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Vol. X, 1959 447 Zur Theorie der linearen dissipafiven Transformafionen Von HE~z K6Nm in Aachen 1. Einleitung. In der vorliegenden Note handelt es sich um die yon Herrn J. M~Ix- ~E~ und dem Verfasser in [1] eingefiihrten linearen Transformationen. Wir iiber- nehmen die damaligen Bezeiehnungen, die man in [2] noeh einmal zusammengestellt finder. Es sollen zwei allgemeine Eigensehaften der dissipativen linearen Transforma- tionen bewiesen werden, welehe die in [1] entwickelte Theorie yon entbehrlichen Vor- aussetzungen befreien und damit wesentlieh erweitern. Eine auf Coo definierte lineare Transformation L heiBt dissipativ, wenn ftir jede Funktion f der Klasse C~ und jedes w die Ungleiehung (1) f L](t)/'(t) dt >__ 0 - - o o besteht. Diese Bedingung hat J. t~IX~ER in [3] als Folgerung aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in ihrer allgemeinen physikalischen Bedeutung er- kannt. Man wird daher erwarten, dab die Dissipativitgt auch in mathematischer Hinsicht eine starke Bedingmng mit weitreichenden Konsequenzen sein ~4rd. So kann man nach D. C. YO~A, L. J. CASTZIOTAund It. J. CARLI~ [4] die in die Definition yon L eingehende Bedingung III) der Kausalit~t in einfaeher Weise aus der Dissipati- vitgt und aus der Bedingung I) der Linearit~t als Folgerung herleiten. Man hat hierzu nur die in Analogie zur Sehwarzschen Ungleichung ffir alle Funktionen ], g der Klasse Cr162 und alle w geltende Ungleiehung (2) L/(t)g'(t)dt+ Lg(t)i'(t)dt ~4 t)f(t)dt t) g'(t)dt - - - - o O - - - - anzuwenden, die auch dem unten folgenden Beweis zugrunde liegen wird. In [1] Absehnitt 7 haben wir die allgemeine Form der auf Coo definierten linearen dissipativen Transformationen L bestlmmt, welche auBerdem 1. yon der Ordnung oo stetig und 2. yon langsamem Wachstum sind. In der vorliegenden Arbeit soll bewiesen werden, dab beide Voraussetzungen 1. und 2. bereits aus der Dissipativitgt yon L folgen und daher entbehrlieh sind. Wir werden mit den in [1] Abschnitt 3 und [2] entwiekelten ~ethoden den folgenden Satz beweisen. Satz. Zu ]eder au/ Coo definierten linearen dissipativen Trans]ormation L gibt es einen Index m (m ~ 0, 1,2, ...), so daft L yon der Ordnung m stetig ist mit einer Norm (3) [[LIlaCs) = 0 ( ~ ) /~r ~--.oo.

Zur Theorie der linearen dissipativen Transformationen

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Page 1: Zur Theorie der linearen dissipativen Transformationen

Vol. X, 1959 447

Zur Theorie der l inearen dissipafiven Transformafionen

Von HE~z K6Nm in Aachen

1. Einleitung. In der vorliegenden Note handelt es sich um die yon Herrn J. M~Ix- ~E~ und dem Verfasser in [1] eingefiihrten linearen Transformationen. Wir iiber- nehmen die damaligen Bezeiehnungen, die man in [2] noeh einmal zusammengestellt finder. Es sollen zwei allgemeine Eigensehaften der dissipativen linearen Transforma- tionen bewiesen werden, welehe die in [1] entwickelte Theorie yon entbehrlichen Vor- aussetzungen befreien und damit wesentlieh erweitern.

Eine auf Coo definierte lineare Transformation L heiBt dissipativ, wenn ftir jede Funktion f der Klasse C~ und jedes w die Ungleiehung

(1) f L](t)/'(t) dt >__ 0 - - o o

besteht. Diese Bedingung hat J. t~IX~ER in [3] als Folgerung aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in ihrer allgemeinen physikalischen Bedeutung er- kannt. Man wird daher erwarten, dab die Dissipativitgt auch in mathematischer Hinsicht eine starke Bedingmng mit weitreichenden Konsequenzen sein ~4rd. So kann man nach D. C. YO~A, L. J. CASTZIOTA und It. J. CARLI~ [4] die in die Definition yon L eingehende Bedingung III) der Kausalit~t in einfaeher Weise aus der Dissipati- vitgt und aus der Bedingung I) der Linearit~t als Folgerung herleiten. Man hat hierzu nur die in Analogie zur Sehwarzschen Ungleichung ffir alle Funktionen ], g der Klasse Cr162 und alle w geltende Ungleiehung

(2) L/ ( t )g ' ( t )d t+ Lg( t ) i ' ( t )d t ~ 4 t ) f ( t ) d t t) g '( t)dt - - - - o O - - - -

anzuwenden, die auch dem unten folgenden Beweis zugrunde liegen wird. In [1] Absehnitt 7 haben wir die allgemeine Form der auf Coo definierten linearen

dissipativen Transformationen L bestlmmt, welche auBerdem 1. yon der Ordnung oo stetig und 2. yon langsamem Wachstum sind. In der vorliegenden Arbeit soll bewiesen werden, dab beide Voraussetzungen 1. und 2. bereits aus der Dissipativitgt yon L folgen und daher entbehrlieh sind. Wir werden mit den in [1] Abschnitt 3 und [2] entwiekelten ~e thoden den folgenden Satz beweisen.

Satz. Zu ]eder au/ Coo definierten linearen dissipativen Trans]ormation L gibt es einen Index m (m ~ 0, 1 , 2 , ...), so daft L yon der Ordnung m stetig ist mit einer Norm

(3) [[LIlaCs) = 0 ( ~ ) /~r ~ - - . o o .

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448 H. KSmc ARCH. MATH.

Die in [1] Abschnitt 7 auf funktionentheoretischem Wege gewonnenen Ergebnisse zeigen alsdann, dab stets n~ ~ 3 ist. Die Abschgtzung (3) lgBt sich dagegen, wie schon das Beispiel der identischen Transformation L zeigt, allgemein nieht verbessern.

2. Ein Hilfssatz. Der Beweis des Satzes beruht auf dem folgenden Hilfssatz, der die Aussage des Hilfssatzes 1 in [2] Abschnitt 3 auf eine Familie yon linearen Trans- formationen ausdehnt.

Hilfssatz. Es sei eine Familie yon au] Coo definierten und vonder Ordnung co stetigen linearen Trans/ormationen L~ gegeben (2 e E, E Indexmenge). Jedem 2 e E sei eine an] 0 <= t < co definierte Funktion H (t, ~,) > 0 zugeordnet. Ferner sei ein c~ > 0 ge- geben. Z u ]eder au[3erhalb yon 0 <-- t <_ c~ versehwindenden Funkt ion / der Klasse .Coo gebe es eine Zahl S (/) >= 0 mit

(4) ]L~/(t)] <=S(])H(t, ,~) /i~r t >=O undal le ~ t e E .

Dann gibt es einen Index m (m -= O, 1 , 2 . . . . ) und ein M > 0, so daft ]iir alle au[3er- halb yon 0 <-- t <-- o~ verschwindenden Funktionen / aus Coo mit

(5) I !<m> (t) I --< 1 o <_ t _<

gilt

(6) [Lz/(t)f < = M H ( t , t ) /i~r t>=O und alle 2 e E .

B e we i s des H i l f s s a t z e s . Wir nehmen an, dab die Behauptung falseh ist. Wir w~hlen rekursiv eine Folge von Indizes m~. => 1, eine Folge yon Zahlen Mj > 0, eine Folge yon auBerhalb yon 0 ~ t _< ~ versehwindenden Funktionen /i aus Coo mit

(7) 1/~)(t)] = 1 ffir 0 --< t _< g ,

eine Folge yon Punkten t] => 0 und eine Folge yon Indizes 2 (]) e E mit

(s) [A(j)/~-(tj) [ > MjH(tj , ~(]))

(] = 1 , 2 , . . . ) in der folgenden Weise: Im Falle j = 1 sei ml ~ M1 = 1. ])ann k6nnen wir auf Grund unserer Annahme/1, tl und ~(1) so wghlen, dab (7) und (8) erfiillt sind. Es sei n u n ] _>_ 2, und die betraehteten Gr6Ben seien ffir 1 ~ k < ] bereits festgeleg~. Auf Grund yon (4), (8) muB dann H(tg, %(k))> 0 sein, Wir wAhlen einen Index mj > mj-1 mit m~. > m (t~, 2 (k)) und

o~mi-m(t,~,~(k)) I (9) (mj -- m (tk, ~ (k)))! ~ ~ H (t~, 2 (k))

fiir 1 =< k < ]. Hierin ist m (t, 2 (k)) die der Transformation Ls(~) auf Grund der Beding-ung (B~) in [1] Abschnitt 1 zugeordnete Indexfunktion. Wit setzen ferner

(10) M3' = S(/1) + - . " + S(/j'-I) + 1 + 2J.

Dann k6nnen wit auf Grund unserer Annahme /3", tj und 20") so wghlen, dab (7) und (8) efffillt sind.

Wie im Beweis des oben genannten Hilfssatzes 1 folgt nun aus (7) die gleiehm/iBige

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Vol. X, 1959 Zur Theorie der linearen dissipativen Transformationen 449

Konvergenz der Reihe

.~(t) = ~ fi(t) j = l

in allen Ableitungen and hieraus die Gleichung

(11) L:$'(t) = ~ La/j(t) j = l

Aus (7), (9) fo l~ ferner im Falle 1 ~ k < ?"

1 I /~ ra(t*'a(~)) (t)[ ~ ~ H (t~, )~(k) )

mad daher nach der Definition yon m(t~,

Ffir k ~ 2 folg~ hieraus und aus (4), (8),

ffir 0 - - < t g ~

ffir t ~ 0 und alle 2 e E .

~(~))

1 H (t~, 2 (k)).

(10) und (11)

M~ H (t~, ~ (It)) < ] L~(k)/1c (t~)l ~ (~ (F) + S (/:) + .-- + ~ (/~_:)) H (t~, ~ (It)) + + H(t~:, 2(k)) = S(F) H(t~, 2(k)) + (M~ -- 2 ~) H(t~, ).(k) ) .

Wir erhalten mithin 2 ~ < S(F) und also einen Widerspruch. Damit ist der Hilfs- satz bewiesen.

3. Beweis des Satzes. Es sei L eine auf C~ definierte lineare dissipative Trans- ibrmation. Wir w~hlen ein festes :r > 0 und bezeichnen die Gesamtheit der auf t ~ 0 versehwindenden und auf t ~ ~ konstanten Funktionen ~ aus Coo mit Coo (:r Jede Funktion 9 der Klasse Coo (:r definiert auf Coo vermittels

r162

(12) L, / ( t ) = f ](t -- u) qS(u) du mit r = Lop(t) o

eine yon der Ordnung 0 stetige lineare Transformation L~. Dureh sukzessive partielle Integration folgt

L J ( t ) = f / (m) (t - u) ~)(-m)(u) du ; o

hierin ist ~b(-m) (t) das ffir t ~ 0 versehwindende m-fach iterierte unbestimmte Inte- gral yon r (m = 0, 1 , 2 , ...). Hieraus folgt naeh Satz 3 in [1] Abschnitt 2 die Gleichung

T

(13) []Lr ffir ~>--0. 0

Wir ordnen nun jeder auBerhalb yon 0--< t _< :r verschwindenden ~unktion / aus Cr162 die stetige Funktion

t

(14) O/(t) = Lg(t) mit g(t) = f / ( - -u ) du - - o o

zu und wenden die Schwarzsche Ungleichung (2) auf die Funktionen q~ und g an.

A r d l i v d e r M a l h c m a t i k X 29

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450 H. KSNm ARCH. r~A~E.

Es folgt fiir jedes reelle t

L ~(u) g' (u -- t) au + f I4(u - t) ~' (u) gu < o

oder unter Berfieksiehtigung yon (12) und (14)

( ; (/ )(Z (15) L~/(t) + f O / ( u - - t ) ~ ' ( u l d u <__4 ~(u) ~'(u)du O / ( u ) / ( - - u ) d . 0

Wir setzen zur Abkiirzung

(?o s ( / ) = Max { IO/ (u ) l : ~ =<~} + 2 _ l (u ) l ( -u ) d/112, z (/ (16) H(~ )=0 [~'(u) ldu+ ~(u)~'(u)du/112"

Alsdann f o l ~ aus (15) die Ungleiehung

ILj(t) l =< s(/)n(~) far t > o .

Auf Grund des Hilfssatzes gibt es daher einen Index m u n d ein M > O, so dab fiir alle Funktionen ~ aus Cr162 (~) und alle auBerhalb yon 0 --< t --< ~ versehwindenden Funktionen ] aus Coo mit (5) die Ungleichung

(17) ILfl(t)l <__ Mn(~) far t > 0 besteht. Wit wenden auf diese Ungleichung (17) nun Hilfssatz 3 in [2] Abschnitt 4 und die am Ende seines Beweises gewonnene Abschiitzung der Norm an. I-Iiernach ~ b t es ein h r > 0, so da$ fiir alle Funktionen q aus Cr162 (=) gilt

[]L~IIra(t)~N(-~-)m+lH(~) fiir t ~ .

Wir setzen zur Abkiirzung

K(t)=l ffir O ~ t ~ < = , K( t )=( t ' ) m+l f/Jr t ~

und erhalten die Ungleiehung

(is) [[ L~ l[ ., (t) ~.NK(t)H(cp) fiir t ~ O .

Wit setzen ferner

(19) A (~) = Max {I T(m+l)(u)[ : 0 --< u <-- cr .

Dann folgt aus (16) dureh m-malige partielle Integrat ion

�9 ~_(,~+~)----sA(~)+ A(~) I~(-~)(u)ldu .

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Vol. X, 1959 Zur Theorie der linearen dissipativen Transformationen 451

Hiernach und nach (13) erhalten wir im Falle A (T) * 0 mit der Abkorzung t 1

(20) V (t, cp) -- A(qD~K(t)f [ ~(-m) (u)[ du

aus (18) die Ungleiehung

(21) v ( t ,~ ) <<_~v ~ ( ~ - i ) ~ + for t > o .

Auf Grund dieser Ungleichung (21) liegen die Werte V(0r ~) und daher auch die Werte V (t, ~) for t ~ 0 unterhalb einer yon ~ unabh~ngigen festen Schranke/~ > 0. �9 Nach (20) haben wir daher for alle Funktionen q~ aus Cr162 (cr die Ungleichung

(22) [~5(-m-1)(t)[ ~ RK(t) A(cf) for t ~ 0 .

Wir ffihren nun die vermittels t

(23) LO/(t) = (Lq~)(-m-1)(t) mit cf(t) = f /(u) du --oo

auf Coo definierte lineare Transformation L ~ ein. Auf Grund yon (19) und (22) besteht for jede auBerhalb yon 0 <-- t ~ a verschwindende Funktion / aus Coo mit (5) die Ungleichung

]L0/(t)] <__RK(t) for t > = 0 .

Nach Hilfssatz 3 in [2] Abschnitt 4 ist daher die Transformation L 0 stetig yon der Ordnung m, und es gilt

][L~ = O(Tm+IK(z)) = O(~Zm+2) for ~ - - > ~ .

Nun ist fOr jede Funktion ~ aus Coo nach (23) und nach Satz 2 in [1] Abschnit~ 1

L 9 (t) = (Lo ~')(~+1) (t) = L0 (~(~+2)) (t).

Daher ist die Transformat ion/5 stetig yon der Ordnung 2 m + 2, und es gilt

][Llt2m+2(z' ) = II/OlI,~('~) - - O(T 2m+2) fur T - - > ~ .

Damit ist der Beweis des Satzes vollendet.

Literaturverzeichnis

[1] H. K6~m und J. MEIXlqER, Lineare Systeme und lineare Transformationen. Math. Iqachr. 19, 265--322 (1958).

[2] H. K6I~IO, ~ber das Wachstumsverhalten yon linearen Funktionaltransformationen. Arch. Math. 9, 94--101 (1958).

[3] J. M~.]:x~ER, Thermodynamische Erweiterung der Nachwirkungstheorie. Z. Phys. 139, 30--43 (1954).

[4] D. C. YOULA, L. J. CASTRIOTA and H. J. CAI~LII% Scattering Matrices and the Foundations of Linear, Passive Network Theory. Report 1957. Microwave Research Institute, Polytechnic Institute of Brooklyn.

Eingegangen am 7. 8. 1959

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