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Blaues Buch, Seite 116-118 2.2 Das Revolutionsjahr 1917 2.2.1 Februarrevolution und "Doppelherrschaft" · Als 1916 das Transportwesen fast völlig zusammenbrach, entstand Hungersnot in den Städten · Die tiefe Kluft, die die russische Gesellschaft spaltete, tat sich in der Armee zwischen Offizieren und gemeinen Soldaten auf · Die Regierung war unfähig, die Organisation der Kriegswirtschaft zu meistern, und zu misstrau- isch, um den Selbstverwaltungskörperschaften, verantwortliche Aufgaben zu übertragen · Eine Art Einheitsfront der Opposition war entstanden · Die sozialistischen Führer befanden sich in Haft oder waren emigriert, die Partei existierte illegal es waren Vertreter der Duma und der Selbstverwaltungsorgane, die den Zar zuerst vergeblich beschworen, eine neue Regierung zu bilden, später zum Thronverzicht drängten auch hohe Militärs beteiligten sich daran sie waren von patriotischer Sorge um das Kriegsschicksal Russlands erfüllt, weniger nach dem Wunsch nach Freiheit und einer Sozialreform sie fürchteten den Aufstand der Massen und einen gewaltsamen Umsturz · Die Februarrevolution 1917 war eine spontane Massenbewegung, die aus Demonstrationen und Streiks hervorging Ursprung in der Unzufriedenheit mit dem Zarenregime · Im Januar haben die Westmächte versucht, die russische Regierung zu einem liberalen System gegenüber der Bevölkerung zu bewegen wurde als Einmischung in die inneren Angelegen- heiten zurückgewiesen · Am 23. Februar 1917 kam es dann wegen Verschlechterung der Lebensmittellage zu Streiks und Demos · Nikolaus II versuchte den Unruhen ein Ende zu bereiten, indem er am 25. Februar befahl, mit Waffengewalt gegen die Demonstranten vorzugehen die Truppen liefen aber größtenteils zu den Demonstranten über Revolutionäre erhielten so Zugang zu den Waffenarsenalen der Garnison Letzter Widerstand zarentreuer Truppen zerbrach noch am selben Tag der Zar löste am 26. Februar die Duma auf Befehl wurde nicht befolgt Duma gründete ein Exekutivkomitee aus Arbeiter- und Soldatenräten für die Bildung einer neuen Regierung dies war der erste Sowjet, gebildet aus Sozialrevolutionären, und -demokraten und Parteilosen · Nikolaus II unterzeichnete seine Abdankungsurkunde Russland wurde Republik · In der Hauptstadt entstanden gleichzeitig zwei neue Machtzentren: die aus dem Exekutivkomitee der Duma gebildete Provisorische Regierung und der Petrograder Sowjet, von Deputierten der Arbeiter und Soldaten gewählt · In dieser Doppelherrschaft spiegelten sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse Russlands wider · Die Provisorische Regierung repräsentierte das wohlhabende Bürgertum und die liberalen Kreise des grundbesitzenden Adels beide wollten eine politisch, aber keine soziale Revolution · Hinter dem Petrograder Sowjet standen die städtischen Arbeiter und die Soldaten des Heeres Er überließ die Verantwortung einem Ministerium von rechtsstehenden Duma-Politikern · Die Menschewiki hatten in den Sowjets die Mehrheit

Zusammenfassung Geschichte 16 - Die Sowjetunion 7

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Zusammenfassung Geschichte 16 - Die Sowjetunion 72.2 Das Revolutionsjahr 19172.2.1 Februarrevolution und "Doppelherrschaft"Einheitsfront der OppositionNikolaus IIProvisorische RegierungPetrograder SowjetDoppelherrschaftAlexandr F. KerenskijLeninAprilthesenDiktatur des ProletariatsParole: "Alle Macht den Sowjets"

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Blaues Buch, Seite 116-118 2.2 Das Revolutionsjahr 1917 2.2.1 Februarrevolution und "Doppelherrschaft" · Als 1916 das Transportwesen fast völlig zusammenbrach, entstand Hungersnot in den Städten · Die tiefe Kluft, die die russische Gesellschaft spaltete, tat sich in der Armee zwischen Offizieren und gemeinen Soldaten auf · Die Regierung war unfähig, die Organisation der Kriegswirtschaft zu meistern, und zu misstrau- isch, um den Selbstverwaltungskörperschaften, verantwortliche Aufgaben zu übertragen · Eine Art Einheitsfront der Opposition war entstanden · Die sozialistischen Führer befanden sich in Haft oder waren emigriert, die Partei existierte illegal ➙ es waren Vertreter der Duma und der Selbstverwaltungsorgane, die den Zar zuerst vergeblich ➙ beschworen, eine neue Regierung zu bilden, später zum Thronverzicht drängten ➙ auch hohe Militärs beteiligten sich daran ➙ sie waren von patriotischer Sorge um das Kriegsschicksal Russlands erfüllt, weniger nach dem ➙ Wunsch nach Freiheit und einer Sozialreform ➙ sie fürchteten den Aufstand der Massen und einen gewaltsamen Umsturz · Die Februarrevolution 1917 war eine spontane Massenbewegung, die aus Demonstrationen und Streiks hervorging ➙ Ursprung in der Unzufriedenheit mit dem Zarenregime · Im Januar haben die Westmächte versucht, die russische Regierung zu einem liberalen System gegenüber der Bevölkerung zu bewegen ➙ wurde als Einmischung in die inneren Angelegen- heiten zurückgewiesen · Am 23. Februar 1917 kam es dann wegen Verschlechterung der Lebensmittellage zu Streiks und Demos · Nikolaus II versuchte den Unruhen ein Ende zu bereiten, indem er am 25. Februar befahl, mit Waffengewalt gegen die Demonstranten vorzugehen ➙ die Truppen liefen aber größtenteils zu den Demonstranten über ➙ Revolutionäre erhielten so Zugang zu den Waffenarsenalen der Garnison ➙ Letzter Widerstand zarentreuer Truppen zerbrach noch am selben Tag ➙ der Zar löste am 26. Februar die Duma auf ➙ Befehl wurde nicht befolgt ➙ Duma gründete ein ➙ Exekutivkomitee aus Arbeiter- und Soldatenräten für die Bildung einer neuen Regierung ➙ dies war der erste Sowjet, gebildet aus Sozialrevolutionären, und -demokraten und Parteilosen · Nikolaus II unterzeichnete seine Abdankungsurkunde ➙ Russland wurde Republik · In der Hauptstadt entstanden gleichzeitig zwei neue Machtzentren: die aus dem Exekutivkomitee der Duma gebildete Provisorische Regierung und der Petrograder Sowjet, von Deputierten der Arbeiter und Soldaten gewählt · In dieser Doppelherrschaft spiegelten sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse Russlands wider · Die Provisorische Regierung repräsentierte das wohlhabende Bürgertum und die liberalen Kreise des grundbesitzenden Adels ➙ beide wollten eine politisch, aber keine soziale Revolution · Hinter dem Petrograder Sowjet standen die städtischen Arbeiter und die Soldaten des Heeres Er überließ die Verantwortung einem Ministerium von rechtsstehenden Duma-Politikern · Die Menschewiki hatten in den Sowjets die Mehrheit

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· Die Bolschewiki bildeten Anfang 1917 nur eine kleine Minderheit ➙ Entscheidend für das spannungsreiche Verhältnis beider Regierungen war ihre Stellung zu Krieg und Frieden · Sowjets erkannten, dass das Volk kriegsmüde war ➙ fürchteten militärischen Zusammenbruch ➙ sie vertrauten auf die Solidarität der internationalen Arbeiterschaft, dass sie ihre Regierungen ➙ zum Frieden zwingen und solange müssten russische Soldaten die Revolution verteidigen · Die Provisorische Regierung wollte den Krieg mit den Alliierten bis zum Sieg weiterführen ➙ beide hatten sich durch gegenseitige Hilfsversprechen gebunden ➙ soziale und wirtschaftliche Veränderungen sollten nach Friedensschluss vorgenommen werden · Als der Außenminister den alliierten Regierungen versicherte, Russland habe seine Kriegsziele nicht aufgegeben und werde weiterkämpfen, erhob sich bei Arbeitern und Soldaten ein Proteststurm ➙ Folge: Regierung wurde in eine bürgerlich-sozialistische Koalitionsregierung umgebildet ➙ in dieser übernahmen auch Menschewiki und Sozialdemokraten Ministerposten ➙ Alexandr F. Kerenskij ist Kriegsminister · Sowjets [Deputierte der Arbeiter und Soldaten] und die sozialistischen Parteien gaben der Koalitionsregierung und der Politik der "revolutionären Landesverteidigung" ihre Zustimmung · Bolschewiki lehnten jedoch Zusammenarbeit mit bürgerlichen Ministern und Wiederaufnahme des "imperialistischen Krieges" ab · Mittelmächte wollten statt "kriegsfähiger Ordnung" lieber "friedensbereite Unordnung" · Deutsche Heeresleitung ermöglichte Lenin April 1917 die Rückkehr aus der Emigration in der Schweiz nach Russland ➙ noch am Tage seiner Ankunft verkündete er seine Aprilthesen, worin er der Provisorischen ➙ Regierung, jeder parlamentarischen Regierung überhaupt, den Kampf ansagte und statt dessen ➙ eine Republik der Sowjets forderte · Die Radikalität seines Programms rief von allen Seiten Widerspruch hervor ➙ es ließ erkennen, dass die Errichtung einer Diktatur des Proletariats für Lenin kein Fernziel ➙ mehr war, sondern die von den Bolschewiki unmittelbar zu lösende Aufgabe ➙ seine Parole: "Alle Macht den Sowjets" · Er versuchte die Räte für den Bolschewismus zu gewinnen ➙ sie sollten als "Transmissionen" dienen, mit deren Hilfe die Partei die Massen lenken könne ➙ sie waren Organe des Volkswillens ohne feste politische Orientierung ➙ Sprungbrett zur Macht · Im Juli versuchten bolschewistische Truppen bewaffneten Aufstand ➙ wurde niedergeschlagen ➙ Lenin floh nach Finnland · Der Putsch von rechts, mit dem man die Ordnung mittels Militärdiktatur wiederherstellen wollte, kam dem gesunkenen Ansehen der Bolschewiki zu Hilfe · Im Spätsommer stieg ihre Mitgliederzahl in den Sowjets, den Komitees und Gewerkschaften an · Die wachsende wirtschaftliche Not, Erbitterung über die Fortdauer des Krieges und die Unfähigkeit der Provisorischen Regierung machten die Massen empfänglich für die einfache Parole der Bolschewiki, die Frieden, Land und Brot versprach · Lenin leitete von Finnland aus die Vorbereitung zum bewaffneten Aufstand