregung mit beliebig kleiner EingangsgroBe uber alle Grenzen.

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Regelungstheoretische Beschreibung von Rozessen 221

Da jedoch ein vernunftig arbeitender Regelkreis immer stabil sein muD, diirfen Stabilitiitsuntersuchungen bei regelungstheoretischen Betrachtungen nicht fehlen. Man kann zeigen, daR der Nenner einer (rationalen) Ubertragungsfunktion die Stabi- litiit des Regelkreises bestimmt. Die Pole der Ubertragungsfunktion miissen bei einem stabilen System negative Realteile besitzen. Geometrisch bedeutet das, daD die Wurzeln der charakteristischen Gleichung des Systems links der imaginiiren Achse der komplexen Wurzelebene liegen. Da die Bestimmung der Wurzeln in allgemeiner Form nur bis zu Polynomen 4. Ordnung moglich ist, werden Stabilitiitskriterien her- angezogen, die ohne Losung der charakteristischen Gleichung die Beantwortung der Frage erlauben, ob ein System stabil oder instabil ist und welchen EinfluB die einzelnen Parameter auf die Stabilitiit haben.

Am bekanntesten ist das Stabilitiitskriterium nach Routh-Hurwitz, wo aus Vorzeichen und GroRe der Koeffizienten der charakteristischen Gleichung auf die Stabilitiit des Systems geschlossen wird. Dieses Kriterium ist aber nur anwendbar, wenn die charakteristische Gleichung des geschlossenen Regelkreises bekannt ist. Oft ist es schwierig, eine ,,optimale" Differentialgleichung fur ein Regelkreisglied anzugeben, obwohl sich sein Frequenzgang experimentell einfach bestimmen liiBt. I n diesem Fall, kann die Stabilitiit des geschlossenen Regelkreises untersucht werden, wenn der Frequenzgang der Gliederkette des aufgeschnittenen Regelkreises bekannt ist. Wird der Gesamtfrequenzgang in der komplexen Ebene (oder in einem Bode- Diagramm durch getrenntes Auftragen von Frequenz- und Phasengang) aufgetragen, so liiBt sich die Stabilitiit komplizierter Systeme einfach beurteilen. Fur nichtlineare Systeme konnen nach einer Linearisierung die (linearen) Stabilitiitskriterien niihe- rungsweise verwendet werden. Ljapunov hat bewiesen, daR das nichtlineare System dann stabil ist, wenn das linearisierte stabil ist. Stabilitiitsaussagen werden dadurch direkt aus den Systemgleichungen moglich (vgl. SOLODOWNIKOW 1971).

Bei Betrachtung eines hydrischen Okosystems als Reaktor ergeben sich fur die in ihm ablaufenden Prozesse direkt oder indirekt iihnliche Aufgabenstellungen wie bei Regelvorgangen. Aus diesem Grunde konnen bereits erprobte regelungstheo- retische Konzeptionen zur Beschreibung hydrischer okosysteme verwendet werden. Das Prinzip einer solchen Betrachtung sei am Beispiel eines DurchfluBruhrkessels dargestellt .

Gegeben sei ein DurchfluBruhrkessel niit idealer Durchmischung, zwei Volumen- strome Nl und N 2 mit den Konzentrationen Cl und C, eines Stoffes A . Das im Kessel gespeicherte Reaktionsvolumen V und der BehiilterdurchfluR ( N , + N2) seien zeitlich konstant (Abb. 4).

Fur eine Reaktion A-+B gilt die Stoffbilanz (fur den Stoff A ) dCA Vp = Nl cl + N2 cz - ( N , $- N2)CA - VR ( C A ) at (9)

mit

V -

Ni C, + N2 C2 = molarer ZufluD von A ( N , + Nz) CA = molarer AbfluB von A VIZ (cd) = chemischer Verbrauch von A bezogen auf die Reaktionsvolumeneinheit R (CAI = spezifische Reaktionsgeschwindigkeit. Das zugehorige SignalfluDbild ist in Abb. 5 dargestellt.

= zeitliche Auderung der im Reaktionsvolumen enthaltenenMolzah1 des Stoffes A d C A a t

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222 #NAUOE, A.

Abb. 4. Schema ekes DurchfluBriihrkesseIs Abb. 5. SignalfluBbild dea DurchfluBriihrkessels

Wird die Zeitfunktion als Zeitdistribution (Sicherung der Existenz der Abteilung) aufgefaRt, so ergibt sich die Gleichung

1 P

Bei Ersatz der Integrieroperation durch den Operator - gilt fur kleine Konzentra-

tionsiinderungen das in Abb. 6 dargestellte Signalbild und somit die Gleichung

1 ( A C f N , + dC2N2 - A C A ( N + VK,)) - = A C A

VP (11)

1 * CA

"P

Abb. 6. SignalfluBbild DurchfluBriihrkessels

und

dea linearisierten

Werden fur die Zahler der Briiche Ki bzw. K, und fur den Bruch im Nenner T ein- gesetzt, und p durch die komplexe GroBe s ersetzt, so lassen sich aus (12) die Fre- quenzgiinge fur s = j w l o = o berechnen. Es ist

Die Darstellung der Frequenzgiinge in der komplexen Ebene wird in Abb. 7 gezeigt.

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Regelungstheoretisohe Beschreibung von Prozessen 223

Abb. 7. Ortskurven des linearisierten DurchfluBriihrkesseIs (aus WICEE 1964)

4 F - Ebene

Bei Anwendung des Satzes vom Anfangs- und Endwert, lassen sich niiherungs- weise die Obergangsfunktionen von AC, fur sprunghafte Bnderungen von AC, und AC, graphisch darstellen (Abb. 8).

t F(s i a )

Acl t *5 bl

t t a) b) Abb. 8. ubergangsfunktionen des linearbierten DurchfluBruhrkessels (aus WICKE 1964)

Die Beschreibung von hydrischen C)kosystemen mit regelungstheoretischen Me- thoden, wie sie in der chemischen Verfahrenstechnik angewendet werden, besitzt den Vorteil der Ruckfiihrung der bisher bekannten einzelnen Zusammenhiinge auf wenige Grundgleichungen, und zwar auf die Gleichungen fiir die Stoff-(Material-) Bilanz und die Enthalpiebilanz sowie auf Verknupfungsbeziehungen. Diese Gleichun- gen beschreiben sowohl das Gesamtsyatem als auch die im Innern ablaufenden Pro- zesse in ihrem Zusammenwirken. Hinsichtlich einer kiinftigen Regelung und Steue- rung von Okosystemen bilden solche OberIegungen eine notwendige Vorarbeit, hinsichtlich ihres theoretischen Gehaltes konnen diese Ausgangspunkte einer ,,System- limnologie" sein.

Liste der verwendeten SymboIe t = Zeit 8 ( t ) = Zeitfunktion f = u + j , = komplexe Variable F (4 j= 1/-1 = imaginiire Einheit x ( t ) = sinot

= Laplacetransformierte von f ( t )

= sinusformige Erregung

__

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224 GNAUUK,A.

z ( t ) = komplexe Schwingung (P (4 = Phasengang I F (ja) I = Amplitudengang.

Literatur

BRAWN, P. : Anwendung der Theorie stochastischer Prozesse auf Wassergiitedaten. Acta hydrochim. hydrobiol. 1 (1973) 1, 71-82.

PESCHEL, M. : Statistische Methoden in der Regelungstechnik, Reihe Automatisierungstechnik, Bd. 61. Berlin, Verlag Technik, 1967.

-: Anwendung statistischer Verfahren in der Regelungstechnik-Statistische Kennwertermittlung, Reihe Automatisierungstechnik, Bd. 125. Berlin, Verlag Technik, 1972.

-: Grundlagen einer allgemeinen Theorie linearer Systeme. Habilitationsschrift, Technische Universitiit Dresden, Fakultlit fur Datenverarbeitung, 1970 Eigenverlag Technische Hoch- schule Karl-Marx-Stadt.

SCHLITT, H. : Systemtheorie regelloser Vorgange. Berlin, Gattingen, Heidelberg, Springer-Verlag, 1960.

-: Stochastische Vorgiinge in linearen und nichtlinearen Regelkreisen. Braunschweig, Verlag Friedr. Vieweg & Sohn GmbH, 1968 und Berlin, Verlag Technik, 1970.

SOLODOWNIKOW, W. W. : Grundagen automatischer Regelsysteme Bd. 1, Stetige lineare Systeme und Bd. 2, Analyse und Synthese linearer Systeme. Berlin, Verlag Technik, 1971.

-: Analyse und Synthese von Regelungssystemen durch Rechenautomaten. Vortrag, gehalten auf dem 1. IFAC-KongreB, Moskau, 1960.

WIOEE, E. : Grundlagen der chemischen ProzeOregelung. Munchen und Wien, Verlag R. Olden- bourg, 1964.

blanuskripteingang: 12. 04. 1973.

Anschrift des Verfassers:

Dip1.-Math. Albrecht GNAWCE, DDR - 110 Berlin, Lauterbachstr. 3.