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Veröffentlichung der Abteilung "Organisation und Technikgenese des Forschungsschwerpunktes Technik-Arbeit-Umwelt am WZB FS II 97-114 Zur Soziologie des Konstruierens von Friedrich Glock* * Friedrich Glock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Technik und Gesellschaft der TU-Wien Projektgruppe Mobilität Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, 10785 Berlin Tel. 030-25491-0, Fax 030-25491-209

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Veröffentlichung der Abteilung "Organisation und Technikgenese des Forschungsschwerpunktes Technik-Arbeit-Umwelt am WZB

FS II 97-114

Zur Soziologie des Konstruierens

vonFriedrich Glock*

* Friedrich Glock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Technik und Gesellschaft der TU-Wien

Projektgruppe MobilitätWissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB)

Reichpietschufer 50, 10785 Berlin Tel. 030-25491-0, Fax 030-25491-209

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Seite 3

Inhalt

ABSTRACT 5

SUMMARY 6

EINLEITUNG 7

1. KONSTRUIEREN, ENTWERFEN, DESIGN 9

2. KONSTRUKTIONS- UND ENTWURFSMETHODIKEN 11

2.1. Technikgestaltung in der Ingenieurausbildung 132.2. Phasenschemata, Methodiken und Methoden 142.3. Konstruktionsmethodiken im Maschinenbau 162.4. Entwurfsmethoden in der Informatik 182.5. Kritik an den Konstruktions- und Entwurfsmethodiken 21

3. EMPIRISCHE KONSTRUKTIONSFORSCHUNG 23

3.1. Konstruieren als Problemlosen - der kognitive Ansatz 233.2. Charakteristika technischen Problemlösens 273.3. Technische Kreativität 283.4. Empirische Untersuchungen - Methode der Protokollanalyse 283.5. Empirische Untersuchungen im Software Design 31

4. KRITIK AM KOGNITIVEN ANSATZ 33

4.1. Probleme des Modells rationalen Handelns 344.2. Das Zweck-Mittel-Schema 35

5. METHODOLOGISCHE UMORIENTIERUNG 37

5.1. Das Konzept der Situation 375.2. Kontexte 45

6. DESIGN ALS SOZIALER PROZEß 56

6.1. Rahmen 566.2. Modulationen 566.3. Konstruieren als Modul 56

7. KONSTRUIEREN ALS ZIELINTERPRETATION 5 8

8. (KONSTRUKTIONS-) HANDELN UND BEDEUTUNG 63

9. DESIGN ALS INTERAKTION 69

10. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 76

11. LITERATUR 79

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Abstract Seite 5

Abstract

Konstruieren und Entwerfen sind zentrale Tätigkeiten alltäglicher Praxis von Technikern und ihre Ergebnisse - technische Produkte - oft von eminenter gesellschaftlicher Bedeutung. In den Ingenieurwissenschaften gibt es seit langem Bemühungen die Vorgänge beim Konstruieren zu verstehen und v.a. das Interesse sie rational zu durchdringen, sowohl um sie lehrbar zu machen wie auch sie zu rationalisieren bzw. auch zu simulieren. In jüngster Zeit wurde begonnen, Konstruktionsprozesse empirisch zu untersuchen und es etabliert sich eine Konstruktionswissenschaft. Insoweit Konstruktionswissenschaft erforscht, wie Gestaltungs- und Konstruktionsprozesse empirisch verlaufen, kann sie als Sozialwissen­schaft aufgefaßt und betrieben werden. In der sozialwissenschaftlichen Technikforschung hat dies noch wenig Berücksichtigung gefunden, obwohl sich gerade Konstruieren als ein Kern der Ingenieurtätigkeit als interdisziplinäres Forschungsfeld anbietet und eine oft beklagte Kluft zwischen Ingenieur- und Sozialwissenschaft zu überbrücken verspricht.In dieser Arbeit wird aufgrund vorliegender Untersuchungen auf Unzulänglichkeiten der in der empirischen Konstruktionsforschung bislang dominierenden Modelle zweckrationalen Handelns und des kognitiven Ansatzes hingewiesen und eine methodologische Umorien­tierung vorgeschlagen. Technikgestaltung wird bis in den Mikrobereich des Konstruierens als sozialer Prozeß aufgefaßt und interaktionstheoretisch zu beschreiben versucht. Konstruieren wird nicht als ausschließlich technisches und zielgesteuertes, sondern als zielinterpretierendes Handeln konzipiert. Verstehen und Auslegung von Zielen und damit nicht nur Problemlosen sondern auch Problemkonstituierung beim Konstruieren wird her­vorgehoben. Vorgeschlagen wird ein interpretativ rekonstruierender Ansatz, der Konstruk­tionsprozesse mit sozialwissenschaftlichen Konzepten der Situation bzw. situativen Han­delns, Kontexte und Rahmen begreift. Der Ansatz zielt auf eine verstehende Rekonstruktion kultureller Rahmungspraktiken wie auch fallspezifischer Kontexte. Er soll zu einem v.a. auch von Ingenieuren geforderten besseren Verständnis von Konstruktionsprozessen bzw. einer Konstruktionswissenschaft beitragen und als Reflexionsanregung von praktischem Nutzen für die an Gestaltungsprozessen Beteiligten sein.

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Seite 6 Abstract

Summary

Design as the central activity of everyday engineering practice often produces outcomes of significant importance for society. In almost every engineering discipline efforts have been made to comprehend these activities for the purpose of teaching design systematically, rationalizing design process in practice, and simulating it. Design processes have become the subject of empirical research and an emerging science of design. To the extent that design research studies empirical processes, it can be pursued as a social science. The sociology of technology has scarcely taken everday design into consideration, although this field of research could provide great opportunity to bridge the often-lamented gap between the engineering and the social sciences.In this paper dominant models of purposeful action and the cognitive approach in design theory are criticized because for their inadequacy at explaining empirical results in design research. A methodological reorientation of the sociological perspective to design research is proposed which would conceive the design processes as social interactional processes. Other than requirement regulated feedback loops, design processes are regarded as requirement-interpretative activities in which not only problem-solving but also problem- constitution through understanding and interpreting clients' wishes are crucial.An interpretative reconstructive approach is suggested and sociological concepts of situation, situated action, contexts and frames are suggested for describing design processes. This approach aims to reconstruct cultural framing practices as well as case- specific contexts. The benefits are, on the one hand, a better understanding of design processes as a design theory and, on the other hand, designers might benefit from the results by becoming more reflective in their practice.

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Einleitung Seite 7

Einleitung

"Manchmal - in den Wissenschaften oft, in der Kunst immer - weiß man über Probleme erst nach ihrer Lösung Bescheid. ”

(Bateson, 1990, S. 353)

Unsere Welt ist bekanntlich voll von technischen, künstlich hergestellten Dingen, die eine 'Infrastruktur' für gesellschaftliches Leben bilden, und viele davon werden von Technikern entworfen und konstruiert.Galt die Aufmerksamkeit der Sozialwissenschaften bis vor kurzem vorwiegend den Folgen und Auswirkungen von Technik auf die Lebensformen in dieser Welt, so hat sich Sozialwissenschaftliche Technikforschung in den letzten Jahren zunehmend den Entstehungszusammenhängen von Technik zugewandt. Verabschiedet wurde die lange Zeit dominierende Auffassung einer autonomen, nach Eigengesetzlichkeit verlaufenden Technikentwicklung. Nicht bloß die sozialen, kulturellen usw. Folgen und Auswirkungen einer voranschreitenden Technik gilt es zu erforschen oder zu antizipieren, sondern auch umgekehrt, die Entstehung und Ausformung von Technik in einem Netz gesellschaftlicher Kontexte wird Untersuchungsgegenstand. Es setzt sich die Auffassung durch, daß 'Technik als sozialer Prozeß' (Weingart, 1987) zu begreifen ist.Bisherige Untersuchungen, die die Entstehungszusammenhänge von Technik erforschten, interessierten sich vorwiegend, aufgrund ihrer massiven gesellschaftlichen Folgen, für spektakuläre Basiserfindungen historisch mehr oder weniger weit zurückliegender Fälle. Weniger in den Blick kommen Entwicklungsprozesse, wie sie alltäglich in tausenden von Entwicklungsabteilungen, Planungs- und Konstruktionsbüros als 'normal technology' oder ’’normal design” (Vincenti, 1990) vor sich gehen.

In dieser Arbeit wird versucht, Überlegungen und Konzepte aufzugreifen, die es erlauben sollen, Technikgeneseforschung bis in den Mikrobereich aktueller Entwicklungsprojekte auszudehnen und jene Prozesse zu untersuchen, durch die technische Artefakte hervorgebracht werden. Ausgegangen wird von der Frage: Wie gehen Techniker und andere am Technikgestaltungsprozeß Beteiligte vor? - Wie kommen die Produkte des Prozesses, die (entworfenen) technischen Artefakte, zustande? Damit geraten zentrale Tätigkeiten von Ingenieuren in den Blick: Entwerfen, Konstruieren bzw. Designing, und es ergeben sich Überschneidungen von Wissenschaften, die bisher voneinander nur wenig Kenntnis genommen haben: der Sozialwissenschaft und der, bisher hauptsächlich in den Ingenieursdisziplinen entwickelten, Konstruktionswissenschaft.

Dieses Untersuchungsfeld scheint geeignet, eine oft konstatierte Kluft zwischen den Sozial- und Technikwissenschaften zu überbrücken und auf Untersuchungsergebnisse zu zielen, die für die Tätigkeit von Ingenieuren relevant sind. Die verfolgte Untersuchungsfrage richtet sich weniger auf die Ergebnisse der Ingenieurarbeit, also auf (entworfene) Produkte, technische Artefakte, Systeme etc. und enthält sich Aussagen darüber, wie diese sein sollten. Auch wird nicht versucht, Aussagen darüber zu machen, wie Ingenieure Vorgehen sollten; keine weitere Methodik wird vorgeschlagen. Gefragt wird vielmehr danach, wie

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Seite 8 Einleitung

Technikgestaltungs- bis hin zu Konstruktionsprozessen vor sich gehen, wie sie verstanden und beschrieben werden können.Um Gestaltungsprozesse besser zu verstehen wird versucht sie als soziale Prozesse zu be­schreiben und dafür eine Beobachtungssprache vorzuschlagen. Argumentiert wird, daß diese Fragestellung ein sinnvoller Gegenstand sozialwissenschaftlicher Technikforschung ist, der sich mit Technikwissenschaft überschneidet und ein interessantes Feld (zwangloser) interdisziplinärer Forschung ist.Bisherige Forschungen auf diesem Gebiet werden kurz dargestellt, aus ihrer Kritik wird eine soziologische Beobachtungssprache vorgeschlagen und einige Konzepte zur Diskussion gestellt.

• Zunächst soll die Aufmerksamkeit auf ein Forschungsfeld gerichtet werden, das in den Ingenieurdisziplinen von Interesse ist, dem die sozialwissenschaftliche Tech­nikforschung aber bisher kaum Aufmerksamkeit gewidmet hat.

• Dem folgt eine kurze Darstellung von Ansätzen, die in den Ingenieurwissen­schaften entwickelt wurden; Phasenschemata, Entwurfsmethodiken, Vorgehens­pläne.

• Neuere Ansätze empirischer Konstruktionsforschung und einige Untersuchungs­ergebnisse werden referiert und die

• der empirischen Design-Forschung zugrundeliegenden Modelle und deren metho­dologische Position werden kritisiert.

• Eine methodologische Umorientierung bzw. ein qualitativ, interpretativer Ansatz in der Design-Forschung wird vorgeschlagen.

• Konzepte werden skizziert die geeignet erscheinen, Vorgänge in empirisch be­obachtbaren Gestaltungs- und Konstruktionsprozesse zu beschreiben. Angestrebt bzw. in Aussicht gestellt werden Verfahren, solche Prozesse in der Praxis fall­spezifisch zu rekonstruieren und so zu einer empirischen Konstruktionswissen- schaft beizutragen. Der Nutzen für die Praxis könnte darin bestehen, daß fallspe­zifische Rekonstruktionen die am Prozeß Beteiligten zur Reflexion über ihre (routinierte) Vorgehensweise anstoßen, um so den Gestaltungsprozeß - und damit auch deren Produkte - ggf. zu modifizieren.

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1. Konstruieren, Entwerfen, Design Seite 9

1. Konstruieren, Entwerfen, DesignEin wichtiger Tätigkeitsbereich von Ingenieuren, sowohl für Unternehmen wie darüber hinaus für die Gesellschaft, ist das Konstruieren, Entwerfen und Gestalten - engl.: 'De­signing' - von Technik. Der Begriff Design ist etwa so unscharf wie der der Technik. Auf Überschneidungen mit künstlerischem Schaffen, mit dem Design assoziiert wird (Ferguson, 1992), wenn man vom ’’Schaffen des Ingenieurs” (Hüning, 1987) spricht, kann hier nicht eingegangen werden. In der Literatur wird Konstruieren mit Tätigkeiten und Begriffen wie Probleme lösen, Entscheidungen treffen, Wissenschaft anwenden, Kreativität und Vorstellungs vermögen, heuristische Suche, lernen, Muster aus wählen und anpassen, Menschen behandeln, Verhandeln zwecks Erzielung befriedigender Lösungen, Daten sammeln und verarbeiten, zeichnen und berechnen, Bedürfnisse befriedigen u.v.a.m. in Zusammenhang gebracht. Ebenso gibt es eine Unzahl von Defini­tionsversuchen, wie sie z.B. in Hubka und Eder (1992, S.17f.) zusammengestellt werden. Eine quasi 'offizielle' Begriffsbestimmung wird in den VDI-Richtlinien vorgenommen: ’’Konstruieren ist das vorwiegend schöpferische, auf Wissen und Erfahrung gegründete und optimale Lösungen anstrebende Vorausdenken technischer Erzeugnisse, Ermitteln ihres funk-tionellen und strukturellen Aufbaus und Schaffung fertigungsreifer Unter­lagen. Als Teil des Entwickeins umfaßt es das gedankliche und darstellende Gestalten, die Wahl der Werkstoffe und Fertigungsverfahren und ermöglicht eine technisch und wirtschaftlich vertretbare stoffliche Verwirklichung. Konstruieren vollzieht sich in den zwei wohl zu kennzeichnenden, aber nicht streng zu trennenden Phasen Entwerfen und Ausarbeiten.” (VDI-Richtlinie 2223).Von einigen Autoren wird der Prozeßcharakter hervorgehoben: ’’Design is a process ... a course of action for the development of an artefact or a system of artefacts; including the series of organizational activities required to achieve that development. Design is also concerned with use, with marketing and production considerations and a wide range of technical and engineering resources and requirements. However, above all it is concerned with a methodology.” (Gorb and Dumas, 1987, S.151).’’Churchman defines design broadly as a process for prescribing objects and relationships to achieve some intended purpose, noting that the designer must assume or acquire knowledge about the thinking of the set of clients or users of the ultimate system.” (zit. n. Walz D. et. al., 1987. pp. 83 - 99).Hervorzuheben ist die Beziehung von Design zum Begriff der Handlung: ’’Jeder ist ein Designer, der Abläufe ersinnt, um bestehende Situationen in erwünschte zu verwandeln.” (Simon, 1990, S.95), eine nahezu idente Beschreibung wie die von Kempski zum Hand­lungsbegriff: ’’Handeln ist die Transformation einer Situation in eine andere.” (Kempski, 1964, S.297), womit ein handlungstheoretischer Zugang nahegelegt wird. Konstruieren materieller Artefakte ist nach Simon nicht grundsätzlich davon verschieden, einem Kranken Medikamente zu verschreiben oder eine Wohlfahrtspolitik für einen Staat ent­werfen. Entwerfen ist, so verstanden, ein Kern beruflicher Tätigkeit.Konstruieren bzw. Ingenieurtätigkeit darüber hinaus, läßt sich auch als organisieren oder konfigurieren einer Ordnung auffassen. ’’Engineering I take to be defined ... as the practice of organizing the design, production, and operation of an artifact or process ...” (Vincenti, 1992, S.4). Der Gesichtspunkt der Herstellung einer Ordnung legt nahe, Kon­struieren mit konstruktivistischen Ansätzen wie der Theorie der Selbstorganisation zu konzipieren. Neuere Systemtheorien, die das Paradigma der Selbstorganisation aufge­nommen haben und speziell solche, die sie mit semiotischen Ansätzen verbinden

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Seite 10 1. Konstruieren, Entwerfen, Design

(Fleissner und Hofkirchner, 1996), könnten die Tätigkeit des Konstruierens neu konzep- tualisieren.Der Wortherkunft nach kommt Konstruieren von construere (lat.), das Aufeinander­schichten und Zusammenfügen von vorliegenden und hervorgebrachten Stücken zu einem Gebilde, das einen Sinn macht. In der Umgangssprache wird das Wort oft in dem Sinn verwendet als man z.B. sagt, jemand konstruiere einen Zusammenhang (wo viel­leicht gar keiner besteht). Ein konstruierter Zusammenhang ist offenbar ein solcher, der zunächst nicht evident ist, der gedacht werden muß und so Dinge in Beziehung setzt, die ansonst zusammenhangslos blieben. Ein gedachter Zusammenhang, wie z.B. zwischen einer Absicht und einer Handlung, wird als konstruiert angesehen.

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2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken Seite 11

2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

In den, im vorigen Jht. entstandenen industriellen Großbetrieben wurde Konstruieren als eigenständiger Arbeitsbereich aus der Fertigung ausdifferenziert. Die Gestaltung der Produkte wurde weitgehend aus der Werkstatt herausgelöst und in die neu geschaffenen Konstruktionsbüros verlegt. Neben praktischen Kenntnissen im Umgang mit dem Pro­dukt gewannen theoretische Kenntnisse und zeichnerische Darstellungsweisen an Bedeutung für die Tätigkeit in den Konstruktionsabteilungen, die zunehmend von aka­demisch gebildeten Ingenieuren wahrgenommen wurden. Diese Ausdifferenzierung eröffnete neue Möglichkeiten (siehe auch Kap. 6), führte aber auch zu Schwierigkeiten. „Der Gewinn lag darin, daß jetzt ‘intelligentere Produkte’ hergestellt wurden, der Ver­lust, daß ihre Fertigungsfreundlichkeit zu geringe Beachtung fand.“ (König, 1989, S.188). Die ‘Rationalisierungsbewegung’ (Taylorismus) um die Jahrhundertwende trug zu einer weiteren Differenzierung (Arbeitsvorbereitungsbüros) und Bürokratisierung der Industriebetriebe bei.

Zur gleichen Zeit - Mitte des vorigen Jht.s - findet man in den Ingenieurwissenschaften Ansätze zur Reflexionen darauf, wie Ingenieure beim Konstruieren Vorgehen. Wichtige Impulse gingen von Deutschland aus, wo u.a. versucht wurde, den Erfahrungsrückstand gegenüber der englischen Industrie durch ’Verwissenschaftlichung’ zu kompensieren. Redtenbacher (1809 - 1863) hat als erster deutscher Technikwissenschaftler Konstruieren als Prozeß aufgefaßt und eine ‘Methode der Verhältniszahlen’ entwickelt. Bereits bei dieser Methode handelt es sich „ ... um einen Versuch, die beim Konstruieren ‘intuitiv’ verfolgte Praxis rational zu rekonstruieren und damit lehrbar zu machen.“ (König, 1994, S.243). Reuleaux (1829- 1905) versuchte mit der ‘theoretische(n) Kinematik’ eine ‘Theorie des Maschinenwesens’, d.h. eine theoretische Durchdringung der Maschinen­technik. Die Versuche waren stark von sozial motiviert. „Die Technischen Hochschulen und die Hochschullehrer orientierten sich in dieser Zeit einerseits an der rechtlichen und sozialen Stellung der Universitäten, andererseits theoretisch und methodologisch an den Standards der etablierten Universitätswissenschaften ...“ (ebd., S.244). Diese Entwick­lung wurde von der sog. ‘Praktikerbewegung’ (v.a. Riedler, 1850- 1936) als Über- theoretisierung kritisiert und führte zu einem ‘Methodenstreit’ im Maschinenbau.

‘Der Konstruktion’ wird in deutschen Unternehmen - im internationalen Vergleich - schon früh ein großes Gewicht bei der Produktgestaltung eingeräumt und den Konstruk­teuren eine hohe theoretische Qualifikation attestiert (König, 1989). Bereits in der um die Jahrhundertwende in Deutschland einsetzende Debatte über amerikanische Produktions­verfahren (vgl. Dienel, 1993) wurde auf Probleme hingewiesen. „Konstrukteure mit ungenügender Werkstatt-erfahrung mögen erfinderisch und betriebsam sein, aber sie werden für den Werkbesitzer leicht teuer. Die Mißerfolge der deutschen akademisch gebildeten Ingenieure nach dieser Richtung in den Vereinigten Staaten sind so allgemein bekannt, daß ... (sie) gleichbedeutend (sind) mit verwickelten und kostspieligen Kon­struktionen.“ (VDI 53, 1909, zit. n. König, 1989, S.191). Der amerikanische Maschinen­bau hatte seine Stärke in günstigeren Preisen bei kleineren und mittleren, in hoher Stück­zahl gebauten Maschinen, der deutsche bei Großmaschinen und hoher Flexibilität gegenüber Kundenwünschen. König führt die Herausbildung dieses Unterschiedes auf unterschiedliche ‘Mentalitäten’ zurück - die kulturelle Vielfalt der Einwanderer hat dazu beigetragen, Sonderwünsche zurückzustellen und Massenproduktion zu akzeptieren.

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Seite 12 2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

Zu sehr ähnlichen Feststellungen kommt Moritz in eine aktuellen Untersuchung, die den deutschen mit dem japanischen Werkzeugmaschinenbau vergleicht. „Die Konstruktions­abteilungen deutscher Werkzeugmaschinenfirmen haben eine sehr viel größere Defini- tions-macht über das entstehende Produkt als ihre japanischen Pendants. ... Kosten­planung ... nimmt im Denken und in der täglichen Arbeit der Konstrukteure weniger Raum ein als in Japan.“ (Moritz, 1996, S. 180).

Mit der zunehmenden Verbreitung und Wichtigkeit der Ingenieurtätigkeiten und der stei­genden Zahl auszubildender Ingenieure in unserem Jh. erfuhr die Konstruktions­forschung neuen Aufschwung und praktische Relevanz. Wie sich in verschiedenen Län­dern bzw. Kulturen Unterschiede der Stellung ‘der Konstruktion’ in Unternehmen und auch der Ausbildung der Ingenieure beobachten lassen, so gibt es verschiedene Ansätze und ‘Schulen’ der Konstruktionsmethodik bzw. -forschung. Übersichten geben z.B. Hubka und Eder, 1992 und Müller, 1990.In Großbritannien wird ‘der Konstruktion’ seit den 1960er Jahren größere Aufmerksam­keit gewidmet. Der ‘Feilden Report’ kam zu der Auffassung „... many products, in which historically Britain excelled, are now losing ground in world markets, it is probably because the design of these products is failing to satisfy the costumer.“ (Feilden, 1963). Systematische Ansätze des Konstruierens gab es in Großbritannien bis dahin nicht. Im Zuge einer Reform der Ingenieurausbildung an der Universität Cambridge wurde nach konsistenten Modellen gesucht und besonders Werke deutscher Konstruktionsforscher übersetzt - z.B. Pahl und Beitz, 1984. In der Zwischenzeit hat sich eine rege Forschung entwickelt, die u.a. in den Zeitschriften ‘Design Studies’ (Butterworths) und ‘Journal of Engineering Design’ (Carfax) zum Ausdruck kommt.In Nordamerika kommen Beiträge zur Konstruktionsforschung vorwiegend aus Gebieten wie Systemtheorie, Entscheidungstheorie, Operations Research, Kreativitätsforschung u.a. Dem Konstruieren selbst wird weniger Bedeutung beigemessen; „... Konstruktion war (und ist) einfach abgetan und die notwendige Arbeit anderen Methoden unterge­ordnet. ... Das Ziel dieser Methodiken ist, erneuerte und verbesserte Produkt schneller und wirtschaftlicher auf den Markt zu bringen.“ (Eder, 1994, S.191). Konstruktions­forschung wurde erst 1985 durch eine Initiative der National Science Foundation aner­kannt die frühere Ansätze aber eher ablehnt.In Japan findet man v.a. Bemühungen um „einen vollständigen Algorithmus des Konstru­ierens auf den Digitalrechnern übertragbar zu machen“ (Hubka, 1992, S.52). Während in Japan vorwiegend produktspezifische Methoden entwickelt wurden, sind allgemeine Konstruktionsmethoden (siehe unten) weitgehend unbekannt. „Weder gibt es solche Methoden bisher in Japan, noch viel es mir leicht, die grundsätzlichen Gedankengänge dieser heuristischen Konstruktionsansätze und besonders die Bedeutung von Vorgaben wie ‘Suche nach einem physikalischen Prinzip’ oder ‘Erzeugen möglichst vieler Lö­sungen’ meinen japanischen Gesprächspartnern nahezubringen.“ (Moritz, 1996, S.155). Französische Literatur zur Konstruktionsmethodik ist vorwiegend auf die Lehre ausge­richtet und wird von Professoren an technischen Mittelschulen in Form von Lehrbüchern herausgegeben.

Wichtige Anregungen zur Untersuchung des Konstruierens gingen vom deutschen Sprach-raum aus, wo Autoren wie Bischoff, Hansen, Leyer, Lohmann, Rodenacker, Wörgerbauer u.a., die als erfahrene Konstrukteure in Lehrämter berufen waren, ’’...ihr eingebrachtes Wissen unter verschiedenen Motiven, Ambitionen bzw. ordnenden

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2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken Seite 13

Aspekten phänomenologisch durchforsteten und, durchaus idealisierend, aufschrieben, wie sie bei der Lösung ihrer Pro-bleme vorgingen. So wollten sie ihre Erfahrungen in analoge Arbeitsfelder transferierbar und vor allem lehrbar machen.” (Müller, 1990, S.84).Im Maschinenbau und in der Feinwerktechnik war man bis in die 1960er Jahre bemüht, Konsfruktionssystematik(en) zu entwickeln. Eine eingehendere Übersicht der histo­rischen Entwicklung im deutschsprachigen Raum gibt die Studie von Müller (1990).In der ehemaligen DDR hat die Konstruktionsforschung eine eigenständige Entwicklung genommen (für eine Zusammenstellung siehe Müller, 1988, 1990), wo u.a. die ‘Neuerer- Bewegung’ auf eine Erneuerung der Denkweise zur Förderung von Innovation zielte und v.a. Werke russischer Autoren (z.B. Altschuller's Idee eines ‘Erfindungsalgorithmus’) auf griff.

Kesselring, einer der Gründer moderner Konstruktionsforschung, beklagt, ”... daß wir über die Ursachen ingenieurmäßigen Schaffens und insbesondere auch über den eigent­lichen technischen Schöpfungsakt wenig Gültiges wissen. ... Wohl der größte Mangel besteht darin, daß das technische Schaffen noch so willkürlich, so sehr ... vom Zufall abhängig ist und zwar hinsichtlich seiner Zielsetzung als auch der Durchführung. ... Not tut aber, das technische Geschehen so zu lenken, daß einmal das Geschaffene sich sinn­voll in unser Dasein einordnet, zum anderen der Schöpfungsakt selbst so verläuft, daß das einzelne aus dem Ganzen und in der Zielsetzung des Ganzen entsteht.” (Kesselring, 1954, S.lf.). Er fordert eine Methode, d.h. eine 'Bewußtseinstechnik' bzw. einen Satz von Regeln, wie beim Konstruieren vorzugehen sei, ein Ansatz, der in den Konstruktions­methodiken weiterhin verfolgt wird.Die Ingenieurtätigkeit hat nach Kesselring ”... das Ziel ..., auf möglichst rationelle Weise neuartige und bessere Erzeugnisse zu schaffen. ... Rationalisieren heißt in wört­licher Übertragung vernunftgemäß handeln... (bzw.) ein gestecktes Ziel mit geringstem Aufwand zu erreichen...” (ebd., S.197). Den 'eigentlichen technischen Schöpfungsakt' sieht Kesselring an die kreative Tätigkeit des Konstrukteurs gebunden und diese Fähig­keit sei eine angeborene Persönlichkeitseigenschaft.

2.1. Technikgestaltung in der Ingenieurausbildung

Die (akademische) Ingenieurausbildung wird oft wegen ihrer 'Praxisfeme' kritisiert. Ein Grund wird darin gesehen, daß die Ausbildung in den Ingenieurwissenschaften das 'Ver­halten' von Objekten thematisiert, nicht jedoch die Arbeits- und Vorgehensweise der Ingenieure selbst. Nicht gelehrt wird, wie Konstruieren, Entwerfen und Gestalten vor sich geht. (z.B. Ferguson, 1992; Ekardt, 1977; Schön, 1983; Simon, 1990). Anforderungen an Ingenieure in der Praxis bestehen aber nicht nur hinsichtlich theoretisch-analytischer Kenntnisse, sondern auch an Handlungskompetenz - darin liegt der Unterschied zwischen Ausbildung und Berufspraxis.Seit die Ingenieurausbildung in den Bannkreis der Universitätskultur geriet (Gründung der Ecole Poly technique), wird, unter den Normen akademischen Ansehens, den forma­lisierbaren und lehrbaren Themen der Vorzug gegeben und praktische Probleme des Designs erscheinen als „intellektuell zu schwach, intuitiv, informell und kochbuch­mäßig.” (Simon, 1990, S.96). ”Es fehlt an Konstruktionswissen” (Hubka und Eder, 1992, S.35); Konstruieren gilt als Kunstfertigkeit, als 'Art of Engineering Design' (Schön, 1983, S.171) und nicht systematisch lehrbar. In den Ingenieurdisziplinen haben die

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Seite 14 2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

Naturwissenschaften die 'Wissenschaften vom Künstlichen' verdrängt und ihre Charak­terisierung als angewandte Naturwissenschaft versucht das nur zu vertuschen. Speziell in den USA wurde „die Technik ... zugunsten der Wissenschaft vernachlässigt, wobei die Betonung auf Forschung und wissenschaftliche Reinheit gelegt wurde.“ (Eder, 1994, S.191).Diese Zuordnung hat die sozial- und geisteswissenschaftliche Reflexion der Technik genauso eingeschränkt, wie das Selbstverständnis der Techniker.’’Die Berufsschulen werden gerade in dem Maße ihre Verantwortung wieder aufnehmen, in welchem sie eine Wissenschaft vom Entwerfen entdecken können, einen Körper intel­lektuell gesicherten, analytischen, zum Teil formalisierbaren, zum Teil empirischen, lehrbaren Wissens vom Entwurfsprozeß.” (Simon, 1990, S.97). Simon hält eine solche Wissenschaft für möglich und bereits im Entstehen, wie z.B. das im Zusammenhang mit den Computerwissenschaften entwickelte 'systems engineering' und die Theorien des Managements.

2.2. Phasenschem ata, M ethodiken und M ethoden

Gestaltungsprozesse sind aus verschiedensten Interessen von Forschem, Theoretikern und Praktikern zum Gegenstand von Beschreibungen gemacht worden. Vielen dieser Beschreibungen ist gemeinsam, daß sie den Gestaltungsprozeß zu strukturieren versu­chen und in unterschiedliche Phasen teilen. Neben den unten angeführten Entwurfs- und Konstruktionsschemata in den Ingenieurwissenschaften sind die eng damit verwandten Phaseneinteilungen der Literatur zur Projektorganisation zu erwähnen.Auch in der eher ökonomisch oder sozialpsychologisch orientierten Innovations­forschung, die den umfassenderen Prozeß von der Erfindung bis zur gesellschaftlichen Nutzung einer Innovation untersucht, werden diese Prozesse in Phasen unterteilt. Ein Beispiel ist das Modell von Uhlmann (1978), in dem er sechs Phasen im Innovations­prozeß unterscheidet:

1. Grundlagenforschung2. Angewandte Forschung3. Technische Entwicklung4. Produktentwicklung5. Produktion6. Nutzung

Eine ähnliche, nur vierstufige Phasenteilung technischer Entwicklungsprozesse referiert Ropohl (1990, S.127), wobei er die Aktivitäten und Resultate der jeweiligen Phasen angibt:

Aktivität

1. Wissenschaftliche Forschung2. Technische Konzipierung3. Techn.-wirtschaftliche Realisierung4. Gesellschaftliche Verwertung

Resultat

KognitionInventionInnovationDiffusion

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2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken Seite 15

In nahezu allen Ingenieurdisziplinen lassen sich Überlegungen finden, wie Ingenieure bei der Gestaltungsarbeit vorgehen (sollen). Ein allgemeiner Vorgehensplan wird in der VDI-Richtlinie 2221 formuliert. Dieser Vorgehensplan soll branchenübergreifend gelten und

Phasen

XPhase I

Y

Phase il

v

P h ase 111

Generelles Vorgehen beim Entwickeln und Konstruieren

1Phase IVv

Quelle.: VDI - Richtlinie 2221

betont die Gemeinsamkeiten bei der Produktentwicklung bzw. den Konstruktionspro­zessen im Maschinenbau, der Feinwerktechnik, der Schaltungs- und Softwareentwick­lung wie auch der Planung verfahrenstechnischer Anlagen. Der Vorgehensplan sieht eine grobe Strukturierung des Konstruktionsprozesses in vier Phasen: Planen, Konzipieren, Entwerfen, Ausarbeiten, und sieben Arbeitsschritte vor, die so allgemein gehalten sind, daß produkt- und untemehmensspezifische Vorgehensvarianten darunter gefaßt werden können. Den allgemeinen Arbeitsschritten können detaillierte Arbeitsabläufe jeweils zugeördnet werden. Stärker als in der VDI-Richtlinie 2222 wird der iterative Charakter der Abfolge der Arbeitsschritte betont.Aus dem allgemeinen Schema sollen Vorgehenspläne für einzelne Branchen spezifiziert werden. Die verschiedenen (Lehr)Bücher zur Konstruktionsmethodik gehen i.a. von ähnlichen Phasenschemata aus, beschreiben die auszuführenden Arbeitsschritte und emp­fehlen dafür gegebenenfalls Methoden.

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Seite 16 2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

”A design methodology is a set of techniques based on a concept. The originator of a methodology has a particular idea in mind that he or she perceives as a useful way to get things done.” (Capron, 1986, S. 236). Unter Methode wird eine Menge von Vorschriften verstanden, deren Ausführung eine zweckmäßig erachtete Operationsfolge unter gege­benen Bedingungen hinreichend sicherstellt, d.h. einen Prozeß festlegt, der zu vollziehen ist, um ein Ziel zu erreichen. Methoden erheben Anspruch auf Invarianz gegenüber einer Klasse auszuführender Prozeduren, wobei angenommen wird, daß es Problemsituationen mit einer Menge gleicher Merkmale gibt. Methoden sollen ’’unabhängig von der Person ... stets in gleicher Weise wirken.” (Österle, 1981, S.66). Das 'Leitbild' von Konstrukti­onsmethoden besteht oft darin, einen Algorithmus anzustreben, der personenunabhängig, d.h. ohne Bezug auf personenbezogenes Wissen, Können und Erfahrung, durchgeführt und im weiteren auf Maschinen simuliert werden kann. ”Es wäre unrealistisch, derartige Methoden abzulehnen, da eine Formalisierung in größerem Umfang nicht in Sicht ist. Eine vollständige Algorithmierung ... ist als (vielleicht unerreichbares) Fernziel zu sehen.” (ebd., S.67). Insoweit vorliegende Methoden diesem Anspruch nicht gerecht werden, ist festzuhalten, daß vom Konstrukteur Interpretationsleistungen verlangt wer­den, die die Methodiken selbst nicht enthalten.

2.3. K onstruktionsm ethodiken im M asch inenbau

wurden aus den oben erwähnten Konstruktionssystematiken entwickelt. Einen histori­schen Überblick der Entwicklung findet man bei Hubka und Eder (1992). Für eine Zusammenstellungen aktueller Konstruktionsmethodiken siehe z.B. Müller (1990). Pahl und Beitz (1993), die Autoren eines bekannten Konstruktionslehrbuches, verstehen unter Konstruktionsmethodik ’’konkrete Handlungsweisen zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme, die sich aus den Erkenntnissen der Konstruktionswissenschaft und der Denkpsychologie, aber auch aus den Erfahrungen mit unterschiedlichen Anwendun­gen ergeben haben. Hierzu gehören Ablaufpläne zur inhaltlichen und organisatorischen Verknüpfung von Arbeitsschritten und Konstruktionsphasen, Regeln und Prinzipien (Strategien) zur Beachtung und Verwirklichung von generellen und speziellen Ziel­setzungen sowie Methoden zur Lösung einzelner Konstruktionsprobleme oder -teilauf- gaben.” (Pahl und Beitz, 1993, S .ll f.). Durch planmäßig methodisches Vorgehen soll Konstruieren einsichtig und lernbar werden, ”... aus dem Unbewußten in zweckmäßige Bahnen und Vorstellungen (gelenkt und)... eine wirksame Rationalisierung des Kon­struktions- und Fertigungsprozesses (er)möglich(en).” (ebd., S.12). Es werden Vor­gehenspläne entwickelt, “... die für den allgemeinen Lösungsprozeß beim Planen und Konstruieren technischer Produkte als verbindlich und für die konkreteren Konstruk­tionsphasen als Vorgehenshilfen anzusehen sind.” (ebd., S.76). Die Vorgehenspläne sollen vorgeben, was prinzipiell zu tun ist, wobei die Vorschläge an die jeweilige Pro­blemlage anzupassen sind. Es handelt sich um operative Handlungsempfehlungen, ”... die der Logik des ... notwendigen technischen Handelns und der schrittweisen Lösungs­entwicklung folgen.” (ebd.) Nach Müller (1990) handelt es sich um Prozeßmodelle, die geeignet sind, das Vorgehen rational zu beschreiben und damit die Komplexität des Pro­zesses erfaßbar und durchschaubar zu machen. Konstruieren wird als eine Form all­gemeinen Problemlösens (siehe unten) aufgefaßt, und als solches ist Konstruktions­handeln zielgerichtetes Handeln. Konsequenterweise steht dann am Beginn der Vor­gehenspläne die Forderung der Klärung der Aufgabenstellung, die “Zielsuche” (Ehrlenspiel et.al., 1994, S.38), Problem- oder Zielformulierung.

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2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken Seite 17

Arbeitsschritte beim Planen und KonstruierenIn

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Q.: Pahl und Beitz, 1993, S.81

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Seite 18 2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

“Die Problemformulierung beinhaltet die Festlegung der Ziele, die in Anforderungs­listen... dokumentiert werden. Diese bilden die Grundlage für die folgenden Arbeits­schritte. Deshalb sind die richtigen Zielvorgaben Voraussetzung für erfolgreiche Pro­blemlösungen.” (ebd.).

2.4. E ntw urfsm ethoden in der Inform atik

wurden seit den 1970er Jahren durch die stürmische Entwicklung und die (manchmal enttäuschenden) Erfahrungen mit komplexeren Systementwicklungen (siehe z.B.: Brooks, 1994) angeregt und haben unter Titeln wie 'Systems Engineering', 'System Design', 'Software Engineering' u.ä. zur einer Reihe von Methodenvorschlägen geführt. Wie in der Konstruktionslehre handelt es sich um Vorschläge, wie beim Entwurf von Programmen bzw. ganzer Informationssysteme günstigerweise vorzugehen sei - ”How to do your job” (Capron, 1986, S.16). Zentrales Anliegen ist auch hier die Lehrbarkeit der Systemgestaltung und die Rationalisierung in der Praxis. Wie das hier herausgegriffene amerikanische Beispiel zeigt, wird - zwar unabhängig, aber wie in den Konstruktions­methoden im Maschinenbau - versucht, den Gestaltungsprozeß in Phasen zu unterteilen. Capron geht vom Konzept des 'System life cycle' aus. ’’Today, most systems people would agree with the concept of the systems life cycle. But they do not always agree on the nature or sequence of the cycle steps. In fact, they do not even agree on the number of the steps in the cycle.” (Capron, ebd.). Er schlägt folgende Phaseneinteilung für den Entwurf von Informationssystemen vor:

1. Preliminary investigation - Determine the problem.2. Analysis - Understand the existing system.3. Design - Plan the new system.4. Development - Do the work to bring the new system into being.5. Implementation - Convert to the new system.

(Capron, 1986)

Zum Vergleich wird eine Einteilung in sieben Phasen aus einem anderen Lehrbuch ange­führt:

1. Requirements specifications identification2. Preliminary conceptual design and system architecture specification3. Logical design and system architecture implementation4. Detailed design and testing5. Operational implementation6. Evaluation and modification7. Operational deployment.

(Sage and Palmer, 1990)

In den meisten Methodenbücher werden nun die einzelnen Arbeitsphasen genauer beschrieben und dafür Methoden vorgeschlagen. Verschiedentlich wird vermerkt, daß eine klare Trennung zwischen den Phasen vom Projektstart bis zur Implementierung nicht möglich ist. Im Unterschied zum Maschinenbau trifft man in der Informatik häufi­

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2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken Seite 19

ger auf die Ansicht, daß Systemgestaltung als ein soziales System aufzufassen ist, dessen phasenmäßige Beschreibung eine idealtypische Konstruktion darstellt.Entwurfsziele und Problemklärung stehen, wie in den Vorgehensplänen im Maschinen­bau, am Beginn des Prozesses. Capron gibt ein einfaches Beispiel, um die Schwierig­keiten anzudeuten. ’’Suppose that someone asks your advice on what car to buy. You quickly size up the person and pop out the answer: 'Well, you look like the sporty type to me. How about a red XKE?' You might wish you had been less hasty when you discover that the potential buyer is an active outdoor person with four children - perhaps a van could be more suitable. As simplistic as this example is, it illustrates the ridiculous position into which analysts sometimes put themselves: They design solutions when they do not understand the problems (m.H.). ... Analysts must understand the system before they can do anything to improve it. ... Analysts m u s t out what is going on (m.H.). Toward that end, they must turn to the user.” (ebd., S.19). Capron weist Systemanalytiker darauf hin, daß es zunächst darum geht, ein Problem zu verstehen, ja überhaupt erst her­auszufinden ist, was in einer 'Situation überhaupt los ist', er fragt aber nicht, wie Designer zu einem Verständnis kommen. Das kleine Beispiel zeigt auch, daß Designer neben ihrem Fachwissen auf Alltagswissen zurückgreifen, um eine Situation zu verstehen. Entwurfsziele können sich auf Verschiedenes beziehen, wie die Anforderungen an die Funktionen eines Informationssystems, Benutzerfreundlichkeit, Kosten, Flexibilität usw. Häufig wird empfohlen (z.B. Österle, 1981), den Entwurf zunächst auf ein Ziel - zumeist Korrektheit als Voraussetzung anderer Ziele - auszurichten und andere Ziele in die Be­wertung auszulagem. Die Prüfung eines Programmes auf Korrektheit setzt nun eine Spezifikation voraus, die das Problem korrekt beschreibt, womit die Schwierigkeiten in die Spezifikation vorverlagert werden (vgl. Zemanek, 1983). Inhaltliche Kriterien der Korrektheit, wie Konsistenz zwischen den 'Bedürfnissen der Auftraggeber' und der Spe­zifikation, die angeben, wie genau die Vorstellung der vom Informationssystem Betrof­fenen mit dem Entwurf übereinstimmen, wird formal gar nicht und informal als nur schwer feststellbar betrachtet. ’’Funktionale Eindeutigkeit impliziert semantische Klar­heit, d.h., die Interpretation des Entwurfsergebnisses ist für alle Betroffenen gleich. Dies ist nur erreichbar, wenn die Spezifikation in einer Sprache abgefaßt ist, die syntaktisch und semantisch formal beschrieben ist.” (Österle, 1981, S.51). Diese Beschreibung rekurriert auf eine Auffassung von Bedeutung, die Konsens (über die Bedeutung von Entwurfsergebnissen) in einer formalen Sprache denkt, d.h. in einer Sprache, in der Be­deutungen eindeutig fixierbar sind. Eine empirische Untersuchung von Gestaltungprozes­sen kann demgegenüber darauf achten, wie Interpretationen und Bedeutungen in den untersuchten Fällen Zustandekommen.Entwerfen wird zumeist als permanenter Prozeß von (rationalen) Entscheidungen (z.B. ebd., S.37) im Sinne einer ”Ziel-Mittel-Hierarchie” aufgefaßt. Der Gestaltungsprozeß bildet dabei eine Hierarchie von Entscheidungen, in denen Anforderungen in Lösungen umgesetzt werden. Für die Anforderung beispielsweise, 'ein Materiallager für einen Betrieb zu führen' ist die Entscheidung 'Computerunterstützung' eine Lösung, ein Mittel, das gleichzeitig für die nächste Verfeinerungsstufe (top-down) eine Anforderung darstellt usw., bis zur Ebene elementarer Lösungen - zumeist Statements einer Programmier­sprache.

Eine der einflußreichsten Entwurfsmethoden - und längere Zeit inoffizieller Industrie­standard - wurde das strukturierte Entwerfen (structured design). Es handelt sich um

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Seite 20 2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

einen modularen top-down Ansatz, der eine hierarchische Vorgehensweise der schritt­weisen Verfeinerung vorschreibt:- beginnend auf der höchsten Ebene mit der Klärung des Problems (dem Gesamtbild des

zu entwerfenden Systems), um dann- die Gesamtfunktion eines Informationssystems in Teilfunktionen zu zerlegen und- diesen Vorgang mit den Teilfunktionen solange zu wiederholen, bis der Entwurf auf der

Ebene elementarer Operatoren und Datentypen angekommen ist.Diese Methode setzt allerdings voraus, ”... daß die darin benutzten zusammengesetzten Funktionen und Datentypen als Konzepte bereits vorhanden sind. Man kann keinen abstrakten Begriff bilden, wenn dieser nicht bereits aus anderen Zusammenhängen (Literatur, Erfahrung etc.) bekannt ist oder wenn man ihn nicht in der konkreten Situation durch Abstraktion aus seinen Elementen (also von oben nach unten) gewinnen kann. ... Der Top-down-Entwurf ist damit in genau jenem Maße möglich, in dem die Strukturen des Systems aus Analogien vorher abschätzbar sind.” (ebd., S.94). Allgemeine Erfahrungen und Fachkenntnisse ermöglichen Strukturierungsansätze. Je mehr Inno­vation ein Entwurf erfordert, desto mehr muß von der Top-down-Vorgehensweise abge­wichen werden. “Ein reiner Top-down-Entwurf ist nicht möglich. Er würde bedeuten, daß die Struktur (eines Informationssystems) ... von vornherein im Detail determiniert wäre, ... also in irgendeiner Form schon vorliegen müßte. Es ist gerade das Merkmal des Entwurfs, daß zahlreiche zusammengesetzte Komponenten jeweils erst geschaffen werden müssen. Häufig geschieht das in der Revision übergeordneter Ebenen, wenn auf einem tieferen Detailierungsniveau festgestellt wird, daß die gewählte Struktur im kon­kreten Fall nicht paßt. Top-down-Vorgehen ist gleichbedeutend mit der Übertragung be­kannter Strukturen auf ein spezielles Informationssystem. Daraus folgt, daß ihre Wirk­samkeit stark vom Erfahrungsschatz des Entwerfers abhängt.” (ebd., S.95).Man halte fest, daß, soweit Lösungen für ein Problem noch nicht bekannt sind - und das trifft ja gerade auf Entwurfsprobleme zu - vom Modell notwendigerweise abgewichen werden muß. Die eigentliche Tätigkeit, das Finden einer lösbaren Problemstellung, wird somit in diesem Vorgehensmodell nicht erfaßt. Daher kann methodisch angeleitetes Ent­werfen auf 'Erfahrung' und 'Intuition' nicht verzichten, wiewohl es dafür keine Konzep- tualisierung bereitstellt.

Österle führt weitere fünfzehn bekannte Entwurfsmethoden an, von denen die meisten die Top-down-Vorgehensweise als Verfahrensbestandteil enthalten und stellt- wenig überraschend - fest, ’’daß es keine Methode gibt, deren Strukturierung auch nur an­nähernd bis zu einer Algorithmisierung reicht.” (ebd., S.183). Man könne überhaupt den Eindruck gewinnen, die Methoden seien bloß Beschreibungen, wie Systemanalytiker intuitiv vorgehen und aus Intro- oder Retrospektion entwickelt worden. ’’Wedekind bezeichnet die Vorstellung von einem phasenmäßigen Ablauf eines sozialen Systems - und das ist die Systemgestaltung - als idealtypisch.” (ebd. S.18). Systemgestaltung, wie Entwurfsprozesse überhaupt, als soziale Prozesse aufzufassen, ist eine These dieses Bei­trags; allerdings wird argumentiert, daß Typenbildungen erst aus der empirischen Unter­suchung von Vorgehensweisen zu rekonstruieren sind.Im Bereich der Informatik wird von vielen Autoren die Auffassung vertreten, daß Designprozesse als soziale Prozesse aufzufassen sind (z.B. Nygaard, 1986; Winograd und Flores, 1989). Ausgehend von dieser Prämisse wurden verschiedene Verfahren vor­geschlagen, wie z.B. 'partizipatives Systemdesign' sowie Methoden zu deren Unter­stützung, wie etwa 'rapid prototyping', die v.a. in Skandinavien (z.B. Floyd, 1989, 1992) -

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2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken Seite 21

u. a. im Anschluß an den 'sociotechnical system design'-Ansatz der Tavistock-Schule (z.B. Mumford, 1985) - entwickelt wurden.

2.5. K ritik an den K onstruktions- und Entw urfsm ethodiken

Die vorgeschlagenen Methodiken wurden - vielleicht mit Ausnahme der Informatik - sowohl in der Ausbildung wie in der Praxis kaum angenommen. Konstruktionsprozesse verlaufen in der Praxis vorwiegend nach Erfahrung mit ähnlichen Problemen, intuitiv, sehr spezifisch und produktnah. Mitte der 1980er Jahre sprach man in der Konstruktions­forschung im Maschinenbau von Krise und Stagnation (siehe z.B. Rutz, 1985). ”Es hat sich als ungeheuer schwierig, um nicht zu sagen als faktisch unmöglich erwiesen, in praxi Verhaltensweisen der Ingenieure durchgreifend und dauerhaft methodenorientiert zu ändern.” (Müller, 1990, S.97). Man kann hier eine Parallele zum Handeln in Organi­sationen sehen. Wie in Organisationen immer wieder Handlungen beobachtet werden können, die vom idealtypisch vorgeschriebenen Handeln abweichen, weicht Konstruk­tionshandeln von idealtypischen Methodiken ab. Die Vorgehens weisen in der Praxis sind weitgehend routinisiert und deshalb schwer zu ändern. Gefordert wird daher, methodengerechtes Konstruieren bereits in der Ausbildung einzuüben. ’’Solange metho­denbewußtes Problemlosen nicht durchgängiges Unterrichtsprinzip der ganzen Ausbil­dung, aller daran beteiligten Disziplinen, ist, wird die Lage nicht grundlegend zu ändern sein!” (ebd., S.98).Konstruktionsmethodiken sind präskriptiv und können daher empirisch nicht widerlegt werden; sie schlagen vor, wie Designer Vorgehen sollen. Da der Konstruktionsprozeß nicht rational durchdrungen ist - und vermutlich auch nicht werden kann -, handelt es sich jeweils um (verschiedene) Vorschläge, wobei es nahezu soviele Phasenschemata wie Autoren gibt. Die meisten Ablaufpläne haben sich in einem bestimmten Bereich bewährt, verlieren aber durch Verallgemeinerung an Nützlichkeit. ’’Die Grundlagen dieser Modelle reichen von tiefsinnigen philosophischen Spekulationen ... bis hin zu konkreten Erfahrungen von Praktikern ... Eines scheint allen verfügbaren Modellen gemeinsam zu sein: den Gütekriterien der empirischen Soziologie ... genügen sie wohl alle nicht.” (Zündorf und Grunt, 1982, S.36).Es werden Arbeitsschritte vorgeschlagen, aber es kann nicht gesagt werden, wie diese durchzuführen sind; dies wird an Fähigkeit, Erfahrung und Wissen beim Konstrukteur vorausgesetzt. Diese Schemata stellen eine Art von 'check-list' zur Verfügung, die De­signer daran erinnern, wichtige Gesichtspunkte bei der Arbeit nicht zu übersehen. Zunehmend wurde deutlich, daß Verläufe von realen Entwurfsprozessen noch wenig erforscht und verstanden werden und auch noch keine geeignete Beobachtungssprache für empirisches 'desing research' entwickelt wurde. Ein besseres Verständnis von Kon­struktions- und Entwurfsprozessen wird allgemein als günstige Voraussetzung erachtet, diese methodisch und maschinell (z.B. CAD) zu unterstützen, wie auch ein wertvoller Beitrag zur Ingenieurpädagogik. Dies wird auch von Methodikern angemerkt: “Solange man über das Problemlöseverhalten von Menschen nicht näher Bescheid weiß, sind all­gemeine Ablaufpläne ... mit Vorsicht zu genießen.” (Ehrlenspiel, et.al., 1994, S.51). Eine ’’Voraussetzung für die Entwicklung einer Entwurfsmethode ist ein grundlegendes Ver­ständnis des Entwurfs und das Wissen um die Wirkungsweise vorhandener Entwurfs­methoden.” (Österle, 1981, S.27). Es stellt sich allerdings das grundsätzliche Problem, wie Entwurfsprozesse beschrieben werden können, wie auch die ’’Frage nach der geeig­

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Seite 22 2. Konstruktions- und Entwurfsmethodiken

neten wissenschaftlichen Arbeitsweise.” (ebd.). Die vorliegende Beitrag versucht auf diese Frage eine Antwort vorzuschlagen.

In Anlehnung an Hubka und Eder (1992), die für die Konstruktionswissenschaft drei ‘Zielgebiete’ angeben: Praxis, Wissenschaft, Unterricht, kann man zusammenfassend sagen, daß sich das Erkenntnisinteresse vieler Ansätze der Konstruktionsforschung darauf richtet,

• den Konstruktionsprozeß rational vermittelbar (lehrbar) zu machen,

• in der Praxis zu rationalisieren sowie

• methodisch wie auch maschinell zu unterstützen und darüber hinaus

• zu simulieren.

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3. Empirische Konstruktionsforschung Seite 23

3. Empirische Konstruktionsforschung

3.1. K onstru ieren als Problem losen - der kognitive A nsatz

Simon (1969) war einer der ersten, der eine empirische Wissenschaft vom Entwerfen, eine 'Science of the Artificial' vorschlug, die nach seiner Auffassung Gesetz- bzw. Regelmäßig-keiten beim Entwerfen und Konstruieren suchen sollte. Konzentrierte sich die Konstruktionsforschung lange Zeit hauptsächlich auf das zu konstruierende Produkt, auf Maschinenelemente, analytische Hilfsmittel, Methodenbaukästen u.a., wird jetzt von einer neuen Phase der Konstruktionsforschung und einer ’’notwendige(n) Umorientierung vom technischen Objekt zum gedanklichen Prozeß ... ” (Ehrlenspiel und Dylla, 1991, S. 43) gesprochen.Mit dem Aufkommen der Computertechnologie und der Möglichkeit, Informationen maschinell zu verarbeiten, schien sich eine Technik abzuzeichnen, mit der auch geistige Prozesse simulierbar sein könnten. Kybernetische Maschinen dienen als Modell der Informationsverarbeitung und gewannen großen Einfluß in der Psychologie, wo sie zur sog. kognitiven Wende beitrugen. Der von Newell, Shaw und Simon (1959) im Rahmen der künstlichen Intelligenzforschung vorgestellte 'General Problem Solver' hatte in Aus­sicht gestellt, Konstruktionsprozesse mit Computern zu unterstützen und darüber hinaus die Hoffnung geweckt, sie simulieren zu können. Damit wurde dem empirischen Design­research (v.a. in den USA) ein Weg gewiesen, der im Gefolge dominierend wurde und die Forschungsfrage auf die Algorithmierbarkeit bzw. kybernetischen Modellierbarkeit von Konstruktionsprozessen richtete. „Elegante Algorithmen für die Berechnung oder Darstellung sowie wissenschaftliche Beobachtung von Studenten (oder manchmal Kon­strukteure) bei konstruktiven Teilarbeiten scheinen den Hauptteil der Forschungsansätze (in den USA) auszumachen.“ (Eder, 1994, S. 191).Aufgrund der Interessen der Konstruktionsforschung an der Rationalisierung von Kon­struktionsprozessen ist es durchaus naheliegend, den Konstruktionsprozeß als (individuellen) kognitiven Prozeß zu konzipieren und mit dem Ansatz der kognitiven Psychologie zu untersuchen.

Denken, soweit damit ein Ziel verfolgt wird, wird in der kognitiven Psychologie mit 'Pro­blemlosen' gleichgesetzt. ’’Mit zielgerichtet ist gemeint, daß die geistigen Abläufe auf das Erreichen eines definierten (m.H.) Ziels ausgerichtet sind.” (Hussy, 1993, S.16). Verein­facht läßt sich die konzeptionelle Form so darstellen:

Konstruieren = Problemlosen = Denken = Informationsverarbeitung

Problemlosen: Ein Problem, aus der Sicht des kognitiven Ansatzes, besteht darin, daß sich jemand in einer unbefriedigenden Situation (einem Ist- oder Anfangszustand) befin­det und diese Situation in einen Soll- oder Zielzustand zu verändern wünscht, wobei Hindernisse und Barrieren überwunden werden müssen. ’’Ein Individuum ist mit einem Problem konfrontiert, wenn es etwas tun möchte, aber nicht unmittelbar weiß, welche Handlungsabfolge zu diesem Zweck auszuführen ist. ... Vor ein Problem gestellt sein bedeutet (zumindest), daß dem Problemloser ein gewisser Grad an Information zur Ver­fügung steht: Informationen darüber, was gewünscht wird, welches die Bedingungen sind, welche Werkzeuge und Verfahren bereitstehen, mit welcher Ausgangsinformation

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Seite 24 3. Empirische Konstruktionsforschung

und mit welchem Zugriff auf Mittel begonnen werden kann. Der Problemloser verfügt über eine Interpretation dieser Information - das ist genau die Interpretation, die uns einen Teil der Information als Ziel, einen anderen als Randbedingung usw. bezeichnen läßt.” (Newell und Simon, 1972, S.72L; zit.n. Winograd und Flores, 1989, S.48).

Unterschieden werden gut und schlecht definierte Probleme, charakterisiert durch:- gut / schlecht definierter Anfangszustand, d.h. der Problemloser kennt / kennt nicht

alle wesentlichen Merkmale einer Ist-Situation (Diagnoseproblem).

- gute / schlechte Verfügbarkeit des Problemlösers über Operatoren, mit denen die Barriere überwunden werden kann. Beim (technischen) Problemlosen werden die Operatoren in eine Wirkpaarung mit den Operanden gebracht - ’’dem relativ elemen­taren Glied jedes technischen Verfahrens” (Müller, 1990, S. 6 u. 62). Operanden sind stoffliche, energetische und/oder informatorische Objekte, die von Natur aus gegeben oder technisch erzeugt werden. Welche Operatoren Konstrukteure kennen und wie gut sie ihre Anwendung beherrschen, hängt von ihrem Wissen und ihrer Erfahrung ab.

- gut / schlecht definierter Zielzustand, d.h. es kann / kann nicht entschieden werden, ob ein bestimmter Zustand ein Zielzustand ist oder nicht. In geschlossenen Systemen, wie z.B. dem Schachspiel, ist genau definiert, wann ein Zielzustand erreicht ist. Bei ande­ren Problemen, wie bei Entwurfsaufgaben, können die Zielzustände nicht klar defi­niert werden. Über solches Problemlöseverhalten ist wenig bekannt. ’’Der Großteil der psychologischen Forschung beschäftigt sich mit Problemen mit gut definiertem Ziel­zustand.” (Huber, 1983, S.63). ’’Design problems are inherently ill-defined, and as such possess poorly specified initial conditions, allowable operations and goals.” (Eckersley, 1988, p.87). Problemlosen mit unscharf formulierten Zielen bedarf ’’...dauerndes Abwägen und Beseitigen von Widersprüchen, bis ein akzeptables Ergebnis zur Erfüllung wünschenswerter Ziele entsteht.” (Pahl und Beitz, 1993, S.58).

Ähnlich unterscheidet Ehrlenspiel (1995) Konstruktionsprobleme nach klaren / unklaren Zielen und bekannten / nicht bekannten Mitteln (Wissen, Können, Sachmittel) und erhält so vier Problemtypen:

- Aufgaben (einfache Varianten- und Anpassungskonstruktionen),- Mittelprobleme (Konstruktionen mit sich widersprechenden Zielen),- Zielprobleme (Produkt-Anforderungen nicht zu ermitteln),- Ziel- und Mittelproblem (Anforderungen und Lösungen unklar).

Ausgegangen wird von der Vorstellung eines Problemraumes, der 'Raum' zwischen Ist- und Zielsituation, der in einem Netzwerk die möglichen alternativen Zwischenzustände in Knoten und die Menge der Operatoren, die die Zustände ineinander überführen, als Kanten abbildet. Problemlosen besteht dann im Suchen eines Lösungspfades im Pro­blemraum, von einem (unerwünschten Anfangs-) Zustand zu einem (erwünschten Ziel-) Zustand. Angenommen wird, daß es einerseits einen 'objektiven' Problemraum gibt, der die möglichen Zustände und die Operatoren enthält, und andererseits einen 'subjektiven' Problemraum, der- je nach Kenntnis und Informations-Verarbeitungs-Kapazität des Problemlösers - einen mehr oder weniger großen Teilbereich des objektiven Problem­raumes umfaßt.

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3. Empirische Konstruktionsforschung Seite 25

Erfolgt die Suche eines Lösungspfades systematisch, dann handelt es sich um einen Algorithmus; gibt es keine systematischen Pläne, oder sind sie zu aufwendig und unpraktikabel, wird auf Heuristiken zurückgegriffen. So z.B. auf die von Simon vorge­schlagene hierarchische

Beispiel für einen Problemraum

O p era to ren : Op 1, Op 2 , Op 3, Op 4 , Op S • Anfangszu­stand Zft, Z ie lz u s ta n d Zw ischenzustände Z ^ , Z . , . . . .

Dekomposition von Entwurfsproblemen in überschaubare Einheiten, auf der die Top- down-Methoden basieren. Beginnend auf der höchsten Ebene werden die Ziele entfaltet, bevor zur darunterliegenden Ebene übergegangen wird. Heuristische Pläne werden oft für selbstverständlich genommen, sodaß nicht bewußt wird, daß viele alternative Lösungs­pfade gar nicht in Betracht gezogen wurden. Die Lösungssuch-Pläne werden nach der sog. TOTE-Einheit entworfen, die, nach der kybernetischen Hypothese des kognitiven Ansatzes, das “Grund-element des Verhaltens” (Miller, et.al., 1973, S.34) bildet. In einem Rückkopplungskreis wird eine Vorgefundene Situationen mit einem angestrebten Zielzustand verglichen (Testphase, T); wenn eine Differenz vorliegt, wird auf die Situa­tion eingewirkt (Handlungs- oder Operations-phase O) und das Ergebnis wird neuerlich überprüft (T); die Schleife wird verlassen (Exit, E), wenn Ist- und Sollsituation überein­stimmen.

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Seite 26 3. Empirische Konstruktionsforschung

Operate Operation zur Veränderung

des gegebenen Zustandes

Diese Übereinstimmung kann durch Überführung der Zustände oder durch Revision des Sollzustandes erreicht werden. Der Sollzustand fungiert als Vergleichselement, das den intentionalen Prozeß steuert. TOTE-Einheiten können in sich weitere TOTE-Einheiten enthalten, also hierarchisch geschichtet sein. Das TOTE-Schema dient vielen Vor­gehensplänen der Konstruktionsmethodik als Modell der Vorgehenszyklen im Kon­struktionsprozeß (z.B. Ehrlenspiel, 1995; Pahl und Beitz, 1993).Zentrales Konzept des kognitiven Ansatzes ist der ’’Plan: Jede vollständige Verhaltensbe­schreibung sollte so weit gehen, daß sie als Folge von Instruktionen dienen kann. Das heißt, sie sollte die Charakteristika eines Plans haben, der die vorgeschriebene Reihe von Handlungen so steuert, daß sie in der richtigen Reihenfolge ausgeführt werden. ... 'Plan'... (meint) überdies eine Hierarchie von Instruktionen ...Für einen Organismus ist ein Plan im wesentlichen dasselbe wie ein Programm für den Computer...” (Miller, et.al., 1973, S.25). Handeln wird als ein Gefüge zielgerichteter Operationen angesehen, das von Plänen gesteuert wird, die die Befehle zur Ausführung der einzelnen Schritte geben.Der Suchvorgang als Modell für Problemlosen und Denken setzt voraus, daß Suchende imstande sind zu erkennen, wonach sie suchen. Sind dafür genügend Prüfkriterien vor­handen, ist das Problem 'wohldefiniert'. Schlecht definierte Probleme, wie es Konstruk­tionsprobleme sind, können nicht mit einer endlichen Zahl von Schritten erreicht werden und es gibt keine zureichenden Prüfkriterien. Es könnten dann u.a. Lösungen vorliegen, ohne daß sie als solche erkannt würden. Darüber hinaus weiß man oft nicht, ob ein oder welches Problem vorliegt, noch was eine Lösung sein könnte. “Zuerst ist uns nicht klar, worin es (das Problem) besteht, oder welche Prüfkriterien durch eine Lösung erfüllt sein müßten. Ein wichtiger Teil des Denkens geht in diesem Stadium vor sich, in dem wir das Problem definieren, und es ist nicht ersichtlich, daß das Suchmodell die beste Art der Erklärung für dieses Denken bietet.” (ebd., S.167) Solche Situationen sind unsicher und verwirrend. 'Problemloser' setzen sich dann mit der Situation auseinander und versuchen ein “Bild” (ebd., S.168) von der Problemlage herzustellen, in dem erst die Prüfkriterien festgelegt werden.' ’’Häufig aber wird das Problem erst klar und gut definiert und das Prüfverfahren für die Lösung erst in dem Augenblick einsichtig, wo auch die Lösung gefunden wird.” (ebd., S.168). Konstrukteure haben ’’irgendwann im Konstruktions­prozeß” in Abhängigkeit von ihrer Vorstellungskraft und Erfahrung (d.h. v.a. ähnlicher Probleme) ein mehr oder weniger diffuses “Vorstellungsbild” (Ehrlenspiel, et.al., S.22) von dem zu konstruierenden Artefakt als ganzem, in dem die Details zumeist noch unklar

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3. Empirische Konstruktionsforschung Seite 27

sind. Der Konstruktionsprozeß verläuft dann als ständiger Wechsel zwischen dem Gan­zen und Details (Rutz, 1985). Tendenziell neigt die Arbeitsweise beim Konstruieren zum Festhalten an Bekanntem, also Vorbildern, bekannten Teillösungen und Technologien und deren Anpassung an eine gegebene Situation.

3.2. Charakteristika technischen Problem lösens

Müller (1990) charakterisiert Bearbeitungsprozesse beim Entwerfen folgendermaßen:1. Bei der Entwurfsarbeit soll eine (technische) Funktion gefunden werden, ’’...die vor­

liegende bzw. potentielle Bedürfnisse erfüllen könnte. ... Sowohl der Schluß vom Bedürfnis auf die Funktion als auch von der Funktion auf das funktionserfüllende System sind reduktiver Natur.” (Müller, 1990, S.10). Reduktive Schlüsse sind un­sicher und nur mehr oder weniger plausibel; Lösungen müssen daher gesucht werden.

2. Beim Entwerfen ist über das Vorgefundene hinauszugehen. Vorliegende Erkenntnisse und Erfahrungen werden genutzt, es muß aber auch dort fortgesetzt werden, wo diese fehlen. Ebenso werden die vorliegenden Erfahrungen darüber, wie zu entwerfen ist, überschritten. ’’Ein Entwicklungsauftrag sollte einmalig sein, sonst wäre er nicht zu erteilen. Deshalb ist im allgemeinen die Vorgehensweise, wenigstens teilweise, neu zu finden.” (ebd.). ”To design is to invent.” (Ferguson, 1992, S.12).

3. Problemlösungen sind durch gedankliche Vorwegnahme nach Wirkprinzip, tech­nischer Anordnung, des Herstellungs- und Anwenderkontexts in einer Dokumentation zu entwikkeln, bis die Fertigung und Inbetriebnahme gesellschaftlich akzeptiert wer­den können. Bei Entwurfsproblemen handelt es sich um praktische Probleme, die mehrdimensional (Ropohl, 1990) komplex sind und einer Vielzahl von Anforderungen genügen müssen (Funktion, Herstellung, Transport, Einsatz, Bedienung, Recycling u.a.). Die Anforderungen sind vernetzt, teilweise qualitativ und daher nur abschätzend überprüfbar, z.T. voneinander abhängig oder auch widersprüchlich, sodaß Polyopti­mierung gefordert ist. ”In jedem Entwurf bleibt ein Rest 'Kunst'.’’(Müller, S.10).

4. Beim Entwerfen sind Kenntnisse mehrerer Wissensgebiete nötig. ’’Der Ingenieur ist Spezialist der Vielfalt.” (ebd., S .ll).

5. Technische Entwürfe sind nicht vollständig berechen- und rational durchdringbar. Auch an konkreten technischen Dokumentationen bleibt ein Rest von Unbestimmtheit, weil

- unter unvollständiger Information zu entwerfen ist,

- Polyoptimierung unter gegenläufigen Anforderungen unsicher ist,

- Bestimmungen nicht eindeutig festzulegen sind und nur abschätzend erfolgen können und

- nicht alle Merkmale und Eigenschaften eines technischen Systems rational überdacht werden können.

’’Der Ingenieur kann also im allgemeinen nicht korrekt sagen, wie gut oder wie schlecht sein Entwurf ist, wie weit er ihn rational durchdacht und den Rest der Unbestimmtheit überlassen hat.” (ebd.). ’’Vom Ingenieur wird schöpferische Arbeit gefordert.” (ebd., S.16).

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Seite 28 3. Empirische Konstruktionsforschung

3.3. Technische K reativitä t

Jeder Konstruktionsprozeß enthält neue 'Elemente' (sonst wäre es kein Konstruktions­problem) und dies erfordert von Konstrukteuren 'Kreativität'.Voraussetzung für Kreativität sei Problembewußtsein, die ” Fähigkeit, den Ist - Zustand als unbefriedigend zu empfinden und einen Soll - Zustand als möglich anzunehmen.” (Ropohl, 1990, S.134f.). Kritikfähigkeit und Nonkonformismus seien die förderlichen Persönlichkeitsmerkmale, zu denen noch Motivation und 'Willensstärke' hinzutreten müssen, um die Zustände tatsächlich ändern zu wollen. ’’Dieser Antrieb ... setzt sich aus individuellen und gesellschaftlichen Faktoren zusammen.” (ebd., S.135). Schließlich bedarf es neben Wissen auch noch an Vorstellungskraft, mit der eine neuartige Konstel­lation in der Wirklichkeit gedanklich konzipiert wird.Technische Problemlösungen kommen zumeist nach exemplarischen Vorbildern zustande, die sowohl in der Praxis, wie in der Ausbildung eine große Rolle spielen. Immer wieder werden durch 'Zufall' Lösungen gefunden, von kreativem Problemlosen könne man aber erst dann sprechen, wenn zuvor unbekannte Lösungswege aufgefunden werden oder wenn neuartige Probleme bewußt werden. Ein Erfinder ist dann, ’’wer erfolgreich Mittel und Wege zeigt, ein bisher unerreichtes Ziel auf dem Gebiet materiel­len Wirkens zu erreichen, oder auch, wer neue Wege und Mittel zeigt, ein bereits bekann­tes Ziel zu erreichen ...” (Max Eyth, 1903; zit.n. Ropohl, 1990, S.116). Ropohl baut auf dieser Definition eine Unterscheidung von Erfindungen in Funktionserfindungen - neue Mittel für neue Zwecke - und Strukturerfindung - neue Mittel für bekannte Zwecke - auf. Diese Vorgänge sind lange Zeit als rein intuitive Vorgänge aufgefaßt worden. ’’Erfinden und Konstruieren galt als eine Kunst, die nicht eigentlich gelehrt werden können.” (ebd.). Intuition sei zwar zu fördern, einer rationalen Erörterung und methodischen Zugehens­weise bleibe sie aber verschlossen. In der Konstruktionswissenschaft wird neben der Intuition, die 'primäre Kreativität' genannt wird, von 'sekundärer Kreativität' gesprochen, die diskursiv verlaufe und methodisch unterstützt werden kann. Die These besagt, daß Konstruieren und Erfinden nichts anderes sei als eine neuartige Kombination bereits bekannter Elemente und daß unbewußt und unkontrolliert zustande kommende Verknüp­fungen durch geeignete Prozeduren objektiviert und systematisch erzeugt werden kön­nen. Das (Er)finden von Lösungen beim Entwerfen wird von einem Bündel äußerer Fak­toren und persönlicher Eigenschaften abhängig gedacht, deren Zusammenwirken es zu erfassen gilt, um Konstruktionsprozesse zu erklären. Der Konstruktionsprozeß wird so einerseits zu einem 'Mechanismus', der aus den Einflußfaktoren resultiert, andererseits mysteriös, wenn schwer faßbare persönliche Einflußfaktoren wie Kreativität, Willens­stärke etc. postuliert werden.

3.4. E m pirische Untersuchungen - M ethode der Protokollanalyse

Wenn Konstruieren als (individueller) Denkprozeß aufgefaßt wird, stellt sich das Pro­blem, wie Denkvorgänge empirisch erhoben werden können. Eine Methode besteht darin, Versuchspersonen aufzufordem, ihre Gedanken während der Arbeit zu verbalisieren, d.h. 'laut zu denken', und diese Äußerungen zu protokollieren. Diese Methode wurde bereits in den 1920er Jahren in der Psychologie verwandt und erhielt durch neue Auf­zeichnungstechniken (Audio- und Videorecording) breitere Einsatzmöglichkeiten

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3. Empirische Konstruktionsforschung Seite 29

(Ericsson and Simon, 1993). In der darauffolgenden Analyse der Protokolle werden die aufgezeichneten Äußerungen in Einheiten, sog. 'chunks', zerlegt und einem, aus einer Theorie abgeleiteten, Kategorienraster zugeordnet. Konstruktionsprozesse werden so, je nach Fragestellung und theoretischem Modell, mit einer mehr oder weniger großen Zahl vorgegebener Kategorien zu beschreiben versucht. Der Verlauf des Prozesses, beschrie­ben durch die quantitative Verteilung der Kategorien, wird von einer Vielzahl von Ein­flußfaktoren abhängig gedacht. Um die Einflüsse der Faktoren zu isolieren, die z.B. von Eigenschaften der Konstrukteure ausgehen, werden Experimente durchgeführt, in denen andere Einflüsse konstant gehalten werden sollen. Einige Untersuchungen und hier in­teressierende Ergebnisse seien exemplarisch angeführt.

Eckersley (1988) versucht nachzuweisen, daß sich die Vorgehens weisen bzw. die Pro­zeßverläufe von Designern (Innenarchitekten) unterscheiden, wobei er zur Prozeß­beschreibung die protokollierten Äußerungen folgenden Kategorien zuordnet: wörtliche Wiedergabe der Problemstellung, paraphrasierte Wiedergabe, schlußfolgernde Äuße­rungen, Intentionen oder Pläne, (Gestaltungs-) Schritte, Suche, spezifische Einschätzun­gen, generelle Einschätzungen und eine Restkategorie.Die Auswertung zeigt Unterschiede in der Verteilung der Äußerungen in verschiedenen Kategorien sowohl im zeitlichen Verlauf wie auch Unterschiede zwischen den Ver­suchspersonen, v.a. zwischen erfahrenen und unerfahrenen. Die Verteilung der Äußerun­gen, die als 'Intentionen oder Pläne' kodiert wurden, treten im Designverlauf sporadisch auf, ”... indicating that goals and strategies were generated as needed and not just in initial stages of problem-solving.” (Eckersley, 1988, S. 93).

Eine ähnliche Untersuchung führten Lloyd und Scott (1994) im Bereich der Elektro­technik durch, in der der Entwurf der Steuerung von Elektromotoren in der Praxis erho­ben wurde. In Anlehnung an March (1976) werden die Konstruktionsprozesse mit den drei Kategorien: generative, deduktive und evaluative Äußerungen beschrieben. Wie Eckersley kommen die Autoren u.a. zu dem Ergebnis, daß die Erfahrung der Designer - v.a. Erfahrung mit dem Problemtyp - die wichtigste Variable für den Prozeßverlauf ist. ”As designer experience increases ... generation becomes the dominant mode of reason­ing and deduction becomes less important.” (Lloyd and Scott, 1994, S. 133). Vertrautheit mit dem Problemtypus ermöglicht, neue Probleme aus der Sicht gelöster ähnlicher Pro­bleme zu sehen und ”... to adopt a conjectural approach to designing, that of framing or perceiving design problems in terms of relevant solutions.” (ebd., S.140). Vorgehens­weisen mit anfänglicher Zielklärung, wie sie den Konstruktionsmethoden entsprechen, werden bei unerfahrenen Konstrukteuren beobachtet, während erfahrene Konstrukteure das Problem von ähnlichen, gelösten Fällen her angehen. Ein erfahrener Designer”... seems somehow to have encapsulated his analytical knowledge into the structuring of the problem. He intuitively knows that his interpretation of the problem and solution ... is the correct one.” (ebd., S. 138).

Die Methode der Protokollanalyse birgt einige Schwierigkeiten: Wie lassen sich aus dem Äußerungsstrom Einheiten (chunks) separieren? Die Kodierung der Äußerungen nach einem vorgegebenen Kategorienschema unterstellt, daß die angenommenen Kategorien im Designprozeß relevant sind. Die Äußerungen werden in ihrer Bedeutung für das Modell erfaßt und nicht in der Bedeutung, die sie für den Designer haben. Äußerungen,

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Seite 30 3. Empirische Konstruktionsforschung

für die keine (intercoder) Übereinstimmung bei der Kodierung erzielt wird, werden ebenso ausgeschlossen wie Äußerungen, die nicht in vorgegebene Kategorien passen. Lloyd und Scott erwähnen solche Probleme und machen einen Vorschlag, der unten auf­gegriffen wird: ”... it is extremely difficult as an experimenter to retain an unbiased view of a design process that has been witnessed, however, by the same token a second-hand account seems to remove meaning from the design situation. What this seems to suggest is that design study provides a strong argument for qualitative analysis. ... the design process provides an excellent opportunity for qualitative and individual analysis ...” (ebd., S.139).

Im Rahmen des DFG Forschungsprogramms ’’Denkprozesse beim Entwerfen und Kon­struieren” wurden experimentelle Untersuchungen im Maschinenbau durchgeführt. Konstrukteuren mit unterschiedlichen Erfahrungen wurde dieselbe Aufgabenstellung (siehe Kap.6) vorgelegt und sie wurden gebeten, während der Arbeit 'laut zu denken'; die Konstruktionsprozesse wurden auf Video aufgezeichnet. In der Analyse wurden neben den Verbalisierungen auch weitere beobachtbare Handlungen einem umfangreichen Kategoriensystem (über sechzig Kategorien, abgeleitet u.a. aus dem Phasenmodell VDI 2221 und dem TOTE-Schema), zugeordnet. Die Forschungsfrage richtete sich darauf, welche individuellen Personenmerkmale, die vor dem Versuch mittels Fragebogen erho­ben wurden, die so beschriebenen Prozeßverläufe beeinflussen (Ehrlenspiel und Dylla, 1991). Unter anderem werden folgende Ergebnisse berichtet (Auer, et.al., 1992, S.90): Wie von Eckersley konnten individuelle Unterschiede bei den beobachteten Konstruk­tionsprozessen festgestellt werden, und zwar genauer für- die Gesamtbearbeitungszeit; professionelle Konstrukteure bewältigten die Aufgabe am

schnellsten;

- die Dauer der Lösungssuche und die Anzahl der untersuchten Lösungsideen, wobei kein Zusammenhang mit der Lösungsgüte besteht;

- die Dauer der Zielanalyse, wobei sich - wie bei Eckersley - zeigt, ” ... daß die Analyse und (Um-) Formulierung von Anforderungen nicht nur am Anfang des Problem- löseprozesses erfolgt, sondern immer wieder während der Gesamtdauer des Ver­suchs.” (Auer, et.al., 1992, S.90).

- Lösungen werden mit wenigen, relativ konkreten Begriffen gesucht.

Auer und von der Weth analysieren, wie die Versuchspersonen die Aufgabenstellung klä­ren. Dem denkpsychologischen Ansatz folgend wird angenommen, daß der Konstrukteur ’’...sich in seinem Denken Ziele hinsichtlich des Arbeitsergebnisses, ... aber auch Ziele in bezug auf den Verlauf des Konstruktionsprozesses ... setzt. Diese Ziele, die das Han­deln des Individuums steuern, lassen sich in Form von Hierarchien, sogenannten Hand­lungsplänen, abbilden.” (Auer und von der Weth, 1994, S.175). Aus den protokollierten Äußerungen und Handlungen werden Zielhierarchien rekonstruiert. Es zeigt sich, daß ’’der Umfang der Aufgabenklärung ... keinen wesentlichen positiven Einfluß auf die Qualität der Lösung” (ebd., S.178) hat. Wie die oben erwähnten Studien gelangen sie zu dem Schluß, daß ” ... der unterschiedliche Erfahrungshintergrund der Versuchspersonen eine wesentliche Ursache für die Unterschiede” (ebd.) der Vorgehensweise ist. Ein wei­teres Ergebnis ist zu erwähnen: “Der Umfang der verbalisierten Informationen über die eigenen Handlungspläne nimmt mit zunehmender Berufserfahrung ab. Die Strategien ...

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3. Empirische Konstruktionsforschung Seite 31

sind vermutlich in höherem Maße automatisiert.” (ebd.). Sie kommen zu dem Schluß, daß theoretisches Fakten- wie Methodenwissen beim Konstruieren nicht hinreichen, sondern es einer weiteren Fähigkeit bedarf, die ’’heuristische Kompetenz” genannt wird, d.h. die Fähigkeit ”in neuen, komplizierten Situationen geeignete Handlungspläne zu ihrer Bewältigung zu entwickeln.” (ebd. S. 179 f.). Pahl und Beitz sehen, ähnlich wie Kesselring, “... heuristische Kompetenz ... im hohen Maße von einer naturgegebenen Persönlichkeitsstruktur abhängig” (1993, S.64).

3.5. E m pirische Untersuchungen im Software D esign

Untersuchungen, die das methodisch vorgeschriebene Vorgehen des strukturierten Pro- grammierens mit beobachtbaren Vorgehensweisen verglichen, kamen zu widersprüch­lichen Ergebnissen. Einerseits lassen sich Vorgehensweisen finden, die mit der Methode strukturierten Programmierens weitgehend übereinstimmen (z.B. Adelson and Solo way, 1985); andere Untersuchungen hingegen, z.B. von Guindon (1988, 1989, 1990) und Visser (1987), haben gezeigt, daß Software Designer oft vom Top-down-Vorgehen der schrittweisen Verfeinerung abweichen und dahin tendieren, Entscheidungen auf ver­schiedenen Ebenen zu vermischen, also von einer hierarchischen Planungsstrategie abzuweichen. Ähnliche Abweichungen wurden übrigens auch beim Vorgehen von Konstrukteuren im Maschinenbau (Ullman, Dietrich and Stauffer, 1988) ebenso beobach­tet wie bei Problemlöseverhalten in anderen Bereichen. Diese Beobachtungen haben die Auffassung nahegelegt, den Entwurfsprozeß als 'opportunistisch' vermittelten, heterar- chischen Prozeß zu charakterisieren und die 'opportunistischen' Abweichungen nicht bloß als Ideosynkrasien oder zufällige Fehler zu behandeln, sondern als unvermeidbare Konsequenz schlecht definierter Design-Probleme.

Davies und Castell (1992) versuchen die widersprüchlichen Ergebnisse damit zu erklä­ren, indem sie in einer Studie zeigen, daß das im Protokoll beschriebene Verhalten - v.a. die zeitliche Abfolge der Zielstruktur - vom beobachtbaren Verhalten abweichen kann. ”In general, the articulation of goal structure appeared to follow a top-down decomposi­tion path whereas the actual implementation of the design was strongly data driven and displayed many of the characteristics of what has become known as opportunistic design... .This suggests that some care should be taken when using a methodology such as pro­tocol analysis to characterize events which have significant temporal or process-based dimension such as software design.” (Davies und Castell, 1992). Sie vermuten, daß sich Äußerungen auf zielorientiertes Verhalten beziehen, das unter 'begrenzter Rationalität' (Simon) reflexiv ist, während opportunistisches Verhalten auf niedrigere psychologische Ebenen wie 'recognition memory' und 'automatic decision cycles' zurückgreift, die sich schwer verbalisieren lassen. Äußerungen über Ziele und rationale Erklärungen werden demgegenüber von anderen Größen - wie der Ausbildung und den verwendeten Metho­den - beeinflußt.Design ist eine bedeutungsgeladene Tätigkeit. Es ist daher fraglich, ob sich so etwas wie 'pures' Designhandeln von Arbeitspraktiken und Ausbildungshintergrund trennen läßt. ’’Designers will often resort to rational narrative in order to justify their adoption of a nonrational process. Hence, designers may document the design process and its products as if they had occured in a systematic fashion.... It is difficult to see how such an activity could be validly analysed using the methodology of cognitive psychology since the entire social context of design is ignored.” (Davies und Castell, 1992).

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Seite 32 3. Empirische Konstruktionsforschung

Hinzufügen läßt sich noch die Überlegung, daß es etwas anderes ist, zu handeln oder eine Handlung zu beschreiben. Nach Goffman ist die verbale Beschreibung eine Transforma­tion von Vorgängen in den Rahmen von Gesprochenem, die u.a. die Vorgänge in eine zeitliche Ordnung zwingt.

Zusammenfassung einiger Ergebnisse:

- Vorgehensweisen (der Verlauf des Designprozesses) von Designern unterscheiden sich, v.a. aufgrund unterschiedlicher Erfahrung.

- Zielklärung findet während des ganzen Verlaufs statt, nicht nur am Beginn.

- Vorgehen aufgrund von Erfahrung ist kaum verbalisierbar.

- Verbalisierungen können von beobachtbaren Verhalten abweichen.

- Es sind 'opportunistische' Abweichungen von hierarchischen Planungsstrategien zu beobachten.

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4. Kritik am kognitiven Ansatz Seite 33

4. Kritik am kognitiven Ansatz

Konstruktionshandeln wird als Zweck-Handeln konzipiert und, wie dieses, als ziel- oder plangesteuert aufgefaßt. Wie viele andere Ansätze sozialwissenschaftlicher Theorien­bildung wird (Zweck-) Handeln als Folge eines Planes betrachtet, der durch mehr oder weniger rationale Entscheidungen zustande kommt und mit dem der Handelnde in der Regel bewußte und klare Ziele verfolgt. Handlungspläne, die in elementaren Schritten nach dem kybernetischen Grund-muster entworfen werden, gehen den Handlungen vor­aus und legen diese im Detail fest; Pläne gelten als Programme, die Handlungen steuern. So wird jegliches Zweck-Handeln zu einer Art Problemlosen, in der eine Ist-Situation - beschrieben durch einen Satz von Bedingungen, die zu berücksichtigen, und Mitteln, die zu verwenden sind - in Hinblick auf die Transformations-möglichkeiten in eine Soll- Situation mit Hilfe von Wissen in einem Handlungsplan (rational) zu kalkulieren ist, der dann, nach einem Akt der Entscheidung, zu exekutieren ist. Das Verhältnis der Han­delnden zur Handlungssituation wird durch die Ziele hergestellt. Ob völlig im voraus geplant oder ob der Plan während des Handlungsverlaufes abgeändert wird, in jedem Fall wird angenommen, daß der Plan der Zweck-Handlung vorausgeht. Handeln ist auf die Exekution eines vorgefaßten Planes beschränkt, der unabhängig davon kognitiv erstellt wurde. Verstehen von Handlungen heißt dann in diesem Modell, die einer Handlung zugrundeliegenden Pläne zu erschließen.

Die Vorstellung, daß menschliches Handeln als Verfolgung vorgefaßter Zwecke auf­zufassen sei, wurzelt, wie sowohl Dreyfus (1972) als auch Joas (1992) zeigen, in den Traditionen der westlichen Philosophie, v.a. in der epistemologischen Annahme, daß das erkennende Subjekt in einer kontemplativen Beziehung zur Welt der Tatsachen steht. Die Objekte, denen das Subjekt gegenübersteht, werden von diesem zunächst erkannt und in eine abbildende Ordnung gebracht. Zum Handeln kommt es erst dann, wenn sinnvolle Ziele gesteckt, daraus Handlungspläne entworfen werden und diese durch einen separa­ten Willensakt zur Ausführung gelangen. ’’Eine Handlung entspricht bei diesen Voraus­setzungen am meisten dem Ideal rationalen Handelns, wenn die Zielstellung in völliger Unabhängigkeit von der Handlung und so klar wie möglich formuliert wurde. Der ratio­nal Handelnde läßt sich von tradierten Handlungsweisen oder seinen eigenen Gewohn­heiten oder von dem gerade vorhandenen Angebot an Handlungsmitteln nicht dazu ver­führen, sein Ziel weniger klar zu definieren und weniger technisch geeignete oder öko­nomisch sparsame Mitteln zu selegieren. Hinter der Vorstellung, daß ein Akt der Zweck­setzung dem Handeln vorauszugehen habe, verbirgt sich die Annahme, daß das mensch­liche Erkennen vom Handeln unabhängig sei oder sich doch zumindest von diesem unab­hängig machen könne und solle.” (Joas, 1992, S.231). Gerade die Versuche, menschli­ches Denken zu simulieren, gehen von der Annahme aus, daß Kognitionen - wie Erstel­lung von Plänen - abtrennbare Phänomene sind, die, soweit ihr Mechanismus aufgedeckt wird, auf Maschinen übertragbar sind.Ausgegangen wird von Dichotomien wie der Trennung von Geist und Körper, Zielen und Mitteln, Wissen und Handeln, also die Annahme, daß Erkennen vom Handeln unabhän­gig sei(n solle) und im Gefolge die Trennung von Forschung, wo Wissen produziert, und Praxis, wo Wissen angewandt wird. Technik gilt dann als angewandte (Naturwissenschaft.Obwohl diese Annahmen von Philosophen wie Dewey, Heidegger oder Wittgenstein kri­tisiert wurden, persistieren sie als kulturelle Selbstverständlichkeit ebenso wie in wissen­

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Seite 34 4. Kritik am kognitiven Ansatz

schaftlichen Ansätzen und den teleologischen Deutungen des Handelns, ob es sich nun um handlungssteuemde Ziele, Intentionen, Motive oder Werte handelt. Vor allem das Verständnis von Technik wie auch das Selbstverständnis von Technikern und die Kon- zeptualisierung ihrer Tätigkeit (Konstruktionshandeln) ist weitgehend von dieser Tradi­tion geprägt.

4.1. P roblem e des M odells rationalen H andelns

Technisches Handeln als zweckrationales arbeitsteiliges Handeln gilt vor allem in modernen Wirtschaftsorganisationen geradezu paradigmatisch verwirklicht. Wirtschafts- Unternehmen werden als Feld durchgreifender Rationalisierung angesehen, die anderen Bereichen der Lebenswelt gegenübergestellt werden. Es haben nun aber gerade empi­rische Befunde der Industrie- und Organisationssoziologie die Vorstellung erschüttert, daß Handeln in solchen Organisationen aus dem Organisationszweck heraus verständlich zu machen sind. Webers befehlshierarchisches Bürokratiemodell der Organisation konnte empirisch nicht bestätigt werden. Aus diesen Ergebnissen wurden jedoch wenig Konsequenzen gezogen; ”... die entdeckten und häufig belegten Erscheinungsformen pragmatischen, 'irrationalen' Entscheidungsverhalten wurden und werden vielfach noch immer als Abweichung vom Modell 'zweckrationalen Handelns' begriffen, nicht als substantielles Merkmal von Wirtschaftsorganisationen.” (Dierkes, 1989, S. 11). In empi­rischen Untersuchungen lassen sich zumeist weniger eindeutige Organisationszwecke finden als vielmehr allgemeine Werte, die selbst wieder eher der Rechtfertigung nach außen denn der Handlungsanleitungen dienen. Handeln in Organisationen kann nicht durch die Ziele eindeutig festgelegt werden, sondern bedarf jeweils der Spezifikation durch die Organisationsmitglieder. Vom Organisationszweck kann nicht einfach auf die Ziele und Motive der Handelnden geschlossen werden. Organisationsmitglieder gehören ”... zumeist mehreren, unterschiedlichen Organisationstypen an, deren Mitgliedschaft unterschiedliche Distanzierungsmöglichkeit schafft und die in ihrem Einfluß auf die individuellen Handlungskalküle miteinander konkurrieren.” (Knie und Selmers, 1991, S. 430). Das heißt, es werden nicht nur empirische Abweichungen vom Rationalitätsmodell aufgewiesen - dies würde ja auch von deren Vertretern zu gestanden - sondern das Modell ist nicht realisierbar und empirisch unfruchtbar (Crozier und Friedberg, 1979). Unter­suchungsergebnisse geben nicht bloß Anlaß, neben formalen eben auch informale Orga­nisationsstrukturen anzuerkennen, sondern ”... diese Befunde legen einen Perspektiven­wechsel nahe.” (Joas, 1992, S.222). Es geht darum, die im Rationalmodell nicht erfaß­baren Handlungen nicht bloß als Abweichungen oder Irregularitäten zu betrachten bzw. zu ignorieren, sondern Beschreibungen anzustreben, die der Stellung solcher Handlungen in Organisationsgefügen und Handlungsfigurationen entsprechen. Auch die theoretische Erfassung der empirisch beobachtbaren, 'opportunistischen' Entwurfshandlungen könnte von einem solchen Perspektivenwechsel profitieren.Joas behauptet, ”... daß sich das Rationalmodell der Handlung in einem Verhältnis der Wahlverwandtschaft zum Rationalmodell der Organisation befindet, und dieses hat empirische Mängel. Die unmittelbare Folgerung daraus ist lediglich, daß eine andere Deutung des Handelns als die im Rationalmodell vorliegende ein Beitrag zur Bewälti­gung dieser Schwierigkeit sein könnte.” (Joas, 1992, S.223).Bevor eine alternative Handlungsdeutung aufgegriffen wird, ist noch auf eine Denkfigur einzugehen, die in Zweckhandlungstheorien ebenso wie in der Technikdebatte - Technik als Mittel zum Zweck - verbreitet ist und beide zwanglos integriert.

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4. Kritik am kognitiven Ansatz Seite 35

4.2. D as Zw eck-M ittel-Schem a

ist auch in der neueren Konstruktionsforschung zu finden; z.B.: ”... Technikwissen­schaften ... bereiten den Menschen bessere Lebensbedingungen und helfen ihnen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die Gesellschaft bestimmt die Ziele und Mittel, und die Technik vermittelt die Erkenntnisse aus den anderen Wissensbereichen, um die Ziele zu erreichen.” (Hubka und Eder, 1992, S.9).Das Zweck-Mittel-Schema kann als eine Variante der kausalanalytischen Auffassung von Handeln angesehen werden, in dem das Ich des Handelnden zu einer Ursache des Han­deln wird. Werden weitere Einflußfaktoren hinzugenommen und wird auch zugestanden, daß Handlungen mehrere Wirkungen, sprich Ziele haben können, so bleibt doch das Deutungsschema im Prinzip noch dasselbe.

Die Beschreibung von Handeln nach Ziel - Mittel(ketten) wurde wiederholt kritisiert (in der sozialwissenschaftlichen Technikforschung z.B. von Ropohl, 1983, S.115ff.). Auf Handlungen läßt sich zwar, sowohl von Handelnden wie auch von Beobachtern, ein teleologisches Deutungsschema anwenden, indem ein stabiles Ziel hervorgehoben wird, aber das darf noch nicht als zureichende Beschreibung des tatsächlichen Handlungs­verlaufs genommen werden. Luhmann begreift das Zweck-Mittel-Schema daher nicht als Handlungsmodell, sondern in seiner Funktion für Handelnde, nämlich durch die Gliede­rung in Zwecke und Mittel und die Heraushebung eines Handlungszieles Übersichtlich­keit herzustellen. “Der Zweckbegriff bezeichnet diejenigen Wirkungen bzw. den Kom­plex von Wirkungen, die das Handeln rechtfertigen sollen, also stets nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtkomplex der Wirkungen. Sein 'Thema' ist nicht die Bewirkung jener ausgezeichneten Wirkungen, sondern das Verhältnis ihres Wertes zu den Werten der Nebenwirkungen (einschließlich der Wirkungen anderer Möglichkeiten des Handelns, auf die man bei einem bestimmten Engagement verzichten muß). Die Zwecksetzung besagt, daß der Wert der bezweckten Wirkungen ungeachtet der Werte oder Unwerte der Nebenwirkungen bzw. der aufgegebenen Wirkungen anderer Handlungen das Handeln zu begründen vermag. Der Mittelbegriff erfaßt dieselbe Wertrelation von der anderen Seite der benachteiligten Werte aus. Er geht von den Ursachen aus, die zum Erreichen einer bezweckten Wirkung geeignet sind, und besagt, daß die Wertimplikationen der Folgen dieser Ursachen außerhalb des Zwecks vernachlässigt werden dürfen.” (Luhmann, 1973, S.44). Diese Sicht kritisiert das Rationalmodell der Organisation wie das der Handlung gleichennaßen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, daß die Handlungsziele im allgemeinen nicht so klar sind, daß sie die Handlungen steuern könnten; dies gilt v.a. auch für Konstruktionsziele (siehe unten). Die Mittel wähl kann sich nicht bloß an den Zielen ausrichten, sondern die Ziele werden von den Mitteln beeinflußt. Handlungsziele bleiben zumeist relativ unbestimmt und werden erst durch die Entscheidung über zu verwendende Mittel spezifiziert. Es ist von einer ’’Reziprozität von Zielen und Mitteln, ... also ein(em) Wechselspiel zwischen Mittelwahl und Zielklärung... (auszugehen). Mittel spezifizieren also nicht nur Ziele, sie erweitern auch den Spielraum möglicher Zielstellung” (Joas, 1992, S.227). Dies ent­spricht neueren Ansätzen des design-research: ”(A designer) does not keep means and ends seperate, but defines them interactively as he frames the problematic situation. He does not seperate thinking from doing, rationating his way to a decision which he must

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Seite 36 4. Kritik am kognitiven Ansatz

later convert to action.” (Schön, 1983, S.68). Und aus ähnlichen Gründen wurde z.B. im Bauwesen Kritik an den Phasenschemata geübt: ’’Die Problemformulierung (geht) Hand in Hand mit der Entwicklung eines Lösungsvorschlages ... Unter diesen Umständen gibt es keine Trennung in Projektphasen...” (Rittei, 1972, S.17). Auch in der Wissenschafts­forschung konnte gezeigt werden (z.B. Knorr, 1984), daß Wissenschaftler häufig ihre Probleme von einer in Aussicht stehenden Lösung her stellen.Die Abhängigkeit der Ziele von den Mitteln gilt aber darüber hinaus offensichtlich auch für sogenannte gesellschaftliche Bedürfnisse; sie sind z.T. Folge der Technikver­wendung, d.h. der mit Hilfe von Technik geschaffenen Kontexte.

Das Zweck-Mittel-Schema wird ironischerweise auch von den Kritikern gestützt; so stellt z.B. Habermas Arbeit als instrumentelles (technisches) Handeln Interaktion gegenüber. Instrumentelles Handeln ist ’’von Kommunikation abgetrennt und auf den einsamen Akt der zweckrationalen Mittelverwendung reduziert.” (Habermas, 1971, S.237). Wenn Designarbeit so begriffen wird, dann geht es in der Konstruktionsforschung ausschließ­lich um die Steigerung der Effizienz von zweckrationalen Konstruktionshandeln, wie im Ansatz von Simon angelegt.

Joas faßt die Kritik am Zweck-Mittel-Schema zusammen, indem er feststellt, ”... daß weder routiniertes noch sinnerfülltes, weder kreatives noch existentiell reflektierendes Handeln nach diesem Schema zu denken ist.” (Joas, 1992, S.230). Nun werden gerade beim Konstruieren kreatives, reflektiertes und routiniertes Vorgehen erfahrener Kon­strukteure als wesentliches Charakteristikum angesehen, und dieses ist im Modell ziel­gesteuerten Handelns schwer zu konzipieren.

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5. Methodologische Umorientierung Seite 37

5. Methodologische Umorientierung

Die Alternative zum teleologischen Handlungsmodell, wie sie u.a. von Joas vorge­schlagen wurde, ist, Handeln nicht von den Zielen, sondern von Handlungsfähigkeiten und -fertigkeiten her zu konzipieren. Zielsetzung ist nicht länger als rein kognitives Phä­nomen aufzufassen, sondern bewußte Zwecksetzung gründet in der praktischen Ver- mitteltheit des Menschen und einer Situation. ’’Wahrnehmung und Erkenntnis (ist) nicht der Handlung vorzuordnen, sondern als Phase des Handelns aufzufassen, durch welche das Handeln in seinen situativen Kontext geleitet und umgeleitet wird.” (ebd., S.232). Zwecksetzung geschieht in dieser Sicht nicht vor der eigentlichen Handlung, ’’sondern ist das Resultat einer Reflexion auf die in unserem Handeln immer schon wirksamen, vor­reflexiven Strebungen und Gerichtetheiten.” (ebd.) Erst in der Reflexion werden Stre­bungen thematisiert, die ansonst unbewußt zu Werke sind.Woher kommen aber diese 'Strebungen'? ’’Ihr Ort ist unser Körper: seine Fertigkeiten, Gewohnheiten und Weisen des Bezugs auf die Umwelt stellen den Hintergrund aller bewußten Zwecksetzungen, unserer Intentionalität dar. Die Intentionalität selbst besteht dann in einer selbstreflexiven Steuerung unseres laufenden Verhaltens.” (ebd.). Damit ist ein nicht-teleologisches, selbstreflektives Verständnis von Intentionalität eingeführt, und es verändert sich auch die Auffassung von anderen handlungsbezogenen Phänomenen wie Wahrnehmung, Zielbildung, Handlungsregulation und -planen. Im Gegensatz zur Annahme von Handlungsplänen, die Handlungen bis ins Detail steuern, wird davon aus­gegangen, daß es der körperlich-praktische Bezug zur Welt den Handelnden erlaubt, von eher unbestimmten Erwartungen aus zu handeln als von definierten Plänen.Handlungsfähigkeiten und -erfahrungen strukturieren die Wahrnehmung, und der Umgang mit der Wirklichkeit besteht in einer flexiblen Wechselwirkung zwischen eher globalen Erwartungen und globalen Wahrnehmungen. Erst wenn Handlungsprobleme auftauchen, kommt es partiell zu einer Präzisierung der Erwartungen und Wahrneh­mungen. Darin besteht nach Dreyfus (1972) die Überlegenheit menschlicher Wahrneh­mung gegenüber Simulationen.

5.1. D as K onzept der Situation

Im kognitiven Modell erscheinen Situationen bestimmt durch eine Reihe von Merkmalen (Ziele, Mittel, Bedingungen) und bloß als ein Austragungsort für vorgefaßte, diese Bedingungen verrechnet habende - Handlungspläne. ’’Was dabei fehlt, und was bei einem Bruch mit der teleologischen Denkweise sofort deutlich wird, ist der konstitutive und nicht nur kontingente Situationsbezug des menschlichen Handelns.” (Joas, 1992, S.235). Situationen bestehen nicht bloß aus einer Reihe isolierter Merkmale, die in einem Plan verrechnet werden, sondern Situationen werden von Handelnden als charakteristische, typische Situationen erfahren, werden gestalthaft wahrgenommen. Die Erfahrung einer Situation als eine typische bestimmt die Merkmale, die die Situation kennzeichnen. Der Handelnde trifft ein Urteil über die Situation, indem sie als eine Art von Situationen gesehen wird, in der bestimmte Handlungen angebracht sind. ’’Jede Handlungsgewohn­heit und jede Handlungsregel enthält Annahmen über den Typus von Situationen, in denen es angemessen ist, nach dieser Gewohnheit oder Regel zu verfahren. Unsere Wahrnehmung von Situationen beinhaltet im Regelfall bereits ein Urteil über die Ange­messenheit bestimmter Handlungsweisen. . .

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So verstanden, ist der Begriff der 'Situation' geeignet, an die Stelle des Zweck/Mittel- Schemas als erste Grundkategorie einer Handlungstheorie zu treten. (m.H.)” (ebd).

Das Konzept der Situation und der lokalen Situiertheit von Handeln hat sich in jüngster Zeit in mikrosoziologischer Forschung bewährt. Gegenüber der Annahme, daß ”... soziale Situationen weder eigene Eigenschaften noch eine eigene Struktur haben, sondern nur den geometrischen Schnittpunkt von Akteuren darstellen, die sprechen und bestimmte soziale Attribute tragen” (Goffman, The Neglected Situation, zit.n. Knorr, 1984, S.83) insistiert Goffman darauf, Situationen eine Realität sui generis zuzu­schreiben.Situation meint “ein Verhältnis von Menschen untereinander und zu Sachen oder von einem Menschen zu Sachen, das der jeweils erörterten Handlung schon vorausgeht und daher von den betroffenen bzw. dem betroffenen Menschen als Herausforderung, etwas zu tun oder aber nicht zu tun, je schon verstanden ist.” (Böhler, 1985, zit. n. Joas, 1992, S.235 f ). Böhler nennt dieses (nichtteleologische) Verständnis des Verhältnisses von Handlung und Situation 'quasi-dialogisch'. Ein quasi-dialogisches Verhältnis zu einer Situation kann nun zur Konzipierung von Konstruktionshandeln als interaktives Handeln herangezogen werden. Diese Auffassung findet sich auch bei Schön (1983), der von einer 'conversation with the materials of a situation' spricht, wie im hermeneutischen Ansatz von Coyne und Snodgrass: ’’Designing can be described in terms of a dialoge with a design situation.” (1991, S.125). Situationen sind nicht 'stumm', sondern hand­lungskonstitutiv - ’’the situation talks” (Schön, ebd.), was aber nicht im Sinne eines Behaviorismus als bloße 'Handlungsauslöser' mißverstanden werden darf. ’’Situationsbezug und Zielbezug sind von vornherein miteinander verschränkt. Denn ohne, sei es auch vage Zieldispositionen, die in der Gestalt von Bedürfnissen, Interessen und Normen ante actu gegeben sind, kann uns kein Ereignis als unsere Situation wider­fahren, sondern bliebe für uns bedeutungslos und stumm.” (Böhler, S. 272; zit. n. Joas, S. 236).

Der grundsätzlich situative Bezug von Handeln ist in der Ethnomethodologie der Aus­gangspunkt der Forschungsfragen. Jegliches Handeln ist immer 'lexikalisch' auf die konkreten Umstände einer Situation bezogen. ”... all activity, even the most analytic, is fundamentally concrete and embodied.” (Suchman, 1987, S.vii). Suchman führt den- bereits von C.W. Mills (1940) benutzen - Begriff ’’situated action” ein. ”By situated actions I mean simply actions taken in the context of particular, concrete circumstances, (ebd.) ... the view that every course of action depends in essential ways upon its material and social circumstances.” (ebd., S.50). Die Aufgabe soziologischer Forschung ist dann nicht der Versuch, von den konkreten Umständen zu abstrahieren und Handeln in ratio­nalen Plänen zu repräsentieren, sondern zu untersuchen, wie Handelnde die Umstände einer Situation im Handeln aufgreifen, um mehr oder weniger ungenaue Ziele zu errei­chen. Ziele und Pläne sind nicht vollständige Repräsentationen der Handlungen vor den Handlungen, sondern eine der Ressourcen, die beim Handeln in einer Situation herange­zogen werden.

Ziele, Pläne und Handlungen

Geht die teleologische Konzeption davon aus, daß Intentionen die Ursachen bzw. Gründe für Handlungen sind und Pläne vorgefaßte Ablaufschemata, die das Handeln ständig

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steuern (siehe Miller et.al., 1960), so stellt sich bei Abkehr von diesen Annahmen das Verhältnis von Plänen, Zielen, Werten, Motiven usw. zu Handlungen anders dar. Hand­lungen in einer Situation und ihre Repräsentation in Form projektiver Pläne wie auch retrospektiven Erklärungen stehen nicht in einer eins-zu-eins Korrespondenz zueinander, wie die Beobachtungen von Davies und Castell (s. oben) bestätigen. Wenn Handeln in vorreflexiven Situationsbezügen gedacht wird, dann setzen Handlungen nicht notwendig Planungen voraus; und selbst wenn Pläne vorliegen, determinieren sie nicht vollständig den konkreten Handlungsverlauf; dieser wird erst in der Situation erzeugt und bleibt für Revisionen offen. ’’Pläne stellen uns zwar in Situationen hinein, enthalten aber noch keine erschöpfende Antwort auf die Herausforderungen dieser Situationen.” (Joas, 1992, S. 237). Auch wenn Pläne gefaßt wurden, verlieren vorreflektive, praktische Bezüge zu Handlungssituationen nicht an Wirksamkeit. Pläne bleiben mehr oder weniger vage und sind nie das einzige Orientierungsmittel des Handelns. ”... plans are resources for situa­ted action, but do not in any strong sense determine its course.” (Suchman, 1987, S.52). Die Offenheit und unpräzise Formulierung der Pläne wird - im Gegensatz zum kognitiven Ansatz - nicht als eine Unzulänglichkeit angesehen, die es mit Hilfe von Wissenschaft zu beseitigen gälte, sondern im Gegenteil, die Vagheit der Pläne und damit die Undeterminiertheit von Handlungen sind bestens geeignet, die Ziele und Pläne an die konkreten Umstände der Situation anzupassen, (vgl. für das Handeln in Organisationen, Crozier und Friedberg, 1979).

Mit den oben angeführten empirischen Befunden läßt sich der situative Ansatz bestä­tigen. Die Untersuchungen kommen einhellig zu dem Ergebnis, daß beobachtbare Vor­gehensweisen von Konstrukteuren v.a. von deren 'Erfahrung' abhängt, die zumeist bloß in Jahren einschlägiger Praxis gemessen wird. Es scheint jedoch angebracht, unter Erfah­rung jene Fertigkeiten, Gewohnheiten etc. zu verstehen, die Joas vorreflexive Strebungen nennt und die durch Enkulturation (Vincenti, 1990) bzw. (sekundäre) Sozialisation erworben werden. Sie werden in Kontexten erworben und bleiben auf diese bezogen bzw. stellen diese bei der Ausübung her. Während im kognitiven Modell Erfahrung als eine Variable konzipiert wird, die den Konstruktionsprozeß beeinflußt, geht die nicht­teleologische Handlungsdeutung davon aus, daß eine Vorgehens- bzw. Handlungsweise in einer Situation von Fertigkeiten, Gewohnheiten etc. ihren Ausgang nimmt. Sie evozie­ren eine Vorgehens weise und sind nicht bloß eine Variable, die deren Verlauf beein­flussen! Vorgehenspläne und Methoden setzen, wie Methodiker betonen (z.B. Österle, 1981; siehe oben), Erfahrung des Konstrukteurs voraus. Konstrukteure gehen ein Pro­blem nicht nach einem abstrakten Plan an, sondern mit konkreten Vorstellungen ihrer Erfahrung (Rutz, 1985).Erfahrung enthält jene Deutungsmuster, die es erlauben, eine Situation als typische bzw. ähnliche zu sehen, - ohne zumeist angeben zu können, ähnlich in bezug worauf - und zu verstehen (vgl. das Beispiel von Capron, oben) wie auch das Wesentliche eines Problems (Dreyfus, 1972) zu erkennen. Eine Situation wird aus Erfahrung strukturiert, d.h. aus den potentiell unendlich vielen Einzelheiten werden Elemente als gestalthaft zusammen­gehörend gesehen. Eine Situation als eine bestimmte zu sehen, beschreibt viel von dem, was Kreativität genannt wird (Schön, 1983, S. 182ff.). Im Gegensatz zu einer Anordnung der Einzelheiten in einem Plan, bei dem die Einzelheiten unabhängig vom Plan bestimm­bar sind, werden Einzelheiten einer Situation gar nicht als solche, sondern in ihrer Bedeutung, d.h. als ein Muster wahrgenommen (Polanyi, 1985).

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Erfahrene und v.a. mit einem Problemtyp vertraute Designer zeigen daher eine Vor­gehensweise bzw. 'course of action', in der Planung wenig erkennbar ist. Ein erfahrener Designer “...seems somehow to have encapsulated his analytic knowledge into the structuring of the problem. He intuitively knows that his interpretation of the problem and solution ... is the correct one.” (Llody and Scott, 1994, S.138).Fertigkeiten, Können, Gewohnheiten etc. können zwar einst bewußt gelernt worden sein, sie schwinden aber durch Einübung aus dem Bewußtsein - und werden oft dadurch erst effizient, sodaß sie ausgeübt werden können, aber nicht mehr gesagt werden kann, wie (vgl. das Expertenmodell von Dreyfus und Dreyfus, 1987). Es ist dann zu erwarten, daß erfahrene Konstrukteure Schwierigkeiten haben werden, darüber zu sprechen und genau das wird in den angeführten Untersuchungen bestätigt.Eine der wenigen Studien, die die Vorgehens weise von Designern - in diesem Fall, Soft- Ware-Designem - in der Praxis teilnehmend beobachtete, wird von Visser berichtet. Pro­grammierer wurden auf gefordert, während der Arbeit 'laut zu denken', wobei sich zeigt: ” ... the programmer verbalized rather little while writing the program.” (Visser, 1987, S.222). Wiederholtes Insistieren erbrachte dann lediglich die Nennung von Elementen, z.B. der Variablen, mit denen er gerade arbeitete. Verbalisierungen versiegen beim Aus­üben routinierter Handlungen, wie auch die oben erwähnten Untersuchungen ergaben. Visser kommt zu der These ”... that many of the programmer's actions during program construction are automized (as a consequence of his experience in the field) and that a verbalization other than stating the variables would require a 'decompilation' of these automized procedures. Encouraging the programmer to verbalize more might lead him to make the knowledge sources underlying these procedures explicit, but such verbalization would not express the real activity the programmer performs in writing his program.” (ebd.). Das macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Es ist etwas anderes zu Ent­werfen, oder Entwerfen zu beschreiben. Ein Konstrukteur, der konstruiert, richtet seine Aufmerksamkeit auf das Produkt, nicht darauf, wie er konstruiert; und wenn er darauf achtet, wie er konstruiert, konstruiert er nicht, wie z.B. schon Winkler (1923) bemerkte. Dies läßt die Vorteile einer Beobachterposition deutlich werden.Auch Davies und Castell (1995) beobachteten eine Differenz zwischen den Äußerungen von Designern und ihrem tatsächlichen Handeln, v.a. bei 'opportunistischen' Handlungen. Davies und Castell führen solche Handlungen auf 'lower level psychological mechanism' zurück, die nicht verbalisierbar sind. Durch die Aufforderung zu verbalen Äußerungen neigen die Konstrukteure dazu, eine - in ihrer Kultur - sinnvolle Erklärung ihres Verhal­tens zu geben. ”It is only when we are pressed to account for the rationality of our actions, given the biases of European culture, that we invoke the guidance of a plan. (S.ix) ...The fact that we can always perform a post hoc analysis of situated action that will make it appear to have followed a rational plan says more about the nature of our analysis than it does about our situated actions.” (Suchman, 1987, 52 f.). Die Methode des 'lauten Denkens' birgt also die Schwierigkeit, nicht den Handlungsverlauf 'unmittel­bar' wiederzugeben, sondern eine Erklärung oder Rechtfertigung.

Ein weiterer empirischer Befund aus der Entwurfsforschung wird aus der Sicht einer nicht-teleologischen Handlungstheorie verständlich und empfiehlt daher, Konstruktions­handeln mit diesem Ansatz zu beschreiben. Kennzeichnend für erfahrene Designer ist routiniertes Vorgehen.Im situativen Ansatz gilt bewußte Zwecksetzung nicht als Voraussetzung für Handeln, sondern als Reflexionsprodukt in einer Situation, v.a. dann, wenn sich der Handelnde an

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der einfachen Fortsetzung vorreflexiver, wie z.B. routinierter, Handlungsweisen gehin­dert sieht. Bewußte Zielbestimmungen sind zu erwarten, wenn sich vorreflexive Hand­lungsweisen als unzureichend erweisen. Mit Vissers Beobachtungen läßt sich diese Auf­fassung recht schön stützen. ”In general, he (the programmer) only verbalized his thoughts when he was faced with a problem, when he was not sure what to do, or when he had noticed an error or an omission.” (Visser, 1987, S.222). So wissen erfahrene Technikgestalter: ’’Ein Großteil unseres Tuns ist Routine ... Der größte Anteil der Tätig­keit läuft entsprechend (dem) Bild (eines 'Eisbergs') ohne bewußte Steuerung im 'Normalbetrieb des Denkens' ab. (Erst) wenn Probleme so nicht mehr bewältigt werden können, müssen sie bewußt im 'Rationalbetrieb' des Gehirns nach einer Methode ange­gangen werden.” (Ehrlenspiel und Günther, 1995, S.65f.). Wenn Zielbestimmungen dann zu erwarten sind, wenn vorreflexives Vorgehen auf Schwierigkeiten stößt, dann wird auch verständlich, daß Ziele während des ganzen Konstruktionsprozesses geäußert werden, wie auch, daß die Anzahl der Zielformulierungen von der Erfahrung abhängt. Auer und von der Weth (1994) stellen einen kuppelförmigen Zusammenhang zwischen Erfahrung und Anzahl der geäußerten Ziele fest. Ausgebildete, aber unerfahrene Kon­strukteure produzieren die umfangreichste Zielanalyse; aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung stoßen sie wohl oft auf Probleme, während erfahrene Konstrukteure nur wenige Ziele formulieren.

Die vorgetragenen Argumente legen nahe, die methodologische Umorientierung für eine Theorie des Konstruktionshandelns mitzuvollziehen und Technikgestaltungs- bzw. Kon­struktionsprozesse mit einem situativen Ansatz zu untersuchen. M.E. kommt der Prag­matismus des situativen Ansatzes den Vorgehensweisen von Ingenieuren näher als die an informationsverarbeitenden Algorithmen ausgerichteteten kognitiv zweck-rationalen Handlungsmodelle. Es wird damit der Auffassung entgegengetreten, die Konstruktions­arbeit des Ingenieurs ausschließlich als instrumentelles Handeln zu begreifen, das von vorgegebenen Zielen gesteuert wird. Der situative Ansatz ermöglicht auch, die Beschrän­kung von Konstruktionshandeln auf individuelles Denken aufzuheben und von vorn­herein in sozialen Kontexten zu konzipieren. Mit der methodologischen Umorientierung ändert sich die Fragestellung (das Paradigma) der Forschung. Nicht von handlungs- steuemden Zielen und Plänen wird ausgegangen, sondern - und dies legen die referierten Untersuchungsergebnisse nahe - von vorreflexiven Fertigkeiten, Routinen, Gewohn­heiten.Konstruktionsziele können nicht als 'Ursachen' genommen werden, die den Konstruk­tionsprozeß erklären, sondern sind Ressourcen im, bzw. Produkte des Handlungs­prozesses. Konstruktionsziele sind zwangsläufig vage (siehe unten), sie stellen die am Gestaltungsprozeß Beteiligten in eine Situation, steuern aber nicht ihre Handlungen.Eine Handlungsweise nimmt ihren Ausgang von einer je schon als typisch erfahrenen Situation, in die sich die Designer 'gestellt' sehen und mit der Handlungsweise auch ver­suchen, diese Situation herzustellen. Die Situation wird aufgrund der Gewohnheiten, Fertigkeiten, Routinen - kurz der Erfahrung, die Technikgestalter als Mitglieder einer (Sub)Kultur erworben haben, typisiert, und ein 'course of action' aufgerufen. Hand­lungsziele werden erst auf dem Hintergrund der jeweils als typisch erfahrenen Situation bestimmbar, setzen diesen also bereits voraus, liegen gleichsam auf einer anderen Ebene. Der Begriff der 'vorreflexiven Strebungen', v.a. in Form von Fertigkeiten und Gewohn­heiten sowie die Verbindung mit dem Situationskonzept, kann jetzt weiter verfolgt wer­den.

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Erfahrung und Intuition - Fertigkeiten, Gewohnheiten, Routinen als vorreflexive Strebungen

Anschauliche Beispiele für Fertigkeiten, die sozusagen in den Körper übergehen, findet man im Umgang mit Werkzeugen, Maschinen, Instrumenten etc. Solche Fertigkeiten werden gelernt, geübt und praktiziert, wobei anfängliches Üben die volle Aufmerksam­keit des Übenden beanspruchen kann, mit zunehmendem Training bedarf es dann weni­ger bewußter Zuwendung bis dahin, daß die Fertigkeit völlig 'automatisch' ausgeübt wer­den kann - gleichsam in den Körper übergeht, oder, wie Polanyi sagt, zu einem 'proxi­malen Term' wird. ’’Von geplanten und bewußten Handlungen werden sie zu Gewohn­heiten, und die Gewohnheiten werden immer unbewußter und immer mehr der willkür­lichen Kontrolle entzogen.” (Bateson, 1985, S.333).Die Aufmerksamkeit, die in der Übungsphase von den Fährnissen des Umgangs okku­piert war, wird nun wieder 'frei' und kann sich anderem zuwenden. Beim Spielen eines Musikinstruments wird das deutlich. Solange man damit beschäftigt ist, die grundsätz­lichen Fertigkeiten zu erwerben, um dem Instrument Töne zu entlocken, wird nicht davon gesprochen, daß man musiziert, sondern man macht 'Fingerübungen' - die meist 'nicht anzuhören' sind. Erst wenn diese Fertigkeiten erlernt wurden und keiner bewußten Zuwendung mehr bedürfen, kann sich die Aufmerksamkeit der Musik zuwenden. Solche Fertigkeiten werden in den Körper 'interiorisiert', schwinden aus dem Bereich der Auf­merksamkeit bzw. aus dem Bewußtsein, werden zunehmend zur Routine und sind in die­ser Form die Voraussetzung der Ausübung. Man kann die Dinge tun, kann aber nicht mehr sagen, wie man sie tut.Und es ist etwas anderes, eine Tätigkeit zu üben oder sie auszuüben - es findet ein Per­spektivenwechsel statt: ein Pianist, der übt, konzentriert sich auf die Bewegung seiner Finger und verliert leicht die Musik aus der Aufmerksamkeit.Allgemein gehören Fertigkeiten zu den Voraussetzungen für Sichtweisen und Erfahrun­gen. Wenn man eine Fertigkeit ausübt, wie z.B. musizieren, konstruieren etc., geht man von Fertigkeiten aus, um seine Aufmerksamkeit auf etwas Anderes, die Musik, das zu konstruierende Produkt, etc. zu richten.Fertigkeiten, Routinen u.ä. sind für Alltagshandeln ebenso konstitutiv wie für das Han­deln in Spezialbereichen, etwa den verschiedenen Berufen. Experten zeichnen sich durch ein auf spezifischen Fertigkeiten beruhendes Spezialwissen aus, die wohl sehr spezifisch, jedoch strukturgleich mit Fertigkeiten überhaupt sind. Berufliche Praxis von Experten läßt sich u.a. dadurch charakterisieren, daß sie immer wieder mit bestimmten Typen von Situationen konfrontiert werden ’’...which make up a practice, and they denote types of family-resembling examples.... As a practitioner experiences many variations of a small number of types of cases, he is able to 'practice' his practice. He develops a repertoire of expectations, images, and techniques. He learns what to look for and how to respond to what he finds.As long as his practice is stable, in the sense that it brings him the same types of cases, he becomes less and less subject to surprise. His knowing-in-practice tends to become in­creasingly tacit, spontaneous, and automatic, thereby conferring him and his clients the benefits of specialization.” (Schön, 1983, S.60).

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Fertigkeiten, Gewohnheiten, Routinen als Grundelemente des Wissensvorrates

Schütz unterscheidet den Wissensvorrat zwischen Grundelementen und spezifischen Teilelementen. Während die spezifischen Teilinhalte ins Bewußtsein geholt und thema­tisiert werden, sind Grundelemente (wie z.B. 'die Transzendenz der Weltzeit') nicht als konkrete Erfahrungen einfach 'latente' Teilinhalte des Wissensvorrats, sondern sind in jeder Situation und jeder Erfahrung mitgegeben. Man kann sie nur in der theoretischen Einstellung in das Bewußtsein bringen. ”In der natürlichen Einstellung sind sie ein not­wendiger Bestandteil eines jeden Erfahrungshorizonts, ohne selber Erfahrungskem zu werden.” (Schütz, 1979, S.135). Schütz betont, daß der ”... Körper und sein gewohn­heitsmäßiges Funktionieren ein Grundelement einer jeglichen Situation (ist)” (ebd., S.136).Grundelemente des Wissensvorrats- sind eine Bedingung jeglicher Erfahrung, indem sie in den Erfahrungshorizont einge-

hen;

- sind auf andere Weise 'vorhanden' als spezifische Teilelemente, die bloß 'zuhanden' sind;

- werden, im Gegensatz zu spezifischen Erfahrungen und darauf aufgestuften Typisie­rungen des Wissensvorrats, nicht problematisiert.

Fertigkeiten, Routine- und Gewohnheitswissen nehmen nun, nach Schütz, eine Mittel­stellung zwischen den Grundelementen und den spezifischen Elementen des Wissens­vorrats ein.Fertigkeiten entstanden zwar aus ehemals 'problematischen' Erfahrungen bzw. Tätig­keiten, die aber - empirisch relativ - 'endgültig gelöst' wurden und nur in Ausnahme­situationen wieder problematisch werden können. Wenn man den Umgang mit techni­schem Gerät in diesem Sinne auffaßt, sieht man, wie Fertigkeiten im Umgang mit Tech­nik zu Grundelementen des Wissens Vorrats mit den beschriebenen Charakteristika werden können. Technische Artefakte sind dann 'vorhanden' (siehe auch Winograd, Flores, 1989).Ähnliche Mittelstellung nehmen auch Gebrauchs-, Rezept- und Gewohnheitswissen ein. Während die Grundelemente des Wissensvorrats universell, prinzipiell, unveränderlich und für jeden selbstverständlich vorhanden sind, sind die spezifischen Inhalte in ver­schiedenen Sub-Kulturen unterschiedlich. Fertigkeiten und Gewohnheitswissen liegen dazwischen. Ein gewisser gemeinsamer Bestand von Gewohnheitswissen gehört zum Wissensvorrat von jedermann. Sein Inhalt ist zwar wandelbar, aber nicht so variabel wie die Teilinhalte des Wissensvorrats. Während die Grundelemente des Wissensvorrats in einer Kultur weitgehend geteilt werden, sind die spezifischen Teilinhalte des Wissens­vorrats intra-sozial differenziert.

Gewohnheitswissen hat eine paradoxe Relevanzstruktur. Es ist einerseits von größter Relevanz, insofern es Voraussetzung ist, andererseits jedoch von untergeordneter Rele­vanz, weil ihm keine Aufmerksamkeit mehr zukommt. Solche Routinen sind ständig griffbereit, ohne ins Bewußtsein zu treten. Beim Planen werden die 'vollautomatischen Elemente des Wissens’ nicht mehr explizit miteinbezogen. “Die Elemente des Gewohn­heitswissens werden nicht mehr als Wissenselemente, als selbständige Erfahrungsthemen

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erfaßt, sondern sind im Horizont des Erfahrungsablaufs mitgegeben.” (Schütz, 1979, S.173).Routinisierung gibt es nicht nur in der Lebenswelt des Alltags sondern auch in Bereichen geschlossener Sinnstrukturen. ’’Ebenfalls gibt es Gewohnheiten im wissenschaftlichen Denken, auch wenn dieses nicht wissenschaftstheoretisch legitimiert sein mag.” (ebd., S.145)

Routinen können aber zum Nachteil werden, ”... as a practice becomes increasingly tacit and spontaneous, the practitioner may miss important opportunities to think about what he is doing. He may find that... he is drawn into patterns of error which he cannot correct.And if he learns, as often happens, to be selectively inattentive to phenomena that do not fit the categories of his knowing-in-action, then he ... has 'overleamed' what he knows.” (Schön, 1983, S.61). Für Experten besteht das Dilemma, einerseits so geübt zu sein, um die Fertigkeiten des Berufes zu beherrschen, andererseits in Gefahr zu geraten, durch Gewohnheitsbildung 'blind' zu werden. ’’Der Prozeß der Gewohnheitsbildung ist ein Absinken des Wissens auf weniger bewußte ... Ebenen. ... Wir können Dinge tun, ohne bewußt über sie nachzudenken. (S.199) ... Dieses Phänomen ... ist relevant für alle Kunst und alle Technik.” (Bateson, 1985, S.190). Das, was am besten gewußt wird, ist auch das, was am wenigsten Gewußt ist (Samuel Butler). Tendenziell wird das aus dem Bewußtsein abgesenkt, das immer gleich bleibt und daher zur Gewohnheit werden kann.

Fertigkeiten, Gewohnheiten und ihre Struktur als implizites Wissen

Durch Fertigkeiten werden Relationen zwischen Einzelheiten zu einem kohärenten Gan­zen, zu einem Muster bzw. einer 'Gestalt' hergestellt. Bei der Ausübung der Fertigkeit verschiebt sich die Aufmerksamkeit auf das durch die Fertigkeit verbundene Ganze. Durch ihre Verbindung zu einem Muster erhalten die einzelnen Merkmale Bedeutung, bedeuten das Muster. Einzelheiten werden dann nicht isoliert, für sich registriert oder gewußt, sondern als Bestandteil des Ganzen, auf das sich die Aufmerksamkeit konzen­triert wie die Beispiele der Gestaltpsychologie anschaulich demonstrieren. Die Auf­merksamkeit gilt dem Ganzen, der 'Gestalt', und die Einzelheiten werden im Lichte der Gestalt wahrgenommen, nicht als Einzelheit, und werden als solche auch nicht gewußt; so wird z.B. ein Gesicht wiedererkannt, ohne dessen Einzelheiten angeben zu können.Es werden also nicht zunächst einzelne Merkmale identifiziert, von denen dann durch eine Serie von Schlüssen auf eine Ganzheit, die sie zusammen bilden, geschlossen wird, sondern die Merkmale werden bereits als Teil einer Ganzheit, d.h. sie werden in ihrer Bedeutung gesehen. Wie in den Wahmehmungs- und Erkenntnistheorien weitgehend anerkannt, ist Wahrnehmung nicht passiv, sondern ein aktiver Prozeß. Die Fähigkeit, bestimmte Dinge (in ihrer Bedeutung) wahrzunehmen, setzt Fertigkeiten voraus, die dann nicht gleichzeitig Gegenstand der bewußten Aufmerksamkeit sein können, also implizit bleiben. Die Fertigkeiten, die Einzelheiten zu einem Ganzen verbinden, nennt Polanyi 'tacit knowledge' (dt.: implizites Wissen). Die Integration einzelner Merkmale ist die “... unentbehrliche stumme Macht, mit deren Hilfe alles Wissen gewonnen und, einmal gewonnen, für wahr gehalten wird. ... die Struktur der Gestalt (verwandelt sich) in eine Logik des impliziten Wissens ...” (Polanyi, 1985, S.15L). Wahmehmen, Erkennen und Wissen, auf das sich die Aufmerksamkeit richtet und über das explizit gesprochen wer­den kann, setzt Fertigkeiten voraus. G. Ryle hat dies in der Unterscheidung von 'knowing

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that' - Wissen und 'knowing how' - Können, zum Ausdruck gebracht. Und zurecht wird im Ingenieurwesen der Begriff des 'know-how' - des Könnens betont. Implizites Wissen verbindet diese beiden Arten von Wissen. Polanyi nennt als Beispiele für implizites Wissen das (Wieder-) Erkennen von Physiognomien. Ein Beispiel, das deutlich die Struktur impliziten Wissens aufweist, ist die 'Kunst' erfahrener Diagnostiker, also die Fä­higkeit intuitiv zu erkennen, was (welche Situation) vorliegt, ohne genau sagen zu kön­nen, wie das erkannt wird. In der Konstruktionsforschung wird Intuition bei der Vor­gehensweise erfahrener Konstrukteure als wichtig anerkannt, gilt aber gegenüber einem explizit, rational diskursiven Vorgehen als unzuverlässig (z.B. Pahl und Beitz, S.76), mysteriös (Coyne and Snodgrass, 1991) und einem rationalen Diskurs nicht zugänglich. Folgt man demgegenüber der Argumentation von Polanyi, dann läßt sich mit Konzept impliziten Wissens eine Vorstellung über die Struktur von Intuition entwickeln. Konstruktionsprozesse hängen, wie gezeigt, wesentlich von Erfahrung ab und das heißt wohl genauer, von dem mit zunehmenden Fertigkeiten erworbenen impliziten Wissen.

5.2. Kontexte

Fertigkeiten und Handlungsgewohnheiten als Aspekte 'vorreflexiver Strebungen' ent­halten Annahmen über den Typ der Situation, in der es angemessen ist, in einer Weise zu verfahren. Der konstitutive Situationsbezug von Handeln läßt sich m.E. mit Batesons Kontextbegriff weiter elaborieren.Bateson hat in einer Reihe von Artikeln (u.a. im Anschluß an Rüssel und Whitehead: 'Principia Mathematica') eine Theorie der logischen Typen entwickelt und darin einen Kontextbegriff formuliert.Eine einfache Darstellung von Bateson's Kontextbegriff läßt sich anhand seiner Interpre­tation individuellen Lernens in Lemexperimenten geben, mit der er über die psychologi­sche Lem-theorie hinausgeht. In Lemexperimenten - wenn es etwa darum geht, daß Versuchspersonen sinnlose Silben zu erlernen haben - läßt sich zeigen, daß sich die Lemkurve - d.h. die Anzahl der erlernten Silben bezogen auf die Anzahl der Darbie­tungen - verbessert, die Lemleistung also steigt, wenn gleiche Experimente wiederholt durchgeführt werden. Die gestiegene Lemleistung kann nun nicht durch das dargebotene Material erklärt werden, da in den Experimenten jeweils andere sinnlose Silben vorgelegt werden. In diesen Lemexperimenten, so argumentiert Bateson, wird also nicht nur das dargebotene Material - im Beispiel sinnlose Silben - gelernt, sondern gleichzeitig wird darüber hinaus auch gelernt, wie man sinnlose Silben lernt. Die Versuchspersonen lernen auch zu lernen'. Es werden nicht nur die Probleme gelöst, die der Experimentator stellt, sondern darüber hinaus wird eine Fertigkeit im Lösen solcher Probleme erworben.Es wird gleichzeitig auf unterschiedlichen Ebenen gelernt: Einerseits auf der der Inhalte - in diesem Beispiel die sinnlosen Silben - und andererseits wird gleichzeitig eine Geschicklichkeit im Lernen erworben, also im lernen von Lernen - im Beispiel die Fer­tigkeit, sinnlose Silben schneller zu behalten. Der Unterschied auf dieser Ebene zum einfachen Lernen, auf den Bateson nachdrücklich hinweist, ist, “... daß das Subjekt lernt, sich in bestimmten Typen von Kontexten zu orientieren, oder 'Einsicht' in die Kontexte der Problemlösung zu gewinnen.” (Bateson, 1985, S.228). Die Einzelheiten der Situation (Lemexperiment) werden durch Wiederholung zu einem Muster, einer Gestalt bzw. einem Kontext zusammengefügt, in bezug auf den die Einzelheiten Bedeutung anneh­men. Wie bei Polanyi sind die beiden Ebenen durch die erworbene Fertigkeit (Lernen lernen) implizit verbunden. Zu beachten ist auch hier, daß sich die Aufmerksamkeit der

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Versuchspersonen auf die zu erlernenden Silben konzentriert und daß nicht die Einzel­heiten der Experimentalsituation als solche thematisiert werden. Die Fertigkeit, mit Experimentalsituationen zurechtzukommen, wird gleichsam nebenher erworben. Weitere Situationen können durch Gewahrwerden von Einzelheiten wie z.B. der Räumlichkeiten, das Verhalten der Mitarbeiter etc. als Experimentalsituation erkannt werden, auch wenn diese Einzelheiten nicht bewußt angegeben werden können. Es wird die Gewohnheit erworben, die Einzelheiten als einen bestimmten Typ einer sinnvollen Abfolge, eines Musters zu erwarten und danach vorzugehen, d.h. den Strom von Geschehnissen danach zu 'interpunktieren'. Bateson gelangt so zu der Hypothese, “... daß 'Lernen zu lernen' ein Synonym für die Annahme der Klasse von abstrakten Denkgewohnheiten ist...” (ebd., S.228) bzw. ein Synonym für “apperzeptive Gewohnheiten” (ebd., S.232), die dann einen Typ von Situationen - vorreflexiv - erkennen lassen.Selbstverständlich werden apperzeptive Gewohnheiten nicht nur in Lemexperimenten erworben. ’’Ganz offenkundig werden solche Gewohnheiten in der menschlichen Erzie­hung auf vielerlei Weise erworben. ... (Sie werden) vermittelt... durch Sprache, Kunst, Technologie und andere kulturelle Medien, die an jedem Punkt durch eingefahrene Wege apperzeptiver Gewohnheiten strukturiert sind (m.H.).” (ebd., S.232 f.). In einer Kultur werden eine Vielzahl von apperzeptiven Gewohnheiten zu finden sein und erst recht kontrastierende Muster im interkulturellen Vergleich.

Unter Lernen versteht Bateson allgemein eine Veränderung, wobei zwischen verschie­denen Arten oder Ebenen von Veränderung bzw. verschiedenen Arten von Lernen und Gelerntem zu unterscheiden ist.Lernen 0 nennt Bateson die Veränderung, die eintritt, wenn eine Information oder ein Signal empfangen und darauf reagiert wird, sonst aber keine weiteren Veränderungen auftreten. Die Informationen werden immer richtig identifiziert (d.h. sind eindeutig) und für die Operationen richtig eingesetzt, sodaß kein Irrtum auftreten kann; es werden weder Fertigkeit noch Intuition erworben, und das Verhalten gleicht einem Algorithmus. Die Vorstellungen, daß der Konstruktionsprozeß ein - noch nicht entdeckter - Algorithmus sei, gehen auf die Vorstellung zurück, daß bei vorliegen der notwendigen Informationen, die richtigen Operationen errechenbar sind.Zur Reaktion auf ein Signal oder eine Information können auch Maschinen befähigt wer­den. ’’Die Frage lautet nicht: 'Können Maschinen lernen?’, sondern: 'Welche Ebene oder Ordnung des Lernens erreicht eine gegebene Maschine wirklich?'” (ebd., S.368).Lernen I bezeichnet Bateson als eine Veränderung im Lernen 0, d.h. die Änderung der Reaktionen im gleichen Kontext, wie sie beispielsweise durch Gewöhnung und den Erwerb einer Fertigkeit eintritt oder umgekehrt durch das Erlöschen einer Gewohnheit. Es ändern sich die Reaktionen, d.h. die Auswahl innerhalb einer gleichen Menge von alternativen Reaktionen. Grob gesagt ist unter Lernen I alles das zu verstehen, was in psychologischen Lernexperimenten der operanten und instrumentellen Konditionierung untersucht wird: die Veränderung der Reaktionen auf Reize in wiederholbaren, d.h. glei­chen Experimenten. Unterstellt wird, daß die Reize in verschiedenen Durchgängen die gleichen sind, d.h. der gleiche Kontext vorliegt und die Versuchspersonen den Ereignis­strom gleich interpunktieren.Lernen II bezeichnet Veränderungen im Prozeß von Lernen I. Bateson bezeichnet diese Ebene in einem frühen Aufsatz als ’’Deutero - Lernen” (ebd., S.229) in einer späteren Vorlesung schlägt er den Begriff ’’Trito-Lernen” (ebd., S.327) vor und ab 1964 spricht er von ’’Lernen II” (ebd., S.378). Lernen II bezieht sich nicht auf das Erlernen von Reaktio­

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nen oder Handlungen in Kontexten sondern auf das Erlernen bzw. Verändern der Kontexte. Während Lernen I darin besteht, eine (richtige) Reaktion aus einer Menge möglicher Reaktionen auszuwählen, wird im Lernen H die Menge der Alternativen ver­ändert. Eine(n) Kontext(struktur) zu erlernen heißt, ein Kontingenzmuster zu erlernen und zu erwarten. Im Falle eines experimentellen Settings wird eine Vorstellung von der “'Natur' des Versuchsaufbaus” (ebd., S.38O) erworben und diesbezügliche Erwartungen ausgebildet; das sind u.a. die spezielle Beziehung bzw. gegenseitige Rollenerwartung von Versuchsleiter(n) und Versuchsperson(en) wie auch das spezifischere Muster von Handlungsabfolgen. In klassischen psychologischen Lemexperimenten des operanten und instrumentellen Konditionierens werden nicht nur die Reaktionen gelernt, auf die die Versuchsleiter achten, sondern es werden auch die charakteristischen Abfolgen von Reiz, Reaktion und Verstärkung, die die spezifische Muster dieser Kontexte bilden bzw. das Setting erlernt, in denen diese Muster erwartet werden. Mit dem Erlernen eines Kon­textes wird eine Gewohnheit erworben, die Bestandteile einer Situation bzw. den Erfah­rungsstrom als eine bestimmte - mit Schütz kann man sagen, typische - Abfolge von Ereignissen wahrzunehmen, d.h. den Erfahrungsstrom zu 'interpunktieren'; daher kann man sie apperzeptive Gewohnheiten nennen. Lernen II sind die “...Veränderungen in der Art, wie der Handlungs- und Erfahrungsstrom ... in Kontexte unterteilt oder inter­punktiert wird...” (ebd., S.379).Kontexte bzw. Rahmen (siehe unten) ermöglichen, Ereignisse und Vorgänge in einer Situation zu strukturieren, indem sie ein gestalthaftes Interpretationsmuster zur Verfü­gung stellen und sie so als bestimmte, in einem Rahmen oder Kontext sinnvolle Ereig­nisse oder Vorgänge wahrzunehmen: ”,.. durch das Ganze wird bestimmt, was als Teil zählt.” (Dreyfus, 1985, S.192).Auf höhere Lemebenen wird hier nicht mehr eingegangen.

Persönliche Eigenschaften

In der Konstruktionsforschung wird davon ausgegangen, daß Konstruktionshandeln durch eine Reihe von Faktoren beeinflußt wird, unter denen die inneren, die Persönlich­keitsmerkmale des Konstrukteurs, v.a. seine Erfahrung, Kreativität, Motivation, Kompe­tenz etc., gleichwohl wichtig, wie schwer zu messen sind. Kesselring (1954) wie auch Pahl und Beitz (1993) halten viele dieser persönlichen Eigenschaften für angeboren. Bateson's Ansatz erlaubt nun eine etwas andere Konzipierung dessen, was persönliche Charakter-Eigenschaften genannt wird. Persönliche Charakter-Eigenschaften sind Ergebnisse von Lernen II. Sie bestehen darin, in bestimmten Situationen bestimmte Abfolgen zu erwarten und die Ereignisse danach zu interpunktieren. Es sind jene Kontin­genzmuster von Kontexten, die Personen in Situationen einbringen. Persönliche (Charakter-) Eigenschaften wie aktiv, passiv, optimistisch, pessimistisch, perfektio- nistisch, schlampig etc. sind “... Adjektive, die den Anschein erwecken, individuelle Eigenschaften zu beschreiben, in Wirklichkeit (aber sind sie) eigentlich nicht auf das Individuum anwendbar, sondern eher Transaktionen zwischen dem Individuum und seiner materiellen und menschlichen Umgebung.... Das Charakteristische eines Men­schen ... ist nicht etwas an ihm, sondern eher ein Charakteristikum dessen, was zwischen ihm und etwas (oder jemand) anderem vorgeht.” (Bateson, 1985, S.385). Demnach ist es problematisch anzunehmen, diese Transaktionsmuster seien persönliche Eigenschaften, die situationsunabhängig 'an' der Person gemessen werden könnten, sondern es ist davon auszugehen, daß die 'Interpunktionsweisen' nur im laufenden Austausch beobachtet wer­

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den können, womit sich die Methode der teilnehmenden Beobachtung empfiehlt. So sind z.B. im Fall des Austausches von zwei Personen die einzelnen Handlungen und Äuße­rungen der Personen, sowohl für die Beteiligten, wie auch für Beobachter, mehrdeutig. Die Bedeutung der Handlungen und Äußerungen werden erst in Kontexten verständlich. In Interaktionen wird Klarheit dadurch geschaffen, daß die Beteiligten von einer still­schweigenden, selten ganz ausgesprochenen Übereinkunft oder Annahme über den Typ der Situation und damit über die Art ihrer Beziehung, d.h. ihrer wechselseitigen Rollen ausgehen, also der Kontextstruktur, die sie erwarten. Die besondere Weise, wie die Abfolge der Handlungen, Äußerungen etc. interpunktiert wird, wird unterstellend in die Situation eingebracht, die Situation wird als solche gesehen und, wenn auf diese Weise gehandelt wird, auch (mit)geschaffen. Die Situation wird gerahmt, indem Kontexte - erworben durch Lernen II - auf diese Situation übertragen werden und dadurch zu einer (typischen) ähnlichen Situation wird.

Vorgehensweise als Kontext

Es geht nun nicht darum, persönliche (Charakter-) Eigenschaften zu diskutieren, sondern es wird versucht, mit Batesons Theorie einen Ansatz zur Konzeptualsierung dessen zu erarbeiten, was in der Konstruktionsforschung Vorgehens weise beim Konstruieren genannt wird. Ein Schwachpunkt der kognitiv, rationalen Modellierung von Konstruk­tionshandeln wurde darin erkannt, daß routiniertes Vorgehen schwer erfaßt werden kann. Die Einsicht, daß routiniertes Konstruktionshandeln nur zu einem (geringen) Teil die Schwelle bewußt geplanter Tätigkeit erreicht, gab u.a. Anlaß, Konstruktionshandeln von vorreflexiven Strebungen in einer Situation her zu konzipieren. Das routinierte, intuitive Vorgehen beim Konstruieren wird nun als Vorgehensweise aufgefaßt und damit an Bateson's Kontextbegriff angeschlossen.Es wird vorgeschlagen, die (persönlichen) Vorgehens weisen von Konstrukteuren ebenso zu begreifen wie (Charakter-) Eigenschaften, nämlich als Ergebnis von Lernen II. Auf die Vorgehensweise trifft daher zu, was bisher über 'Lernen lernen' bzw. Kontextlemen gesagt wurde. Die Vorgehens weisen beim Konstruieren lassen sich weniger auf Persön­lichkeitsmerkmale, die an Personen - den Konstrukteuren -meßbar sind, zurückführen, sondern werden als Austauschmuster zwischen den Konstrukteuren und 'etwas und/oder jemand' beschrieben und damit die Sicht vorbereitet, Konstruieren als Interaktion auf­zufassen und so einer soziologischen, d.h. interaktionstheoretischen Analyse zu eröffnen. Vorgehensweise meint die Übertragung von durch Lernen II erworbenen Kontexten (und Rahmen) in eine Situation. D.h.- Vorgehens weise ist eine Weise, Vorgänge, Ereignisse etc. einer Situation zu inter-

punktieren, typisieren, interpretieren und entsprechende Handlungen einzuleiten;

- eine Vorgehensweise, die als voheriges 'Lernen lernen' gleichsam nebenher erworben und zu Gewohnheit und Routine wurde, bleibt, solange sie nicht thematisiert wird, weitgehend unbewußt und daher schwer zu verändern - wie auch die Konstruktions­forscher feststellen mußten (vgl. Müller, oben).

Es ist zwischen einer Handlung in einem Kontext und einer Handlungsweise, die einen Kontext einführt, zu unterscheiden; eine einzelne Handlung und eine Handlungsweise sind verschiedene logische Typen (Bateson, 1985), d.h., sie beziehen sich auf verschie­dene Ebenen.

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Mit Bateson läßt sich das am Beispiel der 'instrumenteilen Lebensanschauung' demon­strieren. Es handelt sich um die Vorgehensweise, in einer Situation nach 'Versuch und Irrtum' zu verfahren - eine Vorgehensweise, die auch bei Konstrukteuren vermutet wird (z.B. Rutz, 1985). Nach Versuch und Irrtum vorzugehen ist eine Weise, die Ereignisse zu interpunktieren, wobei sich deutlich zeigt, daß, wenn sich einzelne Handlung im Kontext von Versuch und Irrtum als Irrtum heraussteilen und verändert bzw. korrigiert werden (auf der Ebene von Lernen I), der Irrtum aber keinen Einfluß auf die Vorgehensweise nach Versuch/Irrtum als solches hat! Die Vorgehenswezse liegt (logisch) auf einer anderen Ebene und reagiert nicht auf solche Ereignisse, die eine Handlung korrigieren. Wenn die Handlung keinen Erfolg hat, wird die Handlungsweise deshalb nicht verändert. Eine Handlungsweise, wie z.B. das Versuch-Irrtum-Verhalten, kann durch die Feststellung, daß sich eine einzelne Handlung dieser Handlungsweise als Irrtum heraus­stellt, nicht berührt werden, da es ja gerade der Sinn dieser Handlungsweise war, zu sehen, ob die Handlung ein Irrtum ist oder nicht. Sowohl der Erfolg der Handlung wie deren Zurückweisung durch 'Tatsachen' sind Ergebnisse, die die Handlungsweise nach Versuch und Irrtum bestätigen. Ähnliches dürfte für die wissenschaftliche Vorgehens­weise gelten: ein wissenschaftliches Ergebnis, eine Aussage etc. kann als zutreffend angesehen werden oder nicht; in beiden Fällen wird aber die wissenschaftliche Vor­gehensweise nicht in Frage gestellt. Da Handlungsweisen auf der Ebene von Hand­lungen, die innerhalb dieser Handlungsweisen vollzogen werden, nicht korrigiert werden können, tendieren sie dazu, sich selbst zu bestätigen und sind deshalb gegen Veränderung äußerst resistent.Bateson besteht daher darauf, daß eine Handlungsweise als eine Weise, Handlungen zu organisieren, und eine Handlung innerhalb einer Handlungsweise, verschiedene Ebenen (logische Typen) sind, die im Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen zueinander stehen. Jemand “... mit dieser (instrumenteilen) Lebensanschauung wird sich in einer neuen Situation auf ein Verhalten nach 'Versuch und Irrtum' einlassen, um aus der Situa­tion eine positive Verstärkung zu erhalten. Gelingt es ihm nicht, diese Verstärkung zu erlangen, wird sein Zweckdenken dadurch nicht negiert. Sein Verhalten nach 'Versuch und Irrtum' wird einfach andauem. Die Voraussetzungen des 'Zwecks' sind einfach nicht vom selben logischen Typ wie die materiellen Lebenstatsachen und können daher nicht so leicht durch sie widerlegt werden. ... Im Hinblick auf die Unbewußtheit dieser Inter­punktionsgewohnheiten beobachten wir, daß das 'Unbewußte' ... auch Gewohnheiten der Gestaltwahmehmung einschließt.” (Bateson, 1985, S.388f.). Die wiederholt beklagte Feststellung von Konstruktionsmethodikem, daß die Vorgehensweisen von Konstruk­teuren in der Praxis, soweit sie von den Konstruktionsmethoden abweicht, kaum zu ver­ändern sei, findet mit diesen Überlegungen eine plausible Erklärung. Darüber hinaus lassen sich wahrscheinlich viele Konflikte, etwa bei der Auseinandersetzung mit tech­nischen Neuerungen, auf verschiedene Weisen, die Dinge zu sehen und sich darin bestä­tigt zu sehen, nach diesem Ansatz erklären.

Ebenen

Bateson's Lernebenen bieten eine theoretische Begrifflichkeit, den Erwerb von Erfah­rung zu konzipieren, und es erscheint plausibel, Konstruktionserfahrung und die damit verbundene intuitive Vorgehensweise im Sinne von Lernen II zu beschreiben.Nebenher erworbene Fertigkeiten ermöglichen es, mit einem ganzen Typ ähnlicher Fälle besser fertig zu werden. Gerade das Sehen von Ähnlichkeiten - oft ohne zunächst sagen

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zu können, ähnlich in bezug worauf - wird von Konstruktionsforschem als Charakte­ristikum erfahrener Konstrukteure hervorgehoben; dies gilt auch für Wissenschaftler, wie Knorr (1984) zeigt. Empfohlene Kreativitätsmethoden wie 'brainstorming' bauen auf assoziative und metaphorische Ähnlichkeit.Nach Bateson's Theorie kann man erwarten, daß Ingenieure in der Ausbildung nicht nur jene spezifischen Inhalte lernen, die man als 'Lehrstoff bezeichnet, sondern nebenher auch jene Verallgemeinerungen und Kontexte, die den spezifischen Inhalten Bedeutung verleihen.Die Ausbildungssituation zeigt durchaus paradoxe Struktur: Es sollen Inhalte erworben werden, deren Bedeutung nur in Kontexten verstanden werden kann, die aber im gleichen Lemvorgang zu erwerben sind. Diese paradoxe Situation wird daher von den Studierenden oft als verwirrend empfunden, wie z.B. Schön (1987) in einer Unter­suchung der Aussagen von Architekturstudenten zeigt. Studierende müssen versuchen, den Verhaltensstrom ihrer Lehrer zu verstehen, indem sie diesen zu einem Muster zusammenfügen, das sie jedoch noch nicht kennen und das erst den Handlungen, Gesten etc. wie auch den Inhalten Sinn verleiht und sie verstehbar macht.In der Ausbildung werden daher nicht bloß Inhalte erworben, sondern, da Wissen von Können nicht zu trennen ist, auch die Fertigkeiten, das Können, die apperzeptiven Gewohnheiten und die Interpretationsmuster, die den Inhalten erst eine Bedeutung bzw. einen Sinn verleihen und sie verstehbar machen. Daher kann von (sekundärer) Sozialisa­tion gesprochen werden, und es ist zu erwarten, daß ausgebildete Berufsanfänger, die in die jeweiligen Kontexte der 'tatsächlichen' Ausübung ihrer Kunst, also etwa in Unter­nehmen, kommen, eine weitere Sozialisation in die jeweilige Untemehmenskultur erfah­ren, die ihre Vorgehensweise verändert.

Ebenen des Lernens in der Ingenieurausbildung könnte man folgendermaßen unter­scheiden: Bei der- Konstruktion z.B. einer speziellen Maschine, dem Entwurf eines Programmes, eines

Gebäudes etc. werden in Auseinandersetzung mit dieser speziellen Maschine, Pro­gramm, Gebäude etc.

- auf einer Ebene der Verallgemeinerung die 'Muster' bzw. Typen von (funktionierenden, preisgünstigen, funktionalen etc.) Maschinen, Programmen, Gebäuden etc. bzw. der ’’Stand der Technik” (Knie und Helmers, 1991, S.437) erwor­ben sowie

- Vorstellungen, wie diese Maschinen, Programme, Gebäude verwendet werden, und

- gleichzeitig und 'nebenher' eine Vorgehensweise beim Konstruieren/ Entwerfen.

- Zur Vorgehens weise gehört auch zu lernen, 'wie es in einem Konstruktion-, Entwurfs­büro zugehf. Diese Art des Lernens wird auch als 'hidden curriculum' (Ward, 1990, S.lOff.) bezeichnet.

Die Vorgehens weise bei der Konstruktion des Mechanismus einer Maschine, des Ent­wurfs eines Programms, etc. liegt auf einer andern (logischen) Ebene, ist selbst kein Mechanismus, Maschine oder Programm und daher mit anderer Begrifflichkeit zu unter­suchen. ”... ein strikter Diskurs eines gegebenen logischen Typs kann die Phänomene eines höheren Typs nicht erklären.” (Bateson, 1985, S.381). So kann auch das Verhalten eines Programmes nicht auf der Ebene bzw. in der Terminologie von bits & bytes

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beschrieben werden; ebenso unsinnig wäre es, ein Gemälde durch Pinselstriche beschreiben zu wollen. Jene, die Kontexte studieren (Vorgehensweisen, Beziehungen usw.), stoßen auf Sprachbarrieren bei denen, die sich mit der 'darunter' liegenden Ebene (einem anderen logischen Typ) beschäftigen; womit eine mögliche Erklärung der Schwierigkeiten der Interdisziplinarität angeboten wird.Auch für Dörner und Tisdale (1993) wie auch Müller (1990) liegt die Vorgehens weise auf einer 'Metaebene' zur Konstruktion. Die Kontextebenen stehen aber miteinander in Beziehung und ” ... es ist von hervorragender Bedeutung, ein begriffliches System zu haben, das uns zwingt, die 'Botschaft' (z.B. einen Gegenstand) als sowohl innerlich musterförmig wie auch selbst als Teil eines größeren musterförmigen Universums anzu­sehen - der Kultur oder irgendeines Teils der Kultur.” (Bateson, 1985, S.186).

Exkurs: Natur,- Technik, - Sozialwissenschaften

Die Unterscheidung von Ebenen wird von Bateson, wie auch von Polanyi verallge­meinert, indem behauptet wird: es ’’...besteht eine Entsprechung zwischen der Struktur des Verstehens und der Struktur des Verstandenen.” (Polanyi, 1985, S.37). Die Struktur des Verstandenen - die 'Realität' - ist ebenfalls in Ebenen geschichtet. So bestehen z.B. Maschinenteile aus Materialien, die den 'Gesetzen' der Physik, Chemie usw. unterliegen. Die Kenntnis dieser Gesetze, also das Wissen der Naturwissenschaften, kann aber nichts darüber aussagen, wie Maschinen zu bauen sind. Physik und Chemie enthalten kein Wissen über die Wirkungsweise von Maschinen; ”... Maschinenbau und Physik (sind) zwei verschiedene Wissenschaften.” (ebd., S.41). Die Konstruktion einer Maschine beruht zwar auf Naturgesetzen, d.h. kann sich darüber nicht hinwegsetzen; die Kon­struktionsprinzipien können aber auf der Ebene der Naturwissenschaften nicht erklärt werden.Technik sollte daher nicht als bloße Anwendung von Naturwissenschaft gedacht werden. Die Organisationsprinzipien von Maschinen liegen auf einer anderen Ebene. Polanyi sieht das so: ”Um ... herauszufinden, in welchem Verhältnis die Wirkungsweise einer Maschine zu den über ihre Teile herrschenden Gesetzen tatsächlich steht, müssen wir das Wesen einer Maschine als komplexe Entität betrachten.” (ebd.). Das 'Wesen' einer Maschine besteht im Zusammenwirken von Teilen zu einem Ganzen, und für diese Art von Ganzheiten haben die Naturwissenschaften keine Begriffe; ”... selbst bei vollstän­diger physikalischer und chemischer Erforschung eines Gegenstandes (würde man) weder erfahren, ob es sich bei ihm um eine Maschine handelt, noch - falls er eine ist - wie sie funktioniert und welchem Zweck sie dient. Die physikalische und chemische Untersuchung bleibt ohne Bedeutung, solange sie nicht im Kontext einer vorab festgeleg­ten Wirkungsweise dieser Maschine unternommen wird.” (ebd.). Die Organisations­prinzipien auf der Ebene der Maschine haben die Einhaltung der darunter liegenden Ebene der Naturgesetze zur Voraussetzung; und auf diese Ebene verlagert sich die Auf­merksamkeit dann, wenn diese Voraussetzungen versagen, die Maschine defekt ist und zusammenbricht.

Polanyi spricht vom 'Prinzip der marginalen Kontrolle', wobei er darunter versteht, daß - am Beispiel einer Maschine - die Ebene der Naturgesetze Möglichkeiten offen läßt, den Materialien künstliche Formen zu geben. Die möglichen künstlichen Formen, beispiels­weise von Maschinenteilen, werden von Naturgesetzen nicht determiniert. Einem Mate­rial wie z.B. Stahl können zwar nicht beliebige, aber eine Unzahl von Formen gegeben

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werden. Die Wissenschaft, die sich mit den möglichen künstlichen Formungen befaßt, um die Teile so zu formen, daß sie zu einer funktionierenden Maschine Zusammen­wirken, ist der Maschinenbau. Der (klassische) Maschinenbau beschäftigt sich dann mit den ” ... Prinzipien, die die Randbedingungen eines unbelebten Systems festlegen- worunter eine Gesamtheit von Bedingungen zu verstehen wäre, die von den Natur­gesetzen ausdrücklich nicht determiniert werden. Die Disziplin Maschinenbau sorgt nun für eine Festlegung solcher Randbedingungen.” (ebd., S.42). Das Verhältnis von Natur­wissenschaft und Technik, hier z.B. Maschinenbau, kann nun so beschrieben werden, daß die Disziplin des Maschinenbaus Prinzipien formuliert, die jene 'Randbedingungen kontrolliert', die nicht Gegenstand von Naturwissenschaften sind.M.E. lassen sich weitere Ebenen hinzufügen. Polanyis Überlegung folgend, kann man sagen, daß beispielsweise eine Maschine ihrerseits nicht kontrollierte Randbedingungen offen läßt, die von einer anderen Ebene, der des Umgangs mit der Maschine, 'kontrolliert' werden. Maschinen bzw. technische Artefakte können bekanntlich - in einem gewissen Spielraum - unterschiedlich oder auch überhaupt nicht, verwendet werden. Die Ebene der (gesellschaftlichen) Nutzung ist als eine weitere Ebene aufzufassen, die daher in der Techniksoziologie als 'Umgang' eine eigenständige Kategorie (z.B . Homing, 1987) bildet. Erst auf dieser Ebene bekommt Technik soziale Bedeutung. Nicht alles, mit dem man einen Nagel einschlagen kann, ist ein Hammer.

Wie Bateson geht es Polanyi um die Beziehung der Ebenen, die, nach Polanyi, die Struktur impliziten Wissens aufweisen. Man betrachte unter diesem Gesichtspunkt den Umgang mit Gegenständen. Polanyi führt bei der Erläuterung des Begriffs des impliziten Wissens das Beispiel der Fertigkeit im Umgang mit technischen Artefakten, nämlich Werkzeugen an. Es läßt sich nun behaupten, daß jeglicher (konventionalisierte) Umgang mit Technik die oben beschriebene Struktur von Fertigkeiten hat.

Auf der Ebene des Umgangs mit einer Maschine richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung im Anwendungskontext. Voraussetzung dafür sind die Fertigkeiten im Umgang mit (funktionierenden) Maschinen, Geräten etc. Wie beim Werkzeuggebrauch wird die Maschine zu einem 'proximalen Term', dessen man gewahr wird, um auf ihre Bedeutung, den Verwendungszusammenhang zu achten. Der Anwendungskontext setzt funktionierende Werkzeuge, Maschinen, etc. und die Fertigkeiten ihrer Handhabung voraus. Diese Fertigkeiten gehen gleichsam in den Körper über, und daher kann man dann ein 'Gespür' für Werkzeuge etc. haben.

Auf der Ebene des Umgangs mit einer Maschine kann man bekanntlich große Geschick­lichkeit erwerben, ohne genau zu wissen, wie die Maschine funktioniert - z.B. beim Autofahren. Der Konstrukteur einer Maschine wird zwar häufig nicht derjenige sein, der die größte Fertigkeit im Umgang mit der Maschine hat, er kann sich aber trotzdem nicht auf die Ebene der Wirkungsweise der Maschine beschränken und die Ebene des Umganges, den Anwendungskontext, ignorieren, genausowenig wie er die Ebene der Naturgesetze ignorieren kann, wenn es darum geht, eine Maschine zu entwickeln, die verwendet werden soll.Es ist anzumerken, daß auch Konstruieren Fertigkeiten im Umgang mit Technik voraus­setzt. Technikentwickler sind selbst Technikanwender. Der Konstrukteur als Technik­anwender muß, wie andere Technikanwender, nicht genau wissen, wie die von ihm ver­wendeten Artefakte - der chemische Aufbau des Papiers, auf dem er zeichnet; der

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Computer, auf dem ein CAD Programm läuft - funktionieren, der geschickte Umgang mit dieser Technik ist allerdings Voraussetzung zur Ausübung seiner Tätigkeit - es sind ’’things to think with” (Schön, 1988, S.183).

Die paradoxe Struktur von Problemen

Konstruktions- und Entwurfshandeln besteht darin, (lösbare) Problemstellungen zu (er)finden und zu lösen. Bereits Platon hat im Menon darauf hingewiesen, daß Probleme eine paradoxe Struktur haben. Entweder, argumentiert er, weiß man, wonach man sucht, dann hat man kein Problem; oder man weiß nicht, wonach man sucht, dann kann man nicht erwarten, etwas zu finden. ”... (E)in Problem sehen heißt: etwas Verborgenes sehen. Es bedeutet, die Ahnung eines Zusammenhangs bislang unbegriffener Einzel­heiten zu haben.” (Polanyi, 1985, S.28). Diese Ahnung oder Intuition gründet, nach Polanyi, in implizitem Wissen, setzt dieses voraus und ermöglicht die Paradoxie von Problemen zu überwinden. Polanyi betont damit ebenfalls den vorreflexiven Ausgangs­punkt von Problemlösehandlungen in Form von Fertigkeiten oder allgemein, implizitem Wissen. Intuition ”... stützt sich auf die Verinnerlichung von einzelnen Merkmalen, auf die wir nicht achten und die wir daher auch nicht näher bestimmen können, sowie auf die Lenkung unserer Aufmerksamkeit von diesen unspezifizierbaren Einzelheiten weg auf eine komplexe Entität, in der sie auf eine für uns undefinierbare Weise zusammengefaßt sind.” (ebd., S.30). Polanyi verallgemeinert diese Sicht dahin, ’’daß alles Erkennen von derselben Art ist wie das Erkennen eines Problems.” (ebd., S.31).Demnach besteht eine strukturelle Verwandtschaft des Verstehens einer Person und dem Verstehen eines Problems und dem Erkennen überhaupt. ”... (W)eder Probleme noch der Geist eines Menschen unterscheiden sich ... grundsätzlich von allen übrigen Dingen. Denn auch ein unbelebter, fester Körper wird erkannt, indem man seine einzelnen Merkmale versteht, von denen aus wir unser Interesse auf ihn als diesen Gegenstand richten.” (ebd., S.35). Polanyi stellt damit, wie später die Wissenschaftsforschung, eine methodologische Trennung von Natur- und Geisteswissenschaft (ebd., S.24) in Frage. Wenn man dieser Argumentation folgt, so ist festzuhalten, daß Polanyis Auffassung von Problemlosen, und hier interessieren Konstruktionsprobleme, auf implizitem Wissen, also Intuition, Erfahrung und Kreativität des Konstrukteurs beruht und daß dies eine strukturelle Verwandtschaft zum Verstehen eines anderen Menschen hat: das Zusam­menfassen einzelner Merkmale zu einem Muster oder Kontext, durch implizites Wissen. Das Erkennen und Lösen von Problemen, wie die Konstruktion und Erfindung einer Maschine, ”... deute(t) einen potentiellen Zusammenhang bislang unzusammenhän­gender Dinge an, und ihre Lösung begründet eine neue, komplexe Entität ...” (ebd., S.45).Konstrukteure müssen, wie auch in den Konstruktions- und Entwurfsmethodiken betont wird, die Probleme (z.B. von Auftraggebern), besser gesagt, ihre problematischen Situa­tionen, zu verstehen suchen (vgl. das Beispiel von Capra, oben). Verstehen eines Pro­blems und Verstehen der Anliegen der Auftraggeber sind dann eng verbunden. Nach Polanyi besteht zwischen dem Verstehen eines Problems und dem Verstehen Anderer eine strukturelle Verwandtschaft und man kann sagen, beide sind hermeneutisch inter- pretativ. Konstruktionsprozesse sind dann Handlungsprozesse, die analog zu Inter­aktionsprozessen als Austausch- und Interpretationsmuster konzipiert werden können und in interaktionstheoretischer Untersuchung rekonstruierbar sind.

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Polanyis Begriff des impliziten Wissens soll nun mit dem Kontextbegriff verbunden werden; gleichzeitig wird untersucht, wie eine Situation (vorreflexiv) als eine typische Situation erkannt wird und ein entsprechendes Handlungsmuster aufruft.

Kontextmarkierungen

Zur Erläuterung des Kontextbegriffs wurde zunächst vom Erwerb von Fertigkeiten und Lernen gesprochen und es wurde darauf hingewiesen, daß jene 'komplexen Entitäten' (Polanyi) bzw. Kontexte quasi 'nebenher' erlernt werden. Einzelheiten der Situation wer­den implizit zu einem Muster verbunden. Für das Handeln wesentlich ist, daß die Situa­tion erkannt wird, aber nicht im geringsten bewußt zu sein braucht, wie sie erkannt wird. Es geht jetzt darum, wie Situationen als typische erkannt werden, und speziell, wie Kon­strukteure problematische Situationen typisieren. Konstrukteure, wie andere Handelnde auch, die in eine Kultur sozialisiert wurden, haben Interpretationsmuster, d.h. Kontexte erworben, die sie in eine Situation einbringen. Apperzeptive Gewohnheiten veranlassen sie, bei Gewahrwerden von Einzelheiten intuitiv einen Kontext einzubringen bzw. einen Typ von Situation zu sehen; eine Situation wird 'gesehen als' eine typische Situation. Einzelheiten einer Situation, Ereignisse, Vorgänge, Zeichen etc. können ja, je nach dem Kontext, in dem sie wahrgenommen werden, völlig unterschiedlich wahrgenommen werden und ganz verschiedene Bedeutung haben. Jene Einzelheiten, Hinweise und auch konventionalisierten Zeichen, die einen Hinweis darauf geben, in welchem Kontext die Ereignisse einer Situation aufzufassen sind, nennt Bateson Kontextmarkierungen. Kon­textmarkierungen bezeichnen Kontexte und sind nicht Mitteilungen im Kontext, sondern auf einer anderen Ebene - sie sind Metamitteilungen. ’’Der Kontext des Reizes ist eine Metamitteilung, die das elementare Signal klassifiziert." (Bateson, 1985, S.374).Goffman bezeichnet metakommunikative Hinweise als Artikulationskanal von Rahmen und behauptet eine interessante Erweiterung. ’’Bateson beschränkt ... den Artikulations­kanal auf Kommunikation, ... doch es scheint nichts dagegen zu sprechen, den Begriff auf beliebige Aktivitäten (m.H., wie Konstruieren, F.G.) auszudehnen.” (Goffman, 1977, S.234, Fn.15).Die Typisierung oder Kontextualisierung einer Situation kann nun mehr oder weniger leichtfallen. Einerseits kann eine bestimmte Typisierung einer Situation so zwingend erscheinen, daß andere Interpretationsmuster gar nicht in den Sinn kommen. Menschen in solchen Situationen stehen ”... vor einem Sperrfeuer von Kontextmarkierungen ” (Bateson, 1987, S.153) und sind nicht fähig, die Situation anders zu sehen, was sich als sehr nachteilig erweisen kann. Es kann vermutet werden, daß dies auch auf Konstruk­teure zutrifft, die aufgrund ihrer Erfahrung die Fertigkeit erworben haben, Situationen anhand von Merkmalen zu typisieren bzw. nach einer oft erprobten Vorgehensweise zu interpunktieren - die also intuitiv und routiniert Vorgehen. “In jedem Betrieb und in jedem Konstruktionsbüro bestehen Erfahrungen, aber auch Vorurteile und Konventionen, die zusammen mit dem Streben nach geringstem Risiko den Durchbruch zu ungewohnten Lösungen verhindern ...” (Pahl und Beitz, 1993, S.164).Andererseits können problematische Situationen mehrdeutig sein, und es besteht Unklar­heit darüber, welches Problem bzw. was überhaupt vorliegt.

Ausgehend von einer methodologischen Umorientierung wurden Konzepte aufgegriffen, die es erlauben, (Konstruktions)Handeln von erworbenen Fertigkeiten, Routinen oder allgemein implizitem Wissen her, zu beschreiben.

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5. Methodologische Umorientierung Seite 55

Wenn auf die oben angeführten Definitionen von Handeln und Design als Transforma­tion unbefriedigender in erwünschte Situationen zurückgeblickt wird, so ergibt sich nun eine geänderte Auffassung der Begriffe Problem und Situation.

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Seite 56 6. Design als sozialer Prozeß

6. Design als sozialer Prozeß

Wie kommt es zu einer Problemstellung?

Es wird nun davon ausgegangen, daß Designprozesse nicht mit technischen Problemen beginnen, sondern zumeist mit unbefriedigenden und deshalb problematischen Situatio­nen, die einen Wunsch oder ein Bedürfnis nach Veränderung der Situation entstehen las­sen. “The situations of practice are not problems to be solved but problematic situations characterized by uncertainty, disorder and indeterminacy.” (Schön, 1983, S.15f.). Worin das Problem einer unbefriedigenden Situation besteht, muß erst noch herausgefunden werden, “... there is a problem in finding the problem” (ebd., S.129) und das ist bereits als wesentlicher Teil des Gestaltungsprozesses anzusehen. Es gehört zur 'Kunst' von Designern - ihrer Kompetenz, es ist “an irreducible element of art in professional prac­tice” (ebd., S.18) - eine problematische Situation so aufzufassen, zu deuten und (um) zu strukturieren, daß eine (handhabbare) Problemstellung entsteht. “... (P)rofessional prac­tice has at least as much to do with finding the problem as with solving the problem found...” (ebd., S.18). Es geht nicht bloß darum, ein schlecht definiertes Problem zu präzisieren, sondern eine geeignete Problemstellung zu (er)finden - die dann zumeist bereits die 'Lösungsidee' (Lohmann, 1953/54) in sich birgt. Dies wird in den Entwurfs­und Konstruktionsmethodiken übersehen. “Auf welche Art und Weise die Probleme selbst definiert werden, hält man im Rahmen dieser Konzeption überhaupt nicht für reflexionsbedürftig. ... Wie man zu technischen Problemformulierungen gelangt und wie sie zu begründen sind, ist ... in der Konstruktionswissenschaft bislang nicht befriedigend erklärt worden.” (Ropohl, 1990, S.147f.). Die Tätigkeit der Designer, die an diesen Transformationsprozessen früher oder später beteiligt sind, reicht über technisches Pro­blemlosen hinaus. Eine Situation muß in irgendeiner Weise verstanden und geordnet werden, damit den Einzelheiten oder Bestandteilen eine Bedeutung zukommen kann und ein (lösbares) Problem erkennbar wird. Welche Probleme gestellt werden - die Problem­konstitution - ist kein technisches Problem. “Although problem setting is a necessary condition for technical problem solving, it is not itself a technical problem.” (Schön, 1983, S.40). In eine problematische Situation muß eine Ordnung eingebracht und eine Problemstellung konstituiert werden; die Aufmerksamkeit wird auf bestimmte ‘Dinge’ der Situation gelenkt, und eine Richtung wird angezeigt, in die die Situation zu verändern ist. “Problem setting is a process in which, interactively, we name the things to which we will attend and frame the context in which we will attend to them. (S.40)... (Problems) must be constructed from the materials of problematic situations ... It is ... through the nontechnical process of framing the problematic situation that we may organize and clarify both the ends to be achieved and the possible means of achieving them. (S.41) ... (I)t is the work of naming and framing that creates the conditions necessary to the exer­cise of technical expertise.” (ebd., S.42).Eine Situation muß nicht von allen Beteiligten als unbefriedigend erlebt werden und jene, die eine Veränderung einer Situation wünschen, können durchaus verschiedener Ansicht sein, in welche Richtung sie zu verändern sei.Designer können daher nicht von einem einfach gegebenen 'Ist-Zustand' ausgehen, also von "... einer Situation mit bestimmten Merkmalen ...” (Hussy, 1993, S.20) und die Dif­ferenz zu einem mehr oder weniger wohldefinierten Soll-Zustand - das Problem - zu überbrücken suchen, sondern sie müssen die (potentiellen) Wünsche der Auftraggeber

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oder Nutzer und die Situation, in der sie geäußert werden, verstehen. Situationen, und die in ihnen geäußerten Wünsche, sind nicht einfach gegeben und etwa mit einem vorgege­benen Instrumentarium zu messen, sondern werden von den Beteiligten in Handlungszu­sammenhängen konstituiert. Es gehört auch zur Kompetenz des Designers, Handlungs­kontexte zu deuten und eine Situation zu verstehen. Konstrukteure sind, wie andere Akteure auch, Interpreten fremder wie eigener Handlungen. ’’Sie handeln und interpretie­ren auf der Grundlage eines durch Sozialisation und Erfahrung erworbenen und innerhalb ihrer Kultur gesellschaftlich weitgehend geteilten und ebenso weitgehend routinisierten Vorwissens, das ihnen jeweils ein mehr oder weniger bewußtes Repertoire von typischen Bedeutungen, Handlungen und Auslegungen zur Verfügung stellt.” (Soeffner, 1989, S.141).Designer, wie andere Akteure in der Situation, stehen vor der Frage: Was geht hier vor? “... what is going on.” (Capron, siehe oben).

6.1. R ahm en

Ausgehend von dieser Fragestellung schlägt Goffman (1977) eine Rahmenanalyse vor. Goffman hat den Rahmenbegriff von Bateson übernommen und in die Soziologie einge­führt. Bateson's Rahmenbegriff ist verwandt und z.T. synonym mit seinem Kontextbe­griff. Goffman geht nun davon aus, “... daß wir gemäß gewissen Organisationsprinzipien für Ereignisse ... und für unsere persönliche Anteilnahme an ihnen Definitionen einer Situation aufstellen; diese Elemente ... nenne ich ’Rahmen’.” (Goffman, 1974, S.19). Rahmen stellen Interpretationsschema zur Verfügung, die es erlauben, Ereignisse, Vor­gänge etc. zu deuten, zu erkennen und entsprechend zu (re)agieren. Insoweit die Anwen­dung eines solchen Rahmens oder einer solchen Sichtweise von den Betreffenden so gesehen wird, daß sie nicht auf eine vorhergehende oder ’ursprüngliche’ Deutung zurückgreift, spricht Goffman von primären Rahmen. “Wenn der einzelne in unserer westlichen Gesellschaft ein bestimmtes Ereignis erkennt, neigt er dazu ... seine Reaktion faktisch von einem oder mehreren Rahmen oder Interpretationsschemata bestimmen zu lassen und zwar von solchen, die man primäre nennen könnte. Dies deshalb, weil die Anwendung eines solchen Rahmens oder einer solchen Sichtweise von den Betreffenden so gesehen wird, daß sie nicht auf eine vorhergehende oder ’ursprüngliche’ Deutung zurückgreift; ein primärer Rahmen wird eben so gesehen, daß er einen sonst sinnlosen Aspekt der Szene zu etwas Sinnvollem macht.” (ebd., S.31).Rahmen organisieren die Erfahrung. Einige Rahmen, wie z.B. wissenschaftliche Theo­rien, lassen sich gut als ein System von Gegenständen, Postulaten und Regeln darstellen; andere - die meisten - Rahmen sind nicht so gut umschrieben, ermöglichen aber ein Ver­stehen, liefern einen Ansatz oder eine Perspektive. Rahmen ermöglichen denen, die sie an wenden, die Wahrnehmung, Identifikation und Benennung von Vorkommnissen, die im Sinne des Rahmens definiert sind.Dabei brauchen die Organisationseigenschaften von Rahmen im allgemeinen nicht bewußt zu sein, das Wissen darum bleibt oft implizit, was aber nicht daran hindert, sie anwenden zu können; wie ja auch grammatikalisch richtige Sätze geäußert und erkannt werden können, ohne die Regeln der Grammatik formulieren zu können. Auf die Frage, was geht hier vor? heißt “die Antwort: ein Ereignis oder eine Handlung, die mittels eines primären Rahmens beschrieben ist.” (ebd., S.35). Vorgänge, Ereignisse, Handlungen etc. des täglichen Lebens werden in einem oder mehreren primären Rahmen gesehen, die

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ihnen einen Sinn verleihen und sie verstehbar machen. Rahmenanaiyse versucht die Beschreibung der Organisationsprinzipien dieser Rahmen.Eine Situation wird von den in ihr Befindlichen zwar 'definiert', aber sie “... schaffen ge­wöhnlich nicht die Definition (dagegen kann man das oft von der betreffenden Gesell­schaft behaupten); gewöhnlich stellen sie lediglich ganz richtig fest, was für sie die Situation sein sollte, und verhalten sich entsprechend.” (ebd., S.9). Sie werden Einzelhei­ten gewahr, die sie als solche nicht isoliert und zumeist auch nicht explizit wahmehmen (Polanyi, 1985), sondern in ihrer Bedeutung, d.h. in einem Zusammenhang oder Rahmen; andere, gleichzeitig vorhandene Ereignisse, Vorgänge usw. werden ignoriert, nicht dazugehörig empfunden und aktiv unterdrückt.Rahmen sind typisierbare Handlungszusammenhänge, die von den in einer Situation Beteiligten verfolgt werden. Sie rekurrieren dabei auf ein, in der Sozialisation individuell erworbenes, aber in einer Kultur kollektiv verfügbares und als wirksam unterstelltes implizites Wissen. Bereits bei der Wahrnehmung einer Situation werden - vorreflexiv - Rahmen, d.h. Interpretations- und Sichtweisen aktiv eingebracht. Dies wird leicht übersehen, weil diese Bezugssysteme im Handlungsverlauf gewöhnlich bestätigt, d.h. nicht problematisch werden. “Zusammengenommen bilden die primären Rahmen einer sozialen Gruppe einen Hauptbestandteil von deren Kultur.” (ebd., S.37). Die Kultur und Kosmologie einer sozialen Gruppe wie z.B. Unternehmens- und Wissenskultur läßt sich als System ihrer Rahmen beschreiben. Organisationsmitglieder orientieren sich einerseits an “... spezifischen Perzeptionen und Handlungsmuster von Unternehmen ... (und ande­rerseits) an Sinnzusammenhängen..., die sich außerhalb der formalen Organisationsgren­zen (als jeweilige Professionsstandards) konstituieren.” (Knie und Selmers, 1991, S. 434f.).

Bijker (1987, 1992) hat, ausgehend von einem sozial-konstruktvistischen Ansatz der Technikentstehung, ein ähnliches Konzept eines 'technological frame' entwickelt. Er versteht darunter “... the concepts and techniques employed by a community in its pro­blem solving.” (Bijker, 1987, S.168). Unter Problemlosen wird nicht eine Barriere zwi­schen Ist- und Sollzuständen verstanden, sondern die Auffassungen davon, was als Pro­blem anerkannt wird, welche Problemlösungsstrategien vorhanden sind, und welchen Anforderungen Lösungen genügen sollen. Ein 'technologischer Rahmen' besteht aus “... a combination of current theories, tacit knowledge, engineering practice (such as design methods and criteria), specialized testing procedures, goals, handling and using practice.” (ebd.). Der Begriff bezieht sich nicht auf individuelle kognitive Schemata (scripts) son­dern, in Anlehnung an den Begriff 'Spiel' bei Crozier und Friedberg (1979) und 'Figura­tion' bei Elias (1970), auf die Interaktion verschiedenster sozialer Gruppen, d.h. nicht ausschließlich auf Techniker. “The technological frame of that social group structures this attribution of meaning by providing, as it were, a grammar for it. This grammar is used in the interaction of members of that social group, thus resulting in a shared mean­ing attribution.” (ebd., S.172). Zwischen Bijker 's Konzept und Goff man's Rahmenbegriff besteht m.E. eine Verwandtschaft, obwohl sich Bijker nicht auf diesen Begriff bezieht. Rahmen legen der Unzahl von Vorgängen, Ereignissen usw. in einer Situationen eine Ordnung oder Orientierung auf und erlauben ein Verstehen; einige Vorgänge werden in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, andere als nicht dazugehörig, als außerhalb des Rahmens betrachtet und systematisch aus der Aufmerksamkeit ausgeblendet. Das dem Rahmen gemäß im Zentrum der Aufmerksamkeit stehende, offizielle Hauptanliegen - der Hauptvorgang - hebt sich vor einem Hintergrund anderer gleichzeitiger Vorkomm­

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nisse und Gegebenheiten ab, die als außerhalb des Rahmens stehend gelten, und die Goffman die untergeordneten Kanäle der Situation nennt. “Aus der Sicht der Beteiligten könnte man hier von einer Fähigkeit sprechen, aus der Sicht der Situation selbst von einem Kanal.” (Goffman, 1977, S.224).Goffman unterscheidet vier untergeordnete Kanäle:- Der zu ignorierende Kanal: das sind Ereignisse, Vorkommnisse, Menschen etc., die zwar wahrnehmbar sind, die aber nicht zum Hauptvorgang der vom Rahmen definierten Situation gehören und deshalb zu ignorieren sind. So werden z.B. auf einer Bühne anwe­sende Tontechniker während einer Aufführung ignoriert. Es bedarf der Fähigkeit der Beteiligten, diese Vorgänge, Ablenkungen usw. zu ignorieren.-Artikulationskanal: meint jene Vorgänge, Äußerungen, Handlungen etc., die zwar nicht zum Hauptvorgang gehören, die aber dazu dienen, den Hauptkanal zu regulieren und abzugrenzen, wie z.B. Bateson's metakommunikative Hinweise und Kontextmarkierun­gen.- Der Überlagerungskanal: Ereignisse, die in der Situation ebenfalls wahrnehmbar sind, aber zu ganz anderen Rahmen gehörend gesehen werden.- Der verdeckte Kanal: Vorgänge, die vermutlich 'hinter den Kulissen' ablaufen, aber in der Situation nicht wahrgenommen werden können.

Der Begriff der Rahmen gibt ein Konzept an die Hand, das es erlaubt, darauf zu achten, wie es in Designprozessen zu (welchen) Problemstellungen kommt; wie zunächst meist problematische Situationen so 'definiert', d.h. gerahmt und verstanden werden, daß Handlungsmuster, -typen, -Strategien und ein 'course of action' aufgerufen werden, die die Situation in eine Richtung zu transformieren vermögen.

Das Rahmenproblem der Künstlichen Intelligenzforschung

Alltagshandelnde haben die Fähigkeit zur Anwendung von Rahmen erworben, brauchen dies aber nicht explizit zu wissen. In der Künstlichen Intelligenzforschung (AI) führen bekanntlich gerade Versuche, alltägliche Handlungen zu simulieren, zu Problemen. Die Grenzen von Simulationsmaschinen, darauf wurde oben schon hingewiesen, liegen im Erwerb von Fähigkeiten, d.h. im Erlernen von Kontexten. Die Schwierigkeit mit dem Alltagswissen wurde in der AI-Forschung von McCarthy und Hayes (1969) als das sog. 'frame problem' formuliert, um ein spezielles Problem der Repräsentation zu bezeichnen, das in Echt-Zeit Planungssystemen auftrat. Einem speziellen Formalismus der vorge­schlagen wurde, um jenes Wissen zu repräsentieren das gebraucht wird um 'intelligente' Handlungen maschinell hervorzubringen; v.a. zu erschließen, was passieren könnte, wenn in einer Situation eine bestimmte Aktion gesetzt wird - welche Aspekte der Situa­tion sich nach einer Handlung ändern werden und welche nicht. Das Problem entsteht dadurch, daß nicht einfach von vornherein angegeben werden kann, was sich mit oder aufgrund einer Aktion ändern wird, denn das hänge vom Wissen des Akteurs - sei es ein Mensch oder ein Roboter - ab, mit dem auf die Situation ge- bzw. (er) schlossen wird. Potentiell Beliebiges kann sich ändern als Resultat einer Aktion; das Wissen, was sich ändern wird, kann von scheinbar beziehungslosen Fakten abhängen, die mit der Aktion über eine beliebig lange Kette von Wirkungen verbunden sind. Daher müßte eine Simu­lation beliebig lange Folgerungsketten, eingeschlossen solcher Dinge, die sich nicht ändern kalkulieren, bevor sie eine einfache Aktion 'intelligent' ausführen könnte. Das

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Problem kann auch als Problem der Relevanz von Fakten formuliert werden - eines der 'harten Probleme' der AI-Forschung.Es ist mit eng verbunden mit der AI-Forschung über Problemlosen und Planung, wobei von der grundsätzlichen Annahme ausgegangen wird, daß Problemloser ein internes symbolisches Modell bzw. eine Repräsentation der Welt hat bzw. haben sollte. Durch Manipulationen im internen Modell, die mit Handlungen in der wirklichen Welt korre­spondieren, kann der Problemloser Vorhersagen, was sich ereignen wird, wenn eine bestimmte Handlung durchgeführt wird und so entscheiden, welche Handlung durchzu­führen ist (vgl. Planerstellung, oben).

Dennett hält das 'frame problem' für a new, deep epistemological problem - accessi­ble in principle but unnoticed by generations of philosophers - brought to light by the novel methods of AI, and still far from being solved.” (Dennet, 1987, S.42). Das frame problem, “whatever it is” (ebd. S.43), bezieht sich ungefähr auf jene Schwierigkeiten, die Dreyfus (1985) als Einwände gegen die AI vorgebracht hat. ”... (M)any of his [Dreyfus'] ... complaints about AI models and many of his declared insights into their intrinsic limitations can be seen to hover quite systematically in the neighborhood of the frame problem.” (ebd.).Um das 'frame problem', wie es sich in der AI-Forschung (und im kognitiven Ansatz) stellt, zu lösen, erscheint es notwendig, eine gegebene Situation zu einem Zeitpunkt sowie Gesetzmäs-sigkeiten der möglichen Veränderung zu repräsentieren, aufgrund der ein Computer die einer Aktion folgenden Situation bestimmen (errechnen) kann.Dafür wurden verschiedene Ansätze - bisher wenig erfolgreich - versucht.- In frühen Programmen, wie dem 'General Problem Solver', wurde versucht, alle Situa­tionen die jeder möglichen Aktion in einer gegebenen Situation folgen, explizit aufzufüh­ren; der Ansatz scheiterte an der ungemeinen Vielzahl.- In rein deduktiven Planungssystemen wurde versucht, die durch eine Aktion veränderte Situation aus der vorangegangenen mit Hilfe von Regeln oder Hintergrund-Axiome - sog. 'frame axioms', die dem Problem den Namen gaben - zu deduzieren. Da sich unter be­stimmten Umständen jeder Aspekt einer Situation ändern kann, mußte für jeden Aspekt ein Axiom eingeführt werden - auch für solche, die sich nicht ändern -, und das führte schnell zu einer Explosion, diesmal von Axiomen.- Der frame Ansatz ist schließlich ein Versuch, ähnliche Situationen in eine Klasse zusammenzufassen und in jeder Klasse jene Fakten spezifiziert, die typischerweise rele­vant sind. Es ist der Versuch, das Alltagswissen zu begrenzen und damit erfaßbar zu machen, indem die Alltagswelt in typische Situationen klassifiziert wird. Es wird davon ausgegangen, daß unser Wissen von der Alltagswelt durch stereotype Handlungssequen­zen prädeterminiert ist, die wohlbekannte Situationen definieren. Jede Situation habe gleichsam seinen Plan aus einer geordneten Handlungssequenz.Solche Ansätze wurden von Minsky mit dem Konzept der Rahmen und von Schank und Abelson (1977) mit dem Konzept der 'scripts' vorgestellt. Beide laufen auf die Idee ste­reotyper Themen hinaus, die die Relevanz der Fakten in einer Situation angeben.Scripts seien im Gedächtnis gespeichert und werden bei Bedarf abgerufen. “Wir definie­

ren ein Skript als eine vorher festgelegte Kausalkette von Begriffsbildungen, die den normalen Ablauf der Dinge in einer vertrauten Situation beschreiben. So gibt es etwa ein Restaurant-Skript...” (Schank, 1975, zit.n.Dreyfus, 1985, S.306).“A frame is a data-structure for representing a stereotyped situation, like being in a cer­tain kind of living room, or going to a child's birthday party ... Much of the phenome-

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nological power of the theory hinges on the inclusion of expectations and other kinds of presumptions.” (Minsky, 1975, zit.n.Dreyfus, 1988, S.106).“In effect, the script or frame approach is an attempt to pre-solve the frame problems...” (Dennet, 1988, S.58).

Vom situativen Standpunkt ausgehend, kritisiert Suchman (1987) die in diesen Konzep­ten enthaltene Annahme, daß alltägliches Hintergrund- oder Rahmungswissen ein menta­ler Zustand eines Akteurs vor der Handlung seien. Eine Selbstverständlichkeit meint nicht einen mentalen Zustand, sondern etwas außerhalb unseres Kopfes über das wir nicht nachzudenken brauchen; es ist in einer Situation gegeben.Das frame problem des kognitiven Ansatzes und der AI-Forschung entsteht, weil ver­sucht wird, Situationen durch Repräsentationen der Situationen zu substituieren - und daher ist das frame problem ein Problem der Repräsentation. “The frame problem is a general problem of representation, relevant to all types of setups where a complex and changing world is to be represented.” (Janlert, 1988, S. 2).In der AI-Forschung wie im kognitiven Ansatz wird angenommen, daß alles intelligente Verhalten durch Verarbeitung von Information über die Welt zustande kommt; kurz gesagt, daß alles knowing-how in Begriffen des knowing-that zu erklären sei und, daß alles intelligente Verhalten denken involviert. Die Ausübung von Fähigkeiten und Geschicklichkeiten (skills) wird allerdings dann reflektiert, wenn Situationen problema­tisch oder problematisiert werden. Nur unter kognitivistischen Annahmen erscheint das frame problem als ein allgemeines Problem jeden intelligenten Handelns. “The frame problem arises precisely because the computer has no skills. It is a result of the attempt to capture human, temporal, situated, continuously changing know-how, in the static, desituated, discret, knowing-that required by cognitivist computer models.” (Dreyfus and Dreyfus, 1988, S.105).Das hier aufgregriffene Rahmenkonzept unterscheidet sich von dem der AI darin, daß es von erworbenen Fähigkeiten, Gewohnheiten, verkörpertes Wissen bzw. von konventio- nalisierten, kulturellen Rahmungspraktiken ausgeht.

6.2. M odulationen

Goffman versteht unter einem Modul (key) ein "... System von Konventionen, wodurch eine bestimmte Tätigkeit, die bereits im Rahmen eines primären Rahmens sinnvoll ist, in etwas transformiert wird, das dieser Tätigkeit nachgebildet ist, von den Beteiligten aber als etwas ganz anderes gesehen wird.” (Goffman, 1974, S.55). Ein deutliches Beispiel ist der Spielmodul oder -rahmen. Alle Vorgänge, die mit 'das ist Spiel' markiert sind, werden anders gesehen und es wird auf sie anders reagiert, als auf gleich aussehende Vorgänge in primären Rahmen. Der Modul des Spiels veranschaulicht, wie eine Situation umdefiniert und gewöhnliche Bedeutung außer Kraft gesetzt und verändert werden kann. Es gibt viele verschiedene Arten von Modulationen, z.B. spielen, phantasieren, rück­blickend beschreiben, analysieren, planen, üben, konstruieren usw.Module transformieren ein Material, das in anderen Rahmen bereits sinnvoll ist, wobei - und das unterscheidet Module von Täuschungen - alle Beteiligten in der Situation wis­sen, daß eine Modulation vorliegt. Es gibt Hinweise darauf, wann und wo die Transfor­mation gelten soll; z.B. wann ein Spiel beginnt und endet, wer zu den Mitspielern zählt etc. Liegt eine Modulation vor, so mögen sich die Tätigkeiten, Vorgänge etc. äußerlich vielleicht nur wenig ändern, aber es ändert sich entscheidend, was in den Augen der

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Beteiligten vor sich geht und wie sie handeln. Auf die Frage in einer Situation 'Was geht hier vor?' können zwei - mit Bateson könnte man sagen: logisch - unterschiedliche Ant­worten auf unterschiedlichen Ebenen gegeben werden. Beim Spiel/Konstruieren könnten sie sein: 'Es wird gespielt/konstruiert', womit auf den geltenden Rahmen abgezielt wird; oder es könnte die Erläuterung z.B. eines bestimmten Spielzugs/Konstruktionshandlung innerhalb des Spiels als Antwort gegeben werden (siehe Kontexte und Handlungen in Kontexten). Die beiden Antworten liegen auf anderen - logischen oder grammatikali­schen - (Wirklichkeits-) Ebenen. Dies führt Goffman zur “... Betrachtung der Wirklich­keitsfrage. Von Handlungen, die ganz in einem primären Rahmen liegen, sagt man, sie seien wirklich, geschehen tatsächlich oder eigentlich. Werden solche Handlungen etwa auf der Bühne moduliert, so kommt etwas zustande, was nicht wirklich oder eigentlich geschieht. Trotzdem würde man sagen, diese Handlungen würden wirklich oder tatsäch­lich gespielt.” (ebd., S.59). In alltäglichen Vorgängen werden manche Ereignisse in pri­mären Rahmen wahrgenommen, andere als Transformationen. Aber es kommen auch Modulationen von Ereignissen vor, die nicht unter diesem Aspekt gesehen werden, wie z.B. die Begrüßungsfrage 'wie geht's?', die eigentlich nicht als Frage gemeint ist; aber es handelt sich um eine wirkliche Begrüßung. “Wenn man also vorsichtig sein will, sollte man vielleicht die Ausdrücke 'tatsächlich', 'wirklich' und 'eigentlich' nur in dem Sinne verstehen, daß die betreffende Handlung nicht stärker transformiert ist, als es für sie gewöhnlich und typisch ist.” (ebd., S.60).

Eine wichtige Modulation, die hier von Interesse ist, sind Übungen. Vorgänge, die als Übung markiert sind, werden anders aufgefaßt als die wirkliche Ausübung derselben Tätigkeit. Wenn ein Pianist seine Finger trainiert, macht er nicht schlechte Musik, son­dern Fingerübungen. Die Ereignisse im Übungsmodul sind von gewöhnlichen Zusam­menhängen und Folgen solcher Ereignisse losgelöst."... Versuche, Proben und Planungen kann man als Spielarten des Übens ansehen, die sich allesamt vom 'Ernstfall' unterscheiden, der wohl ebenfalls einen Lemeffekt hat, aber auf eine andere Weise” (ebd., S.74); wie oben bereits erwähnt, wird Entwerfen und Kon­struieren manchmal mit Planen in Verbindung gebracht.Wie für andere Module gibt es auch beim Üben Grenzen, wobei interessante Über­schneidungen mit einem Technikbegriff sichtbar werden. Im Alltagsverständnis gibt es Vorstellungen über die Rahmungs-Grenzen des Übens, d.h. was und wie intensiv etwas geübt werden soll. Wie sehr kann z.B. eine Zeremonie geübt werden, ohne daß sie dadurch entweiht wird? Sollte 'Ausdrucksverhalten' wie z.B. Begrüßungen, Liebesge­ständnisse, Gesichtsausdrücke und ähnliches geübt werden? Es scheint die Auffassung zu geben, daß dadurch die 'Authentizität' des Ausdrucks untergraben wird. Und damit kommt man an die interessante Frage heran, inwieweit der Übungsmodul (und seine Spielarten) nicht so etwas wie den technischen Aspekt einer Handlung, eines Verhaltens, Ereignisses usw. hervorkehrt. Und so kann man von einer 'Technik des Ausdrucksver­haltens' (expression engineering) sprechen. Es ist nicht die Frage, ob Ausdrucksverhalten eine Technik ist, sondern, daß Ausdrucksverhalten so, d.h. in diesem Rahmen, gesehen werden kann. So läßt sich z.B. auch der Liebesakt aus einer technischen Perspektive betrachten, aber in der Ausübung sollte diese Rahmung i.a. nicht zur Geltung kommen. Wenn man wissen möchte, was ein Ding ist, dann gibt Goffman die Empfehlung, weniger auf das Ding selbst, als auf den Rahmen zu achten, in dem dieses Ding gesehen wird.Ein dem Üben ähnlicher Modul ist das Experiment; eine Veranstaltung, die Vorgänge in einer bestimmten Perspektive behandelt. Auch dieser Modul hat Grenzen in der Vorstei-

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lung, was nicht Gegenstand eines Experiments sein sollte. So gibt es z.B. “... das Unbe­hagen gegenüber Experimenten an den Gehimzentren - elektrische und chemische Rei­zung, mit der der Experimentator nach Belieben Emotions- und Verhaltensänderungen hervorrufen kann. Bei alledem geht es um die Entweihung von etwas als geheiligt empfundenem - des Geistes.” (ebd., S.87). Man sieht, wie die Etablierung einer techni­schen Perspektive die grundsätzliche Vorstellungen von der Welt, die Kosmologie bedrohen kann. Ähnliches gilt für Tätigkeiten, Operationen usw., die bisher dem menschlichen Geist Vorbehalten waren, und nun von Maschinen, wie z.B. von Computern übernommen werden (Turkle, 1983).

Entwerfen und Konstruieren sind nun ebenfalls Modulationen. Konstrukteure arbeiten nicht mit den wirklichen Materialien. Wenn sie konstruieren und z.B. Metallformen etc. zeichnen, formen sie natürlich nicht wirklich Metall. Architekten bewegen keine Erdma­ssen, Ziegel usw. Eine gezeichnete Wand ist keine wirkliche Wand, eine gezeichnete Maschine keine wirkliche Maschine usf. Es wird nicht wirkliches Material gestaltet, aber es wird wirklich konstruiert. Darauf wird verschiedentlich hingewiesen. Schön sagt, der Designer arbeite in einer “virtual world” (1983, S.157). Dörner (1994) spricht von Kon­struktionshandeln in Anlehnung an Freud als einem “Probehandeln”. “Das offiziell im Mittelpunkt stehende Geschehen - ist selbst eine Transformation einer wirklichen Tätig­keit.” (Goffman, 1977, S.249).

Exkurs: Technische Rahmen, Technik als Sichtweise, Modulation

Konstruieren als Modul bezeichnet nicht nur die Fertigkeiten individueller Konstruk­teure, sondern eine kulturelle Fähigkeit, die in Sozialisation erworben wird und als eine gesellschaftliche, kulturelle Transformationsmethode zu betrachten ist. Entwerfen, Kon­struieren und Planen als Tätigkeiten der Technikgestaltung sind Transformationsmetho­den, kulturell entwickelte Perspektiven bzw. Sehweisen, also eine Art, sich den Dingen zuzuwenden, die entsprechenden Fertigkeiten voraussetzt. So gesehen ist Konstruieren ein (kultureller) Rahmen, eine Weise, Erfahrung zu organisieren, dessen Herausbildung seit der Renaissance wohl eine ähnlich zentrale Stellung zukommt wie z.B. der Entwick­lung des Theaterrahmens oder des Rahmens der phonetischen Schrift in der Antike (siehe z.B. Goody, 1991). In diesem Sinn kann man vielleicht von einer technischen Sichtweise sprechen.Zu den Voraussetzungen der technischen Sichtweise gehört u.a. die Fähigkeit der Beherr­schung der Transformationsmethoden und der Rahmungskonventionen des Anfertigens und Lesens technischer Zeichnungen. Handwerkliche Technik kannte zwar auch Zeich­nungen, diese hatten aber ein andere Funktion. Die Ausbildung dieses Rahmens, d.h. die Weise, Erfahrung zu organisieren, kann dann technische Sichtweise genannt werden und bildet die Perspektive des Ingenieurs.

Ein Technikbegriff?

Daraus könnte man versuchen, einen speziellen Technikbegriff zu formulieren. Technik heißt dann, die Dinge auf eine bestimmte Weise - aus einer (ingenieursmäßigen) Per­spektive zu sehen bzw. sehen zu können. Jene, die die Transformationsmethoden als Fer­tigkeiten, apperzeptive Gewohnheiten usw. gelernt haben, d.h. in diese Kultur sozialisiert wurden, können diese Perspektive einnehmen. Wird diese Sichtweise eingenommen,

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diese Transformationsmethode auf Vorgänge, Ereignisse, Dinge usw. angewandt, dann läßt sich aus dieser Perspektive 'Technik' auch überall ausmachen! An jeglichen Vor­gängen, Handlungen etc. läßt sich daher, aus technischer Sichtweise, Technisches ent­decken, oder besser, sehen. “In unserer Gesellschaft geht man davon aus, daß intelligente Wesen in die Naturvorgänge eingreifen und deren Determiniertheit ausnützen können, falls sie nur die natürlichen Zusammenhänge berücksichtigen. ... Die Vorstellung ist also die, daß zwar Naturereignisse ohne intelligenten Eingriff erfolgen, intelligente Handlungen aber nicht erfolgreich sein können, wenn man sich nicht auf die Naturord­nung einläßt. Damit läßt sich jedes Stück einer sozial orientierten Handlung teilweise innerhalb eines natürlichen Schemas analysieren.” (Goffman, 1977, S.33).Techniker sind, wie andere Menschen auch, in ein System von Rahmen der Kultur einer Gesellschaft sozialisiert; ein Charakteristikum des Konstruierens besteht nun darin, Vorgänge, Ereignisse etc., die in anderen Rahmen verstanden werden und Bedeutung haben, in technische Rahmen zu transformieren, übersetzen oder modulieren, wie dies auf andere Weise z.B. Schriftsteller tun, wenn sie Vorgänge in Prosa übersetzen. Auf­gabe einer “Rahmenanalyse” ist dann, jene Rahmungspraktiken und -konventionen auf­zuspüren, die diese Perspektive erzeugen.Rahmenanalytisch kann man wieder sagen: Was Technik ist, erkennt man weniger, wenn man die Dinge betrachtet, sondern die Rahmen, in denen die Dinge gesehen werden. Definitionsversuche von Technik, die Technik an den Dingen festzustellen versuchen, wie die Abgrenzungen von Natur, Lebendigem oder Sozialem erweisen sich, wie gezeigt wurde (Rammert, 1989; Krohn, 1996), als problematisch. “Die Technik ist nicht das glei­che wie das Wesen der Technik.” (Heidegger, 1985, S.5). Wenn man verstehen will, was die Dinge sind, muß man sich nach den Rahmen, nicht nach den Dingen umsehen. Nicht wie die Dinge 'an sich' sind, ist Aufgabe soziologischer Analyse, sondern wie sie gesehen werden, und das ist ihre Bedeutung in Rahmen.Eine ähnliche Auffassung vertritt Bijker: „Instead of taking technological artifacts or sys­tems as our unit of analysis and trying to characterize them in any final way, I shall sug­gest to focus on sociotechnical ensembles and processes by which these are socially con­structed.“ (Bijker, 1996, S. 12).Bei Goffman (1977, S.5Of.) findet man eine Illustration der rahmenanalytischen Betrach­tung anhand des kleinen Beispiels eines Spiegels. Was ein Spiegel ist, welche Bedeutung ein Spiegel hat und wie mit einem Spiegel umzugehen erwartet wird, hängt von den Rahmen ab, in dem er gesehen oder in dem er Bestandteil ist. Eine Frau - so Goffman 's Beispiel -, die die Einfassung eines Spiegels auf einer Auktion untersucht und dann zurücktritt, um zu prüfen, ob der Spiegel ein unverzerrtes Bild gibt, wird von anderen Anwesenden leicht als jemand gesehen, der gar nicht gesehen worden ist. Wenn die Frau aber den Spiegel benutzt, um ihre Garderobe in Ordnung zu bringen, dann kann den anderen Anwesenden klar werden, daß sie in diesem Rahmen ein anderes Hinsehen, einen anderen Umgang mit dem Spiegel erwartet haben, daß der Gegenstand weniger ein Spiegel als ein zum Verkauf angebotener Spiegel war. Und die Erfahrung kann sich umdrehen, wenn die Frau einen Spiegel in einem Ankleideraum untersucht, statt sich darin zu betrachten. Für gewöhnlich aber werden diese Bezugssysteme nicht bewußt, weil sie im glatten Verlauf der Selbstverständlicheiten untergehen.

Die Frage nach der Technik ist keine ontologische, sondern eine 'moralische', nämlich die Frage nach den Grenzen dieses Moduls, d.h. auf welche Vorgänge etc. es angebracht ist, diese Perspektive anzuwenden, denn sie ist auf jegliche Vorgänge anwendbar. Für

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Module gibt es konventionelle Grenzen der Akzeptanz. Was ist angebracht, auf einer Bühne zu spielen? - in einer Dokumentation zu berichten? Was sollte nicht geübt wer­den? Was sollte nicht unter technischer Perspektive betrachtet werden und was sollte nicht technisiert werden? Ein Beispiel ist die Auskunft eines Ingenieurs aus der Roboter­technik, spezialisiert auf die Erzeugung von Prothesen, der den Robotereinsatz zur Voll­versorgung sch werstbehinderter Menschen ablehnt. Soll, um ein hypothetisches Beispiel zu wählen, die Beichte in der katholischen Kirche durch ein Informationssystem unter­stützt werden? Welche Bereiche unter technischem Blickwinkel zu betrachten, bzw. dar­über hinaus zu technisieren, nicht mehr angebracht oder ethisch nicht vertretbar sind, geben Beispiele für die Grenzen dieses Rahmens. Und wie allzu intensives Üben einer Zeremonie die technische Perspektive zu sehr hervorkehrt und die Würde des Vorgangs bedrohen kann, wird die Verschiebung der Grenzen der technischen Perspektive auf Vorgänge, andere Auffassungen und Vorstellungen verdrängen und die Kosmologie verändern.Wenn von technischen Rahmen gesprochen wird, die Sichtweisen erzeugen, dann ist davon auszugehen, daß es sich nicht um einen einzigen Rahmen, sondern eher um ein System von Rahmen handelt, das innerhalb der technischen Perspektive weitere Sicht­weisen technischer Disziplinen, Schulen und Stile zu differenzieren erlaubt.

Technikfolgen

Gegenstände, v.a. künstlich hergestellte, haben Bedeutung, insofern sie verwendet, d.h. in (typische) Handlungszusammenhänge eingebunden, also zu Rahmenbestandteilen werden. Neue technische Produkte zeichnen sich dadurch aus, daß sie in Kontexten, sei es in Herstellungs-, Anwendungskontexten usw. mehr oder weniger große Veränderun­gen der Handlungszusammenhänge vorschlagen - darin besteht ihre Neuheit - und bei Akzeptanz in dieser oder anderer Form auch vollzogen werden bzw., daß sie überhaupt neue Handlungszusammenhänge evozieren, d.h. Kontexte generieren (vgl. Floyd, 1989; Ciborra und Lanzara, 1992). Davon können die Praktiken, Fertigkeiten und Konventio­nen eines Rahmens betroffen sein, die eine bestimmte Sicht der Dinge ermöglichen. Sol­che Umorganisierung der Erfahrung durch Einführung neuer Technik läßt sich häufig beobachten und kann man als die psycho-sozialen Folgen von Technik bezeichnen. Technische Artefakte als Rahmenbestandteile, die mit den zugehörigen Handhabungsfer­tigkeiten in Handlungszusammenhänge eingebunden sind, bilden die Infrastruktur der Rahmung. Die Anwendung eines Rahmens setzt Fähigkeiten voraus, und hier interessie­ren die Fertigkeiten im Umgang mit Technik. Wie andere Fertigkeiten auch gehören sie teilweise zu den “Grundelementen des Wissensvorrats” (Schütz, 1979), die in den spezi­fischen Erfahrungen im Rahmen vorausgesetzt, aber während der Anwendung eines Rahmens nicht thematisiert werden können. “Ein Held, der (z.B. für ein Interview) laut darüber nachdenkt, was er durchgemacht hat, redet nicht darüber, wie es ist, wenn man sich bereit erklärt, für eine Aufnahme laut nachzudenken.” (Goffman, 1977, S.484). Oder ein anderes Beispiel: “Bewußtsein muß aus offensichtlichen mechanischen Gründen (*) immer auf einen ziemlich kleinen Ausschnitt des geistigen Prozesses begrenzt sein. (*) Man bedenke die Unmöglichkeit, ein Fernsehgerät zu konstruieren, auf dessen Bild­schirm alle Vorgänge in den einzelnen Bestandteilen zu sehen wären, wozu insbesondere auch die Teile gehören würden, die an dieser Wiedergabe beteiligt sind.” (Bateson, 1985, S.192).

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Seite 66 6. Design als sozialer Prozeß

Fertigkeiten, Routinen - v.a. auch im Umgang mit technischem Gerät - sind als Rah- mungs-praktiken die Voraussetzung einer Perspektive, die ein Rahmen erzeugt. Sie bil­den die Infrastruktur, die, auf den Verlauf von Vorgängen angewandt, zu einer Trans­formation der Vorgänge führt; sie sind eine 'strukturelle Formel', "... die alle Mitglieder der Klasse systematisch transformiert und damit auch die frühere Bedeutung der Hand­lungen systematisch unterminiert.” (Goffman, 1977, S.528). Eine Änderung auf der Ebene der Infrastruktur eines Rahmens, die im Verlauf immer wieder vorkommt, struk­turiert den ganzen Vorgang, die Organisation der Erfahrung des Vorganges, um. Und es sind oft technische Artefakte durch die es zur Änderung der Infrastruktur eines Rahmens und damit der Erfahrung kommt.Mit Hilfe technischer Artefakte kann eine solche Umstrukturierung vorgeschlagen und, wenn genügend Macht hinzukommt, durchgesetzt werden.

Auch technische Rahmen haben eine Infrastuktur, die auf Fertigkeiten, u.a. im Umgang mit technischem Gerät, beruht. Technikgestalter sind auch Technikanwender. Eine Ver­änderung auf der Ebene der Infrastruktur, z.B. die Einführung von CAD, läßt dann eine Umorganisation der Erfahrung beim Konstruieren erwarten.

Die kulturell vorhandenen Rahmen geben nicht nur den Dingen Bedeutung, sondern auch Menschen einen Charakter. Wer als ehrlich, aufrichtig, verantwortungsvoll usw. gilt, ist weniger eine Frage, wie ein Mensch ('an sich') ist, sondern in welchem Rahmen sein Handeln gesehen wird. So wird beispielsweise jemandem, der kräftig bluffen kann, leicht die persönliche Charaktereigenschaft der Verlogenheit zugeschrieben; dies jedoch nicht, wenn das im Rahmen eines Pokerspiels geschieht. Wenn Darstellungsmöglichkeiten der Persönlichkeit an Rahmen gebunden ist, wie Goffman zu zeigen versucht, so wird eine Veränderung der Rahmen durch Veränderung ihrer Infrastruktur mit technischen Artefakten nicht ohne Konsequenzen bleiben für das, was Menschen sein können. Das Eigene des Menschen, seine Identität, drückt sich in der Distanzierung von in Rahmen vorgesehenen Rollen aus (Goffmans Konzept der Rollendistanz). Wenn durch Technik die Infrastruktur von Rahmen und die darin vorgesehenen Rollen verändert werden kön­nen, wie z.B. Barley (1990) zeigt, dann wird damit affiziert, was Personen sein können. Dies scheint m.E. eine Möglichkeit, wie mit der Rahmenanalyse die Schaffung des Künstlichen und damit die Schaffung von 'Wirklichkeit' gedacht werden kann.

6.3. K onstru ieren als M odu l

Tätigkeiten, die in einem primären Rahmen sinnvoll sind, können in andere Rahmen transformiert werden, womit quasi 'Kopien' der Originale angefertigt werden. Die Per­spektive des Ingenieurs auf die Dinge ist, so wurde gesagt, eine Art, Erfahrung zu orga­nisieren. Wie andere Rahmen, gibt es eine Reihe von Praktiken und Konventionen, die zwar gekonnt, aber nicht auch bewußt sein müssen, die die Perspektive erzeugen.Der Modul-Charakter der konstruierenden, entwerfenden und planenden Tätigkeiten von Ingenieuren zeigt sich darin, daß sie eigentlich nicht 'in der wirklichen Welt' arbeiten; d.h. sie arbeiten nicht mit den wirklichen Materialien der Dinge, die sie konstruieren, sondern mit Repräsentationen: die Zeichnung einer Maschine ist keine Maschine.

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Technische Zeichnungen

Eine der wichtigsten Praktiken, die die technische Perspektive ermöglicht, sind techni­sche Zeichnungen. Das Medium der Konstruktionszeichnung ist eine der zentralen Trans­formationstechniken, die Konstrukteure verwenden. Auf die Wichtigkeit der Beherr­schung des Zeichnens ist oft hingewiesen worden (z.B. Ferguson 1992; Müller, 1990). Zeichnen und Zeichnungen 'lesen' können hat, ähnlich wie Schreiben und Lesen, die Struktur einer Fertigkeit und ist eine Voraussetzung für die Tätigkeit des Konstruierens.

Im Medium der Zeichnung entwerfen Konstrukteure eine Transformation von Maschi­nen, Geräten usw. (Siehe nachstehende Zeichnung, entnommen der Aufgabenstellung der Konstruktionsexperimente von Ehrlenspiel et.al., 1991). Im Gegensatz zum Umgang mit 'wirklichen' Vierkantrohren etc., kann der Konstrukteur vielen Schwierigkeiten entgehen, die mit der Manipulation wirklicher Rohre verbunden wäre. Verschieden lange Rohre lassen sich z.B. einfach zeichnen, und es lassen sich all die Schwierigkeiten vermeiden, möchte man das mit wirklichen Rohren durchführen. Die Fertigkeit vorausgesetzt, in den Strichen der Zeichnung z.B. eine 'Kopie' eines Rohres zu sehen - also die Erfahrung eines Rohrs umzuorganisieren - ermöglicht, den Dingen und Vorgängen gegenüber eine andere Aufmerksamkeitszuwendung einzunehmen. Die Transformation in den Rahmen technischer Zeichnungen schafft bzw. ermöglicht also eine Sichtweise der Situation, eine bestimmte Art, sich mit der Situation auseinanderzusetzen, die eine Voraussetzung der technischen Perspektive bildet. Beim Übergang von den primären Rahmen, den 'Urbildern', die nicht anderen Vorgängen nachgebildet sind, zur Transformation oder 'Kopie' gehen einerseits Informationen verloren - gezeichnete Gegenstände kann man z.B. nicht riechen, anfassen usw. -, es werden aber gerade dadurch neue Möglichkeiten der Zuwendung eröffnet. Es kann erwartet werden “... daß das Rahmen weniger die sinnvollen Möglichkeiten einschränkt, sondern eher vielfältige Möglichkeiten schafft.“ (Goffman, 1977, S.264). Im Unterschied zu den 'Urbildern' kann man gegenüber den transformierten 'Kopien' eine andere, neue Positionen einnehmen, ein anderer “Teilnehmerstatus” (ebd., S.249ff.) an den Vorgängen wird ermöglicht. Wenn ein Teil der wirklichen Welt so umorganisiert wird, daß er auf einer Zeichnung darstellbar ist, dann eröffnet sich dem Konstrukteur die Möglichkeit, mit einigen Strichen die Situation zu verändern, diese durch Ausradieren wieder rückgängig zu machen, auf einem neuen Blatt einen anderen Entwurf zu fixieren u.ä. “Nachgeschaffenes Material ermöglicht also Arten des Teilnehmerstatus, die über diejenigen der wirklichen Tätigkeit hinausgehen.” (ebd., S.256). Der Modul des Konstruierens im Medium der Konstruktionszeichnung ermöglicht eine ausdifferenzierte Tätigkeit des Ingenieurs, d.h. einen spezifischen 'Teilnehmerstatus' am Produktions- und Entwicklungsprozeß, dessen Komplexität dadurch erheblich gesteigert werden konnte.

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Quelle: Ehrlenspiel et.al., 1991

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Goffman erwähnt u.a. das Beispiel der Transformation eines Vorganges in ein Theater­stück, in dem dann die neue Position des Publikums eingenommen werden kann. Ein weiteres Beispiel ist der Buchdruck und seine Konventionen. Neben Satzzeichen und Fußnoten, die zum Artikulationskanal gehören, können auch Textteile eingeklammert werden, durch die der Autor seinen eigenen Text auf einer anderen Ebene, in einer ande­ren Rolle und einem anderen Rahmen, kommentieren kann. Hat das Buch einen Heraus­geber, ein weiterer Teilnehmerstatus, der im Buchdruck möglich ist, so läßt die Kon­vention des Hinzufügens der Abkürzung 'Hrsg.' erkennen, daß der Textteil, auf den sich die Bemerkung bezieht, etwa eine Fußnote, aus dem Rahmen des Verfassers herauszu­nehmen und in einem anderen Rahmen zu sehen ist. All dem können noch weitere Ebe­nen überlagert sein, die aufgrund von Konventionen oder anderen Kontextmarkierungen erkannt werden; wenn z.B. ein Leser handschriftliche Bemerkungen hinzugefügt hat. Analoge Überlegungen lassen sich für Konstruktionszeichnungen anstellen.

Konventionen des Rahmens von Konstruktionszeichnungen

Wie andere Rahmen auch, besteht der Rahmen von Konstruktionszeichnungen aus einer Reihe von Konventionen (die großteils genormt sind) die die Sichtweisen und verschie­dene Perspektiven auf die Zeichnung organisieren.Gibt es etwa beim Schreiben und Lesen die Konvention, links oben zu beginnen und (in unserer Schreibe/Lese-Konvention) die erste Zeile nach rechts zu lesen, dann in der zweiten Zeile wieder links zu beginnen usf., so findet man in Konstruktionszeichnungen (siehe Zeichnung) die Konvention der Anordnung von Grund-, Auf- und Seitenriß; wobei der Grund- oder Seitenriß auch entfallen kann bzw. auch mehrere Risse einer Ansicht in verschiedenen Schnitten gezeichnet werden können, für die keine fixen Anordnungen am Zeichenblatt vorgeschrieben sind. Im Beispiel wird rechts unten ein Schrägriß gezeigt, eine Darstellung, die im Zusammenhang mit dem speziellen Zweck dieser Zeichnung zu sehen ist.Die Riße (Drauf-, An- und Seitensicht) abstrahieren u.a. von Perspektive.Die wohl wichtigste Sichtweise, die nun auf eine technische Zeichnung angewandt wird, sind die Linien, die die Umrisse des Gegenstandes darstellen, weil sie das Verständnis des dargestellten Gegenstandes ermöglichen. Es geht darum, diejenigen Linien zusam­mengehörig zu sehen, die die Umrisse eines Gegenstandes repräsentieren. Die Zusam­mengehörigkeit der Linien ist vom Betrachter, vom Leser der Zeichnung herzustellen, da in der Zeichnung auch Unterbrechungen möglich sind. So ist beispielsweise im Aufriß der Zeichnung, die Führungssäule durch zwei Rechtecke dargestellt, die oberhalb und unterhalb des schraffierten Quadrates gezeichnet sind. In der richtigen Sichtweise sind nicht zwei Rechtecke zu sehen, sondern ein Rechteck, das die Vorderseite des Vierkant­rohres darstellt, das durch das die Führungssäule umschließende Gleitstück verdeckt ist. Konstruktionszeichnungen sind immer so anzufertigen, daß sich die 'Gestalten' aus dem Zusammenspiel der Risse und eventueller Schnitte eindeutig bestimmen lassen. Voraus­setzung dafür ist natürlich die Kenntnis der Darstellungskonventionen.In der Zeichnung finden sich noch eine Menge anderer Striche, die zu anderen Sichtwei­sen oder Ebenen gehören. Während die eben beschriebenen Linien die Umrisse des Gegenstandes darstellen, stellen die Maßlinien (die dünner zu zeichnen sind als die Umrißlinien) und Maßpfeile nichts dar; sie dienen, gemeinsam mit der angegebenen Zahl, dazu, die Abmessungen des Gegenstandes anzugeben.

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Seite 70 6. Design als sozialer Prozeß

Wieder anders zu sehen sind die Pfeile im Aufriß, links von der Säule. Sie deuten an, daß das Gleitstück auf der Führungssäule bewegbar sein soll, wobei es sich um keine genormte Darstellung handelt. Es muß aus dem Zusammenhang erschlossen werden, was diese Pfeile bedeuten.Strich-punktierte Linien geben an, daß es sich um Symmetrien handelt, wobei vom Leser zu erschließen ist, worauf sich die Symmetrie bezieht. So bezieht sich die Symmetrielinie im Seitenriß auf die Führungssäule und nicht auf das Gleitstück. Symmetrielinien sind Kontextmarkierungen für Umrißlinien, indem sie diese in den Kontext der Symmetrie stellen.Schraffuren, wie im Quadrat im Aufriß, sind nicht etwa als nebeneinanderliegende Rau­ten zu lesen, sondern als ein schraffiertes Quadrat und das symbolisiert einen (gedachten) Schnitt, eine Möglichkeit, die in der wirklichen Welt nicht gegeben ist. Soweit Schnitte, analog denen in Konstruktionszeichnungen an tatsächlichen Gegenständen vorgenommen werden, wie man sie in Ausstellungen und Schaukästen findet, handelt es nicht um Gegenstände für die übliche Verwendung, sondern um eine Modulation, die der Demon­stration.Eine weiteres Beispiel der erweiterten Möglichkeiten der Modulation, die in der Zeich­nung zu ersehen ist, sind die im Auf-, Seiten- und Schrägriß eingetragenen Mittellinien der Führungssäule, die den Schwenkbereich angeben. Die Symbolisierung erlaubt die gleichzeitige Darstellung der Schwenkzustände; eine wirkliche Führungssäule kann sich nur entweder in der einen oder in einer anderen Lage befinden. Bei Bedarf können auch 'unsichtbare' Kanten, darzustellen als gestrichelte Linien, eingezeichnet werden, d.h. Kanten, die bei der Betrachtung des (wirklichen) Gegenstandes aus einem bestimmten Blickpunkt nicht zu sehen wären.Auf die eingetragenen Worte “Führungssäule”, im Aufriß, “optisches Gerät” im Grundriß und “Gleitstück” im Seitenriß, ist wieder eine andere Sichtweise anzuwenden. Es sind nicht etwa Inschriften am Gegenstand (was eine andere Lesart wäre); auch ist auf diese Worte eine andere Sichtweise anzuwenden, als auf die Worte der 'Untertitelung' “Wandhalterung mit Schwenkmechanismus”.

Vollständige Konstruktionszeichnungen enthalten dann nötigenfalls auch Hinweise über die Oberflächenbehandlung der Bauteile usw., eine Stückliste, in der die Anzahl der Bau­teile, das Material, aus dem sie bestehen sollen u.ä. angegeben werden. In all dem wird auf verschiedenen Ebenen über das Material, d.h. den konstruierten Gegenstand, gespro­chen.In all dem geht es “... darum, die Rahmen auseinanderzuhalten. So verwirrend das Ergebnis auch manchmal ist, so scheint doch unsere Fähigkeit, mit dem Durcheinander fertigzuwerden, auf eine bemerkenswert gut entwickelte Fähigkeit hinzudeuten, gleich­zeitig verschiedene Ebenen hinzunehmen, auf denen über verschiedene Aspekte des glei­chen Materials gesprochen wird.” (Goffman, S.255)

Die Fixierungen in einer Zeichnung ermöglichen nun auch, wie z.B. die schriftliche Fixierung von Texten, sich dem im Medium fixierten Material diskursiv interpretierend zuzuwenden. Situationen können in einer Weise dargestellt werden, die real unmöglich ist, wie beispielsweise die Darstellung der Schwenkachsen. Die Arbeit im Medium der Zeichnungen - in diesem Modul - ermöglicht Handlungs-'spuren' oder -protokolle auf eine einfache Weise zu fixieren und damit eine Distanzierung zur wirklichen Welt, wie auch zu den vorangehenden (Konstruktions-) Handlungen zu konstituieren. Diese

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'Dokumente' oder “Protokolle der Abläufe” (Rutz, 1985, S.82) können und müssen vom Konstrukteur selbst, wie auch von anderen nach der 'dokumentarischen Methode' inter­pretiert und gedeutet werden. Die Transformation schafft, ähnlich wie schriftlich fixierte Texte, Distanz zum wirklichen Geschehen. “In dieser Distanz liegt sowohl das Deu­tungsproblem als auch die Deutungschance. Die ... Handlungsdistanzierung produziert den Deutungszwang, eröffnet die Mehrdeutigkeit und Unsicherheit der Deutung und kon­stituiert andererseits das Prinzip der Planung: das Denken in Alternativen, die Kon­struktion von Als-ob-Situationen, die Errichtung hypothetischer Welten. Die gegenüber zurückliegenden und nur noch als Dokument überlieferten Texten ex post sich vollzie­hende Deutung in wissenschaftliche Einstellung einerseits und hypothetische Zukunfts­entwürfe andererseits ist in ihren wesentlichen Elementen strukturell gleich. Sie leben von der Imagination hypothetischer Sinnvorstellungen. Sie konstruieren im Jetzt des Deutungsvorganges ein hypothetisches Milieu der Sinne für Vergangenheit oder Zukunft: Handlungskontexte rekonstruieren bedeutet somit die Konstruktion(1) hypothetischer Umwelten,(2) hypothetischer Sinnvorstellungen ..., und(3) hypothetischer Orientierungen, an denen sich die dokumentierten Handlungen aus- richten und durch die sie - für jedermann nachvollziehbar - als sinnhaft interpretiert wer­den können.” (Soeffner, 1989, S.128f.).

Konstruktionszeichnungen sind natürlich nicht die einzigen Modulationen, die in Gestal­tungsprozessen verwendet werden. Es wird über die Dinge gesprochen, Dinge werden in Versuchen ausprobiert, Situationen werden nach- oder durchgespielt u.v.a.m. Am Beginn der Arbeit am Zeichentisch erweist sich das Medium der Konstruktionszeichnung zumeist als zu schwerfällig oder aufwendig und es wird eine weitere Transformation angewandt: Skizzen. “Modulationen sind selbst offenbar gegen erneute Modulation anfällig. ... Wer Pläne für ein Bauwerk macht, stellt routinemäßig zunächst grobe Skiz­zen dieser Pläne her.. (Goffman, 1977, S.94).Jeder neue Schritt, jede Konstruktionshandlung, die in einer Zeichnung fixiert wird, kann vom Konstrukteur selbst - wie auch von anderen am Konstruktionsprozeß Beteiligten bzw. von Beobachtern - in verschiedenster Hinsicht eingeschätzt, beurteilt, aus gedeutet werden (siehe unten). In der Zeichnung gewinnt das zu konstruierende Artefakt 'Gestalt'.

Rahmen und Gestalt

Zwischen dem Rahmen- und dem Gestaltkonzept besteht eine Verwandtschaft. Hettlage (1991) führt Batesons Rahmenkonzept auf den Gestaltbegriff bzw. das Konzept des Bezugssystems der Gestaltpsychologie zurück. Hinweise auf diese Verbindung lassen sich auch bei Bateson und Goffmann finden. Ebenso läßt sich, wie Gurwitsch (1975) zeigt, eine Verbindung mit dem phänomenologischen Ansatz von Schütz hersteilen. Die Rahmenmetapher betont im Unterschied zur Figur (bzw. Thema) nicht den inneren (thema-immanenten) und äußeren Horizont (Hintergrund), sondern die Innen- /Außendifferenz: ein Rahmen grenzt aus und ein.Das Phänomen der Gestaltwahmehmung wird in Untersuchungen des Design-research gelegentlich aufgegriffen.

Betrachtet werde ein Konstrukteur am Zeichenbrett, konfrontiert mit einer Situation, die auf einer Zeichnung (transformiert) dargestellt ist. Die dargestellte Situation wird unter

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Seite 72 6. Design als sozialer Prozeß

Verwendung von einem oder mehreren Rahmen wahrgenommen, mit denen der Kon­strukteur eine Ordnung in die Situation trägt, und die eine Folge von Konstruktionshand­lungen aufrufen. Mit Rahmen entsteht eine Perspektive, von der aus die Gegebenheiten dann als bestimmte wahrgenommen werden; manche Teile rücken ins Zentrum der Aufmerksamkeit, andere treten in den Hintergrund. Schön und Wiggins (1992) bringen dafür ein anschauliches Beispiel aus ihren Untersuchungen. Architekten wird folgende Angaben vorgelegt:

“A library association of ... has this generic footprint that they use for branch libraries throughout the State, typically in suburban locations. All these are one-storey building. They hand the footprint to architects, and ask that various libraries be designed to fit it. They use the six generic entrances marked numbers 1 to 6. They have had problems with entrances, and so they have come to you, as a consultant, to analyze their entrances for them an give a set of guidelines for the architects that will have to design these buildings. They want to know what each entrance implies as to the siting of the building, the mass­ing, the internal organization ...”

Quelle: Schön and Wiggins, 1992.

Schön und Wiggins können nun anhand einer qualitativen Protokollanalyse zeigen, daß die Überlegungen, die die Architekten äußern, u.a. darauf beruhen, wie der Grundriß wahrgenommen wird. Ein Architekt spricht bei seinen Überlegungen von einem Zentrum des Gebäudes mit davon auslaufenden Halbinseln. Er nimmt eine gewisse Gestalt wahr, von der seine Überlegungen ihren Ausgang nehmen, ohne sich dessen zunächst bewußt zu werden. Erst als er beginnt, sich dieser Gestalt bewußt zu werden, gelingt es ihm, zu anderen Perspektiven zu kommen und das Problem neu zu rahmen - in diesem Fall, zwei aneinandergelegte L-Formen -, die es ihm dann ermöglichen, das Problem neu zu formulieren und andere Überlegungen anzustellen.

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7. Konstruieren als Zielinterpretation Seite 73

7. Konstruieren als ZielinterpretationIn Übereinstimmung mit empirischen Befunden jüngerer Konstruktionsforschung und der kritischen Auseinandersetzung mit methodologischen Annahmen dieser Untersuchungen wurde ein nicht-teleologischer Ansatz aufgegriffen, der Konstruktionshandeln nicht von vorgegebenen Zielen her zu beschreiben versucht, sondern von den mit Erfahrung erworbenen - vorreflexiven - Fertigkeiten, Fähigkeiten, Routinen, Praktiken. Ein situati­ver Ansatz ermöglicht, die Gleichsetzung von Konstruieren mit dem kognitiven Konzept des Problemlösens zu überwinden und v.a. auch Problemkonstitution in der Untersu­chung zu berücksichtigen.Fertigkeiten, Gewohnheiten, Routinen (in ihrer Struktur) als implizites Wissen wurden mit dem Konzept der Kontexte und Rahmen verbunden. Rahmungswissen und -prakti- ken, ermöglichen es Konstrukteuren implizit bzw. ‘intuitiv’ (typische) Zusammenhänge bzw. Kontexte zu erkennen ordnend einzubringen um so problematische Situation zu rahmen, zu verstehen und (voraussichtlich lösbare) Problemstellungen zu (er)finden. Die in einer (Sub)Kul-tur ‘vorhandenen’ und durch Sozialisation in dieser Kultur erworbenen Rahmen (praktiken) organisieren die Erfahrung bzw. erzeugen spezifische Perspektiven von denen (Konstruktions) Handlungen ihren Ausgang nehmen.Das Konzept der Rahmen und Kontexte erlaubt es weiters, Konstruktionsforschung an rezente sozialwissenschaftliche Technikforschung anzuschließen, wie in Exkursen hin­gewiesen wurde.Modulationen bzw. die sie erzeugenden Transformationsmethoden, v.a. die Darstellung im Medium von Zeichnungen ermöglichen eine spezifische Zuwendung, indem (Konstruktions) Handlungsschritte protokolliert werden und von Konstrukteuren oder auch anderen ausgelegt werden können.Es wurde ferner darauf hingewiesen, daß an Designprozessen zumeist mehrere Beteiligte in Interaktion eine problematische Situationen in (technische) Problemstellungen trans­formieren. Der Gestaltungsprozeß durchläuft also eine Reihe von Transformationen: Wünsche, Bedürfnisse, etc. werden beschrieben, Problemstellungen formuliert, Anfor­derungen schriftlich in Pflichtenheften fixiert, meist werden gleichzeitig Skizzen ange­fertigt usw. Die Auslegung der Wünsche bzw. Konstruktionsziele läßt sich nun weiter verfolgen, womit sich Konstruktionsforschung vorwiegend beschäftigt: der konstruie­renden Tätigkeit am Zeichenbrett.

Konstruktionsziele

In den Phasenschemata der Konstruktions- und Entwurfsmethodiken wird als erste Arbeitsphase gefordert, die Problemstellung und die Konstruktionsziele zu präzisieren. Es werden eine Reihe wichtiger Ratschläge und 'check-lists' gegeben, die sinnvollerweise zu beachten sind, wobei jedoch nicht gesagt wird, wie diese Ratschläge auszuführen sind - das Wissen und die Fertigkeiten werden vorausgesetzt. Für die frühe Phase ist, “... da die außerhalb des Konstruktionsbereichs formulierte Aufgabe in vielen Fällen nicht alle zur Darstellung des Problems benötigten Informationen enthält ..., enge Fühlung­nahme zwischen dem Auftraggeber bzw. Initiator und der für die Konstruktion zuständi­gen Stelle (erforderlich). Eine Phase weiterer Informationsgewinnung ist nötig.

Daher muß geklärt werden:- Um welches Problem handelt es sich eigentlich?

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Seite 74 7. Konstruieren als Zielinterpretation

- Welche oft nicht ausgesprochenen Wünsche und Erwartungen bestehen?

- Sind die in der Aufgabenstellung angegebenen Bedingungen echt?

- Welche Wege sind für die Entwicklung frei?” (Pahl und Beitz, 1993, S.152).

In der 'Fühlungnahme' der Gestalter bzw. des Konstrukteure-Teams mit Auftraggebern etc., also in einem sozialen Prozeß wird mit der Frage - "Um welches Problem handelt es sich eigentlich?” - eine 'Situationsdefinition' ausgehandelt bzw. die problematische Situation gerahmt. Es wird eine Problemsicht oder -Stellung 'konstruiert' und damit auch die Konstruktionsziele, d.h. die Richtung, in der die Situation zu verändern sei. Das heißt aber noch nicht, daß die Konstruktionsziele dadurch präzisiert sind, sondern es ist damit eher eine Richtung, ein Entwicklungspfad, ein "end in view” (Dewey, zit.n. Joas, 1992) eingeschlagen.

Konstruktionsziele sind, wie andere Handlungsziele, zwangsläufig mehr oder weniger vage, (siehe Kritik am Zweck-Mittel-Schema, oben). Selbst in Organisationen können die Entwurfsziele nicht aus den Organisationszielen deduziert werden. So wird beispiels­weise in der ”... entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre (gefordert) ... die Ziele des Entwurfes wie jedes betriebliche Handeln aus den Globalzielen der Unterneh­mung in Form einer Zielhierarchie abzuleiten. ... (Allerdings sind) praktikable Verfahren zur Ableitung einer Ziel-Mittel-Hierarchie kaum vorhanden (bzw. eine sich) ... zwingend ergebende Ableitung von Entwurfszielen nicht bekannt.” (Österle, 1981, S.47).Auch im Bauwesen handelt es sich immer um “... notwendig unvollständige Definitionen von Entwurfsaufgaben und Interdependenzen zwischen Nutzungsplanung und Entwerfen ... Ein Großteil der Lösungsbeschränkungen ergibt sich nur als Antwort auf Fragen, die erst im Laufe des Entwurfsprozesses gestellt werden können.... Der Entwurfsprozeß muß zugleich als Problemkonstituierungs- und als Problemlösungsprozeß verstanden werden. Dies gilt für Entwurfsprobleme in ihrer Gesamtheit und in ihren Details.” (Ekardt, 1977, S.109 f.). Oder allgemeiner formuliert: ’’Die Aufgabenstellung (wird) im allgemeinen während des Problemlöseprozesses entwickelt ... bis sie mit der Lösung erlischt.” (Müller, 1990, S.145). Die Ziele sind dann 'präzisiert', wenn die 'Mittel' bzw. die 'Lösung' vorliegen! Und so auch in der Informatik: ”... a complete set of requirements may never exist for a system until it is implemented.” (Belford et.al.; zit.n. Österle, S.43).Eine eindeutige Zielbeschreibung ist zugleich die Lösung! Die in den Konstruktions- und Entwurfsmethodiken empfohlene Zielpräzisierung am Beginn des Konstruktionsprozesse muß daher zwangsläufig ungenau bleiben.Die Bedeutung der in der Zielformulierung verwendeten Begriffe ist nicht eindeutig festlegbar. ’’Häufig weiß der Auftraggeber nicht exakt, was er eigentlich will (soll oder darf). Es wird vage oder überschwenglich formuliert, nicht selten werden überschweng­liche Einschränkungen geltend gemacht und damit unlösbare Probleme formuliert.... (Der Konstrukteur muß sich) sein eigenes Bild machen ... und bringt von Anfang an eigene Erkenntnisse und Erfahrungen ein. ... Er weiß, was gehen könnte und was nicht, welche Schwierigkeiten zu erwarten und wie sie zu bewältigen sind. (Zielpräzisierung ist) ein dem gesamten Bearbeitungsprozeß gleitend überlagerter Vorgang.” (Müller, 1990, S.145).

Die (Konstruktions-) Ziele sind am Beginn des Konstruktionsprozesses nicht genau vor­gegeben, daher gerät man mit der Beschreibung von Konstruktionsprozessen nach dem

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7. Konstruieren als Zielinterpretation Seite 75

Modell des zweckrationalen Handelns in Schwierigkeiten. Rationale, d.h. optimale Mit­telwahl setzt gegebene Ziele voraus die die Vergleichsparameter abgeben bzw. an denen der Mitteleinsatz meßbar wird. In diesem Modell sind die Ziele zu bestimmen, um Han­deln erklären zu können. Konstruktionsforschung im Erkenntnisinteresse, Konstruk­tionsprozesse rational zu erklären und zu 'rationalisieren', ist gezwungen, die den (Konstruktions-) Handlungsprozeß steuernden Ziele zu bestimmen, zu suchen bzw. zu (re)konstruieren (siehe z.B. von der Weth, oben). Es wird angenommen, daß die Ziele (der Auftraggeber, die 'Bedürfnisse der Gesellschaft' etc.) schon ('objektiv') vorliegen, die es zu erfassen gilt. "'Ziel der Präzisierung einer Aufgabenstellung ist, die ... Problem­situation im Bewußtsein des verantwortlichen Bearbeiters (Teams) möglichst klar und adäquat abzubilden.” (Müller, 1990, S.145). Die Problemsituation wie das Ziel liegen bereits vor und sind - nach der Abbildtheorie (Müller bezieht sich explizit auf den logi­schen Positivismus des Wiener Kreises) - im Bewußtsein zu repräsentieren. Die subjek­tive Abbildung kann, aus welchen Gründen immer (wie Grenzen der Informationsverar­beitungskapazität, Überlagerung mit anderen Zielen etc.), abweichen, es wird aber ange­nommen, daß die 'Tatsachen' (z.B. die Constraints) der Situation wie die Ziele vorliegen, feststellbar sind und im Bewußtsein adäquat abbildbar seien.Das Modell zweckrationalen Handelns ist zwangsläufig normativ und wurde auch als ’’normatives Paradigma” (Wilson, 1973) bezeichnet. Wenn die Situation (die Bedingun­gen) und die Ziele adäquat erfaßt wurden, kann, wenn es Lösungen gibt, die rationale bzw. optimale Mittelkombination zur Erreichung der Ziele bestimmt werden. Von diesem Ideal können Subjekte mehr oder weniger abweichen, sie handeln dann unter 'bounded rationality' (Simon). Konstruktionsmethoden, die sich an diesem Paradigma orientieren, sind daher zwangsläufig normativ bzw. präskriptiv.Diese Denkweise liegt vielen sozialwissenschaftliche Theorien zugrunde, so auch jenen, die Handeln kausalanalytisch mittels Einflußgrößen wie Dispositionen, durch Sanktionen abgestützte Erwartungen u.ä. zu erklären suchen; die Handlung ist Resultante der Ein­flußfaktoren.Das Modell zweckrationalen Handelns scheint einer extremen Ausprägungsform von Handeln zu entsprechen, dh. jener, in der die (von außen bestimmten) Ziele soweit vor­gegeben sind, daß sie für das Handeln genaue Instruktionen festlegen. Die Ziele sind dann 'außer'- oder 'oberhalb' des Handlungsprozesses fixiert und der Handlungsprozeß - wie auch der Handelnde selbst - werden zum Mittel. Die Form von sozialer Beziehung, die diesem Modell am nächsten kommt, ist die hierarchische Befehlsform. Handeln nach einem von außen (genau) vorgegebenen Ziel entspricht der Ausführung eines (programmierbaren) Befehls. Das Ziel-Mittel-Schema dieses Modells entspricht einem Handeln unter Zwang, sei es Fremd- oder Selbstzwang. Ein vorgegebenes Ziel ’’...regt nicht dazu an, die Intelligenz in der gegebenen Sachlage zu verwerten, sondern ist ein von außen gegebener Befehl, dies und das zu tun.” (Dewey, 1949, zit. n. Joas, 1992, S.227). Der Handelnde, selbst ein Mittel, ist dann der Verantwortung für die ihm vorge­gebenen Ziele entbunden. Diese Argumentation gilt auch für Techniker, wenn ihre Tätig­keit nach diesem Modell gedacht wird.Es scheint nun aber nicht angebracht, (Konstruktions-)Handeln nach diesem Modell zu denken.

Die Infragestellung der Probatheit des Modells zweckrationalen Handels zur Beschrei­bung von Konstruktionsprozessen heißt nun nicht, daß diese als 'irrational' zu betrachten sind. Zu dieser Schlußfolgerung kommt man eher im Modell rationalen Handelns, wenn

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Seite 76 7. Konstruieren als Zielinterpretation

es darum geht, routiniertes wie auch kreatives Vorgehen zu erklären. Worauf es vielmehr ankommt, ist zu sehen, daß Konstruktionsprozesse zwar zielorientiert, aber nicht zielge­steuert sind, d.h. Konstruktionshandeln nicht von den Konstruktionzielen her, also teleo­logisch erklärt werden kann.

Im kybernetischen Modell wird die Auffassung zielgesteuerten Handelns im Plan ausge­drückt, in dem die Instruktionen für den Handlungsverlauf vor bzw. außerhalb der Handlung festgelegt wird (siehe oben). Ausgegangen wird davon, daß die von Auftrag­gebern, Nutzem, der Gesellschaft etc. wünschenswerte und zu erreichende Situation sich so genau bestimmen läßt - die Konstruktionsziele vorliegen -, daß sie im Konstruktions­prozeß als Test für einen operate-Schritt dienen kann.Dagegen läßt sich nun der Einwand erheben, daß sich die wünschenswerte, künftige Situation nicht so genau vorherbestimmen läßt, daß sie Testkriterien für jeden Schritt angeben könnte. Könnten die Kriterien für jeden operate-test angegeben werden, dann bestünde kein Problem, es ließe sich genau angeben, wie z.B. das zu konstruierende Gerät aussehen soll, und das ist ja schon die Lösung! Eine Schwäche des kognitiven Ansatzes bei der Untersuchung von Konstruktionsprozessen liegt m.E. darin, daß (eindeutig) definierte Ziele angenommen werden. Genau das trifft aber für Konstruk­tionsprobleme nicht zu! Solange keine 'Lösung’ vorliegt, kann auch das Konstruktionsziel nicht vollständig bekannt sein. Die in den psychologischen Experimente zum Problem­losen verwendeten Beispiele (siehe z.B. Hussy, 1993) zeichnen sich dadurch aus, daß die Ziele definiert sind und damit die Lösungen - wenn auch nicht der Versuchsperson - schon bekannt sind, ein für die Konstruktionsforschung uninteressanter Fall gut definier­ter 'Probleme'.Wenn nun die Ziele vorher nicht genau vorliegen können, dann läßt sich Konstruktions­handeln auch nicht als zielgesteuertes Handeln konzipieren und somit ist ein teleolo­gisches Handlungsmodell infrage gestellt. Nach welchen Zielen sollte sich ein Hand­lungsschritt richten, wenn das Ziel nur vage bekannt ist - bekannt sein kann?Ein Konstruktionsproblem zeichnet sich gerade dadurch aus - und man kann es geradezu als eine Definition des Begriffs Konstruieren heranziehen -, daß die Konstruktionsziele nicht schon eindeutig vorliegen, noch nicht definiert sind.

Der Konstruktionsprozeß kann daher nicht zureichend als ein zielgesteuerter, sondern ist als ein zielauslegender, zielinterpretierender und zielgenerierender Prozeß aufzufassen.

Vorgeschlagen wird daher, Konstruktionshandeln nicht mit teleologischen Handlungs­modellen als zielgesteuertes Problemlösehandeln zu konzipieren, sondern als einen ziel­interpretierenden und zielschaffenden Handlungsprozeß mit einem hermeneutisch rekonstruktiven Ansatz zu untersuchen.Damit treten 'vorreflexive Strebungen', wie Fertigkeiten, Routinen, d.h. implizites Wis­sen, Rahmenpraktiken und Konventionen in das Zentrum der Fragestellung, auf deren Hintergrund Interpretationsleistungen erfolgen und die es zu erschließen gilt.

Auch in den angeführten Methodiken wird darauf hingewiesen, daß Konstruktionshan­deln in der Erfahrung der Konstrukteure seinen Ausgang nehmen muß. Die Methoden setzen immer einen Ansatz voraus, der 'intuitiv' getroffen werden muß (vgl. Ekardt, 1977; Österle, 1981), d.h. ein implizites Wissen um (mögliche) Lösungen, die es aber noch nicht gibt. Erwartungsgemäß wird in den empirischen Untersuchungen 'Erfahrung' der

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7. Konstruieren als Zielinterpretation Seite 77

Konstrukteure als zentrale 'Variable' für den Verlauf von Konstruktionprozessen nach­gewiesen.

Wenn Konstruieren wesentlich als zielinterpretierender Prozeß anzusehen ist, indem es auch darum geht, Situationen zu verstehen, dann ist die Erforschung der Konstruktions­prozesse, also die Konstruktionsforschung, auch als Sozialwissenschaft zu betreiben. Die techniksoziologische These von der 'sozialen Konstruktion der Technik' läßt sich dann bis in den Mikrobereich der Technikentstehung verfolgen.

Die mehr oder weniger vagen Konstruktionsziele stellen Konstrukteure in eine Situation, ihre Vorgehensweise und der Prozeß verlauf sind damit aber nicht erklärbar. Konstruk­tionsprobleme haben eine paradoxe Struktur, Ziele zu erreichen, die nur unvollständig gegeben sind. Die Paradoxie wird aufgrund impliziten Wissens in Form von Fertigkeiten, Perzeptionsgewohnheiten, Erfahrung usw. aufgelöst und aus der Problemspannung ent­stehen neue Handlungsvarianten. Ausgehend von Routinen, Erfahrungen, Intuitionen und 'Gefühl' vor dem Hintergrund eines unproblematisch erscheinenden Vorwissens um das, was gerade ist, ermöglicht es Konstrukteuren, die Deutungsleistungen zu erbringen, zumeist ohne bewußt auf sie aufmerksam zu werden. Viele Handlungen sind vor der Handlung nicht mental repräsentiert und enthalten Züge des Spontanen. Typische Lösungsmuster, die in einer Branche gleichsam 'institutionalisiert' (Linde, 1972) sind von Bedeutung und ”... gehen als unhinterfragte ... Prämissensetzungen in die Kalküle der Handelnden ein, ja sind sogar ein wesentlicher Markierungsposten zur Entwicklung von Handlungsstrategien.” (Knie, 1994, S. 254).

Wünsche und Bedürfnisse, Anforderungen und Konstruktionsziele müssen verstanden und gedeutet, interpretiert werden. Insofern sind Gestaltungsprozesse hermeneutisch, interpretierende Prozesse und nicht grundsätzlich verschieden von anderem Handeln. The ” ... difference between design and everything else is largely explicable in terms of understanding the domain ... social process and the convention of practice.” (Coyne and Snodgrass, 1991, S.129). Schön kommt aufgrund seiner Untersuchungen zu einer ähn­lichen Ansicht: ’’Patterns of reasoning were found to be ... not significantly different from reasoning in everyday life.” (Schön, 1988, S.181).Konstruktionshandeln richtet sich, wie anderes Handeln, nach den Bedeutungen, die die Dinge in einer Situation haben. ’’Der Mensch lebt in einer Welt voller Bedeutung.” (Mead,1987, Bd.2, S.347). Und Bedeutung haben die Dinge immer nur in Kontexten (Bateson) und Rahmen (Goffman). Die Bedeutung der Dinge steht nicht 'objektiv' fest, sondern wird im Konstruktionshandlungsprozeß, nach den Umständen und Gegeben­heiten in der Situation durch Handeln aufgebaut und soweit festgelegt, wie es die prak­tische Verständlichkeit erfordert. D.h., die Bedeutung der Dinge ist von den Gegeben­heiten - auch der 'Mittel' - in einer Situation nicht unabhängig. Wie für Handeln allge­mein, gilt auch für Konstruktionshandeln die Reziprozität von Zielen und Mitteln. ’’Die Dimension der Mittel ist ... nicht neutral gegenüber der Dimension der Ziele. Indem wir erkennen, daß uns bestimmte Mittel zur Verfügung stehen, stoßen wir erst auf Ziele, die uns vorher gar nicht zu Bewußtsein kamen. Mittel spezifizieren also nicht nur Ziele, sie erweitern auch den Spielraum möglicher Zielstellung” (Joas, 1992, S.227). Insofern ent­hält jeder Konstruktionsprozeß auch ein Moment des Erfindens (Ferguson, 1992) und ist 'wirklichkeitsschaffend' (Ropohl, 1990).

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Seite 78 8. (Konstruktions-) Handeln und Bedeutung

8. (Konstruktions-) Handeln und Bedeutung

Eindeutige Konstruktionsziele bezeichnen das zu konstruierende Produkt - die 'Lösung' - für alle Beteiligten hinreichend genau. Offenheit von Konstruktionszielen hingegen heißt, daß die Ziele nicht eindeutig ein zu entwerfendes Produkt bezeichnen. Ein und dasselbe Konstruktionsproblem kann daher bei verschiedenen Konstrukteuren zu unter­schiedlichen Lösungen bzw. Produkten führen, wie z.B. die Ergebnisse der Konstruk­tionsexperimente von Ehrlenspiel et.al. (siehe oben) zeigen. Man kann auch sagen, die Konstruktionsziele werden verschieden interpretiert. Eine Lösung ist eine Interpretation des Wunsches. ’’Die Wahl zwischen Entwürfen, die miteinander im Wettstreit stehen, ist im Grunde ein Deutungsakt. Das Wählen ist ... eine interpretative Entscheidung ...” (Schütz, Bd.2, 1990, S.70).Die Vageheit von Zielen findet man in den Wunschbeschreibungen von Auftraggebern wie selbst noch in den Pflichtenheften, wenn z.B. gefordert wird, daß ein Gerät 'montage­freundlich', 'leicht zu warten', 'leicht zu bedienen' usw. sein solle. Was 'leicht zu bedienen' bedeutet, ist am Beginn des Konstruktionsprozesses zumeist relativ vage, wird im Prozeß gedeutet, wenn der Konstrukteur beurteilt, ob eine gerade verfolgte Konstruktion 'leicht zu bedienen' sein wird und ist (bzw. 'entsteht') erst im Umgang mit dem fertig gebauten Gerät zu ersehen.Beschreibungen (z.B. von Zielen, Anforderungen, Einschränkungen usw.) sind dann ein­deutig, wenn alle Beteiligten dasselbe darunter verstehen. Eindeutige Zielbeschreibungen müßten in einer formalen Sprache erfolgen. Für Informationssysteme beispielsweise sind ’’...die Anforderungen erst dann eindeutig, wenn sie auf einer exakt definierten, allgemeinen Basis formuliert sind. Diese bilden (in der Informatik) ... die (Programmiersprachen mit formal spezifizierter Syntax und Semantik.... Solange man sich auf der Ebene von groben Begriffen befindet, die nicht exakt vereinbar sind, ist keine Eindeutigkeit möglich.” (Österle, 1981, S.42).Ebenso setzt eine deduktive Erklärung von (Konstruktions)Handeln voraus, daß sich die 'Tatsachen' der Situation, wie die Ziele, in einer abbildenden Beschreibung bestimmen lassen. ” ... jede Beschreibung, die in eine deduktive Erklärung eingeht, muß (so) behan­delt werden, als habe sie eine unveränderliche Bedeutung, die vor allem unabhängig ist von den Umständen, unter denen sie produziert wurde.” (Wilson, 1973, S.63). Dies gilt für solche Dinge, deren Bedeutung selbstverständlich ist. Eindeutige Feststellungen wie abbildende Beschreibungen hängen von gemeinsam geteilten Selbstverständlichkeiten (common-sense-knowledge oder Grundelementen des Wissenvorrats und Rahmen-Prak­tiken) ab bzw. setzen diese voraus. Die Bedeutung der Dinge gilt als selbstverständlich, es entsteht kein Deutungsproblem, sodaß der Deutungsakt keiner bewußten Zuwendung bedarf.

Das situative Konzept des Handelns geht demgegenüber davon aus, daß Handeln in einer Situation nicht nur das Austragen vorliegender Determinanten ist, sondern die Bedin­gungen, d.h. ihre konkrete Bedeutung für und durch Handeln, in der Situation (indexikalisch) festgelegt werden.Der Ansatz geht v.a. auf Mead zurück, der traditionelle philosophische Annahmen über das Verhältnis der Menschen zu ihrer Welt, die in sozialwissenschaftlichen Theoriean­sätzen übernommen wurden, umgedreht hat. Menschen besitzen nicht schon Bewußtsein und Geist und leben in einer Welt präexistenter Objekte, sodaß ihr Zusammenleben als bloße Anpassung an diese Gegebenheiten zu verstehen sei, sondern Welt wird nach Mead

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8. (Konstruktions-) Handeln und Bedeutung Seite 79

durch und in menschlicher Interaktion konstituiert. Die cartesianische Trennung von Subjekt und Objekt wird dadurch hinfällig. Zur Kritik des kognitiven Ansatzes als rezente Form cartesianischen Rationalismus siehe Dreyfus (1972) und speziell für eine Design-Theorie siehe z.B. Schön (1983) sowie Coyne und Snodgrass (1991).

Im Unterschied zu zweck-rationalen Handlungsmodellen, die von abbildenden Beschrei­bungen ausgehen und zu normativen Aussagen gelangen, kann es einer interpretativ- rekonstruktiven Zugehensweise nicht darum gehen, die (objektiven) Bedeutungen der Dinge zu klären und das (Alltags)Denken zu verbessern, sondern zu fragen, wie Bedeu­tung in Interaktion zustandekommt. ’’The notion that we act in response to an objectively given social world is replaced by the assumption that our everyday social practices ren­der the world publicly available and mutually intelligible. It is those practices that consti­tute ethnomethods. ... The outstanding question for social science is ... how that objective grounding is accomplished. Objectivity is a product of systematic practices, or member's methods for rendering our unique experience and relative circumstances mutually intelligible. ... The task of social studies, then, is to describe the practices ... The interest ... is in how it is that the mutual intelligibility and objectivity of the social world is achieved.” (Suchman, 1987, S.57T). Ebensowenig sollte eine sozialwissen­schaftliche Untersuchung (im Gegensatz zu einem normativen Ansatz, wie z.B. von Simon, oben) von Konstruktionsprozessen darauf angelegt sein, Regeln, Methoden usw. aufzustellen, um die Vorgehens weise der Konstrukteure zu verbessern, bzw. Desingem eine Vorgehensweise vorzuschreiben, sondern sie wird versuchen, jene (Rahmen)Prakti- ken, Fertigkeiten, Routinen etc. aufzuspüren, die die Erfahrungen organisieren, den Dingen Bedeutung geben.

In der Interaktion zwischen Menschen richten Handelnde ihre Handlungen an den Handlungen ihrer Partner aus und können davon ausgehen, daß dies auch ihr Gegenüber tut, d.h. daß die Handlungen der Partner von ihren Handlungen abhängen. Menschliche Interaktion regt dazu an, die eigenen Handlungen aus der Sicht der Handlungspartner zu sehen und das eigene Verhalten an den potentiellen Reaktionen der Interaktionspartner auszurichten. Der Handelnde übernimmt die Rolle der anderen und entwirft aus dieser Haltung die eigene Handlung. Die Übernahme der Haltung der anderen bezeichnet Mead als ’me’, die Vorstellung des Handelnden von dem Bild, das der andere von ihm hat. Im ’me’ werden die in Rahmen definierten Rollen als Erwartungen möglicher Reaktionen der anderen übernommen. Davon zu unterscheiden ist das T bzw. 'Ich1, die spontanen, krea­tiven, ideosynkratischen Reaktionen des Handelnden. Indem wir die Haltung anderer übernehmen, führen wir ein 'me' ein und reagieren darauf als ein 'Ich'. Das 'Ich' reagiert auf die Haltungen und Erwartungen der anderen, aber diese Reaktionen sind, auch für den Handelnden selbst, relativ unbestimmt und nicht bloß die Erfüllung der Erwartungen. 'Me' sind die Bezugspersonen im Handelnden, die als Bewertungsinstanzen für spontane Impulse seines 'Ich' fungieren. Im 'me' sind die organisierten Haltungen anderer, die Organisation der Gemeinschaft bzw. das System der Rahmen, die man selbst einnimmt und die in unseren Haltungen präsent sind und nach einer Reaktion verlangen. 'Ich' und 'me' sind zu unterscheiden aber - wie Teil und Ganzes - notwendig aufeinander bezogen. Das 'Ich' unterscheidet sich immer mehr oder weniger von dem, was die Situation ver­langt, es gibt immer einen Unterschied zwischen T und 'me', der zu 'Rollendistanz' (Goffman) führt und eben ein 'Ich' zu erkennen gibt.

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Seite 80 8. (Konstruktions-) Handeln und Bedeutung

Da es mehrere 'me', also mehrere Bezugspersonen und -gruppen gibt, müssen die ver­schiedenen 'me' zu einem einheitlichen Selbstbild, dem 'seif, der Ich-Identität integriert werden.Haltungen, die von jeder Bezugsperson einer Gemeinschaft eingenommen werden, gene­ralisieren zur organisierten Gruppenhaltungen die das Individuum als 'generalisierter Anderer' gegenüber sich selbst einnimmt. Die Verallgemeinerung ergibt sich aus den jeweils gleichen - selbstverständlichen - Reaktionen aller und als solche Haltungen wer­den sie zu Axiomen und Ursprung des Allgemeinen.

Meads Ansatz ging in die Prämissen des symbolischen Interaktionismus ein, ”... daß Menschen 'Dingen' gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen handeln, die diese Dinge für sie besitzen. ... daß die Bedeutung solcher Dinge aus der sozialen Interaktion ... entsteht (und) ... daß diese Bedeutungen in einem interpretativen Prozeß ... gehand- habt und abgeändert werden.” (Blumer, 1973, S.81). Unter 'Dinge' faßt Blumer “... alles ..., was der Mensch in seiner Welt wahrzunehmen vermag - physische Gegenstände, ... andere Menschen ..., Institutionen ..., Handlungen anderer Personen, wie ihre Befehle oder Wünsche; und solche Situationen, wie sie dem Individuum in seinem täglichen Leben begegnen.” (ebd.). Handeln ist nicht bloßes Ausagieren vorgefaßter Pläne, die aus eindeutigen Dingen wie Tatsachen und Zielen erstellt werden, sondern richtet sich nach der interpretativ erschlossenen Bedeutung der Dinge in der Situation. Bedeutung ist den Dingen nicht eigen oder starr festgelegt - wie es die Selbstverständlichkeiten des Alltags- denkens nahelegen.Das Konzept der Rollenübemahme steht also der Auffassung (des normativen Paradig­mas) entgegen, Handeln als Ausführung eines Satzes vorgegebener Regel (z.B. Rollen) oder Instruktionen zu erklären. Rollenübemahme als Kernprozeß der Interaktion meint, daß Handelnde die Verhaltensweisen der anderen in konsistenten Mustern bzw. Kontex­ten wahmehmen. Rollenübemahme ist eine ”... Art und Weise, wie (m.H.) man das eigene Handeln auf der Basis einer unterstellten Rolle des anderen plant und entwirft.” (Turner, 1976, S. 118).Die Reaktionen und Handlungen des Gegenüber werden als Manifestation einer 'Gestalt' interpretiert und bestätigen ein unterstelltes Muster oder stellen es in Frage. Das unter­stellte Muster ist der Bezugspunkt, die Perspektive, aus der Handlungen, Vorgänge, Ereignisse etc. interpretiert und bewertet werden sowie weiteres Handeln antizipiert wird. Kommt es zu nicht bewältigbaren Inkonsistenzen, und der Kontext stellt sich als inadäquat heraus oder wird gewechselt (wenn sich z.B. die Beziehung ändert), kommt es zu einer Reinterpretation - zu einem 're-framing' - wobei sich die Bedeutungen der Dinge ändern, und zwar nicht nur die gegenwärtigen, sondern auch die vergangenen und die nunmehr erwarteten. 'Tatsachen' gibt es nur insoweit, als die Kontexte, in denen sie ge­sehen werden, gleich bleiben. Situationen sind in gewisser Hinsicht immer mehr oder weniger 'neu', daher enthält der Prozeß der Rollenübemahme - wie Designprozesse - auch einen Aspekt des Entdeckens und des Erzeugens konsistenter Ganzheiten des Verhaltens. ’’Rollenübemahme als Prozeß des Erfindens und Entdekkens von konsistenten Handlungsmustem...” (Turner, 1976, S.121) enthält immer auch kreative und innovative Elemente der Rollengestaltung, ist auch ein 'Gestalt-making-1 bzw. 'role-making-process'. Für Mead ist das spontane ”1” eine Quelle von Kreativität. Die spontane Reaktionen des ”I”-sind jedoch nicht zufällig, sondern entstehen, nach dem pragmatistischen Grundmo­dell situierter Kreativität, aus der Problemspannung in der Situation. Sie überraschen, nach Mead, den Handelnden ebenso wie seine Partner.

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8. (Konstruktions-) Handeln und Bedeutung Seite 81

In den - im Prozeß der Rollenübemahme unterstellten - Kontexten werden dem Handeln­den die Absichten seines Gegenüber verstehbar. Mit der Annahme, daß das Gegenüber einem konsistenten Handlungsmuster folgt, werden ihm Absichten unterstellt, die sich in seinen Handlungen und Äußerungen ausdrücken. So können auch die ’’oft nicht ausge­sprochenen Wünsche und Erwartungen” (Pahl und Beitz, 1993, S.152) erschlossen wer­den.

In der 'Fühlungnahme', also in Interaktion mit dem Auftraggeber erschließt der Konstruk­teur im Prozeß der Rollenübernahme dessen Absichten, Wünsche etc., d.h. die Konstruk­tionsziele ebenso wie die einzuhaltenden Bedingungen und Einschränkungen (constraints).Die Äußerungen und Handlungen wie die Gegebenheiten der Situation werden tentativ in einen Zusammenhang gebracht - die problematische Situation wird gerahmt - und auf dieser Basis werden die Äußerungen qualifiziert: manche werden z.B. als Muß-Anforde­rungen anerkannt, andere Wünsche gelten als unrealistisch - “der Klassifikationsaspekt der Rollenübemahme.” (ebd., S.119). Ein ordnender Zusammenhang, basierend auf den Fertigkeiten und dem Erfahrungs- bzw. Rahmungswissen, wird in die Situation einge­bracht.

Blumer bzw. der symbolische Interaktionismus wurde wegen einer voluntaristischen Überschätzung der Handelnden kritisiert, denn Bedeutung wird gewöhnlich nicht von bestimmten Personen geschaffen, trotzdem können lokale Umstände weitere Bedeutung erzeugen (Goffman, 1977, S.51). Rahmen und Kontexte bzw. die sie definierenden Rol­len sind zumeist kulturell vorgegeben, z.T. institutionalisiert, manche haben Namen, viele bleiben unbenannt. Die Verständigung der Interaktionspartner wird umso leichter gelingen, je eher sie sich auf gleiche Kontexte beziehen - die Dinge für sie die gleiche Bedeutung haben -, d.h. wenn sie auf kulturell geteilte Muster und Rahmen zurückgreifen können.Eine Möglichkeit, den tentativen Charakter von Interaktion einzuschränken besteht darin, Handlungszusammenhänge bzw. -muster formell zu regeln. Formale Organisationsregeln bilden ein Skelett, das - evtl, unterstützt durch Rituale und Mythen - die entsprechende Rollenübemahme evozieren soll. Die Vorstrukturierung der Verständigungsbasis schränkt aber die kreativen Möglichkeiten im Interaktionsprozeß ein und führt in Organi­sationen zu einem “Innovationsdilemma” (Rammert, 1988).Ein insbesondere für Techniker wichtiger Orientierungsrahmen ist die organisations­übergreifende Institutionalisierung von Lösungsmustem im 'Stand der Technik'. ’’Aus dem allgemeinen Kenntnisstand ausgewählte Konstruktionselemente, Maschinenteile, Konstruktionsrichtlinien und -prinzipien, Maß- und Verhältniszahlen sind unter dieser Bezeichnung als legitime Wissensbestände ausgewiesen, festgeschrieben und verfügbar gehalten. ... Die für die einzelnen technischen Disziplinen und Subdisziplinbereiche jeweils existierende abgegrenzte Menge an technischem Wissen wird durch ein Geflecht von Akteuren ... 'kultiviert', d.h. als gemeinsam definierter und verbindlicher Sinnzu­sammenhang in der Form von Normungs- und Typisierungskatalogen und Richtlinien von allen Beteiligten für die zukünftige technische Arbeit festgeschnürt und bildet die Modellierungsmasse für die alltägliche Konstruktionsarbeit.” (Knie, 1991, S.41f.).

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Seite 82 8. (Konstruktions-) Handeln und Bedeutung

Außer in jenen Fällen, in denen mit Selbstverständlichkeit ein Handlungsmuster unter­stellt werden kann - z.B. exakt vorgeschriebene Rollen, die Eindeutigkeit garantieren oder die Designer genau wissen, was ihre Auftraggeber wollen, also ’’Kommunikation über ... festgeschriebene Zwecksetzung” (Knie. 1994, S. 250)- müssen sie, wie in Designprozessen, erst im Interaktionsprozeß erschlossen werden, um auf dieser Basis die eigene Handlung zu entwerfen. Die Wünsche und Bedürfnisse von (potentiellen) Nutzem oder Auftraggebern, die in Konstruktionsziele transformiert werden, werden für Konstrukteure verständlich bzw. erlangen Bedeutung, indem sie Kontexte unterstellen, die gleichzeitig die künftigen Anwendungs- und Herstellungszusammenhänge antizipie­ren.

Ebenso wie Absichten, (lösbare) Problemstellungen und Ziele erst aus den Wünschen 'zu lesen' sind, liegen (die Bedeutung von) Bedingungen und Einschränkungen - soweit nicht selbstverständlich und abbildend beschreibbar - nicht von vornherein fest, und es ist zu fragen, wie sie im Interaktionsprozeß ausgehandelt werden. “There is always an interpre­tation to be constructed, always another way of meeting their intent. ... One need only ... witness the negotiation of specification with a customer, to see how lively dealing with a constraint can be.” (Bucciarelli, 1988, S.163). Das heißt nicht, daß Einschränkungen beliebig und leicht zu ändern seien (Kling, 1987). Wie etwa im Fall von technischen Normen auf der Hand liegt, daß es sich um explizite Vereinbarungen handelt, so werden auch die Bedingungen im Anwendungskontext von z.T. impliziten Erwartungen ausgehen, die sich in einer Kultur verfestigt haben. Diese Annahmen werden keine Kontroversen auslösen und im glatten Handlungsverlauf untergehen: “...they become part of habitual ways of thought and action: their negotiation is done en famille. They derive from the experience of professional specialities represented within the firm.” (Bucciarelli, ebd.). ’’Auch technische Ergebnisse sprechen keinesfalls für sich, sondern werden vor dem Hintergrund vorgefaßter Perzeptionen betrachtet...” (Knie, 1994, S. 256).Selbst Kostenbeschränkungen, die oft als entscheidende Vorgaben gelten, müssen in ihrer Bedeutung auf die jeweilige Situation bezogen werden. “They are elements of a social consensus whose true reading depends on a local knowledge of context.” (ebd.) Die jeweilige Besonderheit der Beziehung zu Kunden und Lieferanten etc. können die Kostenvorgaben in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Die Wichtigkeit der frühen Phasen des Konstruktionsprozesses, die als Zielklärung bezeichnet wird, ist aus der vorgetragenen Sicht zu unterstreichen, nicht nur, weil im Interaktionsprozeß Anforderungen und Bedingungen verhandelt werden, sondern weil Kontexte und Handlungszusammenhänge unterstellt werden, die den weiteren (Konstruktions)Handlungsverlauf - ein 'trajectory' - vorzeichnen, an denen sich die Beteiligten orientieren (können). Kontexte als Handlungsmuster lassen bestimmtes Ver­halten erwarten, wie umgekehrt solche Erwartungen, z.B. an Konstrukteure oder 'Pro­blemloser', solche (z.T. institutionalisierten) Verhaltensmuster aufrufen.Im Prozeß der Rollenübemahme wird daher auch eine Beziehung zum Auftraggeber als ein Aspekt der Vorgehensweise aufgebaut. Rollenübemahme ist eine Weise des In- Beziehung-Setzens zu anderen. Im Prozeß der Übernahme von Rollen werden auch Kompetenz- und Verantwortungsbereiche verteilt. Die Rolle des Designers, der beauf­tragt wird, bei Änderung einer problematischen Situation mitzuwirken, kann man mit Turner's Beispiel der Rolle eines Schlichters in einer unstimmigen Gruppe vergleichen:

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8. (Konstruktions-) Handeln und Bedeutung Seite 83

’’Dabei hat die Gruppe Erwartungen hinsichtlich des allgemeinen Ziels und der Einstel­lung, die seine Handlungen leiten werden, sowie allgemeine Vorstellungen von der Art seines Verhaltens, das dazu beitragen kann, einen Kompromiß zu erreichen. Aber (es gibt) ... keine klare Vorstellung darüber, worin die genauen Schritte auf den Weg zu diesem Ziel bestehen.” (Turner, 1976, S.131). Die Relevanz des Beziehungskontextes der am Designprozeß Beteiligten für die Vorgehensweise und damit für das zu konstruie­rende Artefakt läßt sich u.a. daran ersehen, daß Entscheidungen, die das Produkt betref­fen, Konsequenzen z.B. für den Arbeitsaufwand und die Kooperation im Projektteam mit sich bringen. Dies gilt selbst in Fällen, wo Konstrukteure allein arbeiten, wo jeder eben seinen eigenen Arbeitsaufwand festlegt. Für die Unterteilung eines Problems bzw. des zu entwerfenden Produkts in Teilprobleme (siehe z.B. Vincenti, 1992; Bucciarelli, 1988) und deren Benennung müssen, wie bei jedem Klassifizierungsschema, die Unter­teilungskriterien ausgehandelt und festgelegt werden, womit gleichzeitig ein Bezie­hungskontext auf gebaut wird; z.B. wer ist wofür verantwortlich? Die Organisation des Designprozesses, die Vorgehensweise, ist selbst Teil des Designprozesses.

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Seite 84 9. Design als Interaktion

9. Design als InteraktionDie Überlegungen zu den Konstruktionszielen stützen die Auffassung, den Designprozeß als interpretativen Prozeß zu konzipieren und legen nahe, auch die Arbeit des Konstruk­teurs am Zeichenbrett, die oft als das Konstruieren angesehen wird, so zu beschreiben. Die Tätigkeit des Konstrukteurs ist Teil des Gestaltungsprozesses. Konstruktionszeich­nungen sind zumeist nicht das Design, sondern Beiträge, die in den Prozeß eingehen und weiter diskutiert und interpretiert werden; oft werden Teile angefertigt, in Versuchen getestet usw. Wie Problem- und Zielbeschreibungen, Spezifikationslisten, Pflichtenhefte etc. sind sie Teil der Transformationskette. “...(D)rawings, detailed list of performance specifications, lists of materials, subcontractor orders ... are artifacts of the process, formal productions of participants, parts and pieces of the design, but they ought not to be construed as the design. They serve as a datum, as touchstones to grab hold of as the need arises... In process, they are plastic, here-today-gone-tomorrow.” (Bucciarelli, 1988, S.161).

Diese Sicht, die individuelle Arbeit der Konstrukteure - die Erstellung der Zeichnung eines Dinges - als Teil der Interpretations- und Interaktionsprozesse zu beschreiben, zielt auf einen „... interaktionistischen Arbeitsbegriff..., mit dem Arbeit als ein besonderer Fall von sozialer Interaktion verstanden werden kann.“ (Rammert, 1993, S.138). Dies wurde bereits vorbereitet, indem (Konstruktions)Handeln als quasi-dialogische (siehe Böhler, oben) Interaktion mit den Materialien und Gegebenheiten einer Situation aufge­faßt wurde. Schön spricht von ”a reflective conversation with a ...situation” (Schön, 1983, S.130) bzw. speziell für die Entwurfsarbeit in der Architektur, ”... architectural design is a dialogue with the phenomena of a particular site.” (Schön, 1988, S.182).

Die Grundlage, den Umgang mit physischen Dingen interaktionstheoretisch zu beschrei­ben, findet man bei Mead. Die Konstitution physischer Dinge hat soziale Interaktion zur Voraussetzung. Objekte bzw. deren Bedeutung werden in Handlungszusammenhängen bzw. sozialer Interaktion erst geschaffen, etwa so wie etwas erst zu einem Nahrungsmit­tel wird, wenn es gegessen und verdaut werden kann. ’’Objekte werden ... innerhalb des gesellschaftlichen Erfahrungsprozesses geschaffen, durch Kommunikation und gegen­seitige Anpassung des Verhaltens einzelner Organismen, die in diesen Prozeß einge­schaltet sind und ihn ablaufen lassen.” (Mead, 1980, S.118).Mead tritt - wie übrigens auch Schütz: ’’Arbeit ist nicht nur einfaches Wirken, Kommu­nikation ist nicht nur Geschwätz” (Schütz, 1984, Bd.2, S.25f.) - einer abstrakten Tren­nung des Verhaltens gegenüber sozialen oder gegenständlichen Objekten, also von kom­munikativem und instrumentalem Handeln, ebenso entgegen wie einer Reduzierung der einen Form auf die andere. “Mead zielt dagegen auf die Verknüpfung der beiden zu tren­nenden Entwicklungslinien von kommunikativem und instrumentalem Handeln: er besteht auf der Entstehung der Selbstreflexivität aus sozialen Situationen, betont aber auch diese Selbstreflexivität als Vorbedingung für die Konstitution der Dinge im instrumentalen Handeln.” (Joas, 1989, S. 106).

Soziale Interaktion ist nicht nur Voraussetzung, sondern die Form sozialer Interaktion wird nach Mead auf den Umgang mit physischen Objekten übertragen. Die Haltung des Einzelnen gegenüber physischen Dingen ist zunächst die gleiche wie gegenüber anderen Objekten, nämlich eine gesellschaftliche, d.h. sie werden als soziale Objekte gesehen.

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9. Design als Interaktion Seite 85

Daß die ursprüngliche Haltung auch gegenüber physischen Gegenständen eine soziale ist, wird z.B. bei Kindern und in der Magie deutlich. ’’Die frühesten Objekte sind soziale Objekte, und alle Objekte sind anfangs soziale Objekte.” (Mead, 1987, Bd.2, S.164). Die uns selbstverständliche Unterscheidung sozialer und natürlicher Objekte, bzw. die Unterscheidung sozialer und natürlicher Rahmen (Goffman, 1977, S.31) ist eine spätere Ausdifferenzierung in unserer Kultur, in der die unbelebten Dinge 'desozialisiert' werden, und denen man anders gegenübertritt als sozialen Wesen. “Die spätere Erfahrung diffe­renziert zwischen den sozialen und den physischen Objekten, aber der Mechanismus der Erfahrung mit Dingen gegenüber einer Ich-Identität als Objekt ist der soziale Mechanis­mus.” (Mead, ebd.). ’’Das leblose Objekt ist eine Abstraktion, die wir aus der gesell­schaftlichen Reaktion auf die Natur ableiten.” (Mead, 1980, S.227).

In der Kontakterfahrung des Handelnden mit einem physischen Ding wird der Wider­stand des Objekts mit der eigenen Anstrengung des Organismus identifiziert. ’’Der Widerstand ist ebensosehr in dem Ding wie die Anstrengung im Organismus ist.” (Mead, 1987, Bd.2, S.229). Im unmittelbar-praktischen Umgang wird den Objekten vom Handelnden ein 'Inneres', d.h. ein von ihm unabhängiger Widerstand unterstellt. ’’Das physische Objekt hat in demselben Sinn ein Inneres, in dem auch das soziale Objekt oder der andere ein Inneres hat. Es kommt zustande durch den Organismus, der dazu neigt, sich selbst gegenüber so zu handeln, wie das physische oder soziale Objekt auf den Organismus einwirkt.” (ebd., S.166).Die soziale Beziehung zu den Dingen zeigt sich sowohl darin, daß den Dingen ein 'Inne­res' (ein 'Charakter') zugeschrieben wird, wie auch darin, daß der Handelnde bei der Vor­bereitung seines Verhaltens gegenüber dem Ding, die Haltung des Widerstandes des Dings einnimmt. Dies wird z.B. deutlich wenn man ein Ding aufhebt; sollte sich das Ding beispielsweise als schwerer oder leichter erweisen, wird bewußt, daß eine Haltung gegenüber dem Ding antizipierend eingenommen wurde. In gewohnheitsmäßigen Ver­haltensabläufen stecken Antizipationen, die gewußt, aber nicht bewußt werden; so etwa wenn man durch eine Tür eines Hauses tritt und (implizit) 'erwartet', wie die Dinge reagieren, nämlich ein tragender Boden vorhanden ist; dies aber nicht, wenn man sich in (im Kontext) einer Ruine oder in einem in Bau befindlichen Haus bewegt.

Der durch die Fertigkeiten im Umgang erfahrene Widerstand des Dings ruft bei Gewahrwerden des Dings im Körper die Reaktion gegen den erwarteten Widerstand auf und der Handelnde nimmt gegenüber dem Ding eine Haltung ein. Mead's Auffassung von der Einnahme einer Haltung als körperliche Reaktion scheint mit Polanyi's ’’somatischen Wurzeln unseres Denkens” (Polanyi, 1985, S.23) übereinzustimmen. Die­ses Wissen ist in den Körper übergegangen und ist nicht vor der Handlung, sondern in der Handlung - Schön spricht von “knowing-in-action” (1983, S.50). Die, eine Haltung ausdrückenden Gesten gegenüber dem Ding ist die frühe Phase eines Verhaltensablaufes im Umgang mit dem Ding (wie z.B. das Ding verwendet wird), ruft diesen auf und bedeutet dieses Muster bzw. diesen Kontext. Wie in der sozialen Interaktion wird die Haltung eines Gegenübers übernommen und ein Muster antizipiert, wobei die Haltungen zumeist nicht bewußt werden, weil sie, wie die Beispiele zeigen (siehe auch oben), im glatten Handlungsverlauf untergehen.Gesten, die ‘automatisch’ eingenommene Haltungen anzeigen, beginnende Muster bedeuten bzw. einen Kontext bezeichnen, können empirisch beobachtet werden, sind in der Konstruktionsforschung aber bisher kaum beachtet worden.

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Bedeutung ist in den Dingen nicht präexistent, die abbildend beschrieben werden kön­nen, sondern entsteht erst, wenn mit ihnen umgegangen, in bezug auf sie gehandelt wird; insofern sind wir für die Bedeutung der Dinge 'verantwortlich'. Auch die Beschreibung der Dinge durch Messungen beruht auf Handlungsweisen. ’’Die grundlegende Eigen­schaft der Messung ist die Wiederholung einer Handlung ...” (Mead, Bd.2, 1987, S.179). Die Handlungs- oder Reaktionsweise konstituiert die (Bedeutungen der) Objekte, auf die sich der Handelnde einstellt. Bedeutung existiert in habitualisierten Verhaltensweisen, läßt sie aber nicht ins Bewußtsein treten. Bedeutung entsteht vor dem Bewußtsein dieser Bedeutung in der Struktur des aktiven Verhältnisses des Organismus zu den Dingen. Bedeutung bedarf nicht des Bewußtseins der Bedeutung. ’’Gerade dort, wo Bedeutung existiert... bringt aber nichts ein Bewußtsein dieser Bedeutung hervor.” (Joas, 1989, S.103).

Bewußt werden können die in den Verhaltensweisen 'steckenden' Bedeutungen u.a. dann, wenn der Ablauf der Reaktionsfolge unterbrochen oder gehemmt wird. Dies ist z.B. beim Gewahrwerden entfernter Dinge der Fall. Auf entfernte Dinge werden die Kontakterfah­rungen übertragen, dh. sie rufen bei Gewahrwerden im Organismus die Reaktionen die zu den Fertigkeiten der Handhabung gehören auf. Die durch die aufgerufene Kontaktreak­tion beginnende Verhaltensabfolge wird durch die Distanz zum Objekt gehemmt. Mead formuliert die These, ’’daß die in der Distanzerfahrung steckenden gehemmten Kontakt­reaktionen die Bedeutung des Widerstandes des gegenständlichen Objekts konstituieren.” (Mead, ebd., S.233).Reaktionshemmung tritt weiters dadurch ein, daß verschiedene Reaktionen, die unter­schiedlichen Verwendungsweisen von Objekten entsprechen, bei Gewahrwerden des Dings in Konkurrenz geraten. Durch die Selektion eines Reaktionstyps bzw. einer Ver­wendungsweise werden die anderen Reaktionen gehemmt. Das heißt aber nicht, daß diese dann nicht existieren, sondern sie schaffen die Bedingungen für die Ausführung der selektierten Reaktion, d.h. sie bestimmen die Form, die die Reaktion annimmt. ’’Was nicht getan wird, definiert das Objekt in der Form, in der wir auf es reagieren. ... (D)ie Verwendungsweisen, die man ihm ... auferlegen könnte, machen gemeinsam dieses Objekt aus und sind die Eigenschaften des Objekts...” (Mead, ebd., S.232). Der Hand­lungsentwurf ist Ergebnis der 'Konversation' von Haltungen.Beim Konstruieren wird, wie bereits gezeigt, eine spezifische Distanz durch Transforma­tion (v.a. Skizzen und Konstruktionszeichnungen) hergestellt.

Die reflektierende Unterbrechung von Handlungsverläufen, das Bewußtmachen von Bedeutungen und damit zuvor implizit verfolgter Ziele, wurde in unterschiedlich ange­legten Untersuchung als ein wichtiges Charakteristikum der Vorgehensweise ('guter') Konstrukteure erkannt. Geht Konstruktionshandeln von selbstverständlich aufgerufenen, vorreflexiven Fertigkeiten etc. aus, so tendiert es zu starren Interpretationen von Situa­tionen, die erst durch reflexive Brechung zugänglich werden können. ’’Das Nachdenken über das eigene Vorgehen ist so etwas wie der Münchhausen'sehe Zopf, an dem man sich selbst aus dem 'Sumpf der Routine ziehen kann.” (Dörner und Tisdale, 1993, S.233). Schön (1983) hat in seinen Untersuchungen von Designern den Ausdruck ’’reflection-in­action” geprägt, mit dem er versucht, die grundlegende Struktur von Designprozessen zu beschreiben.

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Nicht anders als in der sozialen Interaktion nehmen Handelnde beim Handlungsentwurf in bezug auf physische Dinge die Haltung der leblosen Objekte ein - Mead spricht vom ’’physischen 'me'” (Mead, 1980, S.326), von der ’’Rollenübemahme beim Auftreten des physischen Objekts” (Mead, Bd.2, 1987, S.162), von den Gebärden des Objekts und- wie Polanyi, in Anlehnung an Lipps - von der 'Einfühlung' ins Ding. Wie im sozialen Umgang ist man auch beim Umgang mit Dingen auf eine antizipatorische Rollenüber- nahme angewiesen. ’’Die notwendige Bedingung dafür, daß dieser gegenständliche, aber kooperationsfähige 'Andere' in die Erfahrung eintritt, so daß das Innere eines Dings, seine Wirkung ... zu einem tatsächlichen Teil der Welt wird, besteht darin, daß das Individuum vorwegnehmend eine Handlungseinstellung einnimmt, die dem entspricht, wie das gegenständliche Ding handeln wird ...” (Mead, zit.n. Joas, 1989, S.153). Jeglicher Handlungsentwurf setzt eine Rollenübemahme des Objekts der Handlung voraus, wobei das Objekt der Handlung keineswegs lediglich ein Interaktionspartner zu sein braucht. In der Rollenübemahme stellt sich der Handelnde auf das zu erwartende Verhalten seines Gegenübers ein, um in angemessener Weise zu handeln. Das Objekt drückt sich im Organismus aus, indem es in antizipatorischer Weise Reaktionen wachmft, die später ausgeführt werden. 'Drückt sich aus' meint, daß die durch Handlungsgewohnheiten und Fertigkeiten hergestellten Relationen zwischen Objekten und Handelnden im Körper wirksam sind.

Man kann nun sagen, der Konstrukteur übernimmt im Prozeß des Konstruierens und 'Gestalt'ens die Rolle der Anderen (Auftraggeber, Hersteller etc. und der 'generalisierten Anderen') wie auch des Dings in den verschiedenen Kontexten der Anwendung, Herstel­lung etc. Er übernimmt, indem er sich einer problematischen Situation stellt, die Haltung anderer und reagiert aufgrund seiner Fähigkeiten, Fertigkeiten und Routinen als ein 'Ich', d.h. er produziert eine Idee. ’’Wir haben nur insofern Ideen, als wir die Haltung der Gemeinschaft einnehmen und dann darauf reagieren können.” (Mead, 1980, S.223).

Die These, daß in Situationen Haltungen eingenommen werden, empfiehlt, in die Beob­achtung von Konstmktionsprozessen auch körperliches Ausdrucksverhalten miteinzu­beziehen. Körperliche Gesten und Gebärden - Flusser (1995) nennt sie ’’Gestimmtheit” - zeigen eine Haltung - Flusser spricht von ’’Stimmungen”- an, die durch die Interpretation der Gesten erschlossen werden. Gesten unterscheiden sich von 'mechanischen' Reaktio­nen dadurch, daß sie nicht als kausale Wirkungen von Ursachen aufgefaßt werden kön­nen, sondern einen Zusammenhang (symbolisch) darstellen bzw. bedeuten. Gesten haben - im Unterschied zu ‘mechanischen’, d.h. mechanisch verursachten Reaktionen- Bedeutung: ’’die Gestimmtheit 'vergeistigt' die Stimmungen.” (ebd., S.15). Der ausdruck­hafte Charakter von Gesten verweist auf die Künstlichkeit von Stimmungen die dem (Er)Leben Sinn und Bedeutung verleihen. ’’Gestimmtheit ist artifizielle Stimmung...” (ebd., S.14). Gesten gilt es daher zu verstehen um ihre Bedeutung lesen zu können. Obwohl ”... wir über keine Theorie der Interpretation von Gesten verfügen...” (ebd. S.9) können und werden Gesten im Alltag interpretiert und dies kann man auch zur Rekon­struktion von Konstruktionsprozessen nutzbar machen.

Konstruktionsziele sind die (antizipierten) Bedeutungen, die das zu konstruierende Arte­fakt in verschiedenen Kontexten - v.a. Anwendungs- und Herstellungskontext haben wird oder haben soll. Die Bedeutung eines Gegenstandes entsteht aus seiner Verwendung, d.h. in den Handlungszusammenhängen der Verwendungskontexte bzw. Rahmen. Bedeu­

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tungen - Konstruktionsziele - werden, im Handlungs- bzw. Konstruktionprozeß vor dem Hintergrund selbstverständlichen Wissens unterstellt und erst dann thematisiert, wenn die Unterstellungen problematisch werden. Ziele sind Produkte im Handlungsprozeß dann, wenn der Handlungsverlauf reflexiv unterbrochen wird und die Bedeutungen bewußt werden. ’’Entscheidend wird ... die Unterscheidung bedeutungsvoller Handlungen und des Bewußtmachens dieser Bedeutung.” (Joas, 1989, S. 103).

Die eigenen (Konstruktions)Handlungen werden in den in der Rollenübemahme antizi­pierten Kontexten interpretiert und beurteilt. Der Prozeß der Auslegung wird in der Abfolge der Konstruktionshandlungsschritte sichtbar, die der Konstrukteur in Interaktion mit anderen oder mit sich selbst deutet; dies kann auch als Denken bezeichnet werden. Denken ist die in das Individuum genommene Konversation. ”...(I)nsoweit wir denken, nehmen wir gegenüber der uns umgebenden Welt eine gesellschaftliche Haltung ein.... (S.229). Beim Denken nimmt der Einzelne die Haltung eines Anderen gegenüber sich selbst ein....” (Mead, 1980, S.198). ’’Unser Denken ist ein Selbstgespräch, in welchem wir uns selbst gegenüber die Rollen ganz bestimmter Personen einnehmen, die wir kennen. Gewöhnlich sprechen wir mit dem ... 'generalisierten Anderen' und gelangen so auf die Ebene abstrakten Denkens und zu jener Unpersönlichkeit, die wir als sog. Objektivität besonders schätzen.” (Mead, 1987, Bd.l, S.323). Unbelebte Gegenstände sind, genauso wie andere Menschen, Teile des generalisierten Anderen. ’’Jeder Gegen­stand - jedes Objekt - ... menschlich, tierisch oder einfach physisch -, im Hinblick auf den der Mensch handelt..., ist für ihn eine Element des verallgemeinerten Anderen.” (Mead, 1980, S.196, Fn.7).

Der Konstruktionsprozeß wird weniger als (individueller) Denk- als ein Interaktionspro­zeß konzipiert, in dem der Designer mit mehreren Gegenüber - Menschen wie Dingen - in Konversation tritt. ’’Der Techniker, der eine Brücke konstruiert, spricht mit der Natur genauso wie wir mit dem Techniker sprechen. Es gibt dabei Elemente, die er einkalkulie­ren muß, und dann kommt die Natur mit anderen Reaktionen, die wiederum anders unter Kontrolle gebracht werden müssen. In seinem Denken nimmt er die Haltung physischer Objekte ein. Er spricht mit der Natur, die Natur antwortet ihm.” (Mead, 1980, S.229)Der Prozeß der Bedeutungsauslegung wird am Zeichentisch als (z.T. innere) Konversa­tion fortgesetzt. Mit den Konstruktionsschritten wird das Konstruktionsziel, das zu kon­struierende Artefakt, im Prozeß der Rollenübemahme in seiner Bedeutung in antizipier­ten Kontexten erschlossen. Konstruieren kann als eine Form von Interaktion - ein kultu­reller Rahmen - oder Konversation aufgefaßt werden, der spezifische Ressourcen bereit stellt, um offene Bedeutungen handhabbar zu machen.Mit der Rahmung der Situation und der Problemstellung wird eine Handlungsrichtung oder ein Handlungsmuster aufgerufen - die Handlungen aber nicht im Detail determi­niert - und intuitiv ein 'Lösungsansatz', ein Lösungstyp verfolgt. Der Konstrukteur ver­sucht das Ergebnis des Konstruktionsprozesses zu 'erraten' und seine Handlungen auf diesen für ihn noch offenen Ausgang abzustimmen und mit den Handlungen zu erzeugen. Die vom Konstrukteur in diese Richtung bzw. nach diesem Lösungs- und-Handlungsmu- ster vollzogenen Handlungen verändern die Situation, und die so veränderte Situation wird in verschiedenen Kontexten interpretiert und beurteilt. Der Prozeß ist tentativ und für Revisionen offen. Treten im Interaktionsprozeß, d.h. bei der Veränderung der Situa­tion Reaktionen auf, die nicht in die unterstellten Kontexte passen und auch nicht igno­rierbar sind, kommt es zu einer Rekontextualisierung - die Situation wird aus anderer

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Perspektive gesehen, die Bedeutung der Dinge ändert sich und andere Lösungsansätze werden versucht. Wenn jemand, um ein alltägliches Designbeispiel aufzugreifen, eine Wohnung neu bezieht, so können in seine (kulturell vorgezeichneten, mehr oder weniger vagen) Vorstellungen künftiger Nutzung der Wohnung (der Handlungszusammenhang im Verwendungskontext) Umbauarbeiten notwendig werden lassen. Sollte sich dabei (im Herstellungskontext) heraussteilen, daß z.B. eine Mauer, die für die gewünschte Raumaufteilung entfernt werden sollte, nicht entfernt werden darf, so muß eine Neukon­zeption für die Wohnung entworfen werden. In der Neu'gestalt'ung kann die Mauer, wie wahrscheinlich auch die anderen Räume, in einen anderen Zusammenhang gebracht und andere Bedeutung in den verschiedenen Kontexten erhalten.

Die Bedeutungen liegen nicht 'objektiv' vor, sondern sind erst in der Situation, nach Bedarf, auszulegen bzw. werden durch Kontextualisierung z.T. erst (neu) geschaffen. Handlungsschritte können nicht, wie im kybernetischen Modell, an eindeutig vorliegen­den Kriterien getestet werden, sondern werden nach Erfahrung - auf z.T. implizitem Wissen um Zusammenhänge - beurteilt und in ihrer Bedeutung interpretiert. Schön beschreibt die Abfolge von Konstruktionshandlungen so: “The process spirals through stages of appreciation, action, and reappreciation. The ... situation comes to be under­stood through the attempt to change it, and changed through the attempt to understand it.” (Schön, 1983, S.132). Später charakterisiert er die Abfolge als “seeing-moving- seeing.” (Schön und Wiggins, 1992, S.137). Der Unterschied zum äußerlich ähnlichen test-operate-test Schema besteht darin, daß 'seeing' nicht einfach mit 'test' (einem Soll- Istwert-Vergleich) gleichgesetzt werden kann. 'Seeing' meint einerseits wörtlich etwas sehen - in der Zeichnung oben etwa eine Führungssäule, eine Wand, Gleitstück, optisches Gerät usw. - “...'see' in its second sense, conveys a judgement about the pattern 'seen' in the first sense. The two senses are merged ... designing depends on ... (the designer's) ability to make such normative judgements of quality, to see what's bad and needs fixing, or what's good and needs to be preserved or developed. In the absence of such qualitative judgements, ... designing can have no thrust or direction.” (ebd.). Die Interpretation (qualitative judgements) ist auf implizites Hintergrundwissen angewiesen. Schön verwendet dafür den von G. Vickers eingeführten Term 'appreciative systems' - Normen, Werte, Glauben usw., die Designer mitbringen und mit einer Gruppe oder einer Kultur teilen (System der Rahmen). “Appreciations are expressed in acts of judgement that we are able to make, tacitly, without necessarily being able to state the criteria on the basis of which we make them.” (ebd., S.138). ”In his (the designer's) day-to-day practice he makes innumerable judgements of quality for which he cannot state adequate criteria, and he displays skills for which he cannot state the rules and procedures.” (Schön, 1983, S.49L).Die Interpretationen beinhalten gleichzeitig Urteile und Werte und, soweit die Interpre­tationen auf selbstverständlich Gewußtem beruhen, gehen an diesen Stellen Werthaltun­gen in die konstruierte Technik ein, die v.a. routiniert vorgehenden Konstrukteuren ent­gehen. ’’Jeder Strich, den der Konstrukteur aufs Reißbrett zeichnet, könnte auch anders aussehen; die eine besondere Weise, in der er ihn anordnet, markiert ... bereits eine Ent­scheidung, die sich auf mehr oder minder bewußte Bewertungen stützt.” (Ropohl, 1990, S. 147). Ropohl meint, daß beim intuitiven Entwerfen die Alternativen nicht ausdrücklich erwähnt würden und dadurch übrigens der Eindruck entstehe, die gewählte Lösung sei Resultat technikimmanenter Entwicklungslogik. Intuitives Vorgehen erfahrener Kon­

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strukteure bringe intuitive Bewertungen und Vorentscheidungen mit sich, die erst durch ”reflection-in-action” (Schön, 1983) sichtbar werden.

Mead sieht in der Tätigkeit des Designers, die zu einer gelungenen Konstruktion führt, eine nahezu ideale Form der Rollenübemahme, in der das 'Ich' des Designers mit den 'me' der Haltungen seiner Gegenüber zur Deckung kommen. ’’Der Techniker hat die Haltun­gen aller anderen Mitglieder der Gruppe in sich und kann eben deshalb lenkend eingrei- fen. Wenn der Techniker das Konstruktionsbüro mit dem Plan verläßt, existiert die Maschine noch nicht. Er muß aber wissen, was die einzelnen Menschen zu tun haben.... Diese Übernahme der Haltungen aller anderen - so vollkommen und genau wie möglich - , diese Analyse der eigenen Handlung vom Standpunkt dieser kompletten Übernahme der Rolle der anderen aus können wir vielleicht als die 'Haltung des Technikers' bezeichnen. Es ist eine hoch intelligente Haltung; wenn sie mit einem tiefen Interesse an gesellschaftlicher Teamarbeit verknüpft werden kann, gehört sie zu den höchstentwickel­ten gesellschaftlichen Prozessen und zu den signifikanten Erfahrungen. Hier hängt die volle Konkretheit des T von der Fähigkeit eines Menschen ab, die Haltung aller Men­schen innerhalb jenes Prozesses einzunehmen, den man lenkt. Hier gewinnt man den konkreten Inhalt, der sich in der bloßen emotionellen Identifizierung der eigenen Identität mit allen anderen Mitgliedern der Gruppe nicht findet.” (Mead, 1980, S.323L).

Die vorgetragene Auffassung legt nahe, durch die Beobachtung und rekonstruktive Inter­pretation von Designprozessen, wie in der Wende von Technikfolgenabschätzung zu Technikgenese bereits angelegt, die Bewertung nicht erst bei der Lösung, am fertigen Produkt vorzunehmen, sondern die Stellen im Gestaltungsprozeß aufzufinden, wo Wer­tungen einfließen.Der Zugang beachtet stärker den Gestaltungsprozeß - dessen Resultat ja technische Pro­dukte sind; d.h. die Vorgehens weisen und -routinen, die Kontexte und Rah­mentpraktiken) des Konstruktionshandelns (und deren Wertimplikationen) sind zu rekonstruieren und zu benennen, die als Routinen aus dem Bewußtsein zum Selbstver­ständlichen, immer schon Gewußtem abgesunken sind. Den Designprozeß zu beobachten ist eine andere Ebene der Beobachtung als das Produkt dieses Prozesses, wiewohl die Ebenen miteinander in Beziehung stehen.

Wenn der Konstruktionsprozeß ein zielinterpretierender und -kreierender Prozeß ist, so heißt das, daß die Bedeutung des Dings in verschiedenen Kontexten, v.a. im Anwen­dungskontext antizipiert werden und damit gleichzeitig ein Handlungszusammenhang vorgeschlagen wird, der von den 'Nutzem' in Verwendungskontexten, je nach Interessen, Machtverhältnissen etc. angenommen, abgeändert oder abgelehnt werden kann.Insofern mit einem technischen Artefakt Handlungszusammenhänge vorgeschlagen und - mehr oder weniger explizit - 'mitkonstruiert' werden, sind Konstrukteure "engineer sociologists” (Calion, 1987, S.83 ff.) und ihre Produkte potentiell kontextgenerierend bzw. 'wirklichkeitsschaffend'

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10. Zusammenfassung und AusblickIn Auseinandersetzung mit dem bislang dominierenden Modell zweckrationalen Han­delns und speziell mit dem kognitiven Modell zielgesteuerten Handelns wurde eine methodologische Umorientierung vorgeschlagen, die Konstruieren als situatives, inter- pretatives Handeln auffaßt. Handlungen, Äußerungen etc. im Entwurfsprozeß haben Bedeutung, d.h. sie verweisen auf typische Zusammenhänge, Kontexte bzw. Rahmen. Bedeutungen liegen nicht fest, sondern sind offen, und gerade das zeichnet Konstruk­tionsprozesse aus. Offene Bedeutungen werden im Verlauf des Prozesses, also in den jeweiligen Situationen ausgelegt, indem Zusammenhänge unter- bzw. hergestellt werden.

Konstrukteure (müssen) versuchen, Wünsche (potentieller) Auftraggeber zu verstehen - wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, an deren 'Bedürfnissen' vorbei zu arbeiten. Mit dem Bemühen, Probleme zu verstehen, d.h. die Wünsche eines Auftraggebers auszulegen, wird bereits konstruiert. Die aus den Wünschen ‘gelesenen’ (Konstruktions)ziele bleiben aber zu vage, um präzise Konstruktionsziele angeben zu können. Die Ziele werden im Konstruktionsprozeß ausgelegt und zum Teil geschaffen und dies kann als ein inter­aktiver Prozeß beschrieben werden, der den Gestaltungs- bzw. Konstruktionsverlauf durchzieht.Am Beginn eines Konstruktionsprozesses geht es weniger darum, die Ziele vollständig und genau festzulegen - das würde ihren Arbeitsbeitrag weitgehend erübrigen -, sondern vielmehr versuchen Konstrukteuren im Gestaltungsprozeß, insbesondere im Ent­wurfsprozeß - der oft als das eigentliche Konstruieren angesehen wird - zu einem Ver­ständnis zu kommen, die Situation zu rahmen, kontextualisieren bzw. sinnvolle Zusam­menhänge herzustellen. Es sind Verständnisrahmen, die es Handelnden bzw. Konstruk­teuren ermöglichen, sich die Wünsche bzw. Ziele verstehbar machen und vor allem sie im Konstruktionsprozeß weiter auszulegen, kritische Punkte zu antizipieren und gegebe­nenfalls weitere Ziele zu generieren. M.a.W. wird, anders als im Modell zweckrationalen Handelns, weniger von vollständigen und präzisen Zielen ausgegangen, sondern von einem interaktiv hergestellten Verständnis, d.h. Rahmungen und Kontextualisierungen, von denen aus gehandelt werden kann.Erworbene Fertigkeiten, Gewohnheiten und Routinen bilden Kontextualisierungen und Rahmenpraktiken, die Erfahrung organisieren und Perspektiven erzeugen. Das implizite Wissen um typische Zusammenhänge (Alltags- wie auch bereichsspezifisches Wissen) befähigt Designer zur Übernahme von Rollen und zum Einnehmen verschiedenster Per­spektiven, und dies scheint beim Konstruieren charakteristisch zu sein.Im Konstruktionsprozeß als Gestalt-making-process werden die Gestalt des Geräts und gleichzeitig Kontexte (re)produziert, v.a. die der Anwendung und Herstellung wie auch der Beziehungskontext im Gestaltungsprozeß selbst. Beim Konstruieren werden nicht nur Bauteile so in Zusammenhang gebracht, daß sie Sinn in Kontexten ergeben, sondern es werden gleichzeitig auch Handlungsvorschläge entworfen, die Kontexte verändern kön­nen.Eher denn zielgesteuert, läßt sich der Konstruktionsprozeß als ein sozialer Prozeß beschreiben, in dem Konstrukteure verschiedene Perspektiven durch Rollenübemahme einnehmen, von denen aus sie die Äußerungen und Handlungen anderer wie auch die eigenen Konstruktionshandlungen auslegen und von denen aus sie handeln können. Man könnte Gestaltungsprozesse vielleicht am besten als multiperspektivisch charakterisieren.

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Seite 92 10. Zusammenfassung und Ausblick

In Gestaltungsprozessen lassen sich verschiedene, manchmal rasch aufeinanderfolgende Modulationen beobachten. Modulationen ermöglichen jeweils eine spezifische Zuwen­dung bzw. erzeugen Perspektiven auf das modulierte Material. Konstruieren - so die These - kann als Interaktion aufgefaßt werden, in der von Konstrukteuren verschiedene Perspektiven einge-nommen werden; - durch Übernahme verschiedener Rollen wie auch durch Darstellung in verschiedenen Medien bzw. Übersetzung in verschiedene Rahmen und Modulationen.Eine fruchtbare Aufgabe weiterer Forschung wäre demnach, die Transformationsmetho­den und Rahmungspraktiken zu untersuchen, wie in verschiedenen Modulationen bzw. Medien Erfahrung organisiert wird, v.a. auch in neuen Medien wie CAD, Rapid Proto­typing, Simulationen.

Einer interpretativen Untersuchung geht es u.a. um die Rekonstruktion der im Prozeß herangezogenen oder aufgebauten, (re)produzierten Kontextualisierungen und Rahmen, d.h. die fallspezifischen Interpretations- und Vorgehensweisen. Die Rekonstruktion kann auf die (protokollierten) Äußerungen, Handlungen usw. zurückgreifen, mit denen die Akteure im Prozeß Kontexte einführen bzw. erzeugen. Konstruieren ist dann nicht auf schlecht beobachtbare Denkvorgänge reduziert, sondern alle Äußerungen, mit denen sich die Akteure verständigen, bieten, soweit sie dokumentiert werden, den Interpreten Daten zur Rekonstruktion. Damit kommt auch körperliches Verhalten bzw. Gesten in den Blick, die in der Konstruktionsforschung bislang kaum Beachtung gefunden haben. Die Interpretation von Gesten als Ausdrucksform von Haltungen, v.a. schwer verbalisierbarer und z.T. impliziter Vorstellungen, Wertungen etc., könnte sich als nützlicher Beitrag zur Rekonstruktion von Kontexten in Konstruktionsprozessen erweisen.

In einer rekonstruktiven Untersuchung kann es nicht darum gehen zu beurteilen, ob im beobachteten Fall rational gehandelt wird, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Solches Vorgehen liefe auf den zweifelhaften Versuch hinaus, es besser können zu wollen. Eine Rekonstruktion ist rational (und wissenschaftlich) insofern, als zu zeigen ist, daß die beobachtbaren Handlungen in den rekonstruierten Kontexten 'rational' sind. Eine inter­pretative Untersuchung zeigt fallspezifische Kontexte, d.h. die im beobachteten Fall unterstellten Verstehensrahmen auf. Der Nutzen dieses Vorgehens liegt nicht nur darin, Designprozesse interpretierend zu verstehen und damit einen Beitrag zur wissenschaft­lichen Beschreibung und Verständnis zu leisten. Neben einem Beitrag zur Technikfol­genabschätzung könnte der Nutzen für die Designer selbst auch daraus resultieren, daß sie die Untersuchungsergebnisse begleitender Forschung, d.h. die Beschreibungen impliziter Voraussetzungen ihrer fallspezifischen Vorgehensweise, soweit sie gelingen, zum Ausgangspunkt der Reflexion über ihre großteils routinisierte Vorgehens weise nehmen und damit Änderungen oder Verbesserungen angeregt werden. Und eine verän­derte Vorgehensweise führt auch zu anderen Ergebnissen des Konstruktionsprozesses, d.h. der zu gestaltetenden Technik.’’Frame analysis may help practitioners to become aware of their tacit frames ... Once practitioners notice that they actively construct their reality of their practice and become aware of the variety of frames available to them, they begin to see the need to reflection- in-action of their previously tacit frames.” (Schön, 1983, 311)Sozialwissenschaftliches Verstehen geht in der Einstellung prinzipiellen Zweifels an den Selbstverständlichkeiten an die zu untersuchende Realität heran. Es ”... zielt ab auf die Erkenntnis der Konstitutionsbedingungen für 'Wirklichkeit'. ... Der praktische gesell­

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schaftliche Nutzen dieses Unternehmens liegt darin, die Menschen auf die vom Alltags­verstand gemeinhin nicht thematisierten Umstände, Zusammenhänge und Regeln auf­merksam zu machen, in deren Rahmen sie ihr Leben vollziehen.” (Soeffner und Hitzier, 1994, S.34L).

Wenn es gelingt, für den Bereich der Technikgestaltung bzw. Produktentwicklung - und die angeführten Überlegungen lassen dies erwarten - praktikable Verfahren zu entwik- keln, dann kann man sich mit guten Gründen den Aussichten der Konstruktionsforscher anschließen, “individuelle Konstruktionsberatung” anzustreben und “vielleicht ergibt sich daraus sogar ein neues Berufsfeld: der Konstruktionspsychologe.” (Ehrlenspiel und Günther, 1995, S. 68) - ein die Konstruktions- und Gestaltungsprozesse begleitend beob­achtender und untersuchender Konstruktions- und Gestaltungsberater.

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