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Zur Technik der Tamponade nach Tonsillektomie. Von Dr. Friedrich Noltenius, Montevideo. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am. 1. April 1931.) Nachdem Wodak 1 kfirzlieh die primgre Naht der GaumenbSgen fiber einem Tampon empfohlen hat, hMte ieh es fiir gereehtfertigt, meine E~'fakrungen und die yon mir e~ngewandte Me,bode ebelffMls mitzuteilen. Seit rund 8 Jahren ftihre ich grunds/~tzlich und in jedem FMle naeh Tonsillektomie, die ich stets beiderseitig maehe, die beiderseitige NMIt der GaumenbSgen fiber einem eingelegten Tampon, die ,,Tamponnaht", aus. Ursprtinglieh hatte ieh das yon mir gefibte Verfahren zur sekund/iren Blutstillung ~usgearbeitet und bereits vor 9 Jahren an der Ttibinger Klinik verwandt, ging jedoeh, angesiehts der guten Ergebnisse, sehr bald dazu fiber, es grundsgtzlich an die Tonsillektomie anzusehliel~en. Dazu veranla•te reich in erster Linie die Eigenart meiner Arbeitsbedingungen, die reich zwingen, die iiberwiegende Mehrzahl Mler operativen Eingriffe ambulant auszuffihren. Die damit erzielten Ergebnisse sind die folgenden: 1. Seit ich dieses Verfahren ausfibe, habe ieh keine Nachblutung mehr erlebt. Ieh darf sagen, es ist ein sehr angenehmes Geffihl, wenn man die Uberzeugung haben kann, daI~ eine Blutung post oper~tionem so gut wie nieht in Be- tracht kommt. 2. Die subjektiven Besehwerden naeh der Operation sind ohne Zweifel geringer. Fast ausnahmslos ist am 3. Tage bereits Spontansehmerz nicht mehr vorhanden. Das dfirfte davon herrfihren, dal3 die durch den Jodoformgazetampon geschfitzte Wunde sieh nicht entzfindet und darum auch nicht schmerzt. 3. Aus demselben Grunde ist aneh der objektive Heilungsverl~uf schneller und glatter. Am 5., 6. Tage merken die Patienten so gut wie niehts mehr. A.uch solange die Tampons noch liegen, ist, obwohl Ga.umen und Uvula bisweilen ziemlieh 5dematSs werden, die Be- l~tstigung nur mgI~ig. Zumeist tritt am Abend des der Operation folgenden Tages -- der Tampon bleibt 40--48 Stunden liegen -- eine leichte Temperatursteigerung ein (38--38,50 AchselhShlentemper~tur), die aber 1 Wodak: Mschr. Ohrenheilk. 64.

Zur Technik der Tamponade nach Tonsillektomie

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Zur Technik der Tamponade nach Tonsillektomie.

Von

Dr. Friedrich Noltenius, Montevideo.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am. 1. April 1931.)

Nachdem Wodak 1 kfirzlieh die primgre Naht der GaumenbSgen fiber einem Tampon empfohlen hat, hMte ieh es fiir gereehtfertigt, meine E~'fakrungen und die yon mir e~ngewandte Me,bode ebelffMls mitzuteilen.

Seit rund 8 Jahren ftihre ich grunds/~tzlich und in jedem FMle naeh Tonsillektomie, die ich stets beiderseitig maehe, die beiderseitige NMIt der GaumenbSgen fiber einem eingelegten Tampon, die , ,Tamponnaht" , aus. Ursprtinglieh hatte ieh das yon mir gefibte Verfahren zur sekund/iren Blutstillung ~usgearbeitet und bereits vor 9 Jahren an der Ttibinger Klinik verwandt, ging jedoeh, angesiehts der guten Ergebnisse, sehr bald dazu fiber, es grundsgtzlich an die Tonsillektomie anzusehliel~en. Dazu veranla•te reich in erster Linie die Eigenart meiner Arbeitsbedingungen, die reich zwingen, die iiberwiegende Mehrzahl Mler operativen Eingriffe ambulant auszuffihren.

Die damit erzielten Ergebnisse sind die folgenden: 1. Seit ich dieses Verfahren ausfibe, habe ieh keine Nachblutung mehr erlebt. Ieh darf sagen, es ist ein sehr angenehmes Geffihl, wenn man die Uberzeugung haben kann, daI~ eine Blutung post oper~tionem so gut wie nieht in Be- tracht kommt.

2. Die subjektiven Besehwerden naeh der Operation sind ohne Zweifel geringer. Fast ausnahmslos ist am 3. Tage bereits Spontansehmerz nicht mehr vorhanden. Das dfirfte davon herrfihren, dal3 die durch den Jodoformgazetampon geschfitzte Wunde sieh nicht entzfindet und darum auch nicht schmerzt.

3. Aus demselben Grunde ist aneh der objektive Heilungsverl~uf schneller und glatter. Am 5., 6. Tage merken die Patienten so gut wie niehts mehr. A.uch solange die Tampons noch liegen, ist, obwohl Ga.umen und Uvula bisweilen ziemlieh 5dematSs werden, die Be- l~tstigung nur mgI~ig. Zumeist t r i t t am Abend des der Operation folgenden Tages - - der Tampon bleibt 40--48 Stunden liegen - - eine leichte Temperatursteigerung ein (38--38,50 AchselhShlentemper~tur), die aber

1 Wodak: Mschr. Ohrenheilk. 64.

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naeh einigen Stunden yon selbst zuriickgeht, trotz liegenbleibender Tampons.

Eine sp~te Na.ckblutung - - in der 2. Woche na.eh der Operation - - ist damit na.tiirlich nicht auszusehalten. Sic lgl]t sich meines Erachtens durch saubere Operationstechnik vermeiden. Die WundhShle muir v611ig glatt sein. Buehs und Nisehen setzen immer der Gefahr aus, dab schleeht ernghrte Bezirke sieh nach einer gewissen Zeit ~bstol~en und unter UmseGitnden ein Bhttgefgl] freilegen. Da.B die Ga.umenb6gen peinlich zu erha.lten sind, beda.rf ka.um der Erw~hnnng.

Man k6nnte mir entgegnen, dal] ich vielleicht, wie in Amerika iiblich, die Indikation fiir die Tonsfllektomie sehr welt stellte, also zu- meist in F~llen operierte, in welchen sich die Tonsillen spielend stumpf herausl6sen la.ssen, etwa mit dem Sluderschen Instrumenta.rium. Solche F~lle neigen natiirlich nur sehr wenig zur Blutung, ga.nz im Gegen- sa.tz zu denjenigen Fi~llen, bei denen die Blutgef~l~e, Ms Folge zahlreicher Entziindungen, in eine derbe Schicht Narbengewebe eingebettet sind.

Dazu bemerke ich, dab ieh auf Grund tr/iber Er- fa.hrungen (ein TodesfM1 naeh Tonsillektomie, NB. in der Zeit vor Anwendung der Tamponna.ht) keineswegs geneigt bin, die Indikgtionen sehr weir zu stellen. Ganz im Gegenteil operiere ich so gut wie nur bei | dringendem Verda.cht auf Komplikationen (Gelenk- rheumatismus, Nephritis eventuell Cholezystitis)und bei rezidivierenden Tonsillarabszessen.

Nun zur Teehnik. Die Ta.mponnaht in der yon mir geiibten Form ist nicht nur keineswegs schwierig auszu- fiihren, sondern ganz im Gegenteil, sehr viel leiehter a.ls Abb. 1. die meisten anderen Methoden (Klammernghte nsw.)" die zudem ein kompliziertes Instrumentarium benStigen. Au3erdem ist Na.h~ und Tampon selbst bei Kieferklemme mfihelos zu entfernen, was man z. B. von den Klammern gewig nicht sa.gen kann, ganz abgesehen davon, da.B letztere Methode die Gefahr mit sieh bringt, da.B die Klammer der Za.nge entgleitet und in die tieferen Luftwege gers

Das Instrumentarium ist denkbar einfa.eh. Eine lange Hakenpinzette und eine m/~gig lange, am Nadelende halbkreisfSrmig abgebogene Na.del mit einem nieht zu kleinen Ohr nahe der Nadelspitze (s. Abb. 1). Znm Hera.usnehmen der Tampons eine beliebige, nicht zu knrze Schere zum Durehsetmeiden des Fa.dens und die ngmliehe Ha.kenpinzette.

AuBerdem bereitet man sehon vor d.er Opera.tion 2 Jodoformtampons aus lest aufgerollten Streifen in etwa der Gr61~e der zu entfernten Ton- silten vor, um bei einer etwaigen st~rken Blutung ohne Zeitverlus6 die Naht ausfiihren zu kSnnen. Es ist darauf zu aehten, dab sieh die Schnitt-

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linie der Fgden im Innern des Tampons befindet, da sonst bei Fort- nahme des Tampons einzelne Fasern zuriickbleiben kSnnen - - man sieht sie nicht in der weiBen Pseudomembran - - und ein SehlieBen der Tonsillenbucht verhindern, bzw. bisweilen eine Eiterung oder Absonderung aus einem zurfickgebliebenen Rezessus unterhalten.

Entscheidend fiir die leichte Ausffihrung der Tamponnaht ist ledig- lick die Nadelffihrung. Man gekt grundsgtzlich yore Wundbet t aus oder fiberhaupt - - allgemein gesproehen - - vom Zwischenraum der zu vereinigenden Wundrgnder (Septum- oder Gaumennghte) und ffihrt yon bier aus naeheinander den Faden durch die GaumenbSgen (bzw. das Gewebe des Wundrandes) hindurch.

I m einzelnen gesehieht das folgendermaBen: Man nimmt einen krgftigen Seidenfaden yon etwa 80 cm Lgnge und fiihrt ihn yon au/3en, yon der Konvexseite her, etwa 5 cm durch das Nadel6hr. Der Faden wird zuerst dutch den hinteren Gaumenbogen gefiihrt. Die schwierigeren Phasen werden stets znerst gemaeht, um unter dramatisehen Umstgnden sctmell zum AbschluB gelangen zu k6nnen. Da tum beginnt man auch zweckmgBig mit der linken SeRe, da sic ffir den Reehtshgnder ein wenig unbequemer liegt, es sei denn natfirlich, es blute eine Tonsillenbucht.

Nadel in die reckte Hand, Pinzette in die linke (linlce Tonsillen- bucht). Die Pinzette faBt den hinteren Gaumenbogen und zieht ihn energiseh vor. Vom Wundbet t aus wird die Nadel unter dem Gaumen- bogen hindurchgefiibrt und erseheint in der Pharynxwand, etwa 1 cm yon der Medianlinie entfernt. Dadureh wird so viel Gewebe gefaflt, dab der Faden nieht durehschneiden kann. Nun ergreift die Pinzette den Faden an der Konkavseite der halbkreisfSrmigen Nadel. Das lgflt sick bei starker Blutung und Unruhe (Wfirgen) des Patienten aueh ,,blind", d .h . rein tastend, durehffihren, d~ der Faden sick als Sekne anspannt. Der Faden wird einige 20 em hervorgezogen und in den reehten Mundwinkel gel~gt. Die Nadel wird aus dem Stiehloeh zuriiekgezogen, der Faden bteibt eingefiidelt. Man lgBt den Faden dureh das 0h r gleiten, bis das freie Ende noeh etwa 5 em fiberragt.

Nun nimmt man die Nadel in die linke Hand und die Pinzette in die reekte, *aBt den vorderen Ganmenbogen und fiihrt die Nadel yon der WundhShle aus unter ihm hindureh bis in die Gegend des An- satzes der Wange. Abermals ergreift man den Faden an der Konkav- seite der Nadel und zieht ihn einige 20 em hervor. Der Faden gleitet aus dem Okr, die Nadel ist yore Faden frei und wird herausgenommen. Das zweite Fadenende wSrd in den linken ~undwinkel gelegt, zusammen mit dem linken Teil der mitt leren Fadenschlinge, wghrend der rechte Teil sick dem rechten Fadenende zugesellt (s. Abb. 2).

Je tz t ergreift die Pinzette den vorbereiteten Jodoformgazetampon und schiebt ihn yon unten her in das Wundbe• Die andere Hand nimmt die beiden freien Enden des Fadens und zieht sic an. Die Schlinge

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gleitet in den Mun4 hinein, legt sich fiber den Tampon und zieht die Gaumenb6gen zusammen. Es bleibt nur noch fibrig, den Faden fiber den Gaumenb6gen zu verknoten. Eine ma$ige Spannung des Fadens ist ausreichend.

Es empfiehlt sich, die Durchstichstellen ein wenig unterhalb der Mitre der Gaumenb6gen zu w~hlen. Dadnrch wird der Tampon mit vSlliger Sicherheit am Herausglei ten verhindert, vorausgesetzt, dal~ er nicht zu klein gew/~hlt wurde.

Das Herausnehmen des Tampons ge- schieht in folgender Weise: Die Pinzette erfal~t den Knoten und zieht ihn saaft vor, worauf die Sehere den Faden durchtrennt. Nach Herausnekmen des Fadens ergreift die Pinzette den Tampon und bef6rdert ihn mit sanftem Zuge nach unten heraus. Der dabei auftretende Schmerz ist nut sehr gering.

Verwendet man diese Methode nur znr sekund~ren Blutstillung, wo sic ebenfalls ein v611ig sicheres und leieht zu hand- habendes Verfahren darstellt, wird man Abb. 2. natfirlich 0l~e Ans vorgehen. Der das Durchstechen der Gaumenb6gen begleitende Schmerz bedeutend, so dab es sogar bei Kindern durchffihrbar ist.

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ist un-

Zum Schlusse betonen wir noch einmal, dal~ wit es als einen der gr6Bten Vorzfige des hier geschilderten Verfahrens erachten, da$ es selbst bei starker Blutung und unter bisweilen dramatischen Umst~nden durchfiihrbar ist und bei einiger Gewandtheit in einer Minute die Blutung mit Sieherheit zum Stehen bringt.

Sch/~den der prim~ren Naht haben wir bei einer Gesamtzahl yon etwa 120 F/~llen nieht gesehen.