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Von MARTINA PLOTHE

So fesselnd der Roman, so rasant die Ver-filmungen, so erfrischend kreativ setztRegisseur Tim Heilmann den Jules-Ver-ne-Klassiker „In 80 Tagen um die Welt“auf der Bühne des Rostocker Volksthea-ters für Zuschauer ab fünf um. Heil-manns Protagonisten – Paul Walther alsmathematisch-präzise agierender Phile-as Fogg und Dirk Donat als dessen be-sorgter Diener Passepartout, San-dra-Uma Schmitz als überdrehter Detek-tiv Fix und Caroline Erdmann als glei-chermaßen zaghaft-verliebte wie forschePrinzessin Aouda, dazu unverzichtbar indiversen Rollen Andrea Stache-Peters,Undine Cornelius, Tim Ehlert und JörgSchulze – erzeugen unablässig Rei-se-Hektik, Tempo, Geräusche, Span-nung, Situationskomik.Für den britischen Gentleman PhileasFogg, der um sein halbes Vermögen ge-wettet hat, dass mit den Verkehrsmittelndes fortgeschrittenen 19. Jahrhunderts –Eisenbahn, Dampfschiff, Heißluftballonoder Segelschlitten – die Erde „in 80 Ta-gen oder weniger“ zu umrunden sei, undfür seine Reisebegleiter folgt 90 Minu-ten lang Ausstieg auf Einstieg, Einstiegauf Ausstieg. Von London aus reisen siemit der Eisenbahn, weiter mit demDampfschiff, darauf besteigen sie wie-derum den Zug, um im Dschungel man-gels fertiggestellter Gleise auf einen Ele-fanten umzusatteln. Es folgen Ballon,Postschiff, Dampfer, Eisenbahn...Als Reittier dient den Reisenden ein le-

bensgroß nachgebildeter Elefantenkopf,eingehängt an einer Art Tresen in derBühnenmitte, der bedarfsweise als Kur-belkino, als Kommandobrücke, als Rich-tertisch oder eben als Elefantenrückenfungiert. Auch die Eisenbahn ist in Heil-manns Aufführung nicht gleich Eisen-bahn: Mal schiebt Andrea Stache-Peterslautmalend („T-hüt-hüt“) die Lok, wäh-rend die Mitreisenden – über das hölzeneGleisrund am Boden hüpfend und stol-pernd – ihr auf eigenen Füßen folgen;dann wieder simulieren sie die Bahn-fahrt mit Blick aus dem Fenster einervors Gesicht gehaltenen Sperrholz-Wag-gonwand. Der auf den Gleisen per pedesvon den darauf Sitzenden vorangetriebe-ne Lorenwagen fungiert gleichermaßenals Schiff wie als Ballon-Korb undschließlich als Segelschlitten.Abgesehen von zahllosen offenkundigenGags für die Kleinen halten die Akteuremit unerwarteten Anspielungen auch de-ren erwachsene Begleiter bei Laune: ZuPassepartous Referenzen bespielsweisegehört die Kammerdienerschaft bei SirToby, Mister Pommeroy und Mister Win-terbottom aus dem Sketch „Dinner forone“.Die Akteure lassen sich die Freude amStück anmerken: Tim Ehlert etwa hat sei-nen Spaß an der Sequenz des Hans Al-bers singenden Kapitäns, Andrea Sta-che-Peters ist sich nicht zu schade alshemdsärmeliger, Säcke schleppenderDecksmann, Undine Cornelius wagt diePersiflage eines Gogo-Girls, Jörg Schul-ze – zumeist deutlich artikulierender Zei-tungsausrufer – belustigt etwa als italieni-scher, indischer oder chinesischer Ak-zentsprecher.Untermalt von eingespielten Geräuschen– etwa prasselndem Feuer – und vergnüg-licher Musik schließen die Reisenden Be-kanntschaft mit herrlich kostümiertemGetier: mit Bisons, die ihre Köpfe vorsich hertragen und Polarfüchsen, die sichin Zeitlupe vom Segelschlitten abhängenlassen – eine liebenswerte Inszenierung.Premiere: 24. Juni, 10 Uhr, Halle 207

Wenn im Finale des ersten Teils der Re-vue „Ahoi!“ die „Ostseewellen trecken“,spürt wohl jeder, dass diese Revue vonMirko Bott an keinem besseren Ort inRostock aufgeführt werden könnte als andiesem: der Halle 207 der ehemaligenNeptun-Werft. Es erklingen Lieder,Songs und Chöre der unterschiedlichs-ten Genres, die der gemeinsame Bezugzur See und zur Seefahrt verbindet: klas-sische Opern- und Operettennummern,Schlager, Jazz-Standard, Pop-Song,Shanty, Musical-Song und Filmmusik –alles ist vertreten in dieser maritimen Re-vue.Der Großteil der Musik wurde eigens fürdie Rostocker Produktion arrangiert.Vier Arrangeure haben die Partitur er-stellt, nur einer von ihnen sitzt Abend fürAbend selbst auf der Bühne: der stellver-tretende Solo-Posaunist Oliver Gruhn ar-rangierte nicht nur fünf Musiknummern,sondern komponierte auch die Ouvertü-re „The Broadway-FlyingDutch-(Rüh-)Mann“ und bediente sichdabei augenzwinkernd bei Richard Wag-ner und Michael Jary. Dieser Abend ge-hört zu Rostock wie die lange Traditiondes Schiffbaus in dieser Stadt.Vor genau 160 Jahren, im Sommer 1850,wurde die Neptun-Werft gegründet. Ros-

tock war die Wiege des Eisenschiffbausin Deutschland. Die 1851 ausgelieferte„Erbgroßherzog Friedrich Franz“ wardas erste in Deutschland gebaute eisernehochseefähige Schiff. Bis zum letztenStapellauf 1991 erlebte die Werft einewechselvolle Geschichte. Waren es an-fangs knapp 100 Mitarbeiter, wuchs die-se Zahl in den 1980er Jahren auf etwa8500 – allerdings stellte die Werft zuDDR-Zeiten nicht nur Schiffe her, son-dern auch „Massenbedarfsgüter“ wie Ra-senmäher und Gartenbänke.Die Halle 207 wurde im Jahr 1911 errich-tet. Zunächst wurden darin Dampfma-schinen montiert, wie Egon Wirth, derLeiter der Rostocker Regionalgruppeder Deutschen Gesellschaft für Schiff-fahrts- und Marinegeschichte e.V. weiß.

Wirth hat selbst knapp zehn Jahre auf derNeptun-Werft gearbeitet und bezeichnetdie Halle lieber als „Maschinenbauhal-le“. Denn hier erfolgte bis 1991 die In-standhaltung von Turbinen und Moto-ren. Im Jahr 1999 haben mehrere mariti-me Vereine der Stadt die Halle entrüm-pelt. „Es sah aus, als hätte man fluchtar-tig alles stehen und liegen gelassen. So-gar verschimmelte Stullen fanden wirvor“, erinnert sich Wirth. Nachdem dieFenster geputzt und die Wände frisch ge-weißt waren, fand noch im selben Jahrein Konzert zur Hanse Sail statt. Die Fest-spiele Mecklenburg-Vorpommern unddas Volkstheater Rostock erkannten dasPotential der Halle als Veranstaltungsort– das Lob über ihre hervorragende Akus-tik ist auch in diesem Sommer in allerMunde. Marlis Völcker vom Förderver-ein Tradition Ostseeschifffahrt e.V. be-kräftigt die Absicht ihres Vereins, dieHalle zu einer multifunktionalen Kultur-stätte weiter zu entwickeln. Auf die Fra-ge, wo sich die Zahl „207“ in der offiziel-len Bezeichnung des Gebäudes her lei-tet, antwortet Egon Wirth schmunzelnd:„Sie kommt von der Nummerierung derBrandschutzbezirke, in welche das Ge-lände der Werft eingeteilt war.“ BERND HOBE

Um Haaresbreite wäre ihm die Bekannt-schaft mit dem Rostocker Publikum ver-sagt geblieben: Noch vor zehn Jahrennämlich liebäugelte Jörg Schulze mitgänzlich anderen Entwicklungswegenals mit dem nunmehr eingeschlagenen.„Ursprünglich wollte ich Jura oder rege-nerative Energien studieren“, erzählt derAbsolvent der Rostocker Hochschule fürMusik und Theater (HMT). In der Abitur-phase allerdings belegt er am Gymnasi-um das Fach Darstellendes Spiel – undentdeckt sein Talent für die Bühne.Im Zivildienst, den er nach dem Abi in ei-ner Berliner Seniorenwohnstiftung leis-tet, legt man die Leitung der dortigen„Oma-Theatergruppe“ in seine Hände.Er wirkt an Filmprojekten mit, erhält2003 für den Kurzfilm „Sörtschänt-destroijurself“ den Deutschen Jugendvi-deopreis Dresden und den 1. Preis desBerliner Jugendkurzfilmfestivals Ka-rownale.

Vier Semester lang studiert Jörg Schulzean der Hochschule für Musik und Dar-stellende Kunst in Frankfurt am Main,dann wechselt er an die Rostocker HMT,wo er jetzt sein Schauspiel-Diplom er-hält.Mit dem Damis in Molieres „Der Tartuf-fe“ gibt er nach dem Diplom-Vorspielim Frühjahr 2010 am Volkstheater seinSchauspiel-Debüt – 2007 hatte er als Stu-dent in „Amoklauf mein Kinderspiel“ inder Rolle des T schon einmal auf derBühne im Stadthafen gestanden.„Rostock ist meine Wahlheimat; ich ha-be Lust, für diese Stadt Theater zu ma-chen“, erklärt der Berliner, der sich aufdie Zusammenarbeit mit Regisseurin Jo-hanna Schall und auf das neue RostockerSchauspielensemble freut, dem er ab Au-gust für zwei Jahre fest angehört. Einigeder neuen Kollegen, die mit ihm an derProduktion „Die fetten Jahre sind vor-bei“ mitwirken werden, kennt er aus der

gemeinsamen Studienzeit. Derzeit istJörg Schulze unter anderem als Zeitungs-bursche in der Kinderproduktion „In 80Tagen um die Welt“ zu erleben; in insge-samt acht Rollen schlüpft er in demStück. „Wir verstecken vor dem Zu-schauer nichts, jeder kann sehen, wie wirumbauen – genau so wie es die Kinderim Buddelkasten tun“, schmunzelt der26-Jährige. MARTINA PLOTHE

Spielen wie imBuddelkasten

SOUFFLEURKASTEN: Wie wirdman in Finnland zum Sänger?MIKKO JÄRVILUOTO: Ich bin mitMusik groß geworden, obwohl ichnicht unbedingt aus einer musikali-schen Familie stamme. Als Knabe habeich in verschiedenen Chören gesungenund während meines Studiums derForstwirtschaft mit Gesangsstunden be-gonnen. Die Aufnahmeprüfung an derSibelius-Akademie in Helsinki lief gut,und so konnte ich professionellen Ge-sang studieren.SK: Ihr Deutsch ist fabelhaft. Wiekommt es?MIKKO JÄRVILUOTO: Kein Wun-der, ich bin seit Herbst 2003 in Deutsch-land. Ich war Austauschstudent am In-stitut für Musiktheater in Karlsruhe,dort habe ich auch meinen Abschlussbei Professor Ingrid Haubold gemacht.Und in Rostock trete ich mit der neuenSpielzeit mein erstes festes Engage-ment an.SK: Wie gefällt es Ihnen hier?MIKKO JÄRVILUOTO: Rostock erin-nert mich natürlich an Helsinki, wo ichlange gelebt habe. Es ist einfach die Nä-he zum Meer, die überall spürbar ist.Das kenne ich und das mag ich.SK: In Rostock sind sie erst eine Wo-

che, auf den Proben für die Revue„Ahoi!“ nicht länger. Ein Sprung inskalte Wasser?MIKKO JÄRVILUOTO: Nun, vieleder internationalen Songs kenne ich na-türlich. Es war also nicht ganz soschwer, mir die Nummern „aufzudrü-cken“, wie wir sagen. Und, es macht to-tal Spaß. Auch weil ich mit dem mariti-men Bezug was anfangen kann. MeinVater hat ein Motorboot. Ich fische ger-ne und schließlich habe ich lange amMeer gelebt.SK: Wie wurden Sie aufgenommen?MIKKO JÄRVILUOTO: Sehr freund-lich. Es ist ein professionelles Ensem-

ble; ich bekomme jede Hilfe, die ichbrauche. Schön ist auch, dass hier Kolle-gen aus der ganzen Welt zusammen ar-beiten. Alles irgendwie internationalund familiär zugleich.SK: Haben Sie eine Lieblingsnummer?MIKKO JÄRVILUOTO: Ja, „Ol’ manriver“ mag ich sehr. Aber, ich gehörezwar nicht zur Schlagergeneration umFreddy Quinn, doch ich stelle fest, auchSchlager zu singen, macht Spaß.SK: Was erwarten Sie von Ihrem Enga-gement in Rostock?MIKKO JÄRVILUOTO: Mir wurdentolle Partien angeboten, auf die ichmich freue, und die für mich eine großeHerausforderung sein werden. Also,ich möchte in meinem Beruf wachsenund sehr viel lernen.SK: Sie kommen nicht allein nach Ros-tock?MIKKO JÄRVILUOTO: Nein, meineFrau, Schauspielerin und Sängerin ausFinnland, wird mit mir kommen. Ichbin, wenn es die Zeit erlaubt, auf Woh-nungssuche für uns. Ich hoffe, es findetsich was Schönes. Vielleicht in Wasser-nähe. Interview: JÜRGEN OPEL„Ahoi!“ eine maritime Revue ab 19.Juni in der Halle 207

Reparaturhalle als Theaterdomizil

Ausgabe Juli 2010 3

VergnüglicheWeltreise

Egon Wirth (l.), einstiger Mitarbeiterder Neptun-Werft, und DramaturgBernd Hobe vor der Halle 207.

Neu im Rostocker Ensemble:Schauspieler Jörg Schulze.

Neu am Musiktheater:Ein Bass mit Liebe zur See

An Tim Heilmanns buntinszeniertem Roman-

Klassiker „In 80 Tagenum die Welt“ werdennicht nur Knirpse ihre

Freude haben.

Volkstheater bei derEröffnung der

Warnemünder WocheAm 3. Juli wird das Volkstheaterdie Eröffnung der WarnemünderWoche mit gestalten. Das Pro-gramm auf der Freilichtbühnebeim Leuchtturm wird ab 11 Uhrdurch Ausschnitte aus den Musi-cals „Cabaret“ und „My Fair Lady“bereichert. Beteiligt sind die Solis-tinnen und Solisten GabrieleSchwabe, Akane Matsui, AntjeLuckstein, Franz Mewis, Titus Pa-spirgilis und André Trautmann.

Jamila Raimbekovasingt mit

Concertino-EnsembleDie Sopranistin Jamila Raimbeko-va tritt beim Konzert des Concerti-no-Ensembles unter der Leitungvon Petru Munteanu zur Eröff-nung der 73. Warnemünder Wo-che auf. Das Ensemblemitglieddes Volkstheaters interpretiert Stü-cke von Caccini, Mozart undTschaikowski. Weitere Mitwirken-de des Konzertes sind die AltistinIrina Potapenko sowie die Instru-mentalisten Pauline Reguig (Violi-ne), Triin Ruubel (Violine), FriederZiemendorf (Cello) und Yuko Mi-ne (Orgel).3. Juli, 20 Uhr, Kirche Warne-münde

Theatermachergratulieren

RadiomachernAm 1. Juli feiert der Lokalradiosen-der Lohro seinen fünften Geburts-tag. Das Volkstheater wird seinemPartner mit einem Ständchen gra-tulieren. Der finnische Bass MikkoJärviluoto und die Mezzosopranis-tin Rosita Mewis werden drei Num-mern aus „Ahoi!“ auf der Bühneam Margarethenplatz aufführen.1. Juli, 15 Uhr, Margareten-platz

Am 19. Juni, demPremierentag

für die maritime Revue„Ahoi!“, wird sich in der Halle

207 der junge finnischeSänger Mikko Järviluoto dem

Publikum als neuesEnsemblemitglied am

Volkstheater vorstellen. DerSouffleurkasten sprach mit

dem 33-Jährigen.

Rasante Fahrt auf dem Segel-schlitten: Paul Walther, Dirk Do-nat, Jörg Schulze, Sandra-UmaSchmitz, Caroline Erdmann (v.l.)

Fotos (2): Martina Plothe

Der finnischeBass MikkoJärviluoto – hiermit Sängerinnendes Opernchores– gehört ab so-fort zum Ros-tocker Musikthea-ter-Ensemble.

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