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F. F E H ~ R u. K.-H. LINKE, Die Kristallstruktur von Dicyantrisulfan NC-S3-CX 161

Beitrage zur Chemie des Schwefels. IIXVIIT)

Die Kristallstruktur von Dicyantrisulfan WC-S,-CN

Von F. FEHI~R und K.-H. LINKE

Mit 2 Abbildungen

Professor Otto Schmitz-DuMont zum 65. Gehurtstage getoidmet

Inhaltsubersicht Die Kristallstruktur des Dicyantrisulfans NC-S,CN wurde auf rontgenographischem

Wege bestimmt. FOURIER-Projektionen entlang der a- und e-iichse zeigen, daR die SchwefeI- atome kettenformig miteinander verbunden sind und da13 die Molekel in einer &-Form vor- liegt. Folgende Werte wurden fur die Bindungslangen und Bindungswinkel berechnet :

Q S-C-N = 180'. Der Winkel zwischen den Ebenen S-S-S und S-S-C betragt 87". Der kurzeste Abstand zweier Atome verschiedener Molekeln besteht zwischen einem am Kohlen- stoff gebundenen Schwefelatom und einem Stickstoffatom. Dieser Abstand wurde zu 3,12 A bestimmt und ist kiirzer els die Summe der VAN DER WAALsschen Radien von Schwefel und Stickstoff. Die Folgerungen, 'die sich aus den durch die Kristallstrukturanalyse ermittel- ten Daten fur die Bindungsverhaltnisse zwischen den Atomen einer Molekel nnd denen be- nachbarter Molekeln ergeben, merden im einzelnen diskutiert.

S-S = 2,12 A; S-C = 1,69 A; C--N = 1,21 A; Q S-S-S = 102"; Q S-S-C = 99";

Summary The crystal structure of dicyanogen-trisulphane, NC-SS,-CN, has been determined by

X-ray methods. FOURIER projections along the a and c axes show that the sulphur atoms are situated in a chain and that the molecule occurs in a cis form. The following values are cal- culated for the bond lengths and angles: S-S = 2.12 A, 8-C = 1.69 A, C-N = 1.21 A, Q S-S-S = 1 0 2 O , Q S-S-C = 99", 3 S-C-N = 180'. The angle between the S-S-S and S-S-C pIanes is 87". The shortest intermoIecular distance exists between a sulphur atom bound to a carbon atom and a nitrogen atom. This distance was computed to be 3.12 A and is shorter than the sum of the VAN DER WAALS radii of sulphur and nitrogen. The deductions which follow from the crystal structure analysis with regard to the bonds between the atoms of a molecule and those of a neighbouring molecule are discussed.

l) 66. Mitt.: F. FEHBR, W. BECHER, R. KREUTZ u. F.-R. MINZ, Z. Naturforsch. 18b, 507 (1963).

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152 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 327. 1964

Von FEHER und WEBEE,) konnte 1958 gezeigt werden. daI3 die dainals bekannten, in der Literatur als Sehwefeldicyanid S(CN),, Dirhodan (SCN),, Schwefeldirhodanid S(SCN), und Dischwefeldirhodanid S,(SCN), formulier- ten Verbindungen, und die von den hutoren erstmalig dargestellten Sub- stanzen S,(CN),, S,(CN),, S,(CN), und S,(CN), zu einer homologen Reihe kettenformiger Verbindungen gehoren und, in dnalogie zu anderen Sulfan- derivaten. als Cyansulfane NC-S,-CN bezeichnet werden konnen. Somit konnen auch den erstgenannten Verbindungen die Formeln S(CN),, S,(CN),, S,(CN), und S,(CN), zugeschrieben werden.

Um genaue Kenntnisse uber den Molekelaufbau der Cyansulfane zu er- halten. wnrde die Rontgenfeinstrukturanalyse herangezogen. Uber die ,4b- messungen und Besetzungen der Elemenartzellen, sowie uber die Raum- gruppen der kristallisierten Verbindungen S(CN),, S,(CN), und SJCN), wurde bereits in einer Kurzmitteilung 3) berichtet . Da besonders die hoheren Glieder der Rejhe der Cyansulfane sehr stark zur Polymerisation4) neigen und somit die Durchfuhrung der notwendigen Aufnahmen und Messungen erschweren, wurde zur Aufklarung der Kristallstruktur des ersten Vertreters dieser homologen Reihe das Dicyantrisulfan ausgewahlt.

Experimentelles Das Dicpantrisulfan wurde nach BAROXIS) durch Umsctzung von Dichlormonosulfan

und Quecksilberthiocyanrt in Chloroform nach der Reakt,ionsgleichung

Hg(SCN2 + sc1, + S,(CN)2 + HgCI, dargestellt.

DEBYE-SCHERRER-, Drehkrjstpll-, Goniometer- und Retigraphennufnahmen mit CuKa- Strahlung fiihrten zu folgenden kristallographischen Daten6) : Die Substanz kristallisiert rhombisch und gehort der Haumgruppe Dky,-Pnma an. Die Elementarzelle ist mit 4 Mole- keln S3(CN), besetzt, ihre Abmessungen sind a = 10,14 8, b = 12,82 A und c = 4,35 -4. Die Dichte der Substanz berechnet sich danach zu 1,730 (pyknom. ermittelte Dichte 1,75 g ~ m - - ~ ) . Die in der bereits angefiihrten Kurzmi t t~ i lung~) angcgebenen Gitterabmes- sungen erwiesen sich als korrektionsbediirftig. Eine uberpriifung fiihrte zu den hier ange- gebenen Werten.

Die relativen Intensitaten der mit CuKa-Strahlung erhaltenen (h k 0)- und (0 k 1)- Reflexe wurden teilweise mit dern Photometer, teilweise mit dem Zahlrohrgoniomoter be- stimmt. AuBer der Korrektur fur den Polarisations- und LoRExTZ-Faktor wurden keinc weiteren Korrekturen angebracht.

2) 3’. BEHER u. H. WEBER, Chem. Ber. 91, 642 (1958). 3) F. FEHER, D. HIRSCHFELD u. K.-H. LINKE, Acta crystallogr. [Copenhagen] IS, 154

4, 3’. BEHESR, D. HIRSCHFELD u. K.-H. LIxKE, Z. Naturforsch. 1 7 b, 624 (1962). 5 , A. R A R ~ N I , Atti Renle Accad. naz. Lincei, Rend. [63 28, 139 (1936). 6, Die von uns ermittelten Daten stehen mit den yon 0. FOSS~) angegebenen Werten

(1963).

in guter Vbereinstimmung.

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F. FEHER u. K.-H. LIXKE, Die Kristallstruktur von Dicyantrisnlfan S C -S,--CN 153

Parameterbestimmung von Schwefel, Kohlenstoff und Stickstoff Zur Bestimmung der Lagekoordinaten der Atome der Dicgantrisulfanmolekel wurden

FOURIER-Projektionen e (xy) und e (yz) berechnet. Die Bestimmung der Vorzeichen der aus den gemessenen IntensitPten erhaltenen Fhka 1 - und I Fokl 1-Werte erfolgtc fur eine erste FouRrER-Synthese mit Hilfe d@r Atomparameter der mit dem Dicyantrisulfan isomorphen Verbindungen Se(SeCS), und Se(SCN),, deren Struktur bereits friiher von APSNEB und Foss?) bzw. OHLBERG und VACGHAN~) bestimmt worden war. Fossg) hatte schon bei der Veroffentlichung der GitterkonStant.cn und der Kaumgruppe des Dicyantrisulfans darauf hingewiesen, daW es sich dabei urn eine mit den ohen genannten Tierbindungen isomorphe Substanz handelt. Die bei unserer Verbindung bei 4 Molekeln in der Elementarzelle vorhan- denen 8 Kohlenstoff- iind 8 Stickstoffatome besetzen die Punktlage 8 d der Raumgruppe D ~ ~ - I P n m e l O ) , ebenso 8Sohwefelatome (SJ. Die 4 restliche,n Schwefelatome (SJ, diejenigen, die in der Mitte der Schwefelkette liegen, hesitzen die Koordinaten der Punktlage 4c. Durch sukzessive FOURIER-8gnthesen konnte eine Verfeinerung der Strukturanalyse erreicht werden.

Die Berechnung der FOURIER-Projektionen erfolgte mit dem POuRrER-Sgnthetisator nach HOTTE und P A W N K E ~ ~ ) . In allen drei Bchsenrichtungen bet,rug dabei die Stiitzpnnkt-

~ -__ L’* 0 % Abb. 1. FouRIEX-Projektion von S,(C)N), auf (0 0 1). Der hier und in Abb. 2 gezeigte Aus- schnitt aus dem Elektronendiuhtediagramm wurde so ausgewahlt, daO jeweils eine ganze Molekel erscheint. Die eingezeichneten Punkte entsprechen den angegebenen Atomkoor- dinatcn. Die dbstande der Niveaulinien bei den Schwefelatomen verhalten sich zu deneii bei den Kohlenstoff- und Stickstoffatomen wie 3: 1. Die punktierte Linie gibt bei allen

Atomen das gleiche Elektronendichteniveau wieder

7, 0. AKSNES u. 0. Foss, Acta chem. scand. 8, 1787 (1954). 8 ) S. M. OHLBERG u. P. A. VAUGHAN, J. Amer. chem. Soc. i6 , 2649 (1954). 9, 0. FOBS. Acta chem. scand. 10,136 (1956).

10) International Tables for X-Ray Crystallography, Bd. I, S. 151, Birmingham (Eng-

11) W. HOPPE u. K. PANNKE, Z. Kristallogr., Kristallgeom., Kristallphysik, Kristall- land) 1952.

chem. 107, 451 (1966).

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1 *54 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 327. 1964

dichte 96, das entspricht Stutzpunktintervallen von 0,106 A entlang der a-Achse, 0,134 A entlang der b-Achse und 0,046 d entlang der c-Achse.

Abb. 1 zeigt die auf der angegebenen Grundlage berechnete Elektronendichtever- tcilung e (xy).

Alle Atome sind in diesem Diagramm gut aufgelost, so aal3 die Bestimmung der x- und y-Koordinaten der Schwefel-, Kohlenstoff- und Stickstoffatome auf keine Schwierigkeiten sticb. Dies ist nicht der Fall bei der Elektronendichteverteilung e(yz) (Abb. 2).

Abb. 2. FOURIER-Projektion von S,(CN), auf (1 0 0). Die iZbstande der Niveaulinien bei den Schwefelatomen verhalten sich zu denen bei den Kohlenstoff- und Stickstoffatomen a ie 4: 1. Die punktiertc Tinie gibt bei allen Atomen das gleiche Elektronendichteniveau

wieder

Hier uberlappen sich die beiden auberen Sehwefelatome der Schwefelkette mit denen eiiier anderen Cyansulfanmolekel. D a sich diese Schwefelatome aber vollstandig iiber- decken, konnte ihrc z-Koordina.te dem Elektronendichtediagrarnm ohne weiteres entnom- men wcrden. Die Bestimmung der z-Koordinaten des sich ebenfalls uberlappenden Kohlen-

stoff- und Stickstoffatoms gelnng nur unter Zu- hilfenahme geometrischer Uberlegungen. Zwei Voraussetzungen waren zur Berechnung dieser Koordinnten erforderlich: Die Anordnung der Atome S-C-N ist linear, was mit der Projek- tion auf ( 00 1) (Abb. 1) ubereinstimmt, und

8, 1 0,523 I 0,250 0,479 das Maximum der Elektroncndichte der C-N- S, ~ 0,436 I 0,122 0,250 Gruppe liegt in der Mitte des C-N-Abstandes. C 0,297 0,109 0,465 Die aus den Elektronendichtediagrammen

~ 0,198 0,104 0,619 erhaltenen Koordinaten sind in Tab. 1 zu-

Eine Gegenuberstellung der aus den Koordinaten der Tab. 1 berechneten F-Werte mit den experimentell erhaltenen Grol3en erfolgt in Tab. 2. Darin sind die Strukturfaktoren fur alle mit CuKa zu erhaltenden (h k 0)- und (0 k 1)-Reflexe aufgefuhrt. Von den insgesamt 129 moglichen Reflexen konnten 106 ausgemessen werden. Fur die Berechnung der Zuver-

lissigkeitsindizes R, R = c ' i ' F e x p I - I F b e r l i - . . ~ , aurde den nicht mel3baren IEIesPI-Werten

die Halfte des letzten noch mel3baren Wertes ( 1 Feapl = 7) zugeordnet. Danach ergibt sich f5r die (h k O)-R,eflexe ein R,-Wert von 0,26 und fur die (0 k 1)-Reflexe ein R-Wert von 0,22.

Tabelle 1 Z u s a m m e n s t e l l u n g

d e r A t o m p a r a m e t e r

j x l ~ i z

I . I

sammcngestellt :

,2 I Fexp I

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F. F E H ~ R u. K. H. LINHL, Dic Kristallstruktur von Dicysntrisulfm FC-S,-CN 155

4 3 0 4 4 0 4 5 0 4 6 0 4 7 0

4 9 0 4 10 0 4 1 1 0 4 120

J 8 0

4 1 3 0

Tabelle 2 Verylc ieh d e r experimentel l beobach te t en und bereehneten S t r u k t u r f s k t o r e n

1

' h l i 0

0 6 0 96 0 8 0 ' 128

0 1 2 0 28 0 1 4 0 71

55 0 1 6 0

0100 ' 20

2 0.0 58 2 1 0 I 45 2 2 0 1 59 2 3 0 70

I

- 34

-91 131 13

- 32 - 66

61

122

, 03 40

- 68 70 30

- 59 - 18

28 63 2'2

~ 48 45

-7 - 31

12 - 26

57

58 47

- 36 -

- 34 - 1 ?2 - 91 132

13 - 32 - 66

B I

- 74 - 54

5% 49

8 0 0 8 1 0

0 9 1 0 1 1 1 0 13 I

..

0151 I 0 0 2

0 4 2 0 6 2 0 8 2 0 10 2 0 12 2 0 14 2

0 2 2 i

0 1 3 I 0 3 3

116 41 81 43 35 30

< 7 <i

7 5 19 26 24 10

2 3 < 5

38 A6 90 70 21

( 7 < 7 (7

12 GO 51 21 9

ii 40

64 40 21 43

-

P 64

101 58

< i 39 il 23

55 78

103 55

- 0; - 30

I - 4 0 30 1 3

- 16 63 24

- 35 I -28

- 24

I

I -18 2

- 23 57

1 6 i - 55 - 22

I -21 3

51 54

-1 3

I -4

~ -18

~ -39

cc !

I I

- 36

~ 48 - 39 30 44

_ _ -

h h l 1 Fexp 1 'her

b 2 0 I 24 j -22 8 3 0 li 21

8 5 0 7 I -20

8 7 0 16 1 33 8 8 0 - 55 8 9 0 I 22 8 10 0 - 39 8110 I <i 8 1 2 0 42 8 1 3 0 ~ 36 ~ -17

10 0 0 , <i - 4

i n 2 0 <i 2 10 3 0 ! < 7

10 5 0 <7 1 I 0 6 0 1 7 1 -17 i n 70

8 6 6 I < i 10

10 1 0 42 ~ 55

10 4 0 1 i

24 I 10 8 0 1 7 10 9 0 1 0 1 0 0 I 30 1 21

1% n o 12 1 0 1

12 4 0 1

--I

I2 2 0 12 3 0

12 5 0 12 6 0 1

___ 0 5 3 0 7 3 L

0 9 3 ' 0 1 1 3 0 1 3 3 I 0 0 4

0 4 4 0 6 4 0 8 4

0 2 4 1

0104 i 0 1 5 0 3 5 0 5 5 0 5 5

- 1 5

<i -16 < 7 I 6

6 1 5

56 45 1 5 17 61 , 55 12 - 88

94

- 26 :i 1 -24 44 70

2.7 I -25

40 -61

<i , 19 31 I 68

1 1 I -38

Werdcn fur dicse R-Wert-Bestimmung uur die ausgemessenen Reflexe beriicksichtigt, so lauten die entsprechenden Werte 0,20. Eino weiterc Verfeinerung der Atomkoordinaten wurde nicht durchgefuhrt.

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Ergebnisse urid Diskussion

Die Kristalls.trukturanalyse des Dicyantrisulfans KC-S,-CN zeigt er- neut, daB die Schwefelatome in der Molekel kettenfiirmig aneinander gebun- den sind. Samtliche bisher durchgefuhrten chemisehen und physikalischen Untersuchungen an Xulfanen und alien ihren Derivaten haben diese Aus- sage immer wieder bestdtigen konnen. Speziell bei den Cyansulfanen wurde dies von F E H ~ R und WEBER~) auf rarnanspektroskopisehem Wege nachge- wiesen. Das mittlere Schwefelatom tlieser Kette liegt in einer Spiegelehene

und die Cyanidgruppen sind so angeordnet, daS die Dicyan-

Bindungs langen u n d Bindungsw inkcl dcr trisulfanmolekel jn einer cis- Form erscheint Die aus den in Tab. 1 angegebenen Atomkoor- s-s = 2,12 A <r s-s-s = 102" s-c = l,69 A S-S-C = 09" dinaten berechneteii Bindungs-

C--N = 1,2i X 1 4 S-C-N = 1800 liingen und Uindungswinkel sind in Tab. 3 aufgefuhrt.

Der Abstand der Schwefelatome von 2,12 A deutet nirht ciarauf hin. daB die Schwefelbindung Doppelbindungscharakter aufweist. wie das bei den Verbindungen H,C-S,-CH,12), F,C--S,-CF,13) und c'I3C-S,--CC1,~4). die S-S-Bindungslangen von 2.04 a. 2,065 A und 2,034 A besitzen. mgenom- men wird. Der Schwefelabstand im Dicyantrisulfan iihnelt vielniehr sehr stark dem Abstand der auBeren Schwefelatome in den Schwefelketten der Polythionationen. Bei dieser Verbindungsklasse werden zwei Arten von S-S-Bindungen unterschieden, die. die in der Mitte der Schwefelkette liegen und die, die sich am Ende einer solchen Kette befinden. So bet#ragen z. B. im Hexathionation (0,s-S,-SO,)-- der Verbindung K,Ba(S,O,), die BuDeren S-S-Bindungslangen 2,10 A, die inneren 2,04 8 1 5 ) , im Pentathio- nation (0,s-S,-SO,)-- der Verbindung BaS,O, (CH,),CO . H,O die auBe- ren 2,12 8. die inneren 2,04 al,), im Tetrathionation (0,s-S,-SO,) der Verbindung Na,S,O, . 2 H,O die aul3eren 2,12 8, der innere 2,02 A17), und im Trithionation (0,s-S-SO,)-- der Verbindung K,S,06 ist der S--S-db- stand 2,15 la). Das so niit dern Dicyantrisulfan vergleichbare Kaliumtri- thionat gehort derselben Itaumgruppe an wie das Dicyantrisulfan und weist.

Tabelle 3

Dicyan t r i su l f anmoleke l

12) J. DONORUE u. V. SCHOMAKER, J. chem. Physics 16,532 (1948). 13) H. J. ill. BOWEN, Trans. Faraday SOC. 50, 4b2 (1954). 14) H. J. BERTHOLD, Z. Kristallogr., Kristallgeom., Kristallphysik, Kristulloheni. 116,

15) 0. Foss, A. HORDVIK u. K. H. PALJIORH, Beta chem. scand. 12, 1339 (1958). la) 0. Foss u. 0. TJOMSLAXD, Scta chem. scand. le, 44 (1958). 17) 0. Foss u. B. HORDTIR, Acta chem. scand. 12,1700 (1958). la) W. H. ZACHARIASXK, Z. Kristallogr., Mineralog. Petrogr. 89, 529 (1934).

290 (1961).

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F. F E H ~ R 11. K.-H. LINKF,, Die Kristallstruktur von IXcgantrisnlfan NC-S3-CK 157

Der kurzeste intermoleku- lare Ahstand besteht zwischen s-s = 3,28 A

C-C = 3,62 A S,-C = 2,92 A S,-N = 2,90 A

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N-Atom einer benachbarten Molekel und betriigf 3,12 A. Dieser Ab- stand istt kurzer als die Summe der VAN DER WAALsschen Radien von Schwefel und Stickstoff ( 3 3 5 Als Grund fur die Annaherung eines Schwefel- und eines Stickstoffatoms benachbarter Molekeln iiber den VAN DER W ~ ~ ~ s s c h e n Abstand hinaus kann das Vorliegen einer Teilbindung, wie sie von PAULING~~) genannt wird, angesehen werden. Diese Teilbindung kann aus den oben diskutierten mesomeren Grenzzustanden der Dicyantri- sulfanrnolekel abgeleitet werden, woiiach zwischen dem positiven Schwefel- atom der einen und dem negativen Stickstoffatom einer anderen Molekel ein polarer Bindungsanteil zustande kommt. Andererseits l a B t sich diese An- naherung auch als sogenannte , ,Charge-Transfer"-Bindung deuten, wobei die Cyanidgruppe als Nitrilgnippe angesehen wird, die in Elektronen-Donator- Acceptor-Komplexen als n-Acceptor fungiert 24). Diese intermolekularen Krafte diirften das Kristallisationsvermogen der Cyansulfane nicht un- wesentlich beeinflussen.

Wir clanken dem 13undesministerium fur dtomenergie und Wasserwirtschaft, soivie der Deutschcn Forschungsgemeinsrliaft fur die Forderung unserer Arbeiten.

22) L. PAUIJNG, Die Natur der Chemisehen Rindung, S. 245, Weinheim an der Berg-

23) L. PAUL~NG, Die Natur der Chemisehen Bindung, 8. G1, Weinheim an der Berg-

24) G. BRIEGLBB, Elektronen-Donator- Acceptor-Kompleue, S. 5, Berlin-Oottingen-

stral3e 1962.

straI3e 1962.

Heidelberg 1961.

K 01 n, lnstitut fiir Anorganische Chemie der Universitat

Bei der Redaktion eingegangen am 21. Juni 1963.


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