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Electronic copy available at: http://ssrn.com/abstract=2166702 1412 Lukas Müller AJP/PJA 10/2012 1 Vgl. BGE 83 II 284 ff.; Arthur Meier-hAyoz/Peter ForstMo- ser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 11. A., Bern 2012, § 16 N 94. Für eine Übersicht diverser Gründungsschwindel, bei denen Sachübernahmen (oder damit vergleichbare Geschäfte) nicht offen- gelegt wurden vgl. Brunson MAcchesney, The Securities Act and the Promoter, California Law Review 25 (1936), 66 ff. 2 Vgl. Art. 45 Abs. 2 und 3 HRegV. Die Bestimmungen der Sach- einlage sowie der Sachübernahme sollen primär Gründungs- und Emissionsschwindel verhindern; vgl. BGE 132 III 668, 673 LukAs MüLLer, Dr. oec. HSG, lic. iur., MA UZH, LL.M., Habili- tand an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zü- rich. Website: <http://www.ssrn.com/author=1337235>. Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen, Rechtsfolgen bei Verletzung und Revisionsvorschlag Dieser Beitrag untersucht die Funktion sowie die Tatbestandsvorausset- zungen der Sachübernahme und berücksichtigt die Interdependenzen zum neuen Rechnungslegungsrecht. Bislang ist nach der herrschenden Doktrin Nichtigkeit ex tunc die Standardrechtsfolge einer Verletzung der Formvorschriften der Sachübernahme, obschon grundsätzlich auch andere von der Rechtsprechung zu entwickelnde Lösungen vom Gesetzgeber nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die unnötig scharfe Sanktionierung ist indes problematisch. Um die betrieblichen sowie die rechtlichen Risiken, die mit der Nichtigkeit verbunden sind, zu reduzieren sowie den Interessen der Share- und Stakeholder – und nicht zuletzt den Gesellschaften selbst – bei künftigen Gründungen und Kapitalerhöhungen besser Rechnung zu tragen, wird ein sachge- rechteres Konzept entwickelt. Statt die Sachübernahme und die damit eingegangenen Verpflichtungen ex tunc für nichtig zu erklären, soll der Aktienzeichner den zu wenig liberierten Betrag nachträglich leisten. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des übernommenen Vermögens- gegenstandes soll der liberierende Aktionär tragen. Sofern die Sach- übernahme in geeigneter Weise offengelegt wurde, ist die Beweislast umzukehren, d.h., es ist dann zu vermuten, dass für die übernommene Sache ein fairer Preis bezahlt worden und der Aktionär seiner Liberie- rungsverpflichtung vollständig nachgekommen ist. Inhaltsübersicht I. Problemstellung II. Funktion und systematischer Schutz des nominellen Aktienkapitals 1. Fester Nennwert und Kapitalaufbringung 2. Geringer Informationswert des nominellen Aktienkapitals 3. Weitere Normen des Kapitalschutzes III. Liberierung des Aktienkapitals und das neue Rechnungs- legungsrecht 1. Bar- und Sacheinlage 2. Voraussetzungen der Sacheinlagefähigkeit 2.1. Bericht des Verwaltungsrats und Prüfungsbestätigung 2.2. Zu enger Sacheinlage- bzw. Sachübernahmebegriff 3. Sachübernahme und beabsichtigte Sachübernahme 3.1. Nahe stehende Person – oder besser: «Dealing at Arm’s Length» 3.2. Gemischte Sacheinlage und Sachübernahme 3.3. Sachübernahme bei Kapitalerhöhungen 3.4. Erstbewertung und Bewertungsstichtag 3.5. Folgebewertung IV. Revisionsvorschlag: keine Nichtigkeit bei Verletzung der Sachübernahmevorschriften 1. Anreiz zur freiwilligen Offenlegung und Nachliberierung 2. Zahlungsunfähigkeit des Sacheinbringers 3. Änderung der HRegV als Sofortmassnahme I. Problemstellung Der einzige Gründer einer AG verspricht, für die gezeich- neten Aktien den Ausgabepreis von 100’000 Franken zu bezahlen. Unmittelbar nach der Ausgabe der Aktien kauft die Gesellschaft für 100’000 Franken einen Vermögens- wert des Gründers ab. Dies wird problematisch, sofern der Vermögenswert zu einem übersetzten Preis verkauft und übertragen wird 1 . Genau diese Gefahr will Art. 628 Abs. 2 OR entschärfen, indem eine Gesellschaft, die von Aktionären oder einer diesen nahe stehenden Person Ver- mögenswerte übernimmt (oder dies beabsichtigt zu tun), die Eckpunkte der Transaktion in den Statuten und im Handelsregister offenlegen muss 2 . Diese Transaktionen Cet article étudie la fonction ainsi que les conditions légales de l’apport en nature, en intégrant les interdépendances avec le nouveau droit de la présentation des comptes. Jusqu’à présent, selon la doctrine domi- nante, la nullité ex tunc est la conséquence habituelle d’une violation des prescriptions de forme de l’apport en nature, bien que d’autres solutions à développer par le législateur ne soient en principe pas ex- clues d’emblée. La sanction inutilement dure pose toutefois problème. L’auteur met au point un concept adéquat, visant à réduire les risques matériels et juridiques liés à la nullité et, d’autre part, à mieux tenir compte des intérêts des associés et des parties prenantes – sans oublier ceux de la société elle-même – lors de fondations et d’augmentations de capital futures. Plutôt que de déclarer l’apport en nature et les en- gagements pris à travers celui-ci comme nuls ex tunc, il serait préfé- rable que celui qui souscrit des actions soit tenu de verser par la suite le montant non libéré. La charge de la preuve relative au maintien de la valeur du bien apporté devrait incomber à l’actionnaire libérant. Dès lors que l’apport en nature a été communiqué de manière adéquate, la charge de la preuve doit être renversée : il y a lieu de présumer qu’un prix correct a été versé pour la chose apportée et que l’actionnaire s’est pleinement acquitté de son obligation de libération. LUKAS MüLLER

Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen ......62 (1976), 7 ff. Vgl. Art. 620 Abs. 1 OR. Die Ausführungen hier gelten mutatis mutandis auch für die GmbH; vgl. Art. 777c Abs

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Page 1: Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen ......62 (1976), 7 ff. Vgl. Art. 620 Abs. 1 OR. Die Ausführungen hier gelten mutatis mutandis auch für die GmbH; vgl. Art. 777c Abs

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1 Vgl.BGE83II284ff.;Arthur Meier-hAyoz/Peter ForstMo-ser,SchweizerischesGesellschaftsrecht,11.A.,Bern2012,§16N94.FüreineÜbersichtdiverserGründungsschwindel,beidenenSachübernahmen(oderdamitvergleichbareGeschäfte)nichtoffen-gelegtwurden vgl.Brunson MAcchesney,TheSecuritiesActandthePromoter,CaliforniaLawReview25(1936),66ff.

2 Vgl.Art.45Abs.2und3HRegV.DieBestimmungenderSach-einlagesowiederSachübernahmesollenprimärGründungs-undEmissionsschwindel verhindern; vgl. BGE 132 III 668, 673

LukAs MüLLer,Dr.oec.HSG,lic.iur.,MAUZH,LL.M.,Habili-tandanderRechtswissenschaftlichenFakultätderUniversitätZü-rich.Website:<http://www.ssrn.com/author=1337235>.

Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen, Rechtsfolgen bei Verletzung und Revisionsvorschlag

Dieser Beitrag untersucht die Funktion sowie die Tatbestandsvorausset-zungen der Sachübernahme und berücksichtigt die Interdependenzen zum neuen Rechnungslegungsrecht. Bislang ist nach der herrschenden Doktrin Nichtigkeit ex tunc die Standardrechtsfolge einer Verletzung der Formvorschriften der Sachübernahme, obschon grundsätzlich auch andere von der Rechtsprechung zu entwickelnde Lösungen vom Gesetzgeber nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die unnötig scharfe Sanktionierung ist indes problematisch. Um die betrieblichen sowie die rechtlichen Risiken, die mit der Nichtigkeit verbunden sind, zu reduzieren sowie den Interessen der Share- und Stakeholder – und nicht zuletzt den Gesellschaften selbst  – bei künftigen Gründungen und Kapitalerhöhungen besser Rechnung zu tragen, wird ein sachge-rechteres Konzept entwickelt. Statt die Sachübernahme und die damit eingegangenen Verpflichtungen ex tunc für nichtig zu erklären, soll der Aktienzeichner den zu wenig liberierten Betrag nachträglich leisten. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des übernommenen Vermögens-gegenstandes soll der liberierende Aktionär tragen. Sofern die Sach-übernahme in geeigneter Weise offengelegt wurde, ist die Beweislast umzukehren, d.h., es ist dann zu vermuten, dass für die übernommene Sache ein fairer Preis bezahlt worden und der Aktionär seiner Liberie-rungsverpflichtung vollständig nachgekommen ist.

Inhaltsübersicht

I. ProblemstellungII. Funktion und systematischer Schutz des nominellen Aktienkapitals

1. Fester Nennwert und Kapitalaufbringung2. Geringer Informationswert des nominellen Aktienkapitals3. Weitere Normen des Kapitalschutzes

III. Liberierung des Aktienkapitals und das neue Rechnungs­legungsrecht1. Bar­ und Sacheinlage2. Voraussetzungen der Sacheinlagefähigkeit

2.1. Bericht des Verwaltungsrats und Prüfungsbestätigung2.2. Zu enger Sacheinlage­ bzw. Sachübernahmebegriff

3. Sachübernahme und beabsichtigte Sachübernahme3.1. Nahe stehende Person – oder besser: «Dealing at

Arm’s Length»3.2. Gemischte Sacheinlage und Sachübernahme3.3. Sachübernahme bei Kapitalerhöhungen3.4. Erstbewertung und Bewertungsstichtag3.5. Folgebewertung

IV. Revisionsvorschlag: keine Nichtigkeit bei Verletzung der Sachübernahmevorschriften1. Anreiz zur freiwilligen Offenlegung und Nachliberierung2. Zahlungsunfähigkeit des Sacheinbringers3. Änderung der HRegV als Sofortmassnahme

I. Problemstellung

DereinzigeGründereinerAGverspricht,fürdiegezeich-netenAktiendenAusgabepreisvon100’000Frankenzubezahlen.UnmittelbarnachderAusgabederAktienkauftdieGesellschaftfür100’000FrankeneinenVermögens-wert desGründers ab. Dieswird problematisch, sofernderVermögenswertzueinemübersetztenPreisverkauftundübertragenwird1.GenaudieseGefahrwillArt.628Abs.2ORentschärfen,indemeineGesellschaft,dievonAktionärenodereinerdiesennahestehendenPersonVer-mögenswerteübernimmt(oderdiesbeabsichtigtzutun),die Eckpunkte der Transaktion in den Statuten und imHandelsregister offenlegen muss2. Diese Transaktionen

Cet article étudie la fonction ainsi que les conditions légales de l’apport en nature, en intégrant les interdépendances avec le nouveau droit de la présentation des comptes. Jusqu’à présent, selon la doctrine domi-nante, la nullité ex tunc est la conséquence habituelle d’une violation des prescriptions de forme de l’apport en nature, bien que d’autres solutions à développer par le législateur ne soient en principe pas ex-clues d’emblée. La sanction inutilement dure pose toutefois problème. L’auteur met au point un concept adéquat, visant à réduire les risques matériels et juridiques liés à la nullité et, d’autre part, à mieux tenir compte des intérêts des associés et des parties prenantes – sans oublier ceux de la société elle-même – lors de fondations et d’augmentations de capital futures. Plutôt que de déclarer l’apport en nature et les en-gagements pris à travers celui-ci comme nuls ex tunc, il serait préfé-rable que celui qui souscrit des actions soit tenu de verser par la suite le montant non libéré. La charge de la preuve relative au maintien de la valeur du bien apporté devrait incomber à l’actionnaire libérant. Dès lors que l’apport en nature a été communiqué de manière adéquate, la charge de la preuve doit être renversée : il y a lieu de présumer qu’un prix correct a été versé pour la chose apportée et que l’actionnaire s’est pleinement acquitté de son obligation de libération.

Lukas MüLLer

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Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen, Rechtsfolgen bei Verletzung und Revisionsvorschlag

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GweLessiAni, Praxiskommentar zur Handelsregisterverordnung,Zürich2008,N182.

8 Vgl.BGE83II290f.9 Vgl. BSK OR II-FrAnz schenker (FN 4),Art. 635a N 4 ff.;

BöckLi(FN4),§1N407ff.undN444.10 BotschaftzumAktienrechtundRechnungslegungsrecht,BBl2008,

1640(Auslassungd.Verf.).11 Vgl.BotschaftzumAktienrechtundRechnungslegungsrecht,BBl

2008,1640.12 BotschaftzumAktienrechtundRechnungslegungsrecht,BBl2008,

1640f.13 Sofern im Hinblick auf den beabsichtigten Zweck eine mildere

Massnahme zurVerfügung steht, ist die mildereMassnahme zuwählen;vgl.uLrich häFeLin/wALter hALLer/heLen keLLer,SchweizerischesBundesstaatsrecht,7.A.,Zürich2008,N320ff.

E.3.2.1.;LukAs GLAnzMAnn,DerDarlehensvertragmiteinerAk-tiengesellschaftausgesellschaftsrechtlicherSicht,Diss.St.Gallen,Bern/Stuttgart/Wien1996,39f.;BotschaftzurÄnderungdesOb-ligationenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowieAnpassungenimRechtderKollektiv-undderKommanditgesell-schaft,imGmbH-Recht,Genossenschafts-,Handelsregister-sowieFirmenrecht)[nachfolgendzit.als«BotschaftzumAktienrechtundRechnungslegungsrecht»],BBl2008,1640.

3 Vgl.Art.940OR;Art.32HRegV;BGE132III672f.;cLeMens MeisterhAns,PrüfungspflichtundKognitionsbefugnisderHan-delsregisterbehörde,Zürich1996,392ff.m.w.Hw.

4 Vgl.BGE64II282;BGE83II290;Peter BöckLi,SchweizerAktienrecht,4.A.,Zürich2009,§1N445;roLF wAtter,Be-merkungenzurUnlogikderSacheinlage-undSachübernahmevor-schriftenimSchweizerAktienrecht,AJP/PJA1994,150;HeinrichHonsell/NedimPeterVogt/RolfWatter(Hrsg.),BaslerKommen-tarzumschweizerischenPrivatrecht,ObligationenrechtII,4.A.,Basel2012(nachfolgendzitiert:BSKOR-II-VerFAsser),FrAnz schenker,Art. 628N13. ImkünftigenRecht ist dieFolge ei-ner Verletzung der Sachübernahmebestimmungen nicht gesetz-lichfestgelegt;dieswirdexplizitderRechtsprechungüberlassen.Vgl.BotschaftzumAktienrechtundRechnungslegungsrecht,BBl2008,1639f.

5 Vgl.BöckLi(FN4),§1N442ff.Vgl.aberBGE64II281undBöckLi (FN 4), § 1N 442a.BöckLiweist schlüssig daraufhin,dass«[…]nachderEintragungderGesellschaftinsHandelsregis-tereinederartigeRückabwicklungnichtdemSystemdesGesetzesentsprichtunddemGrundsatzdesEigenkapitalschutzeszuwider-läuft[…]»(Auslassungend.Verf.);BöckLi(FN4),§1N444.

6 Vgl.BSKORII-FrAnz schenker (FN 4),Art.628N13.7 Vgl.Art.753OR;Art.251ff.StGB;BGE101IV146ff.;z.B.das

Bundesgerichtsurteil4A_61/2009vom26.März2009,E.3-E.5;BSKORII-FrAnz schenker (FN 4),Art.628N13;MichAeL

DieHeilungdesFormmangels(unddamitderNichtig-keit) ist immerhinmöglich;hierfürmüssennachträglichdieentsprechendenBeschlüssezurStatutenänderungein-geholtwerdenund imHandelsregister eingetragenwer-den8.AllerdingsistdasNachholenderFormalitätenwohlnur in einfachen Verhältnissen (und sofern kein Miss-brauchvorliegt)einegangbareLösung.Diesistauchnurdannmöglich,solangesichderWertderübernommenenSachezumZeitpunktderPrüfungdurchdenzugelassenenRevisorimVergleichzumZeitpunktdesAbschlussesdesSachübernahmevertragesnichtwesentlichverschlechterthat. Sollte sich derWert der übernommenenSache seitdem Abschluss des Sachübernahmevertrags wesentlichverschlechterthaben,wirdderzugelasseneRevisorkei-neBestätigungdesGründungs- oderKapitalerhöhungs-berichts erteilen dürfen, da er nur Existierendes prüfenkann9.

Nach Ansicht des Bundesrates bedarf die «Verlet-zung der Sachübernahmenvorschriften [sic!] […] ei-nerangemessenenSanktion»10,daansonstendieGefahrbestünde,dass inderPraxisverbreitetdaraufverzichtetwerde, Sachübernahmen offenzulegen. Obschon derBundesratapodiktischsagt,dieInvestorenhätteneinle-gitimes InteresseanderOffenlegungvonSachübernah-men11, thematisierterwederdieVor-undNachteile,dieeinemitderNichtigkeitex tuncsanktionierteVerletzungdieserBestimmungen hat, noch begründet er seineAn-sichtschlüssig.DerBundesratbehauptetlediglich:«DieDurchsetzungderzwingendenVorschriftendesGesetzesbedingtaucheineSanktionierung.Eswirdaberderbun-desgerichtlichen Praxis überlassen, eine den konkretenUmständendesEinzelfallsentsprechendeLösungzufin-den.»12 Unter demGesichtspunkt derVerhältnismässig-keit,wonachdiemildesteSanktionvorzusehenist,welchedie gleichenZiele –Transparenz undVerhinderung vonEmissionsschwindel – erreicht, ist dies problematisch13.

werdenals«Sachübernahmen»(respektive«beabsichtigteSachübernahmen») bezeichnet. Der Handelsregisterfüh-rerüberprüftimRahmenseinerbeschränktenmateriellenKognitionsbefugnisanhanddereingereichtenDokumentedieEinhaltungdergesetzlichenVorgabenfürallezurEin-tragungangemeldetenTatsachen3.

Das Gesetz regelt die unmittelbaren KonsequenzeneinerMissachtungderNormenzur(beabsichtigten)Sach-übernahmenicht;herrschenderAnsichtnachistNichtig-keitex tuncdieKonsequenz–diehärtesteallermöglichenRechtsfolgen4.DiekontroverseTransaktionmussindie-sem Fall rückabgewickelt werden und die Gesellschaftverliert die übernommene Sache5. Für die GesellschaftunddieGläubigerkanndies sehrweitreichendeKonse-quenzen haben, weil hiermit betriebsnotwendige Ver-mögenswertederGesellschaft entzogenwerden6.DamitstehtparadoxerweisedenGläubigernderGesellschaftimMissbrauchsfallwenigerHaftungssubstratzurVerfügung,als dies ohne die Sachübernahmebestimmung der Fallwäre. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit für den entste-hendenSchadenundstrafrechtlicheKonsequenzenkom-menzusätzlichinBetracht7.

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19 BGE132III668,673,E.3.2.20 ZürcherKommentarzumschweizerischenZivilgesetzbuch,Zürich

1943,OR-ALFred sieGwArt,Art.620N14.21 Vgl.christoPh k. widMer,DieLiberierungimschweizerischen

Aktienrecht,Diss.,Zürich1998,15.22 Dieswirdregelmässignursoweitgeschehen,wiediesfürdieeffi-

zienteKapitalbeschaffungundFinanzierungnotwendigist.Vertrag-licheVereinbarungenmitGläubigernbezüglichderAusschüttungvon Dividenden (sog. «Covenants») können auch eine wichtigeRollespielenunddasKapitalaufCashflow-Basisschützen;hAns cAsPAr Von der crone,BerichtzueinerTeilrevisiondesAktien-rechts:NennwertloseAktien,13,abrufbarunter<http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/wirtschaft/gesetzgebung/aktienrechtsrevision/ber_teilrev-aktienrechtteil1-d.pdf> bzw. hAns cAsPAr Von der crone, Bericht zu einerTeilrevision desAktienrechts:NennwertloseAktienREPRAX1/2002,15;richArd A. Posner,EconomicAnalysisofLaw,8.A.,NewYork2011,556m.w.Hw.

23 Vgl. Peter ForstMoser/GAudenz G. zindeL, Sacheinlage-fähigkeit von Transferwerten im Berufssport, Neuausrichtungder Sacheinlagekriterien,REPRAX2/2001, 8;LukAs MüLLer,Die Sacheinlagefähigkeit von immateriellem Anlagevermögenund Goodwill im Lichte der internationalen Rechnungslegung,GesKR 2008, 53. Immerhin lassen sich gewisseRisiken der zuliberierendenVermögenswerteversichern;vgl.ebendaForstMo-ser/zindeL(FN23).

14 AllerdingshabendieGerichtedieseLösungschonentwickelt;vgl.dieÜbersichtinBöckLi(FN4),§1N442ff.–u.a.mitVerweisenaufBGE64II271ff.undBGE83II284ff.BöckLibehauptet,soweitersichtlichzurecht,dassdieseEntscheidenievomBundes-gerichtumgestossenwordensind.

15 Beispielsweise mittels Erstellung von Memoranden, Gutachtenoder einer detaillierteren Ausarbeitung der notwendigen Doku-mente. Konkret wird es hauptsächlich darum gehen, mit demExpertenrat fahrlässiges oder eventualvorsätzliches Handeln zuverhindernoderabzuklären,obesnichteineAlternativezurbeab-sichtigten Transaktionsform gibt; vgl. MarcelAlexander Niggli/HansWiprächtiger(Hrsg.),BaslerKommentar,StrafgesetzbuchI,2.A.,Basel2008,Guido Jenny,Art.21N16ff.;douGLAs w. hAwes/thoMAs J. sherrArd,RelianceonAdviceofCounselasaDefenseinCorporateandSecuritiesCases,VirginiaLawReview62(1976),7ff.

16 Vgl.Art. 620Abs. 1OR.DieAusführungen hier geltenmutatis mutandis auch für dieGmbH;vgl.Art. 777cAbs. 2OR.Verän-derungen des Grundkapitals sind nur unter Einhaltung der Vor-schriftenzurKapitalerhöhungoderKapitalherabsetzungmöglich;vgl.z.B.Art.650ff.,Art.732ff.,Art.781f.OR.Vgl.aberdieIn-vestmentgesellschaftmitvariablemKapital(SICAV),s.Art.36ff.KAG; indieserGesellschaftsformwird teilweiseaufArt.620 ff.ORverwiesen;vgl.RolfWatter/NedimPeterVogt/FrançoisRay-roux/ChristophWinzeler (Hrsg.), Basler Kommentar, Kollektiv-anlagengesetz,Basel2009FrAnçois rAyroux/LAurence VoGt schoLLer,Art.36N15.

17 Vgl.Meier-hAyoz/ForstMoser(FN1),§16N116.18 «VorbehaltenbleibtdieAusgabeneuerAktien,dieanStelleausge-

fallenerAktientreten»,Art.624OR.

DasAktienkapitaldientnachAnsichtdesBundesge-richts u.a. demKapitalschutz, «der sich namentlich beider Gründung und der Kapitalerhöhung in dem Sinneauswirkt,dassdasdenWirtschaftsteilnehmernindenSta-tutenundimHandelsregisterkundgegebeneEigenkapitalderGesellschaft auch tatsächlich vollständig zurVerfü-gung gestellt wird.»19 In der älteren Literatur heisst es,dassAktiengesellschaften imeigenenInteresse,umihreKreditwürdigkeitzudemonstrieren,«auchinverschiede-nenprivatenKundgebungennachaussen(BriefpapierundUmschläge,Zirkulare,Berichte,Reklame)dieZifferihresKapitalsnennen.»20DieseBedeutunghatdasAktienkapi-tal inzwischenverloren(fallssiedennüberhaupt jemalsbestand)21.Stattdessenwird es fürUnternehmenzuneh-mendwichtiger,denBedürfnissennachtransparenterBe-richterstattungnachzukommen.DieskannmitderOffen-legungderRechnungslegungnacheinemRegelwerkwieetwaSwissGAAPFERoderaufindividuellervertragli-cher Basis gegenüber wichtigen Investoren geschehen,um die Informationsasymmetrie gegenüber wichtigenInteressensgruppenzureduzieren22.Esbestehtallerdingsauch bei perfekter Beachtung der Liberierungsnormendes OR zu gar keinem Zeitpunkt vollständige Gewähr,dassdieeingebrachteSache–bzw.diespätervollzogeneSachübernahme–tatsächlichauchdemgezeichnetenundim Handelsregister ausgewiesenen Kapital entspricht.WenneinaktivierbarerVermögenswertgeleistetwird,istesdenkbar,dassdieserschonkurzeZeitnachdemVoll-zugteilweiseodervollständiganWerteinbüsst23.Dieses

DieEntwicklungder(milderen)RechtsfolgedelegiertderBundesratalsoandieGerichte.Oderandersgesagt:DieNichtigkeitssanktionistfürdieErreichungdesgesetzge-berischenZwecksoffenbargarnicht zwingendnotwen-dig14.

DieNichtigkeitsfolgebringt,wieschonerwähnt,un-ternehmerische und rechtliche Unsicherheiten mit sich.UnternehmermöchtenaberkeineUnsicherheitbezüglicheinerLiberierung,dasonst (kostspielige)Absicherungs-massnahmen15getroffenwerdenmüssen,umRisikenaufeinakzeptablesNiveauzuverringern.

II. Funktion und systematischer Schutz des nominellen Aktienkapitals

1. Fester Nennwert und Kapitalaufbringung

AktiengesellschaftenverfügengemässORdefinitionsge-mässüberAktienkapitalmiteinemzumVorausbestimm-tenNennwert16;anhanddessensichvieleAktionärsrechtebestimmen17.AktiendürfennachArt.624OR«nurzumNennwertoderzueinemdiesenübersteigendenBetrageausgegebenwerden.»18

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Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen, Rechtsfolgen bei Verletzung und Revisionsvorschlag

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26 Vgl.FrAnco ModiGLiAni/Merton h. MiLLer,TheCostofCa-pital,CorporationFinanceandtheTheoryofInvestment,TheAme-ricanEconomicReview48(1958),261ff.;FrAnco ModiGLiAni/Merton h. MiLLer,CorporateIncomeTaxesandtheCostofCa-pital:ACorrection,TheAmericanEconomicReview53 (1963),442f.

27 Vgl.NachweiseinFN26.28 Meier-hAyoz/ForstMoser (FN 1), § 16 N 48; vgl. widMer

(FN21),13.29 Meier-hAyoz/ForstMoser(FN1),§16N48f.(Auslassungd.

Verf.);s.auchBöckLi(FN4),§1N168.30 Vgl.Art.645Abs.2OR.31 Je länger die Kapitaleinzahlung her ist, destomehr verliert der

einbezahlteNennwertanInformationswertfürGläubigerundAk-tionär.IllustrativistauchdasindiesemAufsatzerwähnteBeispieldesverwirrtenStudentenausMAsterson (FN 24),247.Vgl.auchdieKritikinZK-OR-ALFred sieGwArt (FN 20),Art.620N5;Peter BöckLi, Der bilanzbezogene Eigenkapitalschutz, SZW2009, 7 ff.; Meier-hAyoz/ForstMoser (FN 1), § 16 N 115;Peter V. kunz,Kapitalrückzahlungenbei1-Rappen-Aktien,EinScheinproblem desMinderheitenschutzes, NZZ vom 18.1.2010,25; JonAthAn rickFord,ReformingCapital,Report of the In-terdisciplinaryGrouponCapitalMaintenance,EBLR15(2004),919ff.m.w.Nw.

24 Vgl.wiLLiAM e. MAsterson,ConsiderationforNon-parSharesandLiabilityofSubscribersandStockholders,TexasLawReview17(1939),247.

25 Vgl.Venture Stores, Inc. v. Ryan,678N.E.2d300,303(Ill.Ct.App.1997)mitderAussage:«Since‹par›and‹statedcapital›tendtobemisleading concepts, they have been deleted from the […]Act.Todaytheconceptofparvalueisananachronism.»Auslassungd.Verf.

dassdieZusammensetzungderFinanzierungsstruktur(inperfektenMärkten)fürdenUnternehmenswertnichtrele-vantseinkönne26.UntergewissenUmständenwirdeineFremdfinanzierung sogar regelmässig günstiger als Ei-genfinanzierungsein–entscheidendseies,untergegebe-nenBedingungendasoptimaleVerhältnisvonFremd-zuEigenkapitalzufinden27.

DasZieldesGesetzgebers,dassderAktionärdasnot-wendigeKapitaldemNennwertentsprechendaufbringt,wirdselbstschonbeiderBarliberierungverfehlt.InderLiteraturheisstesüberdasAktienkapital,dasses«einerechnerische, nicht eine reale Grösse»28 sei. Es «stelltebennichteinenbestimmten,konkretenVermögenswert,einAktivum,dar,sonderneineQuote,inderenHöheVer-mögenswertevorhandenseinsollen[…],abernicht im-mer auch tatsächlich vorhanden sind.»29 Schon bei derGründungeinerAktiengesellschaftmiteinemAktienka-pital von 100’000 Franken entstehen signifikante Auf-wände für die Erstellung, die öffentliche Beurkundungder Gründungsdokumente sowie der Eintragung in dasHandelsregister.WennweitereHandlungenfürdieinderEntstehung begriffene Gesellschaft vorgenommen undspäter vom Verwaltungsrat genehmigt werden30, fallenzusätzlicheAufwändeoderVerbindlichkeitenan.Werdendiese Buchungsvorgänge berücksichtigt, so ergibt sichschonbeiderGründung,dassdasAktienkapitalzwarvolleinbezahlt ist, jedochaufgrunddererwartetenMittelab-flüsse oderAufwände, betriebswirtschaftlich betrachtet,nichtvollgedecktist31.

WertverminderungsrisikobestehtgrundsätzlichbeijederUnternehmungundjedemAktivum–unabhängigdavonob eine Sacheinlage, Sachübernahme oder eine andereTransaktionstattfindet.

2. Geringer Informationswert des nominellen Aktienkapitals

DenInformationswertdesnominellenAktienkapitalsde-monstriertfolgendeAnekdote:EinStudentgingzueinemBankier und erkundigte sich nachAktien, in die zu in-vestierenessichlohne.DerBankierempfahlAktien,diezurzeitfürungefähr$175.–anderBörsegehandeltwur-den.Mit beeindruckendenChartswies der Bankier aufdieverheissungsvolleKursentwicklunghin.Weiterprieseran,dassdieUnternehmungeinenhohenEigenfinanzie-rungsgradauswies,bisherregelmässighoheErträgegene-rierteundeinegrosszügigeDividendeausschüttete.DerStudenthaktebeharrlichnach:«Siehabenmirjetztaberimmernochnichtgesagt,wiehochderNennwertdieserAktieist!»DerNennwertderAktiebetrugzwar$100.–,nichtsdestotrotzhattederBankierProbleme,denimBör-senhandel unerfahrenen Studenten zu überzeugen, dassder Nennwert für seine Investitionsentscheidung nichtvonRelevanz sein könne.DerBankier führte aus, dassderMarktwert,deneineAktiemiteinemNennwertvon$100.–zehnJahrenachderGründunghabe,beigutemGeschäftsgang beispielsweise bei $ 175.– notieren, beischlechtemGeschäftsgang aber genauso gut $ 50.– proAktiebetragenkönne.DerStudentbekundeteindesMühemitderIdee,eineAktiezu$175.–zukaufen,wennihrNennwertnur$100.–betrug;deutlichbessergefielihmdadieIdee,eineAktiebeispielsweisefür$50.–zukau-fen–einemPreisunterhalbdesNennwerts.

DieserStudenthatdasebengeschilderteErlebnis1939veröffentlicht24.AuchheuteistdasVerwirrungspotential,welches derNennwert vonAktien stiften kann, ähnlichgross25.EbensoistauchderInformationswertdesAktien-kapitalsgering,dasichausdemAktienkapitalkeinederfürInvestorenentscheidungsrelevantenGrössen,etwadesUnternehmenswerts oder des künftigen Ertragspotenzi-als,schätzenlassen.TeilweiseheisstesinderÖkonomie,

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konzept des Rechnungslegungsrechtsentwurfes, SZW 2008,400ff.

39 Vgl.Art.678,Art.680Abs.2.Vgl.BGE87 II181 ff.;Bundes-gerichtsurteil 4A_496/2010 vom 14. Februar 2011, E. 2; BSKORII-Peter kurer/christiAn kurer,Art.680N22ff.

40 Vgl.BGE102Ib24;BöckLi(FN4),§1N173.41 Typischerweise sind liquide Mittel als Bargeld, Guthaben bei

Banken, kurzfristig fälligeGeldmarktforderungen, diskontierbareWechsel,WertschriftenundCouponsfürfälligeZinsenoderDivi-dendendefiniert;vgl.IAS7par.7–9.

42 EineGesellschaftkann immerhin,wenndieZahlungsunfähigkeitbefürchtet wird, eine Generalversammlung einberufen und nachArt.736Ziff.2ORdieAuflösungbeschliessenundsichvorGe-richtgemässArt.191Abs.1SchKGfürzahlungsunfähigerklären.Im künftigen Recht soll gemäss des Entwurfes des Bundesratesvom21.Dezember2007,BBl2008,1785,beibegründeterBesorg-nis,dassdieGesellschaftzahlungsunfähigist,derVerwaltungsratunverzüglich einen Liquiditätsplan erstellen. Der Liquiditätsplansoll die Zahlungsströme der nächsten zwölf Monate aufzeigen.WenndieGesellschaftzahlungsunfähigist,dannsollderVerwal-tungsrateineGeneralversammlungeinberufenundihrSanierungs-massnahmenbeantragen.DerEntwurfvonArt.725aORbliebimbisherigenGesetzgebungsverfahrenunangetastet.

43 Vgl.conrAd Meyer,BetriebswirtschaftlichesRechnungswesen,3.A.,Zürich2012,101ff.

44 In einer Liquiditätskrise müssen stets alleMöglichkeiten eruiertwerden,dieLiquiditätwiederzugewährleisten;dieskannetwamit

32 Vgl.Meier-hAyoz/ForstMoser (FN1),§16N112.U.a.wirdinderLehrepostuliert,dassessichbeimAktienkapitalumRisi-kokapitalhandle,daseineKonkurseröffnungverhindernsoll;vgl.LukAs GLAnzMAnn,DiePflichtzurangemessenenKapitalausstat-tungderAktiengesellschaft,AJP/PJA1997,51ff.DieaufdieKon-kursverhinderung fokussierte Sichtweise ist zu einseitig, da sichRisikennichtzwingendnurnegativverwirklichen.RisikenkönnenauchalsStandardabweichungoderVarianzbzw.alsStreuungsmassverstandenwerden, die von einem erwartetenMittelwert abwei-chenundsichdemzufolgenichtnuralsnegatives,sondernauchalspositivesErgebnisrealisierenkönnen.

33 Bei Finanzintermediären wird eine genügende Finanzierung al-lerdingsvorgeschrieben.Vgl.Art.1Abs.1derVerordnungvom29. September 2006 über die Eigenmittel und Risikoverteilungfür Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung, ERV,SR952.03):«ZumSchutzderGläubigerundderStabilitätdesFi-nanzsystems müssen Banken und Effektenhändler entsprechendihrerGeschäftstätigkeitundRisikenüberangemesseneEigenmittelverfügenund ihreRisiken angemessenbegrenzen.»Versicherun-genhabenähnlichkomplexeVorschriftenhierzu;vgl.Art.21ff.derVerordnungüberdieBeaufsichtigungvonprivatenVersicherungs-unternehmen(Aufsichtsverordnung,AVO,SR961.011).

34 Vgl.Art.2ZGB;Bundesgerichtsurteil5C.279/2002vom14.März2003,E.5,BGE120II338;Meier-hAyoz/ForstMoser(FN1),§24N61f.;ausführlichzurThematik:JAMes d. cox/thoMAs L. hAzen,BusinessOrganizationsLaw,3.A.,St.Paul,MN2011,131ff.

35 Vgl.Art.670ff.OR;widMer(FN21),16ff.36 Vgl.Art.678f.OR.37 Vgl. Art. 680 Abs. 2 OR; hAns-ueLi VoGt/AnnA Peter,

Aktienrechtliche Rahmenbedingungen einer finanziellen Sanie-rung, insbesondere das Verbot der Einlagerückgewähr, GesKR2011,228ff.

38 Vgl.Art. 662 ff.;Art. 725 f.,Art. 959 ff.OR;BöckLi (FN31),4;BöckLi(FN4),§1N168ff.;LukAs MüLLer,DasRahmen-

gewährunddiePflicht,verdecktausgeschütteteGewinnezurückzuerstatten sowie auch eine griffige Gründerhaf-tung,würdenansichschonausreichen,umSachverhalteimZusammenhangmit verbotenenVermögensverschie-bungengenügendzusanktionieren39.MitdiesenNormensoll der unrechtmässig entstandene Vermögensabflusswiederrückgängiggemachtoderersetztwerden.

DasKapitalwirdauchdadurchgeschützt,dassderAk-tionärseineLiberierungsverpflichtungnichtmitderBe-rufungaufWillensmängelanfechtenkann,sobaldderbeiderGründungoderKapitalerhöhung festgesetzteBetragimHandelsregistereingetragenist.DannistdieRücker-stattungnurunterBeachtungdesKapitalherabsetzungs-verfahrensnachArt.732ff.ORmöglich40.

FürliquideMittel41bestehtimORkeinaugenfälligerSchutzmechanismus,solangedasKapitalnichtdirektbe-troffen ist42. Das Liquiditätsmanagement – die PlanungderMittelzuflüsseund-abflüsse–hatindesmittelbarei-nen signifikantenEinfluss auf dieDeckung desAktien-kapitals und der gesetzlichen Reserven, da die Mittel-flussrechnung,dieBilanzunddieErfolgsrechnungdirektzusammenhängen43.DerfehlendeunmittelbareSchutzisteinMangeldesheutigenSystems,daIlliquiditätdieFi-nanzierungskostenrapideerhöhenunddasVertrauenderGeschäftspartnererheblichbeeinträchtigenkann,fallsdieGesellschaft ihreVerbindlichkeitennichtfristgerechter-füllt44.

Wichtiger als die rechnerischeDeckung desAktien-kapitals(unddergesetzlichenReserven),diesichanhandeiner generell-abstraktenVergleichsgrössemisst, ist ausbetriebswirtschaftlicherSicht,dassdieOrganeindividu-ell-konkret für eine angemesseneEigenfinanzierungderGesellschaftsorgen32.DasGesetzerklärtdiesallerdingswederfürdieGeneralversammlungnochfürdenVerwal-tungsratzurPflicht33.ImmerhinistingewissenKonstella-tioneneinDurchgriffdenkbar,wenneineKapitalgesell-schaftrechtsmissbräuchlichunterkapitalisiertist34.

3. Weitere Normen des Kapitalschutzes

ImORistderKapitalschutzimZusammenspielvonGe-winnausschüttungssperren und Reservevorschriften35,demVerbot der verdecktenGewinnausschüttung36, demVerbot der Einlagerückgewähr37, dem System der Bi-lanzierungsnormen, den Anzeigepflichten des Verwal-tungsratsundderRevisionsstellebeiKapitalverlustundÜberschuldung sowie der Verantwortlichkeitsklagen zuverstehen38. Insbesondere dasVerbot der Einlagenrück-

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51 Vgl.voranstehendAbschnittI.52 Vgl.Peter ForstMoser,EineneueÄraimRechtderSachüber-

nahme,KritischeBemerkungenzuBGE128III178f.,REPRAX3/2003,4f.

53 Vgl.BotschaftzumAktienrechtundRechnungslegungsrecht,BBl2008,1639;eidGenössisches AMt Für dAs hAndeLsreGister,REPRAX2/2001,60f.;christoPh käser/MArkus Gysi,Ma-nagementBuy-out:QualifizierteGründung?,REPRAX1/2012,32;MüLLer(FN23),50f.;toBiAs Meyer,KapitalschutzalsSelbst-zweck?DieKapitalverfassung gemäss demGesetzesentwurf zurRevisiondesAktien-undRechnungslegungsrechtsimKontextin-ternationalerEntwicklungen,GesKR2008,226.

54 Vgl.Art.634aAbs.2i.V.m.Art.634Abs.1Ziff.1–4E-ORinderFassunggemässBBl2008,1754.

55 DieAktivierungspflicht (bzw. derAktivenbegriff) im Gesetz istmassgeblich von internationalen Rechnungslegungsregelwerkengeprägt.FürdieAuslegungistessinnvoll,sichvonderLiteraturzuinternationalenRechnungslegungswerkeninspirierenzulassen.Dieskannallerdingsnurdannfunktionieren,wennderKontextdesfremden Regelwerksystems ganzheitlich berücksichtigt wird; oftkann die rechtsvergleichende Interpretation nur mit Vorbehaltengeschehen;vgl.MüLLer (FN 38),400ff.m.w.Hw.Art.959Abs.2revORistinkl.seinerEntstehungsgeschichtezuinterpretieren;vgl.eineDiskussiondesVorentwurfs:LukAs MüLLer,ZurEinführungdesAktivenbegriffes durch das neueAktien- und Rechnungsle-gungsrechtindasSchweizerGesetz,SZW2007,298ff.

derVersilberungvonVermögenswerten,Kapitalbeschaffungoderauchdurchzu spätesBezahlenvonForderungengeschehen.DieVersilberung von Sachanlagen mag zwar die Zahlungsfähigkeitkurzfristigwiederherstellen,langfristigwirdallerdingsdasökono-mischeNutzenpotentialdesveräussertenVermögenswertesfehlen.

45 Vgl.BSKORII-FrAnz schenker(FN4),Art.629N9.46 Vgl. BSK OR II-FrAnz schenker (FN 4), Art. 628 N 1 ff.

m.w.Hw.DenkbaristauchdieLiberierungdurchVerrechnungmiteinerbereitsbestehendenVerbindlichkeitoderdurchdieKapitaler-höhungausfreiverfügbaremEigenkapital;diebeidenletztgenann-ten Liberierungsformen sind allerdings nicht Gegenstand diesesBeitrages.

47 Vgl. wAtter (FN 4), 147; MüLLer (FN 38), 400 f.; LukAs GLAnzMAnn,DasneueRechnungslegungsrecht,SJZ108(2012),205,208.

48 Vgl.Art. 633,Art. 652cOR.Bei derKapitalerhöhungmuss derVerwaltungsrat auch bei der Barliberierung einen Kapitalerhö-hungsberichterstellen;vgl.Art.652eOR.

49 Vgl.LukAs GLAnzMAnn,FallstrickebeiGründungundKapital-erhöhung, in:PeterV.Kunz/OliverArter/FlorianS. Jörg (Hrsg.),EntwicklungenimGesellschaftsrechtVI,Bern2011,20.

50 Vgl.BGE132III668,673E.3.2.1.ZurSachübernahmevgl.Ab-schnittIII.3.

neugeschaffenenAktieneingebrachtwirdundSachen–imGegensatzzuGeld–regelmässigkeinennominellenWerthaben.NichtjedeSachekannalsGegenleistungfürAktien dienen; die Sache muss sacheinlagefähig sein.DieSachübernahmeist,wieschoneingangserwähnt,dieForm- und Offenlegungsvorschrift mit der die Umge-hungderBestimmungenzurSacheinlageerfasstwerdensoll51.Da die Sachübernahme imResultat dasselbewiedie Sacheinlage bewirkt – mit dem einbezahlten GeldwirdeineSachevomAktionäroderdernahestehendenPersonabgekauft–sinddieVorschriftenengmiteinanderverknüpft52.

2. Voraussetzungen der Sacheinlage­fähigkeit

Eine Sache ist nach der Handelsregisterpraxis sachein-lagefähig, wenn sie übertragbar, aktivierbar sowie ver-wertbaristundwennsiederübernehmendenGesellschaftdirektzurausschliesslichenVerfügungsteht53.DieseVor-aussetzungenwerdenimkünftigenORverankert54.

DieAktivierbarkeitderSache,wiesieArt.634Abs.1Ziff. 1E-ORverlangt, ist ausderbegrifflichdeckungs-gleichenAktivierungspflichtdeskünftigenRechnungsle-gungsrechtsabzuleiten55.Demnachmüssen«[a]lsAktiven[…]Vermögenswertebilanziertwerden,wennaufgrundvergangenerEreignisseübersieverfügtwerdenkann,ein

III. Liberierung des Aktienkapitals und das neue Rechnungslegungsrecht

DasLeistenderEinlagefürdiegezeichnetenAktienwirdalsLiberierungbezeichnet45.SiekannfürneugeschaffeneAktienbeispielsweisemitderÜbertragungvonGeldoderanderenVermögenswertenerfolgen46.FürdieSacheinla-geunddieSachübernahmeistzubeachten,dassdasneueRechnungslegungsrechtInterdependenzenmitdenKapi-talaufbringungsnormenhat47.

1. Bar­ und Sacheinlage

MitderBarliberierungwirdGeldaufeinSperrkontobeieiner dem Bankengesetz unterstellten Institution einge-zahltundnachderEintragungderGesellschaft(bzw.derKapitalerhöhung) imHandelsregisterstehtdasGeldderGesellschaft zur freienVerfügung48. Die BarliberierungerfolgtstrenggenommennichtmitBargeld,sondernmiteinerGutschriftdesBuchgeldesaufeinemKapitaleinzah-lungskonto49.

BeiderBargründungistdieGegenleistungfürdieAk-tien(bzw.fürNennwertundeinallfälligesAgio)aufdasSperrkontozuüberweisen.DieBankstelltanschliessendeine Einzahlungsbestätigung aus.Hieraus lässt sich dergeleisteteGegenwertfürdieAktienleichtüberprüfen.ImGegensatzzudiesemunkompliziertenVerfahrengestaltetsich dasVerfahrenderSacheinlage (unddamit letztlichauchderSachübernahme)komplexer50.Grundhierfürist,dassbeiderSacheinlageanstattGeldeineSachefürdie

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62 Vgl.Art.634aAbs.1Ziff.2und3E-ORinderFassunggemässBBl2008,1754.

63 Vgl.kArL reBsAMen,DasHandelsregister,EinHandbuchfürdiePraxis,2.A.,Zürich1999,N365;vgl.auchuntenAbschnittIII.2.2.

64 Art.634aAbs.1Ziff.2und3E-ORverlangenjedochEigentumderGesellschaftsowiedieMöglichkeit,dieeingebrachteSacheanDrittezuübertragen.

65 Art. 635 Ziff. 1OR; vgl. BGE 132 III 673;BSKOR II-FrAnz schenker (FN 4),Art.635N3;zumInhaltdesBerichts:GweLes-siAni (FN 7),N192ff.

66 Vgl.Art. 635a i.V.m.Art. 635 Ziff. 1 OR; BSK OR II-FrAnz schenker (FN 4),Art.635aN5.

67 Vgl.Peter noBeL, Internationales undTransnationalesAktien-recht,Band2:TeilEuroparecht,2.A.,Bern2012,3.KapitelN35;Art.10Abs.2derzweitenRichtlinie77/91/EWGdesRatesvom13.Dezember1976zurKoordinierungderSchutzbestimmungen,die indenMitgliedstaatendenGesellschaften imSinnedesArti-kels58Absatz2desVertragesimInteressederGesellschafterso-wieDritterfürdieGründungderAktiengesellschaftsowiefürdieErhaltung undÄnderung ihresKapitals vorgeschrieben sind, umdiese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 26 vom31.1.1977,1–13).

56 Art. 959Abs. 2 revOR des künftigen Rechnungslegungsrechts;vgl. Obligationenrecht (Rechnungslegungsrecht) Änderung vom23.Dezember2011,BBl2012,63ff.(AuslassungundEinfügungd. Verf.); GLAnzMAnn, Rechnungslegungsrecht (FN 47), 209m.w.Hw.

57 Vgl.Art.959Abs.2S.2revOR.58 Vgl.Art.634aAbs.2i.V.m.Art.634Abs.1Ziff.2–4E-ORinder

FassunggemässBBl2008,1754.59 Vgl.Art.634aAbs.2i.V.m.Art.634Abs.1Ziff.1E-ORinder

FassunggemässBBl2008,1754.60 Vgl.Art.959Abs.2revOR.SacheinlagengeltennurdannalsDe-

ckung,wenndieGesellschaftsofortnachderEintragungimHan-delsregisterdarüberalsEigentümerinverfügenkannoderwenndieGesellschaft einen bedingungslosenAnspruch auf Eintragung indasGrundbucherhält;vgl.Art.634Ziff.2OR.

61 Vgl.MüLLer (FN 38),402.

SachübernahmemussauchdasRechtamGegenstandandieGesellschaftübergehen62.NachbisherigerPraxissindauch Verbindlichkeiten als Teil einer Geschäftseinheitsacheinlagefähig63; anVerbindlichkeiten (verstanden alskünftigeMittelabflüsse)lässtsichjedochkeinEigentumerwerbenundsiesindauch regelmässignichtohneGe-genleistunganDritteübertragbar64.DaswidersprichtdemWortlautvonArt.634aAbs.1Ziff.2und3E-OR.

2.1. Bericht des Verwaltungsrats und Prüfungsbestätigung

DaBewertungsunsicherheitenmit derSacheinlagebzw.Sachübernahme verbunden sind,muss sich derVerwal-tungsratimGründungs-oderimKapitalerhöhungsberichtüber die «Art und den Zustand von Sacheinlagen oderSachübernahmen und die Angemessenheit der Bewer-tung»65äussern.EinzugelassenerRevisorüberprüftdenBerichtaufVollständigkeitundVertretbarkeitderBewer-tung66.BeidiesemBerichthandeltessichallerdingsblossumeinekurzeBestätigung,stattumeinenausführlichenBerichteinesSachverständigen67.

2.2. Zu enger Sacheinlage­ bzw. Sachübernahmebegriff

DieBegriffe«Sacheinlage»bzw.«Sachübernahme»sindzuenggefasst:EskönnennichtnurSachenbzw.Vermö-genswerte Gegenstand eines Sacheinlagevertrags sein,sondern auchVerbindlichkeitenoderderivativ erworbe-nerGoodwill,sofernsieTeileeinesgesamtenGeschäfts,

MittelzuflusswahrscheinlichistundihrWertverlässlichgeschätztwerdenkann.AndereVermögenswerte dürfennicht bilanziert werden.»56 Wenn ein Gegenstand nachArt. 959 Abs. 2 revOR nicht aktivierungspflichtig ist,kannergemässArt.959Abs.2S.2revORnichtaktiviertwerden57.DemzufolgehabendieBegriffeAktivierungs-pflicht und Aktivierbarkeit die gleiche Bedeutung, dadieserwiejenerimZusammenhangmitdeminArt.959Abs.2S.2revORenthaltenenAktivierungsverbotzuin-terpretierenist.

DasKriteriumderVerwertbarkeit58istangesichtsderLegaldefinitiondesAktivenbegriffesredundant.DaszeigtsichmitBlickaufArt.959Abs.2revOR:DieAktivier-barkeitdesVermögenswertsergibtsichu.a.ausdemver-lässlichschätzbarenMittelzuflusszugunstenderGesell-schaft.DiesesBegriffsmerkmalenthältansichschondieVerwertbarkeit (d.h. die Realisierbarkeit des ökonomi-schenPotenzialsderSache),dersichausdembetriebli-chenEinsatzoderderVersilberungdesVermögenswertesergeben kann.Wenn das ökonomische Nutzenpotenzialdes Gegenstandes nicht verwertbar ist, handelt es sichauchnichtumeinenVermögenswert.

InArt. 634Abs. 1 Ziff. 1 E-OR sind dieKriterien,dassdieeingebrachteSacheübertragbarseinmuss,unddieNotwendigkeit,dassdieSachederGesellschaftdirektzur ausschliesslichen Verfügung stehen muss, teilweisemitenthalten:EinGegenstandistnurdannnachArt.959Abs. 2 revORaktivierbar59,wenndieGesellschaft überden Vermögenswert verfügen kann60. Allerdings musshier auch beachtet werden, dass die RechnungslegungweitergehtalsdiereinformaljuristischeSichtweise.Un-ter gewissen Bedingungen sind sogar Leasing-Objekteals Vermögensobjekte der Gesellschaft zu aktivieren61.EinLeasing-Objekt steht allerdingsgeradenicht imEi-gentumdesLeasing-Nehmers.BeiderSacheinlagebzw.

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77 Vgl.GLAnzMAnn (FN 49),25.78 Vgl.reBsAMen (FN 63),N366;GLAnzMAnn (FN 49),25.79 DasBundesgericht hat inBGE128 III 178 f.Geschäfte, die im

Rahmen des Gesellschaftszwecks abgewickelt werden, von derSachübernahmebestimmung ausgenommen. Vgl. ForstMoser (FN 52), 1 ff.;LukAs GLAnzMAnn,Wann liegt eine (beabsich-tigte)Sachübernahmevor?,SZW2003,166ff.DerGesellschafts-zweckistallerdingsseitderAnpassungdesArt.628Abs.2ORdieam1.1.2008inKraftgetretenist,nichtmehrrelevant.

80 Vgl.BGE83II289.81 AuchgemässderBotschaftzumAktien-undRechnungslegungs-

rechtistderZweckdesGeschäftsde lege ferendakeinKriteriummehr,umzuermitteln,obeineSachübernahmegegeben ist.Da-mitstelltsichderBundesratmitArt.634aAbs.2E-ORgegendieRechtsprechung gemäss BGE 128 III 178; vgl. Botschaft zumAktienrechtundRechnungslegungsrecht,BBl2008,1640.

68 Vgl.reBsAMen (FN 63),N365;MüLLer(FN23),59f.;Meyer (FN 53),223.

69 Vgl.IFRS3.A;MüLLer(FN23),58.70 ImkünftigenRechtwerdendiewichtigstenBilanzbegriffemitLe-

galdefinitioneneingeführt;vgl.Art.959revOR;ausführlichdazu:MüLLer(FN38),400ff.

71 Vgl.reBsAMen (FN 63),N365.72 AnalogArt.11FusG.73 Art.628Abs.2OR.74 Art.628Abs.2OR.75 Vgl.BGE83II288m.w.Hw.76 Vgl.BöckLi(FN4),§1N220,334m.w.Hw.

rierungsnormen nur dann beweisbar sein, wenn die in-volviertenAkteure die vorhandene und genügend festeAbsicht, in Zukunft eine Sachübernahme abzuwickeln,zugeben. Die nie vollzogene, abermangelhaft offenge-legtebeabsichtigteSachübernahmekanndaherkaum jeerfolgreichvonDrittenerkanntwerden.

Mitjeder(beabsichtigten)SachübernahmeerfolgteineBareinzahlungaufeinKapitaleinzahlungs-oderKapital-erhöhungskontobeieinerBank;eserfolgtkeinedirekteÜbertragungdervondenAktionären(oderdiesennahe-stehenden Personen) zu übernehmenden Sachen an dieGesellschaft77.WerdenSachendirektandieGesellschaftübertragen, ohne ihr zuerst liquideMittel zu leisten, soliegtallerdingseineSacheinlagevor78.

FürdieFrage,obeineOffenlegungeinesGeschäfteserfolgenmuss,istderGesellschaftszweckohneBelang79.Entscheidendist,obdieÜbernahmeimRahmenderüb-lichen Geschäftstätigkeit erfolgt. Damit soll nicht jedegeringfügigeAnschaffungvonMöbeln,Büromaterialunddergleichenfürdie(künftige)GesellschafteineSachüber-nahmedarstellen80.VonderSachübernahmebestimmungsollendemnachnurGeschäftevongrössererwirtschaft-licherTragweite erfasstwerden81.WanneinbestimmtesGeschäftwesentlich ist,damitesvonderSachübernah-menormerfasstwird,istinderPraxisnichtimmerleichtherzuleiten.AusSichtderGesellschaftundihrerInvesto-renwäreeshilfreich,etwainderHRegVeineWesentlich-keitsschwelle oder zumindest Kriterien zur Ermittlungderwirtschaftlich bedeutendenGeschäfte zu definieren.DamitwürdedieRechtssicherheitgestärkt.

BeiderFrage,obeineSachübernahmevorliegt,sollteinBetrachtgezogenwerden,dass,wennderErwerb imRahmeneineröffentlichenSteigerungangestrebtist(undauchaufdieseArterworbenwird),fürdenGläubigerundfürandereAktionäreüblicherweisekeineMissbrauchsge-

bestehendausAktivenundVerbindlichkeiten,sind68.Spe-ziellistderFallderSacheinlagebzw.SachübernahmevonderivativerworbenemGoodwill,dasichdieserausdemkünftigenökonomischenNutzenvonVermögenswerten,dienichteinzelnidentifiziertundseparatbilanziertwer-den können, herleitet69. Weiter ist darauf hinzuweisen,dassfürderivativerworbenenGoodwillohnehindieAk-tivierungspflichtdesArt.959Abs.2revORzubeachtenist70.

Falls die Liberierung mittels einer Geschäftseinheiterfolgt,isteinegeprüfteBilanzbeizufügen,dienichtäl-teralssechsMonateseindarf71.Diesgiltzumindestdann,wennseitherkeinewichtigeÄnderunginderVermögens-lagederUnternehmungeingetretenist–andernfallssollteeineZwischenbilanz erstelltwerden,welche die für In-vestorenwesentlichenVeränderungenberücksichtigt72.

3. Sachübernahme und beabsichtigte Sachübernahme

WenndieGesellschaftvon«Aktionärenodereinerdiesennahe stehenden Person Vermögenswerte»73 übernimmtoderwennsiebeabsichtigt,«solcheSachenzuüberneh-men,somüssendieStatutendenGegenstand,denNamendesVeräusserersunddieGegenleistungderGesellschaftangeben.»74

Beabsichtigt ist die Sachübernahme,wenn eine «ei-nigermassen festeAbsicht für die nächste Zukunft undeine fast sichereAussicht aufVerwirklichungderselbenbesteht.»75DieAbgrenzungzwischeneinereinigermassenfestenAbsichtzurVerwirklichungundeinerungenügendfestenAbsicht ist freilichweder klar noch überprüfbar,solange keine entsprechendenBeweise vorliegen.Mehralseine«Gewissensforschung»(inkl.derStampa-Erklä-rung, mit welcher derVerwaltungsrat erklärt, dass ihmkeinenichtoffengelegten[beabsichtigten]Sachübernah-men bekannt sind) kann in der Praxis nicht erfolgen76.Sofern eineSachübernahmenur beabsichtigtwird, abernochnichtvollzogenist,kanneineVerletzungderLibe-

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88 Vgl.allg.HeinrichHonsell/NedimPeterVogt/WolfgangWiegand(Hrsg.), Basler Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,ORI,4.A.,Basel2011,roLF h. weBer,Art.398N25m.w.Hw.;vgl.auch:MAcchesney(FN1),72ff.m.w.Hw.

89 Gl. M., obschon in anderem Zusammenhang: AdriAn döriG/ dAVid weBer,DieprivateVerwertungvonFaustpfändernsowievonSicherheitenanBucheffekten,AJP/PJA2012,255.Vgl.auchvorneFN82.

90 DieVerantwortungverbleibtbeimVerwaltungsratunddenbeiderGründungmitwirkendenPersonen;vgl.Art.753OR.

91 Vgl.z.B.Art.635Ziff.1OR;Art.635aOR.DerzugelasseneRevi-sorprüftanschliessenddieVollständigkeitundRichtigkeitdesBe-richtsdesVerwaltungsrates;dazuvoranstehendAbschnittIII.2.1.

92 Vgl.GLAnzMAnn (FN 49),26.

82 ImErgebnisgleich,obschonunterschiedlicheBegründungen:BGE128III178f.undForstMoser (FN 52),12f.

83 Vgl.vorneAbschnittIII.2.84 Vgl.GLAnzMAnn (FN 49),26;thierry sPAnioL,SinnundUn-

sinnderSachübernahmevorschriften,GesKR2009,236.85 Vgl.BSKORII-FrAnz schenker (FN 4),Art.628N10.Vgl.

allgemeinzumBegriffdernahestehendenPerson:MArco sPAdin,Nahestehende Personen nach den internationalen Rechnungsle-gungsstandardsIFRS(IAS24),Zürich/St.Gallen2008.Differen-ziert und bezugnehmend auf die Handelsregisterpraxis:GLAnz-MAnn (FN 49),25.

86 Vgl.BGE138II59f.BSKORII-roLF wAtter/kAriM MAizAr (FN 4),Art.663bbisN22ff.,N32ff.m.w.Hw.;BöckLi(FN4),§8N492.

87 Vgl.wAtter(FN4),149,153f.;GLAnzMAnn (FN 49),24f.;s.auchdieNachweiseinFN2.

a prioriausgeschlossen,soweitesdieLeistungderEinla-gebetrifft.

Denkbar istetwa,dassderPreis fürdiezuüberneh-mende Sache von einem unabhängigen Gutachter fest-gelegtwird.SolangederunabhängigeGutachter fürdienahe stehenden Personen den Preis bestimmt, kann garkein Interessenkonflikt vorliegen. Der Bewertungsgut-achterwirdfreilichaucheinEigeninteressedaranhaben,dieRegeln seinesBerufsstandes zu beachten, denWertsorgfältigundfairzuermitteln,umdamitallfälligeHaf-tungsrisikenzuvermeiden88.DieBenachteiligungsgefahrkanndurcheinsorgfältigerstelltesGutachteneinesunab-hängigen Bewertungsexperten erheblich reduziert odersogarausgeschlossenwerden89.

Der Verwaltungsrat kann sich bei der Preisbestim-mungbeispielsweise,inAbsprachemitderGegenpartei,im Gründungsbericht bzw. im Kapitalerhöhungsberichtauf ein Bewertungsgutachten von einem unabhängigenExperten stützen90. Das Gesetz verlangt vom Verwal-tungsrat ohnehin nicht den perfekt richtigenWert, son-dernnureinevertretbareBewertung91.SolltederGegen-wertnichtzueinemvertretbarenWertangesetztsein,darfderzugelasseneRevisorkeinePrüfbestätigungerteilen.

3.2. Gemischte Sacheinlage und Sachübernahme

WenneinAktionäreineSacheinlageleistet,derenanzu-rechnender Wert die Einlageverpflichtung wertmässigübersteigtunddieGesellschafthierfürnebendenausge-gebenenAktien eine Gegenleistung gewährt, liegt lautArt.45Abs.3HRegVimUmfangdieserGegenleistungeineSachübernahmevor92.Eshandelt sichhierumdenFall,inwelchemz.B.AktienimWertvon100’000Fran-ken ausgegeben werden und eine Sache im Wert von200’000FrankenalsGegenleistungandieAGübertragenwird.DaderAusgabepreisnurhalbsogrossistundkeinAgio entstehen soll, bezahlt dieGesellschaft anschlies-

fahrgegebenseinkann.FolglichistindiesemFallauchkeine Sachübernahme offenzulegen.Öffentliche Steige-rungensindgeradezuderMusterfalleineszuMarktkon-ditionenabgewickeltenGeschäfts82.

Anders als in denkünftigenArt. 634aAbs. 1 und2E-OR vorgesehen, sollte die Sacheinlagefähigkeit einesGegenstandes83 hinsichtlich der mit der Sachübernah-menormenbeabsichtigtenPublizitätkeineRollespielen.Denn aus Sicht der Gesellschaft ist zur Verhinderungvon Schwindelgründungen dasWissen über potenzielleNetto-Mittelabflüsse relevant84.Wie indes schon inAb-schnittII.2gezeigtwurde,verfehltdieaktuelleRegelungihrebeabsichtigtenZiele.

3.1. Nahe stehende Person – oder besser: «Dealing at Arm’s Length»

ImGesetzfehltdieDefinitiondernahestehendenPerson.Die Lehre postuliert, dass der Begriff gleich ausgelegtwerdensoll,wiederjenigedernahestehendenPersoninArt.663bbisundArt.678OR85.Dasheisst,allekonkretenUmständedesGeschäftssollenmiteinemDrittvergleichgetestetwerden:Hätte dieGesellschaft das gleicheGe-schäft zu im Wesentlichen gleichen Konditionen auchmit derselben Person abgeschlossen,wenn sie eine un-abhängigeDrittegewesenwäre(Prinzipdes«dealing at arm’s length»)86?BeiderAuslegungderSachübernahme-bestimmungmussZiel sein, dass einGeschäftat arm’s lengthabgeschlossenwirdunddasskeinInteressenkon-flikt bezüglich dem Geschäft mit den nahe stehendenParteien auftritt. Falls dennoch ein Konflikt vorhandenist,sollenunabhängigeDrittedarüberinformiertwerden,bevorsichdiesefinanziellengagieren87.WirdderPreiszuBedingungenat arm’s length abgeschlossen, ist delikti-schesHandelnbeieinerGründungbzw.Kapitalerhöhung

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Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen, Rechtsfolgen bei Verletzung und Revisionsvorschlag

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100 Vgl.wAtter(FN4),148ff.;GLAnzMAnn (FN 79),170.101 Vgl.BSKORII-FrAnz schenker (FN 4),Art.634aN8.102 Vgl.Meier-hAyoz/ForstMoser(FN1),§16N96.103 Vgl.Art.635i.V.m.Art.635aORbzw.Art.652c,Art.652ef.OR.104 Sofernetwaein triangular mergerbeabsichtigtwird,könnendie

unabhängigen Minderheitsaktionäre gut abschätzen, ob die Ge-genleistung fürdieAktien fair ist.DiemaximalvertretbareZah-lungsbereitschaftfürdenzuübernehmendenVermögenswertistjaim Handelsregister sowie im Schweizerischen Handelsamtsblatt(SHAB)offenzulegen;vgl.einBeispielimSHABvom19.5.2010,Nr.95,128(2010)16,MeldungNr.5638764.

93 Vgl.GLAnzMAnn (FN 49), 26; BSK OR II-FrAnz schenker (FN 4),Art.628N12;reBsAMen (FN 63),N366.

94 Vgl.GLAnzMAnn (FN 49),25.95 Vgl.GLAnzMAnn (FN 49),25.96 Vgl.häFeLin/hALLer/keLLer(FN13),N1859ff.97 Vgl.Art.680Abs.2OR.98 Vgl. z.B.Art. 716aAbs. 1Ziff. 3 undArt. 663bZiff. 13 i.V.m.

Art.727ff.OR.99 Vgl.Art.717Abs.2OR;ForstMoser (FN 52),13ff.

einemAktionär(bzw.eineranderennahestehendenPer-son)einGeschäft abschliesst,umeinenVermögenswertzu übernehmen und einen übersetzten Preis hierfür zubezahlen100.SelbstwenndiesbeieinerKapitalerhöhunggeschieht,dannkönntedieGegenleistungfürdieAktienindiesemFallmittelsLiberierungdurchVerrechnunger-folgen–wederindenStatutennochimHandelsregistermussdies speziell offengelegtwerden101.Es ist deshalbfraglich,wieso (oderzumindest inwelchemMasse)dieSachübernahmebestimmung auf Kapitalerhöhungen an-gewandtwerdensoll.

3.4. Erstbewertung und Bewertungsstichtag

Bei Sachübernahmen besteht stets das Risiko, dass dieGesellschaft letztlich keinen angemessenen GegenwertfürdieausgegebenenAktienerhält.DieseGefahrgehörtallerdingszujedemRechtsgeschäftundzumallgemeinenbetrieblichenRisiko,unabhängigdavon,obdieAGinderGründungbegriffenoderbereitsetabliertist102.

DieErstbewertungderzuübernehmendenSacheistzueinemvertretbarenBetraganzusetzen.Andernfallskannder zugelassene Revisor den Kapitalerhöhungs- bzw.GründungsberichtnichtmitpositivemErgebnisprüfen103.InderPraxisistesüblich,einemaximaleZahlungsbereit-schaft für den zu übernehmenden Sachwert anzugeben,sofernderKaufpreisnochnichtfeststeht.Problematischistdiesnur,wennauchandereParteiendengleichenVer-mögenswert erwerbenmöchtenoderwennetwabeidernahestehendenPersonaufVerkäuferseiteauchnochDrit-temitbestimmen können, zuwelchemPreis eine Sacheverkauftwerdensoll.Zudenkenisthierv.a.andieKon-stellation,wenneineTochtergesellschaftgegründetwird,ummiteineranderenGesellschaft,anderschoneinesub-stanzielleAktienmehrheitbesteht,zufusionieren104.

Die konkrete Formulierung einer Statutenbestim-mung zur (beabsichtigten) Sachübernahme ist problem-beladen,danichtnurderVeräussereroftnichtfeststeht,sondernauchderPreishäufignochunbestimmtist.NachderSachübernahmenormistdieAngabeeinesungefähren

send dem Aktionär 100’000 Franken. In diesem Fallkann allerdings gar keineSachübernahmevorliegen, daderAktionärnichtGeldaufeinBankkontoeinzahlt–derZahlungsstrom erfolgt in der umgekehrten Richtung93.MitjederSachübernahmeerfolgteineBareinzahlungaufeinKapitaleinzahlungs-oderKapitalerhöhungskontobeieinerBank;diedirekteÜbertragungdervondenAktio-nären oder diesen nahestehenden Personen zu überneh-mendenSachenandieGesellschaft erfolgtgeradeebennicht94.WerdenSachendirekt geleistet, ohne zuerst derGesellschaft liquideMittel zu zahlen, so liegt teilweiseeineSacheinlagevor95;dieZahlungdesGeldbetragesistbeiderSacheinlageallerdingsnichtvorgesehen.DadieVerordnungeinejuristischwesentlichandersstrukturierteTransaktionsvariante als dasORerfasst,müsste die ge-mischteSacheinlageundSachübernahmeimGesetzstattnuraufVerordnungsstufegeregeltsein96.

Alternativ könnte eine missbräuchliche Ausführungdieser Transaktionsvariante als Verletzung des VerbotsderEinlagenrückgewährbetrachtetwerden97.Weiterfälltauf,dassbeidergemischtenSacheinlageundSachüber-nahme(versehentlich?)dieFormulierung«nahestehendePerson»fehlt–dieswürdebeiwörtlicherAuslegungzueinemweiterenAnwendungsbereich desArt. 45Abs. 3HRegValsbeiArt.628Abs.2ORführen.

3.3. Sachübernahme bei Kapitalerhöhungen

Art.652cORverweistfürdieLeistungderEinlagenaufdie Bestimmungen der Gründung. Grundsätzlich gel-ten also dieselben Sachübernahmebestimmungen auchfür Kapitalerhöhungen. Beim Kapitalerhöhungsprozess,beidemdieAktienzeichnendenPersonenRechenschaftüberdiezuliberierendenMittelabgeben,dieGesellschaft(inkl. der relevantenAufsichts- und Kontrollmechanis-men)98schonbestehtunddieOrganeschonbestelltsind,ist das Schutzbedürfnis geringer. Der Verwaltungsratmuss–imGegensatzzudenGründern–mitallerSorg-faltundLoyalitätVerträgeabschliessen99.Für ihn istesmöglich,Fremd-stattEigenkapitalzubeschaffen.Denk-barist,unabhängigvonderKapitalerhöhung,dassermit

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114 Vgl.Art. 960a undArt. 960b revOR;MüLLer (FN 38), 409 f.m.w.Hw.

105 Vgl.BöckLi(FN4),§1N384.106 DieseAussagegiltnur,sofernderKreisderpotenziellenVertrags-

partnerausschliesslichausnahestehendenPersonenbesteht.107 Vgl.BöckLi(FN4),§1N384.108 Vgl.wAtter(FN4),151.109 Vgl.voranstehendAbschnittI.zurProblematik.110 Vgl.MüLLer (FN 38),409f.111 Vgl.Art.628Abs.4OR.112 Vgl.BGE132III674ff.113 Vgl.Art.960aAbs.1revOR.

rungen)liegt,istgrundsätzlichnichtzulässig.EineAus-nahmevondieserRegel istnurbeiderFolgebewertungvon Vermögenswerten mit beobachtbaren Marktpreisendenkbar;solcheAktivendürfenzuhöherenWerteninderBilanzangesetztwerden114.

a. Bewertungsproblematik anhand eines hypothetischen Fallbeispiels

DieBewertungsproblematikzeigtderfolgendeFall:DieGesellschaft X beabsichtigt, zum Zeitpunkt t0 für denPreisvon10Mio.FrankendieAktienderGesellschaftYzuübernehmen.DerPreisderzuübernehmendenAktiensoll objektiv vertretbar und richtig sein. Beide Gesell-schaftensindTeiledesgleichenKonzerns.

FürdiePreisbestimmungwurdezumZeitpunktt1einBewertungsgutachtenvoneinemunabhängigenExperteneingeholt.DieserwendetedieindenWirtschaftswissen-schaften üblichen Bewertungsmethoden an und stellteeinenWertvon10Mio.Frankenfest.DiebeabsichtigteSachübernahme wurde zum Zeitpunkt t2 unter Einhal-tung der Sachübernahmevorschriftenmit einem (objek-tiv betrachtet immer noch vertretbaren) Maximalpreiszu15Mio.Frankenbeurkundet,umvorsichtshalberallevorhersehbarenWertsteigerungenzuberücksichtigen.DieStatutenklauselwurde anschliessend imHandelsregistereingetragenundistseitherpublik(t3).DieAktienderGe-sellschaftYwurdennochnichtübernommenundeswur-deauchnochkeinentsprechendesVerpflichtungsgeschäftvereinbart.Gutein Jahr später, zumZeitpunkt t4, ergibtsich,dassdieGesellschaftYeinenwichtigenGrosskun-dengewonnenhat;dieswarex antevonniemandemvor-hersehbar.

DerWertderGesellschaftYhatsichinderFolgever-doppeltundbeträgtnun20Mio.Franken.Daswirdvomexternen und unabhängigen Bewertungsgutachter heute(t5)entsprechendbestätigt.AussteuerlichenGründenwilldieErwerberindeshalb20Mio.Frankenbezahlen,damitderPreisat arm’s lengthist.EsstelltsichnundieFrage,obdieNormenzurbeabsichtigtenSachübernahmeeinge-haltensindoderobdieStatutenklausel–unterEinhaltungallerFormvorschriften–neubeurkundetundimHandels-registereingetragenwerdenmuss.DieFragestellt sich,obwohl unmittelbar vor t4 niemand vorhersehen konnteodermusste,dasssichderWertderartstarksteigernkonn-te,dassderobjektivbestimmbareWertnunoberhalbdesimHandelsregistereingetragenenBetragesliegenwürde.Problematisch ist dies, da eine Missachtung der Sach-

Preisesnichtzulässig.EskannindesnurdieAngabeüberetwasverlangtwerden,dasspätestensbiszumZeitpunktderEintragungindasHandelsregisterschonsoexistiertoderzumindestbestimmbarist105.DenneineTransparenz-normkannnichtmehr fordern als dieOffenlegungvonAngabenübereineTatsache,diebereitsexistiert,rechts-bindendvereinbartistoderwovonzumindestzweifelsfreiabsehbar ist,dassdieAbsicht, solcheinGeschäftabzu-schliessen,sichletztlichverwirklichenwird.

WennUngewissheit über den (nahe stehenden)Ver-tragspartnerbesteht,istjenernichtzunennen106,undeinMaximalbetrag istdiegängigeLösung,wenndiePreis-verhandlung noch nicht beendet ist107. Falls eine dritteParteianderVerhandlungteilnimmt,istdiesfürdenKäu-fer indes ein erheblicher Nachteil in der Preisverhand-lung, da damit die maximale Zahlungsbereitschaft imHandelsregisteroffengelegtwird108.InsbesondereimFallderbeabsichtigtenSachübernahmeführtdieszuSchwie-rigkeiten und Risiken für Gesellschaft sowieAktionäreundGläubiger,daunklarist,wiemanifestdieAbsichtei-nerSachübernahmeseinmuss–Absichtenkönnen sichändern109.

3.5. Folgebewertung

FürdieGesellschaftundInvestorenistnichtnurdieErst-bewertung relevant, sondern auch die Folgebewertung,d.h. die Erfassung von Wertverlusten oder Wertsteige-rungenübermehrereRechnungslegungsperioden110.Diesgiltumsomehr,alsStatutenklauselnzur(beabsichtigten)SachübernahmegrundsätzlichzehnJahrelangindenSta-tutenenthaltenseinmüssen,esseidenn,dieGesellschaftverzichteendgültigaufdieSachübernahme111.

Laut einem Bundesgerichtsentscheid zur Sacheinla-gedarfdieSacheinlagenichthöherbewertetwerden,alses im Sacheinlagevertrag vereinbartwurde112;Analogesmuss auf die Sachübernahme und den Sachübernahme-vertrag zutreffen. Dies muss auch nach neuem Rech-nungslegungsrechtgelten,daessichhierumdieAnschaf-fungskosten113handelt.DieFolgebewertung,dieüberdenAnschaffungskosten (abzüglich allfälliger Wertminde-

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118 Vgl. Botschaft zum Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht,BBl2008,1640.ImBegleitberichtzumVorentwurfzurRevisiondes Aktien- und Rechnungslegungsrechts im Obligationenrecht,2.Dezember2005,43f.wurdevorgeschlagen,aufdieErwähnungderSacheinlageundSachübernahme indenStatuten zuverzich-ten.FürdieAbschaffung:hAnsPeter wALter/MAJA BLuMer,SiebenThesenundDenkanstössezurSachübernahme, in:RobertWaldburger/CharlotteM.Baer/UrsulaNobel/BeatBernet(Hrsg.),Wirtschaftsrecht zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Festschrift fürPeterNobelzum60.Geburtstag,Bern2005,425.

119 Vgl.AbschnittI.a.E.120 Vgl.GLAnzMAnn (FN 49),27.

115 Vgl.voranstehendAbschnittI.116 Vgl.voranstehendAbschnittIII.3.1.117 Art.665OR(respektiveArt.960arevOR),dieanwendbareNorm

zurBewertungvonAktien,setzthiernochkeineBewertungsober-grenze,dadieSachenochgarnichterworbenwurde.Art.665ORverlangtlediglich,dassAnlagevermögenzuhistorischenKosten–abzüglich notwendiger Abschreibungen (bzw. Wertberichtigun-gen)–inderBilanzangesetztwerden.

sindgewahrt,daohnehineinPreisat arm’s lengthgezahltwird.DienachträglichfestgestelltePreisveränderung,dieausderFolgebewertungergibt,musssomitnichtneu inden Statuten beurkundet bzw. im Handelsregister ein-getragen werden. Für die Investoren wäre ohnehin dietransparente Kommunikation der Folgebewertung einerSachübernahmedurchOffenlegung ineineralternativen(periodisch sowie zeitnah kommunizierten) Form, etwaimAnhangzurJahresrechnung,nützlicher.

IV. Revisionsvorschlag: keine Nichtigkeit bei Verletzung der Sachübernahme­vorschriften

DerGesetzgeber hat es leider verpasst,möglicheAlter-nativen zurRechtsfolge beiVerletzungSacheinlagevor-schriften,beispielsweiseAnfechtbarkeitstattNichtigkeitdernichtgehörigoffengelegtenTransaktion,ernsthaftzudiskutieren.AucheineVariante,dieallenfallsdieNach-liberierungverlangt,odergardieAbschaffungderSach-übernahmenormen haben es, soweit ersichtlich, nochnichtaufdiepolitischeAgendageschafft118.

1. Anreiz zur freiwilligen Offenlegung und Nachliberierung

Unklar ist, warum der Gesetzgeber die Verletzung derNormenzur(beabsichtigten)Sachübernahme,mitderul-tima ratio–derNichtigkeit–unverhältnismässigscharfsanktionieren will, obschon eine mildere Rechtsfolgeauchmöglichundmindestenssonützlichwäre119.Sinn-vollerwäre es,wenn derGesellschafter zu demBetragliberierungspflichtig bleibt, zu welchem er seiner Leis-tungspflicht effektiv nicht nachgekommen ist120. DerGegenstand soll damit, falls dieSachübernahmenormenverletztwerden,beiderGesellschaftbleibenundentspre-chend soll eine Nachleistungspflicht (mit Bargeld oder

übernahmevorschriften für alle Parteien einschneidendeKonsequenzenhat115.

b. Analyse: Muss der offengelegte Wert nachgeführt werden?

WennsichinderFolgebewertungderWertderzuüber-nehmenden Sache wesentlich verändert, stellt sich dieFrage,obdieimHandelsregistereingetrageneSachüber-nahmestatutenklausel angepasst werden muss. Sofern,wieimhypothetischenFallbeispiel,bisundmitZeitpunktt3feststand,dassdieSacheat arm’s lengthübernommenwerdensollundderexterneGutachterentsprechenddenPreisbestimmte,kanndieskeinProblemdarstellen.Al-lerdingsistbeieinerTransaktionat arm’s lengthohnehinfraglich, ob dieVorschriften zur (beabsichtigten) Sach-übernahmebefolgtwerdenmüssen116.

DieBewertungeinerSachekannsichnachträglichver-ändern.Dasistimmermöglichundnormal–undwarindiesemAusmassimgegebenenFallbeispielex antenichterkennbar.DamitdürftezumZeitpunktt3rechtsgenüglichpublikgemachtworden sein,wasdamals existierte,be-kanntwarundalsbekanntvorausgesetztwerdendurfte.DerWertderübernommenenAktienentsprachdembe-zahltenPreis,zumalderPreisgeradevoneinemexternenGutachterobjektivat arm’s lengthermitteltwurde.Miss-brauchspotential, dasmit derAufbringung desKapitalszusammenhängt,istsomitweitestgehendminimiert.

Man kann dieses Argument damit kontern, die er-worbeneSachekönnte–bewertungsbedingt–einenge-ringerenWertaufweisen,alsderexterneGutachterdiesfestgestellthat.DieBewertungsdifferenzkannbeispiels-weise dadurch entstehen, dass die erworbene Sache inderZwischenzeitanWertverlorenhat.AllerdingshabenVermögensgegenständedieEigenschaft,dassderenWertschwankenkann(z.B.einAutoerleideteinenTotalscha-denoderAktiengewinnenerheblichanWert).WennderPreisanhandeinesobjektivbestimmtenWerteszuermit-telnist,dannschwanktsomitauchderPreis,zudemeineSacheerworbenwerdensoll117.

Im hypothetischen Beispiel ist die Tatsache publik,dass eine Sachübernahme beabsichtigt ist und die Inte-ressen der Gesellschaft, aller Aktionäre und Gläubiger

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125 Vgl.MAcchesney(FN1),78ff.126 Vgl.SwissGAAPFER15;NZZMediengruppe,Geschäftsbericht

2011,64.127 Vgl.vorneFN3.128 Wie weit die Prüfungspflicht der Revisionsstelle geht, bestimmt

sichanhandderRevisionsart.BeiderordentlichenRevisionmussdie Revisionsstelle die Einhaltungmit demGesetz und der Sta-tutenpositivbestätigen (Art.728aOR).BeidereingeschränktenRevisionbestätigtsielediglichmiteinemaufanalytischePrüfungs-handlungenbeschränktenreviewobIndizienvorliegen,ausdenenzuschliessenist,dassdieJahresrechnungnichtdemGesetzoderdenStatutenentspricht (Art.729aOR);vgl.BSKORII (FN4),roLF wAtter/dAnieL c. PFiFFner, Art. 728a N 76 ff. undArt.729aN10ff.m.w.Hw.

129 DerVerwaltungsratmöchteindiesemFallwohlnichtsolidarischhaftenmüssenundwirddarumregelmässigHandfürdiegeeigneteOffenlegungderTransaktionbieten.

121 Vgl.vorneFN6.122 Vgl.Art.753OR.123 Vgl.voranstehendAbschnittII.2.124 Vgl.etwadieVorgaben,dieinSwissGAAPFER15verlangtwer-

den.DieSachübernahmekönnteetwaanalogdemRastervonNZZMediengruppe, Geschäftsbericht 2011, 64 ausgestaltet werden.DenkbaristaucheineausführlichereGestaltung,diesichanIAS24betreffendRelated Party Disclosuresanlehnt.

Persongetätigtwurde,vermag in solcheinemFalledieAdressatenderoffengelegtenDatenbesserzu informie-ren125. Demnach wäre die Transaktion zu beschreiben,d.h.denGegenstand,dasVolumenderTransaktion(z.B.alsBetragoderVerhältniszahl)sowiediefürInvestoren(entscheidungsnützlichen) übrigen Konditionen, soweitsieschonvereinbartwurden126.

EinweitererVorteilderOffenlegung imAnhangderJahresrechnungistdieeffektiverePrüfungdurchdieRe-visionsstelle.DerHandelsregisterführerhatimVergleichzurRevisionsstelle ohnehin nur eine beschränktemate-rielleKognition127.AuchkannderHandelsregisterführernur,sozusagenaufseinemSchreibtisch,dieeingereichtenBelege und anzumeldenden Tatsachen überprüfen, wo-hingegendieRevisionsstelle(sofernkeinOpting-outbe-schlossenwurde)dieJahresrechnungeinschliesslichallerBuchungsbelegedirektvorOrtüberprüfenkann128.Idea-lerweisesolldieRevisionsstellezusammenmitderVer-tretbarkeitderBewertungauchdieFairnessderSachüber-nahmebeiderPrüfungdesJahresberichtsverifizieren.

DerAktionär hat im Zweifelsfall den gesamten ur-sprünglichenBetrag (nochmals) bar zu leisten.Vom zuliberierendenBetragkannderAktionärdenbereits(netto)geleistetenobjektivenWertderSacheinAbzugbringen.DieBeweislast fürdieWerthaltigkeitdeseingebrachtenVermögensgegenstandes soll der liberierende Aktionärtragen,esseidenn,erhätteschonveranlasst,dassderVer-waltungsratingeeigneterFormdie(beabsichtigte)Sach-übernahmeoffengelegthat129.

Mit der freiwilligen Offenlegung soll nach der hiervertretenenLösungeineBeweislastumkehrerfolgen.Die-ser Offenlegungsanreiz soll den Einwand ermöglichen,dass bereits genügend erfülltwurde.Damit können all-fällige Haftungsansprüche, die mit einer verschleiertenSachübernahme zusammenhängen, vermieden werden,

mitanderenVermögenswerten)entstehen.VonderRück-abwicklungderTransaktionistdringendabzusehen.DieGläubiger haben hiermit im Missbrauchsfall immerhinschondenerworbenenVermögenswertalsHaftungssub-strat–obschondieGesellschaftdafürzuvielbezahlthat.DieSanktionierungkönnte etwadadurch erfolgen, dassder Aktionär, der die Sachübernahme verschleiert hat,zurStrafebeispielsweisenochmaldenZeichnungsbetragleistenmüsste.Damitwürdelediglichderdeliktischhan-delndeGründerbzw.dieihmnahestehendePersonsank-tioniert,stattdiegesamteGesellschaftundihreGläubigermitderNichtigkeitzutreffen,dadadurchregelmässigderübernommeneVermögenswertderGesellschaftundihrenGläubigernentzogenwird121.EinweitererVorteildieserLösungwäre, dassdurchdieseHaftungVermögenssub-strat der Gesellschaft latent vergrössert würde. Ein zu-sätzlichesHaftungsrisikowirddemGründeroderderihmnahestehendenPersonnichtaufgebürdet,daessichhierumeinemodifizierteFormderGründerhaftung122handelt,welchedieDurchsetzungderSchadenersatzansprücheinMissbrauchsfällenerleichtert.

Ziel der Sachübernahmeregeln muss es sein, poten-zielle Interessenkonflikte zu minimieren und – wo sievorhanden sind – eine geeignete Offenlegung zu errei-chen:DieskannimHandelsregister,imAnhangzurJah-resrechnung oder in einer anderen geeigneten Form er-folgen. IdealerweisesollderAnreizgesetztwerden,derdieGründerunddieihnennahestehendenPersonendazubewegt,dempotenziellenInvestorenkreis freiwilligent-scheidungsnützliche Informationen zur Verfügung stel-len.DiefreiwilligeOffenlegungsollnichtzwingend imHandelsregistererfolgenmüssen,dadieseInformationenohnehinraschanAktualitätverlieren123.StattdessensollderHandelsregistereintragnur auf freiwilligerBasis er-folgen,soferndieBekanntmachungnichtzeitnahineineranderengeeignetenFormgeschieht.FürInvestorenistesoftnützlicher,wenneineOffenlegunganalogeineman-erkanntenRechnungslegungswerkwieetwaSwissGAAPFER124oderbeispielsweiseimnachORerstelltenAnhangderJahresrechnungerfolgt.EinAusweisinder(imbestenFall von interessierten Investoren einsehbaren) Jahres-rechnung,dasseineTransaktionmiteinernahestehenden

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kann. Deshalb sollte die teilweise Liberierung entspre-chendArt.632ORmöglichsein.Hieristallerdingszeit-nahfürgenügendePublizitätindenStatuten,imHandels-registerundinderBilanz(inkl.Anhang)zusorgen136.

Falls die Zahlungsunfähigkeit des Einbringers bzw.desGründersdazuführt,dassdastatsächlicheinbezahlteAktienkapitalinsgesamtunter50’000Frankenzuliegenkommt oder die Sachübernahme effektiv nicht einmal20% seines gezeichneten Nennwerts deckt und ander-weitignochkeinKapitalbeschafftwerdenkonnte,istdasweitere Vorgehen sorgfältig abzuschätzen. Denkbar ist,dassaufAntrageinesGläubigers,AktionärsoderdesHan-delsregisterführers der Richter der Gesellschaft analogArt.731bOReineangemesseneFristzurWiederherstel-lung der gesetzlichenMindestkapitalstruktur setzt.DieskannmitdernachträglichenLiberierunggemässArt.634aORumgesetztwerden.DieanalognachArt.731bORan-zusetzendeFrist soll, soferndieGesellschaft schonvonAnfang anGewinne ausweisen kann oder zumindest inabsehbarerFristAussichtaufGewinnbesteht,grosszügigbemessensein.IndiesemFallmussesauchgestattetsein,nachträglich die Liberierungmittels frei verwendbaremEigenkapital zuzulassen137. Dies würde (betriebswirt-schaftlich) implizieren, dass das Geschäftsmodell wohlfunktioniert.Dasheisst,dassdieGesellschafttrotzdeszugeringenAktienkapitals sich selbst finanziert138. Konse-quenterweisesollteindiesemFalldieAusschüttungvonGewinnen inFormvonDividendenso langeunzulässigbleiben,bisdieGesellschaftihrKapitalmindestensent-sprechendArt.632OReinbezahlthat.

Fallszuerwartenist,dassdieKapitalbeschaffungnacheiner angemessenenFristwedermittels externerFinan-zierung noch mit (interner) Selbstfinanzierung gelingt,mussdieGesellschaftordentlichliquidiertwerden.Diesgiltumsomehr,alseszumutbarist,füreinUnternehmenbis zu 50’000 Franken an Risikokapital zu beschaffen.AnsonstensindwohlauchZweifelanderUmsetzbarkeitdesGeschäftsmodellsangebracht.

136 AllenfallskönnteeineOffenlegungdernachträglichnurteilweiseerfolgtenLiberierungdieInvestorenzurVorsichtmahnen.DerVer-waltungsratwillwohleine(u.U.rufschädigende)red flagvermei-denunddenMissstandbeheben,bevorerdieungenügendeLiberie-rungaufgrundeinerSachübernahmeerklärenmuss.

137 Vgl.Art.652dORi.V.m.Art.634aOR.138 DadieAnfangsinvestitionteilweisebeträchtlichseinkönnen,sollte

eskurzfristigauchgenügen,wenndieErträgedievariablenKos-ten(z.B.LöhneoderMaterial)übersteigen–damitwirdimmerhinaucheinTeilderFixkostengedeckt.ZurErläuterung:VariabelsindKosten,dievonderproduziertenMengeabhängigsind.DieFix-kosten(Miete,Kreditkosten)fallengrundsätzlichunabhängigvonderproduziertenMengean.Vgl.Meyer(FN43),183und234.

130 Vgl.dasBeispielinAbschnittI.131 Vgl.634aAbs.1undArt.683OR.ZurKaduzierungsieheBöckLi

(FN4),§1N332ff.m.w.Hw.132 Vgl.Art.681Abs.2OR;BöckLi(FN4),§1N332ff.133 Vgl.Art.671Abs.2Ziff.2ORbzw.Art.671Abs.1Ziff.3E-OR;

BöckLi(FN4),§1N341ff.134 Vgl.Art.681Abs.2OR.135 Vgl.Art.716aAbs.1OR.

daDrittedurchdiePublizität,soweitüberhaupteinGe-fahrenpotenzial vorhanden ist, gewarntwerden können.Der Kläger kann mit dieser Beweislastverteilungsregeldie Haftungsansprüche leichter durchsetzen, sofern In-formationenverschwiegenwurden.Undumgekehrtkann,werdiewesentlichenEckpunktederTransaktionfreiwil-lig den interessierten Parteien offenlegt, die BeweislastderGegenparteizuweisen.

2. Zahlungsunfähigkeit des Sacheinbringers

FürdenFall,dassdienichtoffengelegteSachübernahmetatsächlichzueinemunfairenPreisabgewickeltwurde130,der Aktionär somit einen missbräuchlichen Vorteil fürsichherausschlagenkonnteundernunnachzahlenmuss,stelltsichdieFrage,waspassiert,wenneretwazahlungs-unfähigwirdodergarnichtmehrexistiert.IndiesemFallmüsstendienichteinbezahltenAktienneuherausgegebenwerden.HierfürsinddieNormenzurKaduzierungzube-folgen131. DerVerwaltungsratmuss dem säumigen Ein-bringeroderGründer(sofernernochexistiert)schriftlicheineNachfristzurZahlungundeineDrohungdesEntzugsderAktionärsrechtemitteilen132.WennderAktionär tat-sächlichzuwenigfürseineAktiegeleistethat(bzw.einemissbräuchliche Sachübernahme vollzogen wurde), istihm dieAktionärsstellung zu entziehen. Ein bisher ge-leisteterLiberierungsbetrag–dievonderGesellschaftzuteuerübernommeneSache–verbleibtalsKaduzierungs-gewinnbeiderGesellschaft133.AnstellederausgefallenenAktiensindneueAktienauszugeben134.

Sollte die externeEigenkapitalbeschaffung nicht ge-lingen,musssituativvomVerwaltungsratgeklärtwerden,obdieGesellschaftordentlichzuliquidierenistoderobdie bisherige Finanzierungsstruktur für den operativenBetrieb ausreicht135. Immerhin muss es zulässig sein,auchnureineteilweiseLiberierungderAktienzudulden.NachArt.632ORbeträgtdieMindesteinlage jederAk-tie20%ihresNennwertsundinjedemFallmussinsge-samtmindestens50’000FrankendesAktienkapitalslibe-riertwerden.AuchderGesetzgeberanerkenntmitdieserNorm, dass es eineAktiengesellschaft mit weniger als100’000 FrankenAktienkapital erfolgreichwirtschaften

Page 15: Zur Sachübernahme: Funktion, Voraussetzungen ......62 (1976), 7 ff. Vgl. Art. 620 Abs. 1 OR. Die Ausführungen hier gelten mutatis mutandis auch für die GmbH; vgl. Art. 777c Abs

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L u k a s M ü l l e r

AJP/PJA 10/2012

3. Änderung der HRegV als Sofort­massnahme

Bis eine Änderung der Sachübernahmenorm erfolgenkann, ist die Empfehlung diesesAufsatzes, dieHRegVentsprechendzuergänzen,dassbeieinernichtkorrektof-fengelegten(beabsichtigten)Sachübernahmederliberie-rendeAktionärdenFehlbetragersetzenmuss.DaswäreindenFällenrelevant,indenendieGesellschafteinenVer-mögenswertvoneinemAktionäroderihrnahestehendenPersonzueinemübersetztenPreisübertragenerhält.DerEinzahlungsverpflichtungsollnotfallsauchinbarnach-gekommenwerdenmüssen139.SoferndieShare-undSta-keholderderGesellschaftnichtvondemVeräussererderSachegeeignet informiertwurden, isterbeweispflichtigbezüglichderex anteFairnessdesGeschäfts(unddamitderWerthaltigkeit des Vermögenswerts). Basierend aufdemWertdereingebrachtenSachesollhierausdieHöhedesnachträglicheinzubezahlendenLiberierungsbetrageszumZeitpunktdesBeschlussesderSachübernahmefest-gestelltwerden.DieandereAlternativeistdasNachholender entsprechendenFormalitäten, soweit dies überhauptnachträglichnochmöglichist140.

139 Vgl.BöckLi(FN4),§1N444.AllerdingswirddienachträglicheBareinzahlungnichtmöglichsein,danachAnsichtderbisherigenDoktrindieGeneralversammlungdieSachübernahmebeschliessenmuss.DamitmussdereingebrachteVermögenswertstattderBar-einzahlungoffengelegtwerden;vgl.BGE83II288ff.

140 Vgl.FN8.