Berufsausbildung in einer Einwanderungsgesellschaft
Hintergründe
kennen
Position
beziehen
Praxis
gestalten
Daten, Fakten, offene Fragen
Chance Ausbildung
Berufsausbildung in einer Einwanderungsgesellschaft
Daten, Fakten, offene Fragen
Dieter Euler, Eckart Severing
In der Reihe „Berufsausbildung in einer Einwanderungsgesellschaft“ erscheinen:
• Hintergründe kennen: Daten, Fakten, offene Fragen
• Position beziehen: Politische Forderungen der Initiative „Chance Ausbildung“
• Praxis gestalten: Umsetzungsstrategien für die Berufs- ausbildung in einer Einwanderungsgesellschaft
5
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 6
1 Einleitung 8
2 Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung 11 2.1 Begriffsklärungen 11
2.2 AusgangspunktefüreineIntegrationvonMigranteninAusbildung
undBeschäftigung 13
3 Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf 20
3.1 JugendlicheinDeutschlandmitMigrationshintergrund 20
3.2 Flüchtlinge 27
4 Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen 32
4.1 Überblick 32
4.2 ProgrammeundMaßnahmen 33
4.3 BausteinezurBewältigungderheterogenenHerausforderungen 37
4.4 RahmenbedingungenfüreineIntegrationinAusbildung 46
5 Perspektiven 48
Literaturverzeichnis 50
Abbildungsverzeichnis 54
Die Initiative „Chance Ausbildung – jeder wird gebraucht!“ 55
Über die Autoren 56
Summary 57
Impressum 58
6
Vorwort
Vorwort
DasberuflicheBildungssysteminDeutschlandstehtvoreinerHerkulesaufgabe:MillionenZuwan-
dererbenötigenZugangzuBildungundBeschäftigung.UnddasnichterstinfernerZukunft,son-
dernsoschnellwiemöglich.EntsprechendgroßistderHandlungsbedarf.NebenzusätzlichenRes-
sourcenundspeziellenAngebotenfürMenschen,dienichtderdeutschenSprachemächtigsind,
mussauchüberstrukturelleVeränderungeninderberuflichenBildungdiskutiertwerden,umdie
beruflicheunddamitauchgesellschaftlicheIntegrationsovielerMenschenbewältigenzukönnen.
DeutschlandisteinEinwanderungsland–unddasnichterstseitdemZustromvonFlüchtlingen
ausKrisenländernwieSyrien, IrakoderAfghanistan.DassunserBerufsbildungssystemdarauf
nochnichtausreichendvorbereitet ist,belegenzahlreicheStudienzurBenachteiligungvon Ju-
gendlichenmitMigrationshintergrundaufdemAusbildungsmarkt.
DerOECD-Bildungsbericht2015bescheinigtdenDeutschenaberauchFortschritteaufdemWeg
zuChancengleichheitdurchBildung:GeradedasSystemderdualenBerufsbildungbietetMigran-
tendemnachguteVoraussetzungenfüreineIntegrationaufdemArbeitsmarkt–wennderZugang
dazugelingt.GenaudeshalbsolltenwirheutedieChancenutzen,bildungs-,wirtschafts-undsozi-
alpolitischeFehlerderVergangenheitnichtzuwiederholen.GelingendeIntegrationberuhtmaß-
geblich aufBildungundBeschäftigung,qualifizierteArbeit ist einewesentlicheGrundlage für
gesellschaftlicheTeilhabe.
AberauchunsereeigenegesellschaftlicheundökonomischeZukunfthängtwesentlichvonderIn-
tegrationderZuwandererab.KommtinzehnJahrenersteinmaldieGenerationderBabyboomer
insRentenalter,geratenWirtschaftundSozialsystememassivunterDruck.BiszumJahr2030
scheidetjederzweiteheutigeArbeitnehmermitqualifizierterBerufsausbildungausdemArbeits-
lebenaus.DieentstehendeLückeanSteuerzahlernundArbeitskräftenlässtsichnurfüllen,wenn
jährlichmindestenseinehalbeMillionMenschenmehrzu-alsabwandern.Dahermüssenwiralle
Anstrengungenunternehmen,sovieleZuwandererwiemöglichsozuqualifizieren,dasssiezur
wirtschaftlichenZukunftDeutschlands,unseremindividuellenWohlstandundzursozialenSiche-
rungbeitragen.BereitsheutetragenausländischeMitbürgermit22.Mrd.EuroproJahrzudenöf-
fentlichenHaushaltenbei.DieSummelägenochvielhöher,wennesgelänge,mehrBildungsauf-
stiegeunterjungenMigrantenzurealisieren.
Das vorliegende Hintergrundpapier „Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft“ be-
schreibt die unterschiedlichen Gruppen von Zuwanderern, die jeweiligen Voraussetzungen für
ihreIntegrationinAusbildungundBerufundzeigtBarrierensowieZugangswegefürihreBerufs-
ausbildungauf.BasierendaufdieserGrundlageformulierendieVertreterderInitiative„Chance
Ausbildung“ineinemzweitenPapier„Positionbeziehen“ihrepolitischenForderungen.DerZyk-
lusschließtmitderPublikation„Praxisgestalten“.SiezeigtanhandkonkreterBeispiele,wiesich
BerufsbildungineinerEinwanderungsgesellschafterfolgreichumsetzenlässt.
7
Vorwort
UnserDankgiltdenAutorenProfessorDr.DieterEulerundProfessorDr.EckartSeveringfürdie
übersichtlicheundinformationsreicheAufbereitungderhiervorgelegtenHintergrundinformatio-
nen.
Clemens Wieland Claudia Burkard
SeniorProjectManager ProjectManager
ProgrammLernenfürsLeben ProgrammLernenfürsLeben
BertelsmannStiftung BertelsmannStiftung
8
Einleitung
1 Einleitung
WanderungsbewegungenzwischendenNationenhaben indenvergangenen Jahrzehntenstark
zugenommen.Deutschland–aktuellmiteinerstabilenWirtschaftslage,einerdemographischbe-
dingtenAbnahmedereinheimischenBevölkerungundeinerhohenAufnahmefähigkeitdesAr-
beitsmarktes–gehörtdabeizudenStaatenderWelt,indenendieZuwanderungdieAbwande-
rungweitübertrifft.Zwischen2004und2009lagderpositiveWanderungssaldonochbeiunter
100.000Menschen.Seithernimmter rasantzu:2012 lagder „Wanderungsgewinn“beiknapp
369.000Menschen,2013bereitsbeimehrals428.000Menschenund2014beimehrals550.000
Menschen–einSaldo,dersichausrund1.464.000Zuwanderernminus914.000Auswanderern
ergibt(Destatis2015a).DiegroßeZahlderFlüchtlinge,die2015SchutzinDeutschlandsuchten,
wirddieseZahlnochdeutlicherhöhen.1DieserpositiveWanderungssaldotrifftinDeutschland–
zunächstunter reinquantitativ-demographischenAspekten–aufeinenhohenBedarf:Umdas
ErwerbspersonenpotenzialvordemHintergrundderdemographischenEntwicklungkonstantzu
halten,wärereinquantitativeineNettozuwanderungzwischen400.000und500.000Personen
jährlichnotwendig(Brücker2015:2).
NureinkleinerTeilderZuwandererbringtaberdiefüreineberuflicheIntegrationnotwendigen
KompetenzenundVoraussetzungenbereitsmit.DabeigehtesunteranderemumSprachkennt-
nisse,umGrundbildung,umWerthaltungensowiekulturelleundsozialeKompetenzen,undes
geht insbesondere um berufliche Qualifikationen. Die berufliche Integration von Zuwanderern
kanndabeialseinewesentlicheVoraussetzungfürihresozialeIntegrationverstandenwerden.
OhnedieEntwicklungundUmsetzungvongezieltenIntegrationskonzeptendrohteinNegativsze-
nario:ZehntausendejungerFlüchtlingekönnenkeinenSchulabschlusserwerben.StatteinerBe-
rufsausbildung mit anschließender qualifizierter Beschäftigung warten die Sozialsysteme oder
der(schrumpfende)Niedriglohnsektoraufsie.DortstehendieFlüchtlingeimWettbewerbmitein-
heimischenArbeitskräften,derbiszueinerRivalitätmitausgeprägtersozialerSprengkraftfüh-
renkann.
WenninfünfoderzehnJahrenarabischeoderafrikanischeFlüchtlingegesellschaftlichabgekoppelt
inGhettoslebenwürdenundihrenLebensunterhaltnichtselbstverdienenkönnten,dannwürde
dasauchdaranliegen,dassdasBildungssystemunddamitauchdieBerufsbildunginDeutsch-
landdieAufgabederEntwicklungberuflicherKompetenzenvonZuwanderernnichtausreichend
gemeisterthat.DieseAufgabekannkaumhochgenugbewertetwerden.AndersalsbeiderBerufs-
ausbildungvonInländernohneMigrationshintergrund,dieeineAusbildungaufnehmenwollen,
kommenbeiZuwanderernbesondereHerausforderungenhinzu:Nurwenigeverfügenüberaus-
reichendeDeutschkenntnisseundbeivielenliegtdasNiveauderallgemeinenSchulbildungweit
unterdemderformalentsprechendenSchulstufeninDeutschland.SoweitMigrantenüberberufli-
cheErfahrungenundKompetenzenverfügen,sinddieseinderRegelkaummitdenkorrespondie-
1 VonJanuarbiseinschließlichAugust2015wurdenallein414.000neueingereisteFlüchtlingeimEASY-Systemerfasst(IAB2015).IhretatsächlicheZahlwirddeutlichdarüberliegen.
9
Einleitung
rendenKompetenzprofilendeutscherBerufsbildervergleichbar.FacharbeitineinerIndustrie-und
WissensgesellschaftstelltandereHerausforderungenalsinEntwicklungs-undSchwellenländern.
Davonabgesehen:VielejungeFlüchtlingesindtraumatisiert,vielekommenohneVorbereitungin
einerfremdenKulturundineinerihnengegenübernichtimmerfreundlichenUmgebungan.Für
eineberuflicheBildung,die„mangelndeAusbildungsreife“bereitsbeieinemgroßenTeilderein-
heimischenHauptschülervermutet,stelltdaseinegewaltigeHerausforderungdar.
Esistheutenichtprognostizierbar,welcheErfolgeundwelcheSchwierigkeitenesbeiderberuf-
lichenAusbildungdervielenjungenFlüchtlingegebenwird,dieheuteundindenkommenden
JahrennachDeutschlandkommenwerden.AllerdingsistdieZuwanderungjungerAusbildungs-
aspirantenkeinneuesPhänomen. InderBundesrepublikgabesnach1949bereitszweigroße
Zuwanderungswellen.SowurdenabMitteder1950er-JahreMillionenvonArbeitsmigrantenins-
besondereausländlichenGebietenSüdeuropasundderTürkeialssogenannte„Gastarbeiter“an-
geworben,vondenensichvielemitihrenFamiliendauerhaftinDeutschlandniederließen.Seit
Endeder1980er-bisMitteder1990er-JahrewandertenwiederummehrereMillionen(Spät-)Aus-
siedlerausOsteuropaundderdamaligenSowjetunionnachDeutschlandzu(Treibel2011).Ander
beruflichenIntegrationderMigrantendervergangenenJahrzehnteundanderihrerKinderlässt
sicheinerseitserkennen,wasbisherschongelungenist,undandererseits,warumsievergleichs-
weiseselteneinegeregelteBerufsausbildungbeginnenunddieseauchabschließen.Insgesamtist
dabeifestzustellen,dasssichdieIntegrationdieserMigrantengenerationeninBerufundAusbil-
dungimVergleichzudervoneinheimischenJugendlichenbisheutenichtoptimalvollzieht(vgl.
imEinzelnenKapitel3.1).
Das vorliegende Hintergrundpapier verfolgt die folgenden Ziele:
• EsunterscheidetdieverschiedenenGruppenvonZuwanderernundbeschreibtdendamitver-
bundenenRechtsstatus(2.1),soweitdieserKonsequenzenfürdenZugangzurberuflichenBil-
dunghat(2.2).
• EsbeschreibtdieVoraussetzungenfürdieIntegrationvonjungenFlüchtlingensowieJugend-
lichenmitMigrationshintergrundinAusbildungundBeruf(3).
• EsgehtaufZugangswegeundaufZugangsbarrieren füreineBerufsausbildungvon jungen
Flüchtlingenund JugendlichenmitMigrationshintergrundein.Dabeigehtesvorallemum
Profiling,umdieAnerkennungbereitsvorhandenerBerufskompetenzen,umdieFörderung
der (berufsbezogenen) Sprachkompetenzen und um Maßnahmen der Ausbildungsvorberei-
tung(4).
AuchwenndieaktuelleHerausforderungder IntegrationsehrvielerFlüchtlingegrundlegende
Fragenüberdeckenmag: Zuwanderung nachDeutschland ist kein temporäres oder begrenztes
Phänomen.DaherwirdsichdieBerufsbildung inDeutschlandnachhaltigundsystematischda-
raufeinstellenmüssen,vieleMigrantenmitganzunterschiedlichenVoraussetzungenundkultu-
10
Einleitung
rellenHintergründenaufzunehmenundzuintegrieren.DazuwilldieInitiative„ChanceAusbil-
dung“einenBeitragleisten:DieserBerichtdientzunächstnurderDarstellungdesStatusquound
derVorbereitungeinerweiterenDiskussionüberReformbedarfeund -möglichkeiten inderBe-
rufsbildung.EinkorrespondierendesPositionspapiernimmtdieSachlageaufundüberführtsiein
VorschlägefürneueInitiativenundMaßnahmen.
11
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
2 Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
2.1 Begriffsklärungen
VonZuwanderungsollinAnlehnunganeineEmpfehlungderVereintenNationendanngespro-
chenwerden,„wenneinePerson ihrenüblichenAufenthaltsort für […]voraussichtlichmindes-
tenseinJahrinsZiellandverlegt“(Migrationsbericht2013:9).Zuwanderersinddaherzunächst–
unabhängigvondemjeweiligendominierendenBeweggrund–alljeneMenschen,dievoneinem
Landineinanderesziehen.
DieZuwanderungbzw.Migrationkannu.a.ausGründenderErwerbstätigkeit(Arbeitsmigration),
derFluchtvorVerfolgung (Fluchtmigration),derArmut (Armutsmigration),desStudiumsoder
eineranderenAusbildung(Bildungsmigration)oderausfamiliärenGründenerfolgen.Häufigsind
dieBeweggründefürMigrationvielschichtigundkönnennichttrennscharfeinereinzelnenKate-
goriezugeordnetwerden.FürjedenderunterschiedlichenTypenexistiereninDeutschlandRege-
lungenimHinblickaufdie
• ZulässigkeiteinerZuwanderungausbestimmtenHerkunftsländern;
• VerfahrenzurPrüfungdieserZulässigkeit;
• MöglichkeitendesZugangszuArbeitundAusbildung;
• BerechtigungzumErhaltvonstaatlichenLeistungen.
DerBegriff„Flüchtling“istvölkerrechtlichdurchArtikel1derGenferFlüchtlingskonventionde-
finiert.DemnachgiltalsFlüchtlingeinePerson,die„ausderbegründetenFurchtvorVerfolgung
wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oderwegen ihrerpolitischenÜberzeugungsichaußerhalbdesLandesbefindet,dessenStaats-
angehörigkeitsiebesitzt,unddenSchutzdiesesLandesnicht inAnspruchnehmenkannoder
wegendieserBefürchtungennichtinAnspruchnehmenwill;oderdiesichalsstaatenloseinfolge
solcherEreignisseaußerhalbdesLandesbefindet,inwelchemsieihrengewöhnlichenAufenthalt
hatte,undnichtdorthinzurückkehrenkannoderwegendererwähntenBefürchtungennichtdort-
hinzurückkehrenwill.“FlüchtlingegenießennacheinementsprechendenAnerkennungsverfah-
rennachdemAsylgesetz(AsylG)(früher:Asylverfahrensgesetz(AsylVfG))dasRechtaufpoliti-
schesAsyl.Migranten,dieihreHeimataufgrundextremerArmutundNotverlassen,sindweder
nachderGenferFlüchtlingskonventionnochnachArt.16adesdeutschenGrundgesetzesFlücht-
lingeundhabenentsprechendauchkeinRecht aufAsyl. ImüblichenSprachgebrauchwerden
Menschen,diezurFluchtgezwungensind,als„Flüchtlinge“bezeichnet;Menschen,dieauseige-
nemAntriebihrLandverlassen,geltenals„Migranten“.
Als eine öffentlichweithin akzeptierteFormderMigrationgilt dieBildungsmigration.Mehr
nochals ihreArbeitsmärkteöffnenStaatenihreBildungssystemefürAusländer.Bildungsmobi-
litätistvorallemindenakademischenBildungsbereichenerheblich–ca.320.000ausländische
Studierendewaren2014andeutschenHochschuleneingeschrieben(Destatis2015c).ImWinter-
12
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
semester2014/15begannenca.81.000ausländischeStudierendeeinStudiumaneinerdeutschen
Hochschule. Verglichen mit dem Jahr 2000 bedeutet dies eine Verdopplung der Zahl (Destatis
2015c).NachAbschlussdesStudiumskönnensichausländischeHochschulabsolventenbiszu18
MonatelangzurArbeitssucheinDeutschlandaufhalten.DieBildungsmobilitätinderberuflichen
AusbildunghatdemgegenübereinendeutlichgeringerenUmfang,nimmtaberebenfallszu.Eine
neueEntwicklungistdiesogenanntegeförderteZuwanderunginAusbildung,dieübernationale
sowieeuropäischeFörderprogrammeunterstütztwird.EinBeispielstelltdas2013vonderBun-
desregierungaufgelegte,mitmehrals500Mio.EuroausgestatteteProgrammzur„Förderungder
beruflichenMobilitätvonausbildungsinteressiertenJugendlichenundarbeitslosenjungenFach-
kräftenausEuropa(MobiPro-EU)“dar.
WährenddieFluchtmigration inUmfangundAusprägungnur schwer steuerbar ist, soll dieAr-
beitsmigrationinDeutschlandmehroderwenigergezieltgestaltetwerden.ÜberInstrumentewie
die„BlaueKarteEU“oderandereZuzugskanälefürHochqualifizierte2wirdaktivversucht,qualifi-
zierteFachkräftenachMaßgabederAufnahmefähigkeitdesdeutschenArbeitsmarkteszugewin-
nen.ZudemkönnenimRahmenderPersonenfreizügigkeitBürgerderMitgliedsstaatenderEuropä-
ischenUnionprinzipiellohneBegrenzungeineAusbildungoderBeschäftigungineinemanderen
EU-Mitgliedsstaataufnehmen.FürqualifizierteArbeitskräfteausLändernaußerhalbderEUbesteht
dieMöglichkeitzurArbeitsmigrationnurineinemengerdefiniertenBereich.IndiesemFall„prüft
dieBundesagenturfürArbeit,obdurchdieBeschäftigungkeinenachteiligenWirkungenfürdenAr-
beitsmarktentstehenundobfürdiefraglicheStellenichteinDeutscheroderUnionsbürgerinfrage
kommt,dervorrangigzubehandeln ist.DieseVorrangprüfungkann für „Mangelberufe“undbe-
stimmteWirtschaftszweigeausgesetztwerden(Brücker2015:5).Diese„Mangelberufe“werdenin
einerkontinuierlichaktualisiertenPositivlisteausgewiesen.ImJahr2014erhieltenca.37.000Zu-
wandererausStaatenaußerhalbderEUeinenAufenthaltstitelzuErwerbszwecken,5.378derneu
eingereistenDrittstaatenangehörigenerhielteneine„BlaueKarteEU“(Brücker2015:2).
DieFeststellungdesMigrationsgrundsbzw.dieAnerkennungeinerFluchtmigrationkannsich
imEinzelfallalsschwierigerweisen.MitdemEintreffengroßerFlüchtlingsströmeseitdemSom-
mer2015wirdversucht,dieAnerkennungsverfahrenauchdadurchzustraffen,dassAnträgevon
Flüchtlingenaussogenannten„sicherenHerkunftsstaaten“schnelleralsbisherbearbeitetwer-
den. Ein Asylantrag von Staatsbürgern aus „sicheren Herkunftsstaaten“ gilt als „offensichtlich
unbegründet“undwirdabgelehnt,esseidenn,eskönnenBeweisevorgelegtwerden,dieeinepo-
litischeVerfolgungbegründen.SichereHerkunftsstaatensindderzeitnebenStaatenwieGhana
unddemSenegalauchdieStaatendesWestbalkans.ÄhnlicheRegelungenexistiereninanderen
EU-Staaten,esgibtjedochkeineeinheitlicheDefinition„sichererHerkunftsstaaten“(Brückeret
al.2015a:4).AbgelehnteAsylbewerberkönnengegendieEntscheidungklagenundbefindensich
biszurendgültigenEntscheidungüberdenAsylantragweiterimVerfahren.
2 Die„BlaueKarteEU“wirdjenenMenschenverliehen,dieeinendeutschen,inDeutschlandanerkanntenodermiteinemdeut-schenHochschulabschlussvergleichbarenAbschlussbesitzenundeinenArbeitsvertragbzw.einverbindlichesArbeitsplatzange-botmiteinemMindesteinkommenvon48.400Euro(Mangelberufe:37.752Euro)vorweisenkönnen.DieBlaueKarteEUberechtigtnacheinerMindestaufenthaltsdauervon18MonatenzumAufenthaltineinemanderenEU-Mitgliedsstaat(Brücker2015:5).An-dereHochqualifiziertesindbeispielsweiseLehrende,WissenschaftlerundForscherinherausgehobenenStellungen.Zudemkön-nensichAusländermitAbschlüssendeutscherHochschulenbzw.mitinDeutschlandanerkanntenodergleichwertigenausländi-schenAbschlüssenbiszusechsMonatelangzurArbeitssucheinDeutschlandaufhalten(Brücker2015:6).
13
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
UmdieAsylverfahrenzuentlastenunddieArbeitsmigrationzuerleichtern,wirdinderDiskus-
sionmitHinweisaufpositiveErfahrungeninSchwedendieMöglichkeiteines„Spurwechsels“vor-
geschlagen(Parusel2014).„Unter‚Spurwechsel‘wirdverstanden,dassAsylbewerbereinAufent-
haltsrechtzuErwerbszweckenerhaltenkönnen,ohnedasssieinihreHeimatländerzurückkehren
müssen[…],sofernsieeinetariflichentlohnteArbeitsplatzzusageerhalten“(Brücker2015:10).
InderKonsequenzhättedieseinebreitereÖffnungdesArbeitsmarktsfürdieZuwanderungaus
DrittstaatenzurFolge.DieAnreizefürdieAnerkennungeinerFluchtmigrationwürdendadurch
zwar gesenkt, aber nicht beseitigt. Die Vorschläge sollen auch der in der öffentlichen Diskus-
siongelegentlicherkennbarenKlassifizierungin„gute“und„schlechte“Flüchtlinge(sogenann-
tes „Aschenputtel-Konzept“;vgl.Voigt2015;Chadderton,Edmonds2014:141)entgegenwirken:
„Guter“Flüchtlingist,werausLändernmiteinerhohenAnerkennungsquotekommtoderübergut
verwertbareBerufsqualifikationenverfügt(z.B.vieleFlüchtlingeausSyrien).„Schlechter“Flücht-
linghingegenist,werausLändernmiteinerniedrigenAnerkennungsquotekommtoderüberwirt-
schaftlichnurschlechtverwertbareQualifikationenverfügt(z.B.ethnischeMinderheitenausden
Westbalkanstaaten).
Jugendliche mit MigrationshintergrundsindnachderDefinitiondesStatistischenBundesam-
tes(Destatis2015c)solchePersonen,
• dienichtaufdemGebietderheutigenBundesrepublikDeutschlandgeborenwurdenundnach
1949zugewandertsindund/oder
• diekeinedeutscheStaatsangehörigkeitbesitzenodereingebürgertwurdenund/oder
• beideneneinElternteilmindestenseinederobengenanntenBedingungenerfüllt.
DemnachbezeichnetderBegriff„Migrationshintergrund“dieselbstnachDeutschlandeingewan-
dertenMenschensowiedereninDeutschlandgeboreneKinder.
2.2 Ausgangspunkte für eine Integration von Migranten in Ausbildung und Beschäftigung
VordemHintergrundderskizziertensehrkomplexenSituationkönnenverschiedeneGruppenmit
jeunterschiedlichenAusgangspunktenfüreineIntegrationinAusbildungundBeschäftigungun-
terschiedenwerden.
Asylbewerber
Menschen,dieeinenAsylantraggestellthaben,überdennochnichtentschiedenwurde,werden
als „Asylbewerber“bezeichnet. Im Jahr2015 stellten insgesamt476.649PersoneneinenAsyl-
antrag,diesbedeuteteinenAnstiegderAntragszahlenumca.155ProzentimVergleichzu2014
(BAMF2015:4).Während2014nochknappdieHälftederAsylanträgevonStaatsbürgernausden
Westbalkanstaaten(Albanien,Serbien,BosnienundHerzegowina,Kosovo,Mazedonien,Montene-
14
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
gro)gestelltwurden,gingdieZahlderAntragstellerausdiesenStaatenzumJahresende2015auf
ca.5Prozentzurück(BAMF2015:7).
Ein Asylverfahren dauerte 2014 durchschnittlich 7,1 Monate, mit einer großen Schwankungs-
breitezwischen3,6Monaten füralbanischeStaatsangehörigeund15,7Monaten fürpakistani-
scheStaatsangehörige(BT-DS18/3850v.28.1.2015,Frage4).DieAnerkennungsquoteschwankt
jenachHerkunftslandebenfallserheblich–zwischennahezu100ProzentbeiStaatsangehörigen
ausSyrienoderEritrea,überca.70ProzentbeisolchenausAfghanistanbiszu0,3Prozentbeiser-
bischenStaatsangehörigen(BT-DS18/3850v.28.1.2015,Frage1).
DasAsylverfahrenkanninunterschiedlicheEntscheidungenmünden(BAMF2014:20):
• ZuerkennungderFlüchtlingseigenschaftnachderGenferFlüchtlingskonventiongemäߧ3
Abs.1AsylG.
• AnerkennungalsAsylberechtigternachArt.16aAbs.1GG.
• ZuerkennungvonsubsidiäremSchutznach§4Abs.1AsylG.
• FeststellungeinesAbschiebungsverbotsnach§60Abs.5oder7AufenthG.
• AblehnungdesAsylantragsalsunbegründet.
• UnzulässigkeitdesAsylantragswegenZuständigkeiteinesanderenMitgliedsstaats.
• EinstellungdesVerfahrensinfolgeeinerAntragsrücknahme.
• AblehnungderDurchführungeinesweiterenAsylverfahrensnacheinererneutenAntragstel-
lungimAnschlussaneinabschlägiges,unanfechtbarabgeschlossenesAsylverfahren.
AsylbewerberdürfensichbiszurEntscheidungüberihreAnträgeinDeutschlandaufhalten.Sie
erhalteneinesogenannte„Aufenthaltsgestattung“.Ende2014lebtenbundesweitca.180.000Per-
sonenmiteinerAufenthaltsgestattung(BT-DS18/3987v.10.2.2015,Frage20).NachAblaufvon
dreiMonatenkönnensieeinerErwerbstätigkeitnachgehen,soferndaszuständigeAusländeramt
unddieBundesagenturfürArbeitzustimmen(Brückeretal.2015a:5).
NachÄnderungdesAufenthaltsgesetzesvom01.08.2015könnenAsylsuchendemithoherBlei-
beperspektivenachdenerstendreiMonatendesAufenthaltseinebetrieblicheAusbildungohne
ZustimmungderBundesagenturfürArbeit,abermitZustimmungderAusländerbehördeaufneh-
men.GleichesgiltfürGeduldete(s.u.),beiihnenentfälltzudemdiedreimonatigeWartefrist(§32
Abs.4BeschV).DieAusländerbehördekanndieDuldungfüreinJahrerteilen.WenndieBerufs-
ausbildungnochfortdauertundineinemangemessenenZeitraummitihremAbschlusszurech-
nenist,solldieDuldungfürjeweilseinJahrverlängertwerden.AucheinesolcheSollvorschrift
begründet keinen Rechtsanspruch. Nach erfolgreichem Abschluss der betrieblichen Berufsaus-
bildungkanndieAufenthaltserlaubnisumbiszueinJahrzurSucheeinesdiesemAbschlussan-
gemessenenArbeitsplatzesverlängertwerden, sofernderArbeitsplatzvonAusländernbesetzt
werdendarf(§17Abs.3AufenthG).SchulischeBerufsausbildungensindfürAsylsuchendeund
GeduldeteimmermöglichundmüssennichtdurchdieAusländerbehördegenehmigtwerden.
15
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
ImRahmendesAsylpaketsIIbeschlossderBundestagimFebruar2016,dassFlüchtlingeunab-
hängigvonihremAufenthaltsstatusnachAufnahmeeinerAusbildungdieseauchbeendenundda-
nachzweiJahrearbeitenkönnen.DasAlter,biszudemFlüchtlingeeinebetrieblicheAusbildung
aufnehmendürfen,wirdvon21auf25Jahreheraufgesetzt.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
EineSondergruppe innerhalbderFlüchtlingesindminderjährige Jugendliche,dieohneBeglei-
tungihrerElternnachDeutschlandkommenodernachderEinreiseohneBegleitungzurückge-
lassenwerden.„UnbegleiteteminderjährigeFlüchtlinge“(UMF)werdendurchdasJugendamtin
Obhutgenommen.DiemöglichenMotiveundUmständeihrerFluchtsindvielfältig.Nebenden
auchfürErwachsenegeltendenMotivenkönnenKinderundJugendlichevonbesonderenBedro-
hungslagenbetroffensein,z.B.derRekrutierungalsKindersoldaten,Genitalverstümmelungbei
Mädchen,Zwangsprostitutionund-verheiratungoderauchderSuchenachFamilienangehörigen
(Müller2014:12).Zudemkommtesvor,dassKindergezieltvonihrenElternaufdieFluchtge-
schicktwerden.
UmeineBleibeperspektivezuerhalten,stehtihnenzumeinenderWegüberdasAsylverfahren
offen.ZumanderenstellenihnendieAusländerbehörden–unterdenentsprechendenVorausset-
zungen–inderRegeleineDuldungaus,dieineinenlängerfristigenAufenthaltmündenkann,
wennsiesichintegrierenkönnenundbeispielsweiseeineSchul-oderBerufsausbildungabschlie-
ßen(Müller2014:5).WährendeinesAsylverfahrenswirdUMFbiszumAbschlussdesVerfahrens–
wie allen Asylbewerbern – eine Aufenthaltsgestattung ausgestellt (Müller 2014: 30). Wird das
AsylgesuchvorEintrittderVolljährigkeitabgelehnt,sobestehteinAbschiebeschutz,wennUMF
imZielstaatderAbschiebungwedereinemSorgeberechtigtennocheinergeeignetenAufnahme-
einrichtungübergebenwerdenkönnen.IndiesemFallstelltdieAusländerbehördeeineDuldung
aus.DerAbschiebeschutzgreiftmindestensbiszumEintrittderVolljährigkeit,wennsichdieBe-
treuungssituationimRückkehrstaatnichtverbesserthat.FürUMF,dienichtdenWegeinesAsyl-
verfahrensbeschreiten,bestehenweitereOptionenzurVerhinderungderAbschiebungbiszum
ErreichenderVolljährigkeit(Müller2014:31).NachEintrittderVolljährigkeitkönnenbestimmte
GründezueinerAussetzungderAbschiebungführen.SokanneineAufenthaltserlaubniswegen
„dringenderhumanitäreroderpersönlicherGründe“(§25Abs.4AufenthG)erteiltwerden,etwa
wennderJugendlichesichimletztenJahreinerSchul-oderBerufsausbildungbefindet.
Schätzungendes„BundesfachverbandsunbegleiteteminderjährigeFlüchtlinge“(B-UMF)zufolge
lebeninDeutschlandaktuelletwa9.000UMF.DiemeistenstammenausAfghanistan,Syrienund
Irak(BT-DS18/5564v.15.7.2015).2013haben2.485UMFeinenAsylantraggestellt,81Prozent
davonsindmännlich.Etwa75ProzentderAntragstellersind16oder17Jahrealt,7,5Prozentjün-
gerals14Jahre(Müller2014:22).43,4ProzentderAsylanträgewurdenalsunbegründetabge-
lehntbzw.führtenzueinerformellenVerfahrenserledigung(Müller2014:25).
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Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
Anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge
WeralsFlüchtlingoderAsylberechtigteranerkanntist,erhälteine„Aufenthaltserlaubnis“fürzu-
nächstdrei Jahre.Nachdrei Jahren istvonderAusländerbehördeeineunbefristete„Niederlas-
sungserlaubnis“zuerteilen,wenndieGründefürdieAnerkennungnichtweggefallensind(BAMF
2014:44).BeideAufenthaltstitelbegründeneinenuneingeschränktenZugangzumArbeitsmarkt,
denAnspruchaufIntegrationskurseundaufdiegleichenSozialleistungen,diedeutscheStaatsan-
gehörigeerhalten.ZudemkönnenFamilienangehörige(EhegatteoderKinder)untererleichterten
BedingungenausdemAuslandnachDeutschlandgeholtwerden.
Personen,diesubsidiärenSchutzgenießen,erhalteneineAufenthaltserlaubnisfüreinJahr,die
vonderAusländerbehördeumjeweilszweiweitereJahreverlängertwerdenkann.Nachsieben
JahrenkanneineunbefristeteNiederlassungserlaubniserteiltwerden,sofernweitereVorausset-
zungen(z.B.ausreichendeKenntnisderdeutschenSprache)erfülltsind(BAMF2014:44).DieZu-
erkennungdessubsidiärenSchutzeswirdwiderrufen,wenndieUmstände,diezurZuerkennung
geführthaben,nichtmehrbestehen.SubsidiärSchutzberechtigtesindAusländer,denentrotzfeh-
lenderFlüchtlingseigenschaftimSinnederGenferFlüchtlingskonventioneinernsthafterSchaden
nachArtikel15derRichtlinie2011/95/EU(Qualifikationsrichtlinie)droht.AlsernsthafterScha-
denimSinnediesesArtikelsgelten:
• dieVerhängungoderVollstreckungderTodesstrafe;
• FolteroderunmenschlicheodererniedrigendeBehandlungoderBestrafungeinesAntragstel-
lersimHerkunftsland;
• eineernsthafteindividuelleBedrohungdesLebensoderderUnversehrtheiteinerZivilperson
infolgewillkürlicherGewaltimRahmeneinesinternationalenoderinnerstaatlichenbewaffne-
tenKonflikts.
Geduldete Ausländer
Personen,derenAnträgeaufAsyloderdieAnerkennungalsFlüchtlingeendgültigabgelehntworden
sindoderdiekeinensubsidiärenSchutzgenießen,könneninihrHerkunftslandrückgeführtwerden.
NichtanerkannteAsylbewerberoderFlüchtlinge,derenAbschiebungausgesetztist,habenden
aufenthaltsrechtlichen Status einer Duldung. Die Abschiebung kann beispielsweise vorläufig
ausgesetztwerdenaufgrundvon (Bürger-)Kriegen imHerkunftsland,Krankheitoderungeklär-
terIdentitätaufgrundfehlenderPersonendokumente.DieDuldungkannfüreinebestimmteZeit
(z.B.sechsMonate)erteiltunddannverlängertwerden.HäufigentstehenaufdieseWeisesoge-
nannte„Kettenduldungen“.
DieAusländerbehördenkönnen„Geduldeten“nacheinemAufenthaltvondreiMonateneineBe-
schäftigungerlauben.Ende2014hattenca.113.000PersoneninDeutschlanddenDuldungsstatus,
davonca.31.000seitmehralssechsJahren(BT-DS18/3987v.10.2.2015,Frage19).
17
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
LeistungenderBerufsausbildungshilfe,derassistiertenAusbildungundderausbildungsbeglei-
tendenHilfen (abH)könnenvonGeduldetennurnacheinemVoraufenthaltvon15Monaten in
Anspruchgenommenwerden(§§130Abs.2;59Abs.2SGBIII).AndereFörderinstrumente(z.B.
berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, außerbetriebliche Berufsausbildung BaE) stehen für
GeduldeteweiterhinnichtzurVerfügung.AsylsuchendehabenkeinenZugangzudiesenFörder-
instrumenten(BA2015:10).
Überblick
DieskizziertenUnterscheidungenwerdenwiefolgtzusammengefasst:
Gruppe Aufenthaltstitel Implikationen für Berufsausbildung/Beschäftigung/Förderung
Asylbewerber Aufenthaltsgestattung • Asylsuchende mit hoher Bleibeperspektive: nach 3 Mona-ten/vor Vollendung des 25. Lebensjahrs: Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung mit Zustimmung des Ausländer-amts (aber ohne BA)
• Nach Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung Möglich-keit zur Beendigung der Ausbildung und anschließender Arbeit über 2 Jahre
• Zugang zu Förderinstrumenten der Ausbildungsförderung für Asylsuchende mit Bleibeperspektive nach 15 Monaten Voraufenthalt
• Nach 3 Monaten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Zustimmung von Ausländeramt und BA („Vorrangprüfung“)
Geduldete Ausländer Kein Aufenthaltstitel, aber Duldung (bedingt; befris-tet; verlängerbar)
• Wie Asylbewerber• Ohne Wartefrist/vor Vollendung des 25. Lebensjahres• Nach Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung Möglich-
keit zur Beendigung der Ausbildung und anschließender Arbeit über 2 Jahre
Anerkannte Asylbewerber/Flüchtlinge
Aufenthaltserlaubnis (für 3 Jahre; danach unbefristete Niederlassungserlaubnis)
• Uneingeschränkter Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
• Anspruch auf Integrationskurse• Gleiche Sozialleistungen wie deutsche Staatsangehörige• Nachzug von Ehegatte/Kindern erleichtert
Personen mit „subsidiärem Schutz“
Aufenthaltserlaubnis (für 1 Jahr; verlängerbar um jeweils 2 Jahre; nach 7 Jahren ggf. unbefristete Niederlassungserlaubnis)
Jugendliche mit Migrationshintergrund
EineGruppe,dieimHinblickaufdieBerufsausbildungdurchdieaktuellenEntwicklungeninden
Hintergrundgetretenist,sinddiebereitsinDeutschlandlebendenJugendlichenmitMigrations-
hintergrund.2014hatten16,4Mio.(20,2%)der80,9Mio.MenscheninDeutschlandeinenMigra-
tionshintergrund.7,2Mio.(8,9%)davonsindAusländer,9,2Mio.(11,3%)sindDeutschemitMig-
rationshintergrund(Destatis2015c).2014kamdieweitüberwiegendeZahlderZuwanderernach
DeutschlandausEuropa(Destatis2015c:148):
18
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
Tabelle 1: Bevölkerung 2014 – Personen mit Migrationshintergrund nach derzeitiger bzw. früherer StaatsangehörigkeitHerkunftsregion/-länder Absolut (in Mio.) Relativ (%)
Europa-28 5,659 34,54
• Griechenland 0,394
• Italien 0,765
• Kroation 0,361
• Polen 1,617
• Rumänien 0,594
Sonstiges Europa 5,778 35,26
• Bosnien/Herzogowina 0,238
• Russische Föderation 1,188
• Serbien 0,285
• Türkei 2,859
• Ukraine 0,255
Afrika 0,602 3,67
Amerika 0,419 2,55
Asien, Australien, Ozeanien 2,712 16,55
Ohne Angabe bzw. unzutreffend 1,216 7,42
Gesamt 16,386 100,00
BiszumJahr2014istderAnteilderinDeutschlandgeborenenKindervonMigrantengegenüber
demderZuwanderermiteigenerMigrationserfahrungkontinuierlichgewachsen(2005:4,7Mio.
KindervonMigranten,2012:5,4Mio.,Integrationsbericht2014).NachdenDatenderBIBB-Über-
gangsstudieweisenca.26ProzentallerJugendlichenimAltervon18bis24JahreneinenMigrati-
onshintergrundauf.DieheterogeneHerkunftkanndabeiüberdienachfolgendeTypologieerfasst
werden(Beicht,Walden2014b:5):
19
Differenzierungen: Facetten der Zuwanderung
DiegrößteGruppebildenJugendlicheausosteuropäischenunddenGUS-Staaten,diezumeistals
(Spät-)AussiedlernachDeutschlandgekommensind.Ca.62ProzentderjungenMigrantensindin
Deutschlandgeboren,beidenJugendlichentürkisch-arabischerHerkunfterreichtderAnteilswert
79Prozent.Insgesamt64ProzentderJugendlichenmitMigrationshintergrundhabenDeutschals
Muttersprachegelernt.DreiViertelderjungenMigrantensinddeutscheStaatsangehörige(einTeil
davonmiteinerdoppeltenStaatsangehörigkeit),beiosteuropäischerHerkunftliegtderWertbei92
Prozent(Beicht,Walden2014a:202).„JungeMigrantenhabenimVergleichzuJugendlichenohne
MigrationshintergrunderheblichhäufigereineungünstigeresozialeHerkunft: IhreElternverfü-
genwesentlichöfterüberkeinenBerufsabschluss(22%vs.4%)undderVateristdeutlichhäufiger
alsan-oderungelernterArbeitertätig(22%vs.14%);amstärkstenausgeprägtistbeidesbeiJu-
gendlichentürkisch-arabischerHerkunft(44%und31%)“(Beicht,Walden2014b:202).
Abbildung 1: Verteilung der Jugendlichen nach MigrationsgruppenAngaben in Prozent
Osteuropäische Staaten, GUS-Staaten
Türkei oder arabischen Staaten
Südeuropäische Staaten
Anderen Staaten
Ohne Migrations-hintergrund
74,0 %
Mit Migrations-hintergrund
26,0 %
Quelle: BIBB-Übergangsstudie 2011 (ähnliche Werte ergaben sich in einer BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014; vgl. Beicht/Gei 2015: 5).
Basis: Jugendliche der Geburtsjahrgänge 1987 bis 1993, die die allgemeinbildende bzw. berufliche Schule bis spätestens Ende 2010 verlassen hatten (Fallzahl n = 4.213).
9,10 %
4,20 %
6,70 %
6,00 %
20
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
3 Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
3.1 Jugendliche in Deutschland mit Migrationshintergrund
DerUmfangunddiekontinuierlicheZunahmedesZustromsvonZuwanderernnachDeutschland
rechtfertigenesseitvielenJahren,DeutschlandalseinEinwanderungslandzubezeichnen–auch
wenndiePolitikvieleJahrelangnurzögerlichdaraufreagierthat.ZwarhattedieReformdesStaats-
angehörigkeitsgesetzes im Jahr 2000 die Begründung der deutschen Staatsbürgerschaft aus Ab-
stammungumElementeeinesGeburtsortprinzipsergänzt,mitdeminDeutschlandgeboreneKin-
dervonZuwanderernnebenderenStaatsangehörigkeitnachdem21.Geburtstagauchdiedeutsche
mitOptionspflichterhaltenundaußerdemdieEinbürgerungvonAusländernerleichtertwird.Seit
Dezember2014istdieOptionspflichtfürinDeutschlandaufgewachseneKinderentfallen.Zwarhat
dasZuwanderungsgesetzvon2005mitderNeufassungvon2007dieRegelungenderAufenthaltsti-
telfürAusländerinDeutschlandvereinfachtundeinebessereIntegrationsförderungrealisiert,aber
nichtzueinerweiterenÖffnungdesdeutschenArbeitsmarktesfürNicht-EU-Bürgerbeigetragen.Ein
umfassendesEinwanderungsgesetz,wieesandereStaatenmitvergleichbarhohenZuwanderungs-
quotenvorweisenkönnen,findetmomentaninDeutschlandkeinepolitischeMehrheit.
DerUmfangderZuwanderungausverschiedenenHerkunftsländernhatsichimZeitverlaufsehr
unterschiedlichentwickelt.DarausergebensicheinedifferenzierteAufenthaltsdauerundauch
eineunterschiedlicheQuote jugendlicherZuwanderermiteigenerMigrationserfahrung,die für
eineberuflicheAusbildunginBetrachtkommen.
Abbildung 2: Menschen mit Migrationshintergrund – nach Herkunftsländern und Aufenthaltsdauer im Zeitverlauf (2013)Angaben in Prozent
0
20
40
60
80
100
(Spät-)Aussiedler
TürkeiSerbienRussische Föderation
RumänienPolenItalienZuwanderer insgesamt
40 und mehr Jahre20 bis unter 40 Jahre9 bis unter 20 Jahreunter 9 Jahren
12,218,823,2
0,85,27,4
37,7
14,0
42,6
52,636,6
20,5
58,255,8
37,8
36,1
38,519,5
27,6
63,8
14,314,7
15,1
31,2
5,27,311,213,921,521,08,3
17,3
Quelle: Destatis 2013.
21
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
Bildungsbeteiligung und Abschlüsse im allgemeinbildenden Bildungssystem
ZurBildungsbeteiligungundzuBildungserfolgenvonMenschenmitMigrationshintergrund in
Deutschland liegen mit der amtlichen Bildungsstatistik und dem Sozio-oekonomischen Panel
(SOEP)präziseDatenquellenvor.Darausergibtsich:SchülermitMigrationshintergrundsindan
SchulenmitniedrigerenAbschlüssen–HauptschulenundFörderschulenmitdemFörderschwer-
punktLernen–gegenübersolchenohneMigrationshintergrundüberrepräsentiert.Siebesuchen
seltenerGymnasienundRealschulen.AmEndeihrerSchullaufbahnverfügenJugendlicheausMi-
grantenfamiliendeutlichhäufigeralsdiejenigenohneMigrationshintergrundüberkeinenSchul-
abschluss(8%vs.4%)oderübereinenHauptschulabschluss(33%vs.23%).DiebetreffendenAn-
teilesindbeiJugendlichentürkisch-arabischerHerkunftwiederumamhöchsten(10%und40%).
„Die(Fach-)HochschulreifeunddamiteineStudienberechtigungwirdvonjungenMigrantenda-
gegenwesentlichseltenererreichtalsvonNichtmigranten(25%vs.37%),amseltenstenvonJu-
gendlichensüdeuropäischerHerkunft(18%)“(Beicht,Walden2014b:199).10Prozentder30-bis
35-JährigenmitMigrationshintergrundverfügennichtübereinenallgemeinbildendenSchulab-
schluss(ohneMigrationshintergrund:2%,AGBB2012).AuchistdieQuotederKlassenwiederho-
lerbeiSchülernmitMigrationshintergrundmit28Prozentdoppeltsohochwiebeisolchenohne
Migrationshintergrund(Bosetal.2013:145).
SchulleistungsstudienwiePISA, IGLUoderTIMSSerlaubenneben internationalenVergleichen
auchdieDifferenzierungvonLernleistungenvonSchulkindernmitundohneMigrationshinter-
grund.BeiTIMSSwurde2007inderKompetenzdomäneMathematikbeiGrundschülerneinLeis-
tungsunterschied von einem Jahr zuungunsten der Schüler mit Migrationshintergrund festge-
stellt.PISA(2003)kommt fürMathematikundandereKompetenzdomänenbei15-Jährigenauf
Leistungsunterschiede,dieeinbiszweiJahrenentsprechen.TestszurLesefähigkeit,diebeiIGLU
(2001und2006)imMittelpunktstanden,ergaben,dassGrundschülermitMigrationshintergrund
amEndederviertenSchulklassezuzweiDrittelnnichtinderLagewaren,Textelesendsicherzu
erfassenund selbstständigweiterzulernen.Das ist keineunabwendbareKonsequenz typischer
Nachteile,denenMigrantenkinderausgesetztsind;dieseNachteilelassensichoffenbaranderswo
besserausgleichenalsinDeutschland:PISA(2000und2009)weistaus,dassdieseLeistungsdif-
ferenzenbeiderLesekompetenzgegenüberSchülernohneMigrationshintergrundinDeutschland
höhersindalsinderMehrzahlderübrigenOECD-Staaten(Stanatetal.2010:226).
Integrationspolitischwirderwartet,dassderAusbauderGanztagsschuleninDeutschlanddieAb-
hängigkeitdesBildungserfolgsvonderHerkunftderElternverringernwird.Inzwischenverfügt
jedezweiteSchuleübereinGanztagsangebot(Integrationsbericht2014:102).DieAuswirkungen
aufdenSchulerfolgvonSchülernmitMigrationshintergrundlassensichallerdingsnochnichtab-
schätzen.
22
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
Berufliche Bildung
BeimÜbergangvonderSchuleindenBerufsindgrundsätzlichdreipotenzielleHürdenzuun-
terscheiden:erstensdieEinmündungderSchulabgängerineineBerufsausbildung(1.Schwelle),
zweitensdieerfolgreicheAbsolvierungeinerBerufsausbildungundschließlichdrittensderÜber-
gangvoneinerabgeschlossenenAusbildung ineineadäquateBerufstätigkeit (2.Schwelle).An
denerstenbeidenHürdenscheiternJugendlichemitMigrationshintergrundsignifikanthäufiger
alssolcheohneMigrationshintergrund.
Einmündung in Ausbildung (1. Schwelle)
ImGesamtbildzeigtsichzunächst,dassdieEinmündungineinevollqualifizierendeberufliche
AusbildungbeiJugendlichenmitMigrationshintergrunddeutlichschlechtergelingtalsbeiihren
AltersgenossenohneMigrationshintergrund.DiefolgendeÜbersichtzeigtzunächstvergleichend
dieEinmündungineinebetrieblicheBerufsausbildunginnerhalbvon38MonatennachVerlassen
desSchulsystems(Beicht,Walden2014a:208)3:
Demnachmünden69ProzentderMigranten,dieeinebetrieblicheAusbildungangestrebthatten,im
LaufevondreiJahrenerfolgreichindieseAusbildungein,beiNichtmigrantenliegtderWertbei80Pro-
3 Basis: JugendlichederGeburtsjahrgänge1987bis1993,diedieallgemeinbildendebzw.beruflicheSchulebisspätestensEnde2010verlassenhattenundbeiSchulendeeinebetrieblicheAusbildungsstellebzw.einenvollqualifizierendenAusbildungsplatzoderStudienplatzsuchten(gewichteteErgebnisse;ungewichteteFallzahlen:betrieblicheAusbildung:n=2.267,davonzensiert:762;vollqualifizierendeAusbildung:n=3.293,davonzensiert:431).
Abbildung 3: Einmündung in betriebliche bzw. vollqualifizierende Ausbildung innerhalb von 38 Monaten nach Verlassen des SchulsystemsAngaben in Prozent
Ohne Migrationshintergrund Herkunft aus osteuropäischen bzw. GUS-Staaten
Mit Migrationshintergrund Herkunft aus der Türkei oder arabischen Staaten
Quelle: Beicht, Walden 2014 a: 208.
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
00 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39
23
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
zent.WährendJugendlichemiteinerosteuropäischenHerkunftmit77ProzentfastdiesenWerterrei-
chen,liegterbeiJugendlichentürkisch-arabischerHerkunftmit60Prozentnochmalstiefer.DieWerte
verschiebensichinsgesamtleichtnachoben,wennnebenderbetrieblichenaucheineschulischeAus-
bildungeinbezogenwird,dieAbständebleibenhingegennahezuunverändertbestehen(Beicht,Wal-
den2014a:210).FokussiertmandieUntersuchungaufdiestudienberechtigtenJugendlichen,sozeigt
sich,dassdieEinmündungsquotenzwischenJugendlichenohnebzw.mitMigrationshintergrundfast
gleichhochliegen(92%vs.89%,Beicht,Walden2014b:5;vgl.auchBeicht2015:36und51).
Insgesamt ist festzuhalten, dass sich die Einmündungswahrscheinlichkeit in eine betriebliche
AusbildungzwischenJugendlichenmitundohneMigrationshintergrunddeutlichunterscheidet.
BeiderAusbildungsplatzsucheerfolgloseJugendlichemitMigrationshintergrundmündendann
häufigerals ihredeutschenCounterparts ineinenJobbzw.eineErwerbstätigkeit (10%vs.5%)
oderwerdenarbeitslos(11%vs.8%,vgl.Beicht,Gei2015:13).
UnterGestaltungskriterienisteswesentlich,obdiedargestelltenUnterschiedeprimärdurchdiesozi-
aleHerkunftbzw.denvergleichsweiseschlechterenSchulabschlussoderaberdurchweitergehende,
migrationsbedingteFaktorenerklärtwerden.InUntersuchungen,beidenenSchulabschlüsseundso-
zialeHerkunftkontrolliertwurden,bleibt„eineigenständigerEinflussdesMigrationshintergrunds
bestehen.[…]Diesbedeutet,dassauchunteransonstengleichenBedingungendieChancenfürMi-
grantenundMigrantinnen,ineinedualeAusbildungeinzumünden,geringersindalsfürJugendli-
cheohneMigrationshintergrund“(Beicht,Walden2014b:2).„IhreEinmündungschancensinddabei
selbstunterinsgesamtgleichenBedingungen(gleichesozialeHerkunft,gleicheschulischeVoraus-
setzungen,gleichesSuchverhaltenundgleicheAusbildungsmarktlage)niedrigeralsdievonJugend-
lichenohneMigrationshintergrund“(Beicht,Walden2014b:14).EinebesondereProblemlagezeigt
sichdabeiinsbesonderefürJugendlichemiteinemtürkischenodereinemtürkisch-arabischenHin-
tergrund (Beicht,Walden2014a:193).Vergleichsweiseunproblematischgestaltet sichdemgegen-
überdieEinmündungineineBerufsausbildungfürjungeMigrantenmiteinerStudienberechtigung.
DieForschungslagebietetmomentankeinevollständigeAufklärungüberdieFaktoren jenseits
vonsozialerHerkunftundSchulleistung.Hinweisekönnenu.a.verschiedenentheoretischenAn-
sätzenentnommenwerden(vgl.imÜberblickBeicht,Walden2014a),dochstehteineÜberprü-
fungderdarinenthaltenenThesenzumeistnochaus.EinigeUntersuchungendeutendaraufhin,
dasseinErklärungsfaktorindenAuswahlprozessenbeiderVergabevonAusbildungsplätzenliegt
(Granato2011:16;Beicht2011:23;Protsch,Solga2012;SVR2014;Scherr,Janz,Müller2015).Ob-
wohlJugendlichearabischerundtürkischerHerkunftdiemeistenBewerbungenversenden,sind
ihre Aussichten auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz unter allen Jugendlichen mit Migra-
tionshintergrund am schlechtesten. Einen Erklärungsansatz stellt die sogenannte „statistische
Diskriminierung“dar (vgl.Becker2011).DemnachhabenPersonalverantwortliche inBetrieben
Schwierigkeiten,dieLernmotivationundLeistungsfähigkeitderBewerbersichereinzuschätzen.
SieorientierensichdaherverstärktandenSchulabschlüssenundprojizierenihrWissenüberdie
imstatistischenDurchschnittschlechterenSchulnotenvonMigrantenaufdieEinschätzungkon-
kreterBewerber.AlsErgebniseineraktuellenUntersuchungaufderGrundlagevonqualitativen
24
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
InterviewsmitbetrieblichenPersonalverantwortlichensowieExpertenaus InnungenundFach-
verbändenwurdenfolgendeErgebnissehervorgehoben(Scherr,Janz,Müller2015):
• AuswahlprozessebeiderVergabevonAusbildungsstellenerfolgennichtkonsequentleistungs-
bezogen.
• EinwesentlichesAuswahlkriteriumistdiePassungeinesBewerbers indiesozialeStruktur
desBetriebs.DieskannzurAbschließunggegenüberMigrantenführen.Wervonden„Norma-
litätsvorstellungen“derBetriebeabweicht,hatschlechteChancen.
• DieAkzeptanzderMitarbeiterbeidenKundenspieltinderArgumentationderBetriebeeine
großeRolle.BetriebeverfügenjedochhäufignichtübereingesichertesWissenzudenErwar-
tungenihrerKunden.
• BetriebeunterscheidensichinihrerHaltunggegenüberderEinstellungvonMigranten.Ein-
flussfaktorensindu.a.dasSelbstverständnisdesBetriebs(Weltmarktorientierungvs.regio-
naleAusrichtung),AbhängigkeitvonderBedeutungderKundenkontakte,Betriebsgröße.
• BetriebemitErfahrungenmitmigrantischenMitarbeiternsinddiesengegenüberpositiverein-
gestelltalsBetriebeohnederartigeErfahrungen.
DieschwierigeEinmündungineineBerufsausbildungführtu.a.dazu,dassJugendlichemitMig-
rationshintergrundüberproportionalhäufigindenMaßnahmendesÜbergangssektorszufinden
sind(Integrationsbericht2014:118;Destatis2013).
Abbildung 4: Verbleib in betrieblicher Ausbildung – Bewerberinnen und Bewerber mit und ohne Migrationshintergrund 2004 bis 2012Angaben in Prozent
Berweber/-innen ohne Migrationshintergrund Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund
Quelle: Integrationsbericht 2014: 75.
0 10 20 30 40 50
2004
2006
2008
2010
2012
27
29
27
30
30
38
40
43
44
46
25
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
Erfolgreiche Absolvierung einer Ausbildung
AuchderVerbleibinbetrieblicherAusbildung(alsQuotederBewerberbzw.Bewerberinnen,die
ineinebetrieblicheAusbildungeinmündenunddortverbleiben)unterscheidetsichzwischenJu-
gendlichenmitbzw.ohneMigrationshintergrunddeutlich:
InderBerufsbildungbetrugdieVertragslösungsquote2013ca.25Prozentundhatsichdamitge-
genüberdenVorjahrenweitererhöht;dieVertragslösungsquoteunterscheidetsichvondergerin-
gerenAbbruchquote,dieinanderenBetriebenbzw.BerufenfortgesetzteAusbildungennichtbe-
rücksichtigt.AufbetrieblicherSeiteliegendievorgebrachtenGründefürVertragslösungenmeist
inmangelndenLeistungenderAuszubildenden,beidenAuszubildendeninKonfliktenmitAusbil-
dernoderVorgesetzten,mangelnderAusbildungsqualität,gesundheitlichenProblemenoderman-
gelndervorausgegangenerBerufsorientierung(Beicht,Walden2014a).DieVertragslösungsquote
istumsohöher,jeniedrigerderSchulabschlussderAuszubildendenist–wasdamitzusammen-
hängenmag,dasswenigerattraktiveBranchen,diehäufiggrößereProblemenbeiderAusbildungs-
qualitäthaben,inhöheremUmfangaufSchulabgängerohneodernurmitHauptschulabschlusszu-
rückgreifen (BMBF2015:52 f.).Damit führendie imDurchschnittniedrigerenSchulabschlüsse
vonJugendlichenmitMigrationshintergrundauchzuhöherenVertragslösungsquoten.Außerdem
führenihreinsgesamtschlechterenEinmündungschancenineinedualeAusbildungdazu,dassJu-
gendlichemitMigrationshintergrundhäufigerinBerufenausgebildetwerden,dienichtihremur-
sprünglichenAusbildungswunschentsprechen(Beicht,Walden2015:4).2003lagbeiihnenzudem
dieQuotederWiederaufnahmeeineranderweitigenAusbildungbei40Prozentgegenüber50Pro-
zentbei JugendlichenohneMigrationshintergrund(Boos-Nünning2008). ImErgebnisschließen
sieeinedualeBerufsausbildungdeutlichseltenererfolgreichab:AusdenDatenderBIBB-Über-
gangsstudie2011ergibtsich,dass15ProzentderMigrantengegenüber11ProzentderNichtmig-
rantenvorzeitigundohneAbschlussabbrechen(Beicht,Walden2014b:11).
Die insgesamtsicherlichkritischeBefundlagesollte jedochnichtvergessen lassen,dassesauch
Migrantengibt,dieinihrerAusbildungerfolgreichsind.Stamm(2013)untersuchteinderschweize-
rischenBerufsausbildungdieFaktorendesAusbildungserfolgsvonleistungsstarkenAusbildungs-
absolventen. IndievergleichendeUntersuchunggingen321Auszubildendemitund462Auszu-
bildendeohneMigrationshintergrundein.SieunterschiedvierunterschiedlicheTypenvoninder
Ausbildung erfolgreichen Migranten und kennzeichnete sie u.a. durch Merkmale wie Fähigkeit
zurSelbst-organisation,Selbstvertrauen,Mehrsprachigkeit,GeschwisteralsVorbild (Stamm2013:
223ff.).DieAnalysenmündenschließlichinEmpfehlungenfürdieGestaltungderAusbildung.
Einmündung in Beschäftigung nach einer Ausbildung (2. Schwelle)
AufdenerstenBlickerscheintesüberraschend,dassAusbildungsabsolventenmitMigrationshin-
tergrundhäufigervon ihremAusbildungsbetrieb ineinBeschäftigungsverhältnisübernommen
werdenalssolcheohneMigrationshintergrund(BMBF2015:54).Dasmagallerdingsauchdarauf
zurückzuführensein,dasssieüberproportionalinsolchenBranchenausgebildetwerden,diebei
26
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
einemsolidenArbeitsmarktüberRekrutierungsschwierigkeitenberichten.IneinigenBerufenist
esdenUnternehmen2014besondersschwergefallen,Ausbildungsplätzezubesetzen:Dazuzäh-
lenHotel-undGaststättenfachmann/-frau(MisserfolgsquotebeiderBesetzungverfügbarerAus-
bildungsplätze2014:34,4%),Fachmann/-fraufürSystemgastronomie(27,0%),Fachverkäufer/-in
im Lebensmittelhandwerk (30,0%), Fleischer (27,4%), Bäcker (25,9%) und Klempner (28,2%)
(BIBB2015:49).IndiesenAusbildungsberufensindJugendlichemitMigrationshintergrundüber-
repräsentiert.Dasweistdaraufhin,dasssiebeiinsgesamtschlechterenEinmündungschancenin
eineAusbildungeheraufAusbildungsberufeverwiesensind,dieJugendlicheninsgesamtweni-
gerattraktiverscheinenunddiegenerellhöhereAbbruchquotenaufweisen.Daraufdeutetauch
derBefundhin,dassJugendlichemitMigrationshintergrundimDurchschnittmithöherenSchul-
abschlüssenindieseBerufsausbildungeneinmündenalsJugendlicheohneMigrationshintergrund
(Enggruber,Rützel2015:15).
NachdererfolgreichenAbsolvierungeinerBerufsausbildungsinddieChancenvonJugendlichen
mitundohneMigrationshintergrundaufEinstiegundVerbleibineinerqualifizierungsadäquaten
Erwerbsarbeitinetwagleich:ZweiJahrenachdemAbschlussistdas55ProzentderMigranten
und59ProzentderNichtmigrantengelungen(Beicht,Walden2014b:13f.).BeiGleichsetzungder
schulischenundsozialenVoraussetzungennivellierensichselbstdiesegeringenUnterschiede.
Fazit
ImErgebnisbleibtfestzuhalten,dasseineerfolgreicheBerufsausbildungdieBeschäftigungschan-
cenvonJugendlichenmitundohneMigrationshintergrundnivelliert.DieschlechterenChancen
Erstererberuhenzumeinendarauf,dassihreschlechterenschulischenAbschlüsseundsozialen
VoraussetzungeneineEinmündung indieBerufsausbildungverhindernbzw. inderBerufsaus-
bildungvererbtwerden.SiewerdendortnichtdurchNachteilsausgleicheoderausreichendwirk-
samebesondereFördermaßnahmenkompensiert.ZumanderenträgtdiedualeBerufsausbildung
möglicherweiseselbstvorallemdurchSelektionsprozessederAusbildungsbetriebezuweiteren
NachteilenfürAusbildungsanwärtermitMigrationshintergrundbei.
DiegeringereAusbildungsbeteiligungvonJugendlichenmitMigrationshintergrundführtschließlich
dazu,dassinderAltersgruppeder25-bis35-jährigenMenschenmitMigrationshintergrunddeut-
lichseltenerübereinenBerufsabschlussverfügen (2012:38,5%)als jeneohneMigrationshinter-
grund(2012:15,3%)(AGBB2014:235).InabsolutenZahlenhandeltessichhierumrundeineMil-
lionberuflichunqualifiziertejungeErwachsenemitMigrationshintergrund(Loeffelholz2014:25).
DieüberproportionaleZahlderMigrantenohneBerufsabschlusskorreliertmitihremhohenAr-
beitslosigkeitsrisiko.Seit2012wirdinderArbeitslosenstatistiknichtmehrnurzwischenInlän-
dern und Ausländern differenziert, sondern es wird auch der Migrationshintergrund erhoben.
2014lagdieArbeitslosigkeitvonMenschenohneMigrationshintergrundbei4,3Prozent,dievon
MenschenmitMigrationshintergrundbeirund8Prozent;daswareninsgesamtetwa642.000Er-
werbslose(Destatis2015c).
27
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
3.2 Flüchtlinge
DieAusführungeninKapitel2.2zeigen,dassessichbereitsimHinblickaufdenAufenthaltssta-
tusbeidenFlüchtlingenumeinehöchstheterogeneGruppehandelt.ImKernsinddabeidreiAus-
gangssituationenanzutreffen:
• „Aufenthaltsgestattung“währenddesAsylantragsverfahrens;
• „Duldung“aufderGrundlagespezifischerVoraussetzungen;
• „Aufenthaltserlaubnis“nacheinerAnerkennungalsAsylbewerberbzw.Flüchtling,dienach
dreiJahrenineine„Niederlassungserlaubnis“übergehenkann.
Der Aufenthaltsstatus ist eine wesentliche Rahmenbedingung für die mögliche Integration der
FlüchtlingemithilfeeinerBerufsausbildung.DiesgiltkeineswegsnurimrechtlichenSinne,son-
dernderAufenthaltsstatuskanninsbesondereaucheinehemmendeoderförderlichepsychische
Wirkungerzeugen.UngewissheitüberdenVerbleibinDeutschlandkannverunsicherndodergar
lähmendwirken,dieGewissheitübereineDuldungmindestensbiszumAusbildungsendeoder
dieerhalteneAufenthaltserlaubniskönnendemgegenüberneueMotivationundSelbstwirksam-
keitbegründen.
NachfolgendsolleneinigederzentralenFaktorenskizziertwerden,diefürdieEinschätzungder
AusbildungsvoraussetzungenvonjungenFlüchtlingenrelevantseinkönnen.Dabeiistzubeach-
ten,dassdieDatenlagezumeinensehrlückenhaftist,zumanderenaufgrundderrasantenBewe-
Abbildung 5: Bevölkerung nach Migrationsstatus und beruflichem Abschluss 2015 Angaben in Prozent
Ohne berufsqualifizierenden Abschluss Niedrig – Lehre o. Ä.
Mittel – Meister/Techniker/ Fachschulabschluss o. Ä. Hoch – Fach-/ Hochschulabschluss, Promotion
0 20 40 60 80 100
noch in schulischer/beruflicher Ausbildung, noch nicht schulpflichtig
hoch - Fachhochschulabschluss, Promotioon
mittel - Meister, Techniker…
niedrig - Lehre o ä.
ohne berufsq.Abschluss
Deutsche mit Migrations-hintergrund, aber ohne
eigene Migrationserfahrung
Ausländer ohne eigene Migrationserfahrung
Deutsche mit eigener Migrationserfahrung
Ausländer mit eigener Migrationserfahrung
Personen ohne Migrationshintergrund
Quelle: Destatis 2015 c: 34.
Noch in schulischer/beruflicher Ausbildung, noch nicht schulpflichtig
28
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
gungenindiesemBereichschnellveraltetseinkann.GleichwohlbieteteinesituativeBestandsauf-
nahmeeinenotwendigeGrundlagefürdieEntwicklunggeeigneterInterventionskonzepte.
Alter
UnterdenAsylerstantragstellern2014(insgesamt173.072;vgl.BAMF2015b:4)waren
• 55Prozentunter25Jahren;
• 27Prozentzwischen16und24Jahren;
• 28Prozentunter16Jahren;
• 81Prozentunter36Jahren(Brückeretal.2015b:4).
AufgrundderAltersstrukturkannbeidenFlüchtlingeneinhohesBildungs-undQualifizierungs-
potenzialvorausgesetztwerden.
Schulisches Bildungsniveau
DasBundesamtfürMigrationundFlüchtlinge(BAMF)erhebtdenBildungsstandaufderGrund-
lagefreiwilligerSelbstauskünfte.Unterden2015befragtenFlüchtlingenhattendemnach
• 13ProzenteineHochschule,
• 17,5ProzenteinGymnasium,
• 30ProzenteineSekundarschule(vergleichbarHaupt-undRealschule),
• 24ProzenteineGrundschuleund
• 8ProzentkeineSchule
besucht(Brückeretal.2015b:4).DasSpektrumderFlüchtlingereichtentsprechendvonHoch-
schulabsolventenbiszuAnalphabeten.
EsscheintdabeideutlicheUnterschiedederVorbildungjenachHerkunftslandzugeben.DerAr-
beitsmarktserviceÖsterreich(AMS)hatimzweitenHalbjahr2015dieAbschlüssevoninÖster-
reichAsylberechtigtenohneRepräsentativitäterfragt(n=898).FlüchtlingeausSyrien,demIran
undIraksinddemnachambestenqualifiziert:Eshaben29ProzentderSyrereineHZBund26
ProzentvonihneneinenHochschulabschluss,beidenIranernhaben43ProzenteineHZBund39
ProzenteinenStudienabschluss.BeideGruppensindmithinformalimDurchschnittbesserqua-
lifiziertalsÖsterreicher.Berufsbildungsabschlüssekönnenwenigerals20ProzentderSyrer,Ira-
nerundIrakervorweisen.GänzlichandersverhältessichbeidenafghanischenAsylberechtigten:
30ProzentvonihnenhabennochnieeineSchulebesucht,nur17ProzenthabeneineHZBund
nur7ProzenthabeneinStudiumabgeschlossen(AMS2016).AuchhierschlagensichdieAuswir-
kungeneinesüberJahrzehntedauerndenBürgerkriegsnieder.
Allerdingsistzubeachten,dassFlüchtlingemitSchulabschlusshäufignichtdasKompetenzniveau
erreichen,mitdemAbsolventeninDeutschlandihreSchulzeitabschließen.SoführtWößmannauf
derGrundlagederErgebnisseausdeninternationalenSchulleistungsstudienPISAundTIMSSvon
2011aus,dassbeispielsweise65Prozentder15-JährigeninSyriennichtdasuntersteNiveauder
Grundkompetenzenüberschreiten(gegenüber16%inDeutschland).Darausfolgerter,dasssyrische
29
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
AchtklässlerimDurchschnittfünfSchuljahregegenüberdendeutschenSchülernhinterherhinkten
(Wößmann2015).EntsprechendforderterfürdieSchulabsolventenausdiesenLändernteilqualifi-
zierendeAusbildungenmitderMöglichkeit,dieseineineVollausbildungauszuweiten.
Berufliche Qualifikationen
AusdenbeidenWellenderIAB-SOEP-Migrationsstichprobe2013und2014zeigensichfürAsylsu-
chendeundandereMigrantengruppenzumZeitpunktdesZuzugsdiefolgendenRelationen(Fen-
delundRomiti2016:17):
Asylsuchende Andere Migrantengruppen
Kein Berufsabschluss 70 % 57 %
Mittlerer Berufsabschluss 16 % 25 %
Höhere Abschlüsse (Universität, Fachhochschule) 14 % 18 %
InsgesamtisthinsichtlichderberuflichenQualifikationenfestzustellen,dassnureinkleinerTeil
der Flüchtlinge so ausgebildet ist, dass er unmittelbar in den Arbeitsmarkt integriert werden
könnte.Lauteiner2014durchgeführten,nichtrepräsentativenBefragunghatten24Prozentder
AsylbewerberundFlüchtlingeeineBerufsausbildungabgeschlossen.RundzweiDrittelverfügten
hingegenüberkeineabgeschlosseneBerufsausbildung(Brücker2015a:9;LawaetzStiftung2015).
Diesmusseinerseitsnichtbedeuten,dassdieseGruppeüberkeinerleiberuflicheQualifikationen
verfügt.DainvielenHerkunftsländernformaleBerufsbildungsabschlüssenichtodernurmargi-
Abbildung 6: Höchste abgeschlossene Ausbildung von Asylberechtigten in Österreich Angaben in Prozent
0
20
40
60
80
100
aus Afghanistanaus SyrienAnerkannte Flüchtlinge
7
17
2
25
20
30
26
29
13
25
7–1
23
27
11
20
9
10
PflichtschuleGrundschuleKeine Schulbildung
Quelle: AMS 2016.
StudiumMaturaBerufausbildung
30
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
nalexistieren,könnenentsprechendeQualifikationeninformellerworbenwordensein(z.B. im
Familienbetrieb,durch informelleBeistelllehreoder imRahmenvonGelegenheitsbeschäftigun-
gen).Andererseitsist–wieschonbeidenSchulabschlüssen–zuberücksichtigen,dassdieQuali-
fikationenunterUmständenineinemArbeitskontexterworbenwordensind,derimHinblickauf
daskognitive,technologischeundorganisatorischeNiveaunurbedingtmitdenGegebenheitenin
Deutschlandvergleichbarist.
Sprachkompetenzen
DeutscheSprachkompetenzensindinderRegelbeidenFlüchtlingenundAsylbewerbernnicht
vorhanden.EinkleinerTeilvonihnenverfügtüberEnglisch-oderFranzösischkenntnisse.DerEr-
werbvonSprachkompetenzenwirdweithinalseinezentraleVoraussetzungfürdieTeilhabeund
IntegrationinBildungundAusbildungverstanden.
Motivationsaspekte
AuchdiebestehendenErkenntnisseüberdieLernmotivationundErwartungenderjugendlichen
FlüchtlingelassensichnichtdurchsystematischeUntersuchungenabstützen,sondernsieberu-
henaufanekdotischenEvidenzenundpunktuellenBeobachtungendesschulischenLernverhal-
tens.HäufigwirddabeivoneinerhohenLernmotivation,hohenBildungsaspirationundambitio-
niertenBeschäftigungserwartungenberichtet(ISB2015:26).Relativierendkannbeidenjungen
FlüchtlingennochdieFluchterfahrungunddiemitihrverbundenelängereZeitohneschulische
Lernpraxis wirken. Hinsichtlich der Bildungsaspirationen können die aus den Heimatländern
übernommenenPräferenzenfüreinStudiumunddiekorrespondierendeNachordnungeinerbe-
ruflichenAusbildungdominieren.
Psychosoziale Belastungssituation
NahezualleFlüchtlingehabenvorundwährendderFluchtsehrbelastendeErfahrungensammeln
müssen.Siewaren in ihrenHerkunftsländernundaufderFluchtextremenLebenssituationen
ausgesetzt.DazuzählenbeispielsweiseeigeneFoltererfahrung,Hunger,dergewaltsameVerlust
engerAngehörigersowielebensgefährlicheFluchtwegezuLandoderzuWasser.„SolcheSituati-
onenüberstandenzuhaben,kann–sobetreuendeExperten–vonhoherpsychischerundphy-
sischerStärkezeugen.SiekönnenaberauchposttraumatischeErkrankungennachsichziehen,
derenTherapiedasAsylbewerberleistungsgesetzzumindestindenerstenvierJahrenkaumzu-
lässt.DieskanndieberuflicheIntegrationzusätzlicherschweren“(Schreyeretal.2015:6).
NebendiesenFluchtnachwirkungensindgeradediejungenFlüchtlingeinihreraktuellenSitua-
tionsozialenundpsychischenSituationenausgesetzt,diefürLernenundAusbildungsehrhinder-
lichseinkönnen.DiedurchihrenAufenthaltsstatusbedingteUnsicherheitundOrientierungslo-
sigkeit,diedamitverbundenenZukunftsängste,diefehlendenLern-undRückzugsmöglichkeiten
indenFlüchtlingsunterkünften,aberbeieinigenauchdiedurchdieTrennungvonFamilieund
31
Voraussetzungen für die Integration von Migranten in Ausbildung und Beruf
AngehörigenausgelöstenDruck-undEinsamkeitsgefühlekönnenmarkanteLeistungsabfällemit
sichbringen.Kopf-undBauchschmerzen,Konzentrationsschwierigkeiten,Schlafstörungenbishin
zupsychogenenAnfällenundposttraumatischenBelastungsstörungensindmöglicheSymptome
dieserSituation(ISB2015).JenseitsderfachlichenSeitegehtesinderpädagogischenArbeitmit
denjungenFlüchtlingendaherauchdarum,ihnenneueOrientierung,Stabilität,Zuversichtund
Selbstwirksamkeitzuvermitteln.
Vor dem Hintergrund dieser skizzenhaft beschriebenen Ausgangslage wundert es kaum, dass
fürdiesozialeundberuflicheIntegrationvonjungenFlüchtlingenlangeZeiträumegeplantwer-
denmüssen.AusdenDatenderIAB-SOEP-Migrationsstichprobeergibtsich,dassdieIntegration
vonfrüherenKohortenvonFlüchtlingendeutlichspäteralsdievonanderenGruppenvonZuwan-
dererngelungenist:AuchzehnJahrenachZuzuglagihreBeschäftigungsquotenoch14Prozent-
punkteunterderandererMigranten.Dabei fälltbesondersauf,dasssieweitüberproportional
inSektorenmithohenAnteilenniedrigqualifizierterTätigkeitbeschäftigtwaren(IAB2015:9).4
4 DerAnteilderbeschäftigtenAusländerausKriegs-undKrisengebieten,dieimHotel-undGaststättengewerbetätigsind,liegtbei25Prozent(alleBeschäftigte:4%),in„sonstigenwirtschaftlichenDienstleistungen“bei22Prozent(alleBeschäftigte:8%)(IAB2015:9).
32
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
4 Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
4.1 Überblick
AusPerspektivederBerufsbildungzeigtsicheineheterogeneAusgangslage,sowohlimHinblick
aufden rechtlichenAufenthaltsstatusals auchaufdie individuellenAusbildungsvoraussetzun-
genderunterschiedenenGruppen.ZwischendeneinheimischendeutschenJugendlichen,denbe-
reitsinDeutschlandlebendenJugendlichenmitMigrationshintergrundunddenFlüchtlingenmit
einemgesichertenoderungesichertenAufenthaltsstatusbestehenmarkanteUnterschiede.
AufdieseUnterschiedekannim(Berufs-)BildungssystemaufgrundsätzlichverschiedeneArtre-
agiertwerden:
• EineOptionistdieseparateBehandlung–Beschulung,Betreuung,Ausbildungsvorbereitung,be-
trieblicheAusbildungundArbeitsvermittlung–vonFlüchtlingenundmöglicherweiseauchAr-
beitsmigranten.DieseOptionwirdderzeitinderPraxisoftgewählt.BeiIntegrationskursenund
fürdieerstenSchrittebeimSpracherwerberscheintdasangebracht.Beidarüberhinausgehen-
denBildungsmaßnahmenerfolgteineSeparierungderzeitnochvorallemdeshalb,umdiemo-
mentanenormgroßeZahljungerFlüchtlingeimBerufsbildungssystembewältigenzukönnen.
• EineandereOptionistdiegemeinsameBeschulungundAusbildungvonFlüchtlingen,Jugend-
lichenmitMigrationshintergrundundeinheimischen Jugendlichen imRegelsystemmitbe-
darfsspezifischenZusatzangeboten:SobesuchendannetwaFlüchtlingediegleichenTypen
vonMaßnahmenzurAusbildungsvorbereitungunddiegleichenBerufsschulklassenwiean-
dereGruppen.DieserfordertKonzepteeinerinnerenDifferenzierungundbegründetHeraus-
forderungenaneineIndividualisierungvonUnterrichtundpraktischerAusbildungsowiean
dieBewältigungmöglichersozialerundkulturellerDifferenzenundKonflikte,kannabermög-
licherweiseschnellerzurberuflichenIntegrationundzumErwerbausreichenderSprachkom-
petenzenbeitragen.
Trotz der bestehenden Unterschiede erscheint es für die Integration in Ausbildung und Beruf
daherbedeutsam,einerseitsdieunterschiedlichenGruppennichtgegeneinanderauszuspielen,
sieandererseitsinbestimmtenBereichenauchmitgemeinsamenundvergleichbarenBedürfnis-
senundFörderbedarfenzuverstehen.SchonimkonzeptionellenAnsatzderFördermaßnahmen
istdaherdaraufzuachten,keineSondersystemeundkeineSeparierungenzuetablieren,sondern
weitestmöglichdiebestehendenInstrumentedesRegelsystemszuverwenden.
NachfolgendwerdenzunächstdieerstenReaktionenderBerufsbildungaufdieHerausforderun-
genderumfangreichenFlüchtlingszuwanderung inausgewähltenBundesländernskizziertund
danneinzelneFörderbereichegenaueridentifiziertunddetaillierterörtert.EsschließensichDar-
stellungeneinigerbestehenderProgrammeundFördermaßnahmenan.
33
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
4.2 Programme und Maßnahmen
Erste berufsbildungspolitische Reaktionen auf die Flüchtlingswelle in den Bundesländern
ImBundeslandHamburgwurdendieKonzepteundErfahrungenderdualisiertenAusbildungsvor-
bereitung(AvDual)aufgenommenundandieBedingungenderMigrantenadaptiert.DieseAdap-
tionenwerdenaktuellentwickeltunderprobt.ImEinzelnenwerdendreiAngeboteunterschieden:
• DasAngebotderBerufsvorbereitungfürMigrantinnenundMigranten(BVJM)mitgesicher-
tem Aufenthaltsstatus richtet sich an schulpflichtige Jugendliche, die den Anforderungen
einerBerufsausbildungvorallemwegenfehlenderDeutschkenntnissenochnichtgewachsen
sind.
• DasAngebotderVorbereitungsmaßnahmenfürMigrantinnenundMigranten(VJ-M)besteht
für zugewanderte berufsschulpflichtige Jugendliche ohne hinreichende Deutschkenntnisse,
diekeinengesichertenAufenthaltsstatushaben.
• IndemPilotprojekt„DualisierteAusbildungsvorbereitungfürMigrantinnenundMigranten“
(Av-M)wirdeindualisiertesBildungsangebotmitintegrierterSprachförderungambetriebli-
chenLernorterprobt.
ImPilotprojektAv-MsolleinBildungsgangmitUnterstützungvonbetrieblicherIntegrationsbe-
gleitungundintegrierterbetrieblicherSprachförderungerprobtwerden,dersichandenGrund-
prinzipienderdualisiertenAusbildungsvorbereitung(AvDual)orientiert.Eswirdbewusstdarauf
abgehoben,keineseparierendenSondermaßnahmeneinzuführen,sondernbestehendeKonzepte
inangepassterFormeinzusetzen.
„UmdieJugendlichenmöglichstausbildungsnahzuqualifizieren,wirddieAv-MineinemGanz-
tagskonzept (7,5 Std. am Tag) durchgeführt. Ein heterogenes Pädagogenteam aus Berufsschul-
lehrerinnenund -lehrernsowiebetrieblichenIntegrationsbegleiterinnenbzw. -begleitern ist für
dieAv-Mverantwortlich.DiegemeinsameAusbildungsvorbereitungvonberufsbildendenSchulen
undTrägernermöglichteinenGanztagsbetrieb.DurchdieEinbeziehungderbetrieblichenIntegra-
tionsbegleitungwirddieBegleitungqualitativundquantitativerheblichverbessert“(HIBB2015).
AndemProjektnehmen180neuzugewanderte, schulpflichtigeFlüchtlingemit oder ohnege-
sicherten Aufenthaltstitel teil, sofern ihr Lebensunterhalt unabhängig von Bezügen durch das
BAföGalsgesichertgilt.DieVerweildauerrichtetsichnachdemindividuellenEntwicklungspro-
zessderJugendlichen,siesollmaximaldreiJahredauernkönnen.DieQualifizierungszeitenim
Betriebumfassenmaximal15StundenproWoche.
ImBundeslandBaden-WürttembergwurdensogenannteVABO-Klassen(VorbereitungsjahrAr-
beitundBerufohneDeutschkenntnisse) indenberuflichenSchuleneingerichtet.DasVABhat
34
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
dasZiel, den JugendlicheneineberuflicheOrientierungundersteberufsbezogeneFähigkeiten
undFertigkeiteninbiszudreiBerufsfeldernzuvermitteln,wiezumBeispielMetalltechnik,Elek-
trotechnik, Holztechnik, Bautechnik, Ernährung und Hauswirtschaft, Körperpflege sowie Wirt-
schaftundVerwaltung.AußerdemhilftesdenjungenLeuten,konkreteberuflicheAnforderungen
kennenzulernen, ihrepersönlichenVorliebenherauszufindenund ihre individuellenLern-und
Leistungsfähigkeiten einzuschätzenund zu verbessern. EineBesonderheit desVAB ist derAr-
beitsfeldunterricht,indemumfassendTheorieundPraxismiteinanderverbundensindunddas
„LearningbyDoing“imVordergrundsteht.NebenderberuflichenOrientierungsollendieMig-
rantinnenundMigrantenindenVABO-KlassensprachlichnachzweiJahrendasB2-Niveauerrei-
chen.DerErwerbderSprachkompetenzenerfolgtdabeiinhohemMaßeberufsbezogen.
Im Bundesland Berlin können nicht mehr schulpflichtige Jugendliche ohne Schulabschluss und
ohneAusbildungsverhältniseinenberufsqualifizierendenLehrgangbesuchen,indemnebeneiner
erweitertenAllgemeinbildungdurchdieVermittlungberuflicherGrundkenntnissedieVorausset-
zungen füreineBerufsausbildungverbessertwerdensollen. JugendlicheohneAusbildungsplatz,
abermit„erweiterterBerufsbildungsreife“könnendieeinjährigeBerufsfachschulebesuchenund
erhaltendorteinefachbezogeneGrundbildungzurAusbildungsvorbereitung.„Jugendliche,diemin-
destensdieBerufsbildungsreifehabenundkeinenAusbildungsplatzerhaltenhaben,sindberech-
tigt, eine mehrjährige Berufsfachschule zu besuchen, die zu einem schulischen Berufsabschluss
oderzueinemAbschlussentsprechenddemBerufsbildungsgesetzführt“(Berlin2015:27).
ImBundeslandBayernwirdfürberufsschulpflichtigeAsylbewerberundFlüchtlingeeinzweistu-
figesschulischesKonzeptverfolgt.WährendderSchwerpunktimerstenJahraufdemSpracher-
werbliegt,zielterimzweitenJahraufdenErwerbder„Ausbildungsreife“(ISB2015:14).Zudem
wirdnachdiesenbeidenJahrenderErwerbdesMittelschulabschlussesangestrebt(ISB2015:19).
EbenfallsinBayernwerdenmitdemProgramm„IdA–IntegrationdurchAusbildungundArbeit“
AsylbewerberundFlüchtlingeinallenRegierungsbezirkenBayernsbeiderAusbildungseinmün-
dungundArbeitsmarktintegrationunterstützt.ImProjekt„IdABayernTurbo“werden1.000ju-
gendlicheFlüchtlingeundAsylsuchende,dieeinehoheBleibewahrscheinlichkeithabenundauf-
grundihrergutenVorbildungfüreineAusbildunginfragekommen,innerhalbvonsechsMonaten
unter anderemmitSprachförderungenundPraktikaauf eineAusbildungvorbereitet.Mitdem
Projekt„IdASprungbrett“betreibenVerbändeeineOnline-Praktikumsbörsefürschulbegleitende
PraktikaimzweitenJahrderBeschulung,diesichanberufsschulpflichtigeFlüchtlingeundAsyl-
suchenderichtet.MitdemTeilprojekt„IdAKompetenzCheck“werdenbereitsvorhandeneberufli-
cheKompetenzenerfasst;dabeigehteszunächstumdieBerufsdomänenMetall,Elektro,Logistik
sowieGarten-undLandschaftsbau.Die„IdAFachqualifizierung“nutztdasInstrumentderTeil-
qualifizierungfürBeschäftigtebiszueinemmöglichenBerufsabschluss.Flüchtlinge,dieaneiner
Teilqualifizierungteilnehmen,erhaltennebenderWeiterbildungaucheinebegleitendeSprach-
förderung.DerWorkshop„IdAAusbilderqualifizierung“schultbetrieblicheAusbilderfürdieUn-
terstützung jugendlicher Flüchtlinge. Das Projekt „IdA Beschäftigungschancen“ richtet sich an
jugendlicheFlüchtlingeohneSchulabschluss.SiewerdenübereinebetrieblicheOrientierungs-
35
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
phaseundeinespezifischeQualifizierungsoptioninUnternehmenderMetall-undElektroindus-
trieaufeineAusbildungodereinenArbeitseinstiegvorbereitet.DasProgrammIdAwirdgetragen
vomBayerischenStaatsministeriumfürArbeitundSoziales,FamilieundIntegration,vomBayeri-
schenStaatsministeriumfürWirtschaftundMedien,EnergieundTechnologie,derRegionaldirek-
tionBayernderBundesagenturfürArbeitundderVereinigungderBayerischenWirtschafte.V.
(vbw).EswirddurchgeführtvomBildungswerkderBayerischenWirtschaft(bbw).
Programme auf Bundesebene
Die unzureichende Ausbildungsquote von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bildet den
Ausgangspunktdafür,dasssowohlbeim„NationalenPakt fürAusbildungundFachkräftenach-
wuchs2010–2014“wieinderaktuellen„AllianzfürAus-undWeiterbildung“dasThema„Migra-
tionundBerufsbildung“einenbesonderenRangeinnimmt.DabeigehtessowohlumeineVerbes-
serungderDatenlagealsauchumgleichberechtigteTeilhabemöglichkeitenvonJugendlichenmit
MigrationshintergrundanberuflicherBildung(Integrationsbericht2014:127).
EineReihevonProgrammenundInitiativenzieltdabeinichtexplizitaufMigranten,erreichtsie
aberüberproportional,weilsieindenjeweilsangesprochenenZielgruppenbesondersstarkver-
tretensind.
• Die Initiative „Abschluss und Anschluss – Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss“
dient der präventiven und ganzheitlichen Sicherung des Bildungserfolgs von Jugendlichen
unddersukzessivenSchaffungeinerstrukturiertenundkohärentenFörderpolitikvonBund
undLändernimÜbergangsbereich.SchwerpunktederInitiativesindfrühePotenzialanalysen
undBerufsorientierungabden7.JahrgangsstufenderallgemeinbildendenSchulensowieeine
ganzheitlichebedarfsgerechteFörderungbiszumAusbildungsabschluss(Integrationsbericht
2014:129).DieInitiativeerreichtinhohemMaßeJugendlichemitMigrationshintergrundund
schwächerenschulischenLeistungen.
• DieBerufseinstiegsbegleitungzieltebenfallsnichtausdrücklichundausschließlichaufSchü-
lermitMigrationshintergrund,erreichtsieaberüberwiegend.Dieses Instrumentwurde in-
zwischendurch§48SGBIIIverstetigt.
• Weiterwurdenvon2011bis2015vomBMBFmehrereModellversucheunterdemTitel„Neue
WegeindiedualeAusbildung–HeterogenitätalsChancefürdieFachkräftesicherung“initi-
iert,derenErgebnissevorallemdieFörderungvonMigranteninderBerufsbildungbetrafen.
• MitderInitiative„Jugendstärken“zieltdasBundesministeriumfürFamilie,Senioren,Frauen
und Jugendauf einebessere Integrationbenachteiligter Jugendlicherund Jugendlichermit
Migrationshintergrund.DasProgrammverknüpftAngeboteindividuellersozialpädagogischer
BeratungundBegleitungmitProjektenzurStärkungjungerMenschen,vondenenauchdas
Wohnumfeldprofitierensoll(BMFSFJ2015;Integrationsbericht2014:132).
36
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
WeitereProgrammedienenunmittelbarderFörderungderberuflichenBildungvonJugendlichen
mitMigrationshintergrund:
• DasBMBFhatsichmitden„KoordinierungsstellenAusbildungundMigration–KAUSA“im
RahmendesProgramms„Jobstarterplus“diebesondereFörderungvonJugendlichenmitMi-
grationshintergrundinderBerufsbildungzumAnliegengemacht.ZieledesProgrammssind
dieGewinnungvonmehrUnternehmerinnenundUnternehmernmitMigrationshintergrund
fürdieBerufsausbildung,einehöhereAusbildungsbeteiligungvonJugendlichenmitMigrati-
onshintergrundundeinebessereInformationihrerElternüberdieberuflicheBildung.2014
bestandeninsechsRegionenmithohemMigrantenanteil(Augsburg,Berlin,Dortmund,Köln,
NürnbergundStuttgart)KAUSA-Servicestellen.WeiteresiebenServicestellensollennochge-
fördertwerden(BMBF2015:6).DieAngebotevonKAUSAbedürfenmöglicherweisenocheiner
besserenVerzahnungmitgleichgerichtetenAngebotenderBundesländer.
• Von2008bis2015fördertedasBMASmitnationalenMitteln(37,5Mio.Euro)undESF-Mit-
teln(57Mio.Euro)einProgrammzur„arbeitsmarktlichenUnterstützungfürBleibeberechtigte
undFlüchtlingemitZugangzumArbeitsmarkt“.DabeigehtesauchumdieIntegrationindie
Ausbildung.DasProgrammsetztinbisher550EinzelprojektenaufdieBeratungvonJugend-
lichenundErwachsenenmitMigrationshintergrundundaufdieEinbindungvonMultiplikato-
renausPolitik,VerwaltungundWirtschaft(BMBF2015:76).
NebendenProgrammenzurFörderungderBerufsbildungbereitsinDeutschlandlebenderZuwan-
dereroderihrerKindersindProgrammezuerwähnen,dieaufdieFörderungderZuwanderung
indieAusbildungzielen.ZwarhatdieBildungsmigrationindieberuflicheAusbildunggegenüber
derineinStudiumeinendeutlichgeringerenUmfang,nimmtaberzuundwirdauchzunehmend
übernationalesowieeuropäischeProgrammegefördert.SolcheProgrammezielenaufeinendop-
peltenNutzen:ZumeinensollensiejungenMenschenohnerealistischeChanceaufeineberufli-
cheQualifizierunginihremHerkunftslandübereineAusbildunginDeutschlanddenGrundstein
füreineberuflicheKarrierelegen.ZugleichsollensiefürEntlastungenaufdeminländischenAus-
bildungsmarktsorgenundbestehendeEngpässeinderFachkräfteversorgungüberwindenhelfen.
Dasmitmehrals500Mio.EuroAusstattungumfangreichsteundprominentesteProgrammdie-
serArtstelltdas2013vonderBundesregierunginLebengerufeneSonderprogrammzur„Förde-
rungderberuflichenMobilitätvonausbildungsinteressiertenJugendlichenundarbeitslosenjun-
genFachkräftenausEuropa(MobiPro-EU)“dar,dasexplizitundunmittelbarderFörderungder
ZuwanderungvonpotenziellenAuszubildendenausEU-StaatennachDeutschlanddient.
37
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
4.3 Bausteine zur Bewältigung der heterogenen Herausforderungen
DieindividuellenAusbildungsvoraussetzungenvonFlüchtlingen,MigrantenundderenKindern
erfordern differenzierte Konzepte. Wie beispielsweise die Hamburger Ansätze zeigen, können
dieseKonzeptezumTeilaufdenAnsätzenimUmgangmitJugendlichenimÜbergangssektorauf-
bauen,zumTeilmüssendieseabererweitertundandiespezifischenBedingungendereinzelnen
Zielgruppenadaptiertwerden.DabeikönnenineinemPhasenmodellfolgendeMaßnahmentypen
zugeordnetwerden:
Phase Maßnahmentypus kontinuierlich
vor der Berufsausbildung
Grundlegende Sprachförderung, Integrationskurse, digitale Medienangebote
Spra
chku
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Profiling
Berufsorientierung
Kompetenzfeststellung
Ausbildungsvorbereitung, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB), Einstiegsqualifizierungen (EQ)
Berufsausbildung
Schaffung staatlicher Ausbildungsangebote
Neue Wege in eine abschlussbezogene Berufsausbildung (z. B. über Teilqualifikationen)
Anpassung und Nutzung von Unterstützungsstrukturen: u. a. Berufseinstiegsbegleitung, ausbildungsbegleitende Hilfen, assistierte Ausbildung, Mentoringkonzepte
Übergang in Beschäftigung
NichtalledieseMaßnahmenbedürfeneinerbesonderenAusprägungfürFlüchtlingeoderJugend-
liche mit Migrationshintergrund. Im Sinne eines inklusiven Grundansatzes der Berufsbildung
solltendiesesoweitwiemöglichvonRegelangebotenerfasstwerdenundnurdabesondersbe-
handeltwerden,woihrbesondererBedarfeigenständigeoderergänzendeMaßnahmenbegrün-
det.ImKernsinddabeivorallemimweitestenSinneausbildungsvorbereitendeMaßnahmenan-
gesprochen.Esgehtdaherum
• dieFörderungdeutscherSprachkompetenz,
• ProfilingimSinneeinerPotenzialdiagnosederAusgangsvoraussetzungen,
• Berufsorientierung,
• dieFeststellung,AnerkennungundAnrechnungvorhandenerberuflicherKompetenzenfürdie
Berufsausbildungsowieum
• dieAusbildungsvorbereitungunddenÜbergangineineBerufsausbildung.
5 „DeutschalsZweitsprache“(DaZ)bezeichnetdenSpracherwerbinnerhalbderdeutschenZielkulturfürSprachlerner,fürdiediedeutscheSprachkompetenzeinewesentlicheRollebeiderLebensgestaltungspielt.„DeutschalsFremdsprache“(DaF)bezeichnetdenErwerbdesDeutscheninnerhalbdesHerkunftssprachraums.EinsprachigerUnterrichtmeintdieVermittlungüberwiegendinderZweitsprache,zweisprachigerUnterrichtdieVermittlunginderErst-undderZweitsprache(Kniffka,Siebert-Ott2007).
38
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
ImFolgendenwirdnichtstriktundgrundsätzlichzwischenFlüchtlingen,Ausbildungsmigranten
undJugendlichenmitMigrationshintergrund,aberohneeigeneMigrationserfahrungunterschie-
den.DiejungenFlüchtlingevonheutesinddieJugendlichenmitMigrationshintergrundvonmor-
gen:InsofernkannausdenErfolgenundMisserfolgenderberuflichenIntegrationvergangener
ZuwandererwellenaufdieWirksamkeitvonInstrumentengeschlossenwerden,dieheutezumEin-
satzkommensollen.
Förderung der (berufsbezogenen) Sprachkompetenzen
DieBeherrschungderdeutschenSpracheisteinewesentlicheVoraussetzungeinerdauerhaf-
tenIntegrationinDeutschland.InanderentraditionellenEinwanderungsländern–wiezum
BeispieldenUSAmitdezidierten,überdieHerkunftvonEinwandererndefiniertenCommu-
nities– relativiert sichdieNotwendigkeit desErwerbsder Landessprache, inDeutschland
abersindguteDeutschkenntnisseeineunabdingbareVoraussetzung:DeutschistdieUnter-
richtsspracheinSchuleundAusbildungunddieallgemeinüblicheAlltagssprache.DerGrad
derSprachbeherrschungkorreliertmitanderenSchlüsselkompetenzen,diedergesellschaftli-
chenIntegrationdienen(Rammstedt2013:116).NachdemdieerstePISA-Studie2001denZu-
sammenhangzwischenBildungserfolgundSprachhintergrundverdeutlichthatte,wurdeins-
besonderedieSprachförderungvonJugendlichenmitMigrationshintergrundintensiviert.In
jüngerenPISA-StudienzeigensichderenLeistungenzwardeutlichverbessert,dochbesteht
unveränderteinüberproportionalhoherAnteilvonJugendlichennichtdeutscherHerkunfts-
sprache,diedasMindestniveaufüreinesozialeundkulturelleTeilhabenichterreichen.
EinwesentlichesInstrumentdesSpracherwerbsfürZuwandererstellenseitderVerabschie-
dung des Zuwanderungsgesetzes 2005 „Integrationskurse“ dar, die das BAMF fördert. Zu-
wandererhabenprinzipiellerstnachErteilungeinerAufenthaltserlaubnisAnspruchaufden
BesucheinesIntegrationskurses.DieKursesindfernergeöffnetfürspezifischeGruppenvon
Flüchtlingen,sobeispielsweiseFlüchtlingeausHerkunftsländernmiteinerhohenAnerken-
nungsquote(derzeit:Eritrea,Irak,Iran,Syrien).Zuwanderersindnach§44azurTeilnahme
verpflichtet,wennsieeinenAnspruchaufTeilnahmehabenund„sichnichtzumindestauf
einfacheArt indeutscherSpracheverständigen“können,wennsieLeistungennachSGBII
beziehenoderwenndieAusländerbehördesiein„besondererWeise“fürintegrationsbedürf-
tighält.
Die Integrationskurse bestehen aus Orientierungskursen mit 60 Unterrichtsstunden und
Sprachkursenmit600UnterrichtsstundenDeutsch,diebiszurStufeB1des„Gemeinsamen
EuropäischenReferenzrahmensfürSprachen“6führen.Sieschließenmitdem„Deutsch-Test
fürZuwanderer“(DTZ)ab.DessenPrüfungsinhaltehebenimUnterschiedzuüblichenFremd-
sprachentests besonders auf interkulturelle Kompetenzen ab (Kniffka 2010). Von 2005 bis
6 DerGemeinsameEuropäischeReferenzrahmen(GER)fürSprachengliedertsichinsechsStufenvonA1(Anfänger)bisC2(Exper-ten).DieGrobskalaunterscheidetweiterhindiefolgendenSprachniveaus:elementareSprachanwendung(A1undA2),selbststän-digeSprachanwendung(B1undB2)undkompetenteSprachanwendung(C1undC2)(http://www.europaeischer-referenzrahmen.de/sprachniveau.php).
39
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
zum 1. Quartal 2015 haben 1,61 Mio. Menschen an den Integrationskursen teilgenommen,
davon2014knapp40Prozentverpflichtet(BAMF2015:2f.).
Eswirdauchdaraufhingewiesen,dassdieIntegrationsangebotenichtalleinaufdasErlernen
derdeutschenSprachebeschränktbleiben.„Esmüsseninsbesondereauchdiegrundsätzli-
chen Werte unserer Gesellschaft vermittelt werden. Dazu zählen z.B. auch kulturelle Um-
gangsformenoderdassbeispielsweiseFraueninDeutschlandselbstverständlichamErwerbs-
lebenteilnehmen“(BDA2015:5).
DieSprachförderungbesitztindenMaßnahmenfürAsylbewerberundFlüchtlingederBundes-
ländereinenhohenStellenwert:Allein2015konnten100.000Asylbewerberdaran teilnehmen.
AllerdingsenthältdasimOktober2015beschlosseneAsylverfahrensbeschleunigungsgesetzdie
Regelung,dassdieKurseAsylbewerbern„mitguterBleibeperspektive“–dassindsolcheausHer-
kunftsländernwieSyrien,Eritrea,IrakundIranmiteinerAnerkennungsquotevonüber50Pro-
zent–vorbehaltenseinsollen.Anderen–zumBeispielderzeitAsylbewerbernausAfghanistan
miteinerAnerkennungsquotevon47Prozent–stehendieKurseerstoffen,nachdemsiealsAsyl-
berechtigteanerkanntwurden.DieseEinschränkungstößtaufKritik.Sowirdgefordert,Sprach-
kurseaufderGrundlageindividuellerBleibeperspektivenstattnachHerkunftsländernderZuwan-
dererzuöffnen.
Abbildung 7: Ausgestellte Teilnahmeberechtigungen für Integrationskurse von 2005 bis QI 2015Angaben in Prozent
Teilnahmeberechtigung mit freiwilliger Teilnahmemöglichkeit Teilnahmeverpflichtung
Quelle: BAMF 2015: 3.
0
25.000
50.000
75.000
100.000
125.000
150.000
175.000
200.000
225.000
1. Quartal 2015
2014201320122011201020092008200720062005
38.69656,1 %
131.44962,2 %
105.90163,2 %
71.54155,8 %62.439
52,1 %52.65645,6 %
82.23256,3 %
92.20759,3 %80.478
56,8 %78.75554,9 %
151.22870,1 %
30.34143,9 %
79.87237,8 %61.615
36,8 %56.63044,2 %
57.39047,9 %
62.77154,4 %
69.70243,7 %
63.29740,7 %
61.11343,2 %
64.63745,1 %
64.42729,9 %
40
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
In vielen Bundesländern werden derzeit schulische Angebote für „Deutsch als Zweitsprache“
(DaZ)imeinsprachigenUnterrichtausgeweitet.MeistfolgendiesedemdidaktischenPrinzipder
Submersion:DiezugewandertenSchülererlernenDeutschdurchgemeinsamesLernenunddurch
denausschließlichenGebrauchdesDeutschen; dieDozenten sprechenausschließlichDeutsch.
AnSchulenmithohemMigrantenanteilwirddieSubmersiondurchergänzendedezidierteDaZ-
Sprachkurseunterstützt,die zurTeilnahmeamdeutschenRegelunterrichtbefähigensollen. In
denberufsschulischenAngebotenistdieSprachförderungteilweiseberufsbezogenausgerichtet.
EngpässebeiDeutschkursen–sowohlbeiIntegrationskursenwiebeischulischenAngeboten–
ergebensichderzeitwenigerwegen finanziellerRestriktionen,sondernvielmehraufgrundder
mangelndenVerfügbarkeitqualifizierterDozentenfür„DeutschalsZweitsprache“,selbstbeiaus-
schließlicheinsprachigemUnterricht.DaherwirdesinnächsterZukunftauchdarumgehen,alter-
nativeundergänzendeModelleundPrinzipiendesSpracherwerbszurunterrichtlichenVermitt-
lungzuerprobenundbeiErfolgbreitzuetablieren:
• ZumeinenistausderFremdsprachendidaktikbekannt,dasseinedereffizientestenFormen
desErwerbsmündlicherSprachkompetenzdieTeilnahmeandeutscherAlltagskommunika-
tiondarstellt:DerSpracherwerberfolgtenpassantundnichtodernichtalleindurchformale
Arrangements.DasistfürZuwandereroderFlüchtlingeallerdingsschwerzurealisieren.Sam-
melunterbringungen, teilweise Residenzpflichten und eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten
verringerndeutschsprachigeKommunikationsmöglichkeiten.AusdiesemGrundistzuüber-
legen,obundwiezueinemfrühenZeitpunktnacherstenLernschritteninSprachkursenwei-
tererSpracherwerbdurchfamiliäre,soziale,schulischeundbetrieblicheIntegrationgefördert
werdenkann–alsoweitgehendeSprachbeherrschungnichtalsVoraussetzung,sondernauch
alsFolgevongelungener Integrationverstandenwird.DamitderErwerbdesDeutschen in
derAlltagskommunikation ausreichendgelingt, bedarf es allerdingsder Information,Bera-
tungundUnterstützungsowohlderLerneralsauchihresUmfelds.Sprachlernensolltesich
aufHandlungsfelderbeziehen,diefürdieLernendenwichtigsind.Einesolchealltagssituative
SprachförderungnimmtdiesprachlichenKontexteauf,indenensichdieLernendenbefinden.
IndiesenKontextenwerdenderrelevanteWortschatz,grundlegendeGrammatikundKonver-
sationspraktikenaufgebautundeingeübt.DieseKontexteumfassenAlltagssituationen,wie
„Einkaufen“,„Arbeitssuche“oder„Amtsbesuche“,oderberufsbezogeneSituationenmitHand-
lungsfeldernausdemberuflichenKontext(„Baustelle“,„Kollegengespräch“oder„Werkbank“).
EntsprechendeKonzepteundMaterialienliegenvorundkönnenfürspezifischeAnwendun-
gentransferiertwerden.
• ZumanderenistzumindestfürdenmedienaffinenTeilderZuwanderermitZugangzumInter-
netdieUnterstützungdesSpracherwerbsdurchOnline-Sprachlernangebotedenkbar.Hierist
eineVielzahlvonFormatenvorstellbar:VonSprach-Apps,diesituativesMicrolearningunter-
stützen,biszurTeilnahmeanKursenin„VirtualClassrooms“undan„MassiveOpenOnline
Courses“(MOOCs).HindernisseergebensichbishernochausderweniglernförderlichenAuf-
bereitungvielerAngebote.DasdidaktischeDesignberuhtweitgehendaufrezeptivenKonzep-
41
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
ten,istnichtaufLernermitgeringerFremdsprachenkompetenzausgerichtetundnutztkaum
dieMöglichkeiten,diesichausderInteraktionderLerner–ggf.auchüberdasNetz–ergeben
würden.
AuchinderForschungwirddasThemaderinterkulturellenSprachförderungfürAuszubildende
mitundohneMigrationshintergrundverstärktaufgenommen(Pucciarelli2013).
Profiling
UmAsylbewerbernundFlüchtlingensinnvolleersteFördermaßnahmenzukommenzulassen,ist
eine Diagnose ihrer bestehenden Kompetenzen, Stärken und Förderbedarfe notwendig. Gleich-
zeitigbegrenztihrehoheZahldieZeit,diefürdenEinzelnendafürzurVerfügungstehenkann.
InderRegelfehlengeeigneteDokumenteinFormvonZeugnissenoderanderenBescheinigun-
gen,aufdieeineersteEinschätzunggestütztwerdenkönnte.AberselbstwennentsprechendeDo-
kumenteverfügbarsind,erschwerenunterschiedlicheSchul-,Ausbildungs-undStudiensysteme
indenHerkunftsländernihreEinordnung.GesprächsdiagnostischeVerfahrenscheiternhäufigan
derfehlendenSprachkompetenz.AlldiessteigertdasRisiko,dasseszuschnellenZuweisungenin
unpassendeBildungsmaßnahmenundzuVermittlungeninnichtqualifikationsadäquateBeschäf-
tigungsverhältnissekommt.EinProfilingzurEinschätzungderAusgangsvoraussetzungenistvor
diesemHintergrundebensobedeutsamwieschwierig.IneinemerstenSchrittgehteszunächst
darum,einegrobeOrientierungzuerarbeiten,FragenderAnerkennungbestehenderKompeten-
zensindnochkomplexerunderfordernweitergehendeSchritte(s.u.).HäufigarbeitendieBera-
tungs-undVermittlungsfachkräftekreativmitBildern,dietypischeBerufeundBerufstätigkeiten
zeigen,oderlassensichmithilfevonDolmetschernerzählen,welcheArbeitserfahrungendiePer-
sonenausdemHeimatlandmitbringen(Daumannetal.2015:14).
EntsprechendeInstrumentefüreinaussagekräftigesProfilingbestehenerstinAnsätzen.Insbe-
sonderefürdieberufsbezogenenBereichefehlenniedrigschwellige,aberfachlichfundierteTests,
umdiebestehendenfachlichenPotenzialeaufzudeckenundfundierteEmpfehlungenfürangemes-
seneAusbildungswegezugeben.
Berufsorientierung
BeiderEntwicklungstaatlicherAusbildungsangeboteistzuberücksichtigen,dassFlüchtlingekei-
neswegsimmerdavonüberzeugtsind,dasseineBerufsausbildungfürsiedieattraktivsteOption
darstellt.VielestrebenehereinStudiumoderdieschnelleEinmündungineine(gut)bezahlteBe-
schäftigungaufdemArbeitsmarktan.BeideWegekönnensichfürsiealsunrealistischbzw.auf
Daueralsproblematischerweisen.DerWegineineungelernteBeschäftigungmagkurzfristigreiz-
vollundzumTeilauchmöglichsein,dochmündeterausverschiedenenGründenineineRich-
tung,diederlangfristigenberuflichenIntegrationentgegensteht:
42
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
• DieZahlderEinfacharbeitsplätzefürun-undangelernteBeschäftigtenimmtweiterab.Anders
alszuZeitenfrühererMigrationswellenkönnenZuwandererheuteindiesemBeschäftigungs-
segmentnichtmehrinhinreichenderZahl(dauerhafte)Beschäftigungfinden.
• Der Zustrom von ungelernten Zuwanderern in das Niedriglohnsegment des Arbeitsmarkts
führtdortzueinemWettbewerbmitungelerntenBeschäftigungssuchenden,diebereitsheute
nurschwereinestabileBeschäftigungfindenkönnen.EswächstdieGefahreinerexplosiven
KonkurrenzumBeschäftigungamunterenRanddesBeschäftigungssystems,diedieGrund-
lagevonRessentiments,HassundsozialerAusgrenzungbildet.
• DerdemographischbedingteFacharbeitermangelbestehtindenBereichenderqualifizierten
Berufsarbeit,d.h.eineIntegrationinBerufundGesellschaftisthochgradigandenErwerbvon
beruflichenQualifikationengebunden.
Dahererscheintesunabdingbar,jungenFlüchtlingenundihrenFamiliendieMöglichkeitenberuf-
licherKarrierenaußerhalbdesStudiumszuerläutern,sieaufdielangfristigenproblematischen
FolgeneinernurungelerntenBeschäftigungineinervonFacharbeitsmärktengeprägtenGesell-
schafthinzuweisenundihnenindividuellmöglicheAusbildungswegezuzeigen.
Kompetenzfeststellung: Anerkennung und Anrechnung beruflicher Kompetenzen
WährenddasProfilingeineersteEinschätzungundZuordnungderAusbildungsvoraussetzungen
vonZuwanderernerlaubt,gehtesinsbesonderebeiPersonenmitbereitsvorhandenenKenntnis-
senundFertigkeitennichtnurumdasErkennen,sondernweitergehendumdieAnerkennungdie-
serKompetenzen.DerdeutscheArbeitsmarktistweitgehendberufsfachlichgeprägt.Füreinead-
äquateberuflicheIntegrationistesdahernotwendig,dassMigrantenebensowieFlüchtlingeauf
einfacheundverlässlicheWeisebelegenkönnen,überwelcheFertigkeiten,welchesWissenund
welcheKompetenzensieverfügen.
FormenderKompetenzfeststellungkönnen fürunterschiedlicheGruppenvonZuwanderern re-
levantsein.WährendsichindiesemPapierdieGruppederAusbildungsaspirantenimFokusbe-
findet, kann die Kompetenzfeststellung insbesondere auch für jene Gruppe von Zuwanderern
bedeutsamwerden,diemiteinemformalenBerufsabschlussbzw.beruflichenErfahrungenden
unmittelbarenBeschäftigungszugangsuchtodereineNachqualifizierunganstrebt.
Das 2012 in Kraft getretene „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im
AuslanderworbenerBerufsqualifikationen“(kurz:„Anerkennungsgesetz“)ermöglichtdieBewer-
tungderGleichwertigkeitvonimAuslanderworbenenformalenBerufsqualifikationenmiteiner
deutschenReferenzqualifikation.DasVerfahren istunabhängigvomAufenthaltsstatusdesAn-
tragstellers.WerdenindiesemSchrittDefiziteoderLückenentdeckt,könnenAusgleichsmaßnah-
meninFormvonTrainingsundSeminarenabsolviertwerden.IndiesemRahmenistesprinzipi-
43
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
ellauchgeeignet,vorhandeneKompetenzenvonjungenZuwanderernfestzustellenundmögliche
Lücken,diegegenübereinemkomplettenAusbildungsberufsbildbestehen,durchentsprechende
Ausbildungsmaßnahmenzuschließen.DaspositiveErgebniseinerGleichwertigkeitsprüfungwird
schließlichineinementsprechendenBescheidderzuständigenStelle7formalisiert.
Das Gesetz stößt an Grenzen, wenn es um die Anerkennung von beruflichen Kompetenzen der
Flüchtlingegeht.Das liegt insbesonderedaran, dassdasAnerkennungsgesetz auf formal erwor-
beneberuflicheAbschlüsse in reglementiertenundnicht reglementiertenBerufenundakademi-
scheAbschlüsseinreglementiertenBerufenabhebt.EsbestätigtdieGleichwertigkeitmitdeutschen
FormalabschlüssenaufGrundlagevonvorgelegtenZertifikatenundZeugnissenausdemAusland.
DieHerkunftsländerderweitausmeistenFlüchtlingeverfügennichtannäherndübereinähnlich
formalisiertesBildungssystemwieDeutschland.VieleZuwandererhabeninDeutschlandverwert-
bareberuflicheKompetenzen,siehabensieabernon-formal–inKursenundSeminarenohneRe-
gelabschluss–oderinformelldurchLerneninderPraxiserworben.AnalldiesenMenschengeht
dasAnerkennungsgesetzinseineraktuellenFormvorbei.Bislangwurden13.200ausländischeBe-
rufsabschlüsseanerkannt–bereitsdaswarendeutlichwenigeralsdieInitiatorendesAnerkennungs-
gesetzeserwartethatten.Darunterwarenabernur480syrischeBerufsabschlüsse,60irakischeund
30afghanische.MehralsdieHälftederVerfahrenbezogsichaufAbschlüsseausEU-Staaten(BMBF,
BIBB2015).8ErfahrungenausderInitiative„EarlyIntervention“zeigen,dassselbstbeiqualifizier-
tenAsylbewerbernunterschiedlicheSchul-,Ausbildungs-undStudiensysteme,Arbeitsmärkteund
BerufsanforderungenindenHerkunftsländerneinesystematischeErfassungundEinschätzungder
VergleichbarkeitzudeutschenVerhältnissenerschweren.DieAnerkennungsstellenzurKompetenz-
feststellunghabenzudembereitsheutelangeWartezeiten(IAB2015b:5).
ZwarsiehtauchdasAnerkennungsgesetz„Qualifikationsanalysen“vor–dieabernursehrselten
durchgeführtwerden,etwawenneinFlüchtlingkeineBildungszertifikatevorweisenkannoder
wennZweifelanderenEchtheitbestehen(vgl.Böse,TursarinowundWünsche2016:21).Aber:
DieseAnalysenzielenaufdenNachweisderAbsolvierungvonformalenBildungsgängenab,nicht
aufdenNachweisvonberuflichenKompetenzenunabhängigvondemBildungsweg,aufdemsie
erworbenwurden.EinenFortschrittmagdieaktuellvorgeseheneNovellierungdesGesetzesbrin-
gen: Es sollen in Zukunft immerhin auch non-formale Zertifikate, zum Beispiel von Bildungs-
trägern,beiderAnerkennungbeachtetwerden,die imAnerkennungsverfahrenbisherwertlos
waren.WennaberindenkommendenJahrenArbeitsmigrantenundFlüchtlingeingroßerZahlbe-
ruflichintegriertwerdensollen,dannmüssenalleKompetenzenerfasstwerden,diesiemitbrin-
gen,undnichtnurdieformalodernon-formalkodifizierten.DafürreichteinAbgleichvonZertifi-
katenmithiesigenAbschlüssennichtaus.
7 DieIHKFOSAinNürnbergistdasbundesweiteKompetenzzentrumderdeutschenIndustrie-undHandelskammernfürdiePrü-fungundAnerkennungausländischerBerufsabschlüssebeianerkanntenAusbildungsberufen.UnterstützendeAngebotestehenimFörderprogramm„IntegrationdurchQualifizierung(IQ)“oderdurchdieEinrichtungvonInternetportalenwiewww.anerken-nung-in-deutschland.deoderdurchdasaufgrundeinesBeschlussesdesBundestagseingerichteteBQ-Portal(www.bq-portal.de)zurVerfügung.
8 2014wurdengutdreiViertelder44.094AnträgeaufAnerkennungimBereichderreglementiertenBerufedesBundesgestellt:etwazurErteilungeinerärztlichenApprobationoderfürandereGesundheitsberufe.EinknappesViertelder2014gestelltenAn-trägebetrafendienichtreglementiertenAusbildungsberufe.
44
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
EssindVerfahrennotwendig,mitdenenZuwandereraufeinfacheundzuverlässigeWeisebelegen
können,wassieimHinblickaufeinenangestrebtenAusbildungsberufbereitskönnenundwelche
Ausbildungsinhaltenochzuergänzensind.
Ausbildungsvorbereitung und Übergang in eine Berufsausbildung
AngesichtsderheterogenenAusbildungsvoraussetzungenkommteinerflexiblenGestaltungder
AusbildungsvorbereitungeinezentraleBedeutungzu.Esgilt einerseits,denunterschiedlichen
Bildungsvoraussetzungen der Asylbewerber und Flüchtlinge gerecht zu werden, andererseits
müssenbereitsverfügbareberuflicheKompetenzenzeit-unddamitkostensparendnutzbarge-
machtundinberuflichenAusbildungsprozessenergänztwerden.
DafürkönnenzumeinenbereitsbestehendeInstrumentegenutztwerden:
• BeiderAssistiertenAusbildungwirdAuszubildendenbeiBedarfeineArtCoachzurSeitege-
stellt,dervonderBundesagenturfürArbeitfinanziertwird.Erhilftnichtnurbeifachlichen
Schwierigkeiten,sondernauchbeiProblemenimsozialenUmfeld.
• Bereitsseit2004könnenJugendlicheeineebenfallsvonderBundesagenturfürArbeitgeför-
derteEinstiegsqualifikationvonsechsbiszwölfMonateninUnternehmenabsolvieren:Siear-
beitenbereitsinihrempotenziellenAusbildungsbetrieb,ohnedassdiesersichmiteinemAus-
bildungsvertragbindenmüsste,undbesucheninderRegelauchschondieBerufsschule.
• SchließlichkönnenzweijährigeBerufsausbildungendazubeitragen,dieHürdenderAusbil-
dungfürFlüchtlingezuverringern:DieseinderRegel„theoriegeminderten“Berufebeinhal-
tenwenigerhoheAnforderungenalsBerufemitdrei- oderdreieinhalbjährigerAusbildung;
DasRisikodesScheiternsistgeringer.
DieseAusgangslageistbereitsausderDiskussionüberdieGestaltungdesÜbergangssektorsbe-
kannt.AllerdingsstelltsichdieFrage,obnicht–unabhängigvonmöglichenVorschaltmaßnahmen
–angesichtsderaktuellenHerausforderungendurchFlexibilisierungdesBerufssystemseinfa-
chereZugängeauchfürFlüchtlingegeschaffenwerdensollten.AusdengewonnenenErfahrungen
mitMaßnahmendesÜbergangssektorslassensicheinigewesentlichePrinzipienaufnehmen,die
unmittelbaroderimübertragenenSinneauchaufdieAusbildungsvorbereitungvonAsylbewer-
bernundFlüchtlingenangewendetwerdenkönnen(BertelsmannStiftung2011):
• SofernundsobalddieJugendlichenmitihrensprachlichen,motivationalenundkognitivenVo-
raussetzungeneinedualeAusbildungabsolvierenkönnen,werdensieinbetrieblicheAusbil-
dungsverhältnissevermittelt.DiebestehendenausbildungsbegleitendenUnterstützungsinst-
rumentekönnenbeiBedarfauchfürdieFlankierungeinerbetrieblichenAusbildunggenutzt
werden.
45
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
• SofernfürdieskizzierteZielgruppenichthinreichendbetrieblicheAusbildungsplätzeverfüg-
barsind,werdensubsidiäraußerbetrieblicheAusbildungsplätzegeschaffenundangeboten.
• AufderGrundlagebestehenderPotenzialanalysen(s.o.)werdendieKompetenzbereicheiden-
tifiziert,dieimRahmenberufsbezogenerAusbildungsmaßnahmenzufördernsind.DieMaß-
nahmenadressierenmöglichstgezieltdiespezifischenKompetenzlücken,entsprechendsind
sieinhaltlichundzeitlichflexibelzugestalten.
• BerufsbezogeneQualifizierungsbereichekönnenbeiBedarfmiteinerSprachförderungsowie
–insbesonderebeisozialundpsychischbelastetenJugendlichen–mitpersönlichenUnterstüt-
zungsangebotenverbundenwerden.
• DieMaßnahmenzurberuflichenKompetenzentwicklungsinddualausgerichtet;siebeteiligen
nachMöglichkeitauchBetriebe.
• NacherfolgreichemMaßnahmenabschlusswirdeinverbindlicherÜbergangineinebetriebli-
cheoderbetriebsnaheAusbildungangeboten.
• DieJugendlichenwerden–ggf.auchwährendlaufenderMaßnahmen–frühestmöglichineine
betrieblicheoderbetriebsnaheBerufsausbildungabgegeben.
Schaffung staatlicher Ausbildungsangebote/neue Wege in eine abschlussorientierte Ausbildung
AngesichtsderquantitativenDimensionenerscheintesunwahrscheinlich,dassallenneuzuge-
wandertenJugendlicheneinedualebetrieblicheBerufsausbildungangebotenwerdenkann.Eine
sozialeundberuflicheIntegrationerfordertAusbildungskapazitätenineinemMaße,dievermut-
lichweitüberdieAufnahmemöglichkeitenundAufnahmebereitschaftderBetriebehinausgeht.
Entsprechendistesunverzichtbar,staatlicheAusbildungsangebotezumindestfürdasersteAus-
bildungsjahreinzurichten,diedannmöglichstschnell(unddamitmitbegrenztenAufwendungen)
zueinernachMöglichkeitbetrieblichenWeiterführungderAusbildungmiteinemanerkannten
Ausbildungsabschlussführen.
DienotwendigenAusbildungsformateunterEinbeziehungvonBetrieben,überbetrieblichenBil-
dungsträgern und beruflichen Schulen sind prinzipiell verfügbar und werden in zahlreichen
Bundesländern aktuell auch umgesetzt. Dazu zählen beispielsweise die Maßnahmen der Bun-
desagenturfürArbeit(BaE–BerufsausbildungineineraußerbetrieblichenEinrichtung)oderFör-
derkonzeptewieder„DritteWeg“(NRW)oder„BerufsqualifizierungDual“(z.B.Baden-Württem-
berg,Hamburg),diesubsidiäreineabschlussorientierteBerufsausbildungbiszurKammerprüfung
umfassen,aberdieInitiativeundVerantwortungfürdieBerufsausbildungbeidenBetriebenbe-
lassen.
46
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
IndiesemZusammenhangistdieDebatteneuentfacht,obdieAusbildungsintegrationschwäche-
rerAusbildungsanwärternicht besser gelingenkönnte,wennmitAusbildungsbausteinen oder
TeilqualifikationeneinschrittweiserEinstiegindieAusbildungermöglichtwürde.Hierscheinen
sichvieleInstitutionenderBerufsbildungwieinderVergangenheitaberdarineinigzusein,die
bestehendenZugangshürdenzumSchutzderAusbildunginalthergebrachterFormhochzuhalten.
DerDGBhältnichteinmalzweijährigeAusbildungeninanerkanntenBerufenfüreingeeignetes
Instrument.DarüberhinausistersichmitdemHandwerksverbandZDHundmitdemDIHKdarin
einig,dass„verkürzteAusbildungen“abzulehnenseien(Spiegelonline2015).
4.4 Rahmenbedingungen für eine Integration in Ausbildung
QuantitativerscheinendieZahlenderinDeutschlandeingetroffenenFlüchtlingezunächstüber-
wältigend.Zwarkannderzeitniemandgenau sagen,wie vieleFlüchtlinge auswelcherAlters-
gruppeanerkanntundinDeutschlandbleibenwerden.DochdieTendenzisteindeutig:Essind
einigeHunderttausendevonJugendlichenzwischen18und25Jahren,dieaufunterschiedlichen
Bildungsniveaus,mitheterogenenErwartungen,MotivationslagenundAusbildungsvoraussetzun-
genpotenzielleineAusbildungbeginnenkönnten.IneinigenBereichenkonkurrierensiemitein-
heimischenJugendlichen,vondenensichca.250.000inMaßnahmendesÜbergangssektorsbe-
finden.DazukommteinegroßeZahlvonMenschenüber25 Jahre,dieun-oderangelerntauf
denArbeitsmarktdrängenunddortaufgrundderwirtschaftsstrukturellenVerschiebungenzuneh-
mendgrößereSchwierigkeitenhaben,eineBeschäftigungzubekommen.
WährendimvorangegangenenAbschnittwesentlicheBausteinefürdieGestaltungvonIntegra-
tionspfadendargestelltwurden,sollendahernachfolgendeinigeRahmenbedingungenskizziert
werden,diefürdieIntegrationvonMigrantenbedeutsamseinkönnen:
• Zugang zu allen relevanten Förderinstrumenten der Berufsbildung für Asylsuchende mit
hoher Bleibeperspektive und Geduldete erleichtern: Bestimmte Förderinstrumente sind für
AsylsuchendeundGeduldetebishererstnach15Monatenverfügbar(z.B.Zugangzuberufs-
vorbereitendenBildungsmaßnahmen).
• ErweiterungundAnpassungdesFörderinstrumentariumsandieBedingungenderFlüchtlinge
sowieJugendlichenmitMigrationshintergrund:IntegrationinAusbildungundBeruferfordert
fürunterschiedlicheGruppenjeweilsspezifischeUnterstützungssysteme,dieteilweiseausdem
bestehendenFundusderFörderinstrumenteentwickelt, teilweise annochgenauer zuerkun-
dendeBedarfslagenangepasstwerdenmüssen.Hierkönnenggf.auchersteAnsätzeausdenEr-
fahrungenmitderUmsetzungeinerinklusivenBerufsausbildungaufgenommenwerden.
47
Berufsbildung in einer Einwanderungsgesellschaft: Ansätze und Herausforderungen
• SchaffungaußerbetrieblicherAusbildungsangebote:Esistnichtzuerwarten,dassfürdieau-
ßergewöhnlichhoheZahlan JugendlichenhinreichendvieleAngebote füreinebetriebliche
BerufsausbildungzurVerfügungstehenwerden.Dahersind(analogzu„ÜbergängemitSys-
tem“)subsidiärentsprechendeaußerbetrieblicheAusbildungsangebotezuschaffen,diezuan-
erkanntenAusbildungsabschlüssenführen.
• StärkungvonNetzwerkenundMentoringangebotenfürdieUnterstützungvonMigranten:Ein-
zelneUntersuchungsbefunde(Boos-Nünning2008)deutendaraufhin,dassMigrantenhäu-
figdiesozialenNetzwerkeundBeziehungenfehlen,umerfolgreichineineBerufsausbildung
einzumünden.DiesgiltfürbereitsinDeutschlandlebendeJugendlichemitMigrationshinter-
grund,wirdinnochhöheremMaßeaberfür„neue“Migrantenrelevantsein.VordiesemHin-
tergrundwärezuüberlegen,wiedasmomentanaußergewöhnlichhohezivilgesellschaftliche
EngagementgezielterfürdieUnterstützungvon„alten“und„neuen“Migrantengenutztwer-
denkann.
48
Perspektiven
5 Perspektiven
DeutschlandistfaktischeinEinwanderungslandundwirdeszumindestfürdiekommendenJahre
bleiben.DieerfolgreicheIntegrationvonMigrantenundFlüchtlingenindiedeutscheBerufsbil-
dung istdahereine längerfristigeHerausforderung.DieBewältigungderHerausforderungent-
scheidetnichtnurüberdieberuflichenChancenderjugendlichenZuwanderer,sondernauchda-
rüber,obdiestarkeZuwanderunggesellschaftlichakzeptiertwerdenwirdoderdieReaktionen
eines aggressiven Nationalismus Oberhand gewinnen. Mit der Integration von Flüchtlingen in
AusbildungundBerufbetretenalleNeuland,insoferngibteskeineschnellenundsicherenAnt-
worten.
EinScheiternderberuflichenIntegrationvonjungenZuwanderernwürdedieGefahrvergrößern,
dasseinebisherinDeutschlandunbekanntegesellschaftlicheSpaltungeintritt:
• aufdereinenSeiteinderRegelunqualifiziertejungeFlüchtlinge,prekärinGelegenheitsjobs
beschäftigtoderarbeitslos,inArmutsquartierenkonzentriert,gesellschaftlichabgekoppelt;
• aufderanderenSeiteeinabgegrenzter,nachuntenabgeriegelterArbeitsmarktmitalternden
undabnehmendenFachkräften.
IneinigenanderenStaatenderOECDsindsolcheSpaltungensamtihrengesellschaftlichenAus-
wirkungenzuerkennen. InsofernkanndiedeutscheBerufsbildungwesentlichdazubeitragen,
dassZuwandererZugangsmöglichkeitenzudualenundschulischenAusbildungeninanerkannten
Berufenerhaltenunddasssiedafürsprachlichundkulturellvorbereitetwerden.
Zugleichistdeutlich,dassdieUmsetzungvonIntegrationskonzeptennichtzuletztaufeineemo-
tionaleInfrastrukturangewiesenist.HierbestehtdieGefahr,dasssichbestehendePolarisierun-
genverstärkenunddamitdieRahmenbedingungenfüreffektiveIntegrationsaktivitätenerschwe-
ren.AufdereinenSeitezeigtsichinweitenTeilenderdeutschenBevölkerungeinegrundlegende
HilfsbereitschaftundGastfreundschaft,diesichineinembeeindruckendenzivilgesellschaftlichen
Engagementniederschlägt.AufderanderenSeitesind insbesonderebeidendigitalvernetzten
StammtischendesInternetmilitanteHassparolenweitverbreitet,dievonderverbalenAggres-
sioninderNähevonFlüchtlingsheimeninGewaltgegenSachenundvereinzeltauchgegenMen-
schenumschlagen.EshängtnichtzuletztvondenKonzeptenundschließlichvonderenerfolgrei-
cherUmsetzungab,inwelchemMaßesichdieHilfsbereitschaftmitSorgenundÄngstenverbindet
underlahmt.ObwohlZeitender(zumeistabstrakten)AngstkeinengutenNährbodenfürInnova-
tionundVeränderungdarstellen,istgeradejetztdieEntwicklungneuerWegegefordert.Gefragt
isteineinnovativeRealpolitik,dievomEndeherdenkt,zwarandeneigenenWertenorientiertist,
imBereichderMaßnahmenundUmsetzungjedochalteGewohnheitenzuüberwindenbereitist.
49
Perspektiven
WenninerstenReaktionenderStakeholderderBerufsbildungsinstitutionenabervorallemdavor
gewarntwird,vonalthergebrachtenhohenStandardsabzuweichen,dannerscheintdiesdemPro-
blemnichtangemessen.MitdiesemMantragelingtbishernichteinmaldieIntegrationeinheimi-
scherHauptschülerinausreichendemUmfang.WiesolldanndieIntegrationjungerZuwanderer
mitungleichschlechterenVoraussetzungenglücken?
Esgiltnicht,beruflicherforderlicheStandardsderAusbildungsabschlüsseabzusenken,aberes
gilt, Zugangshürden zu verringern. Dazu wäre im Fortgang auch über Regularien zu diskutie-
ren, die die Integrationskraft der Berufsausbildung beeinträchtigen. Wie können etwa mitge-
brachteberuflicheKompetenzenbesserangerechnetwerden,auchwennsienichtformalerwor-
benwurdenodermitAbschlusszertifikatenbelegbarsind?Wiekannesermöglichtwerden,dass
BerufsabschlüsseSchrittfürSchrittüberTeilqualifikationenerreichtwerden?WiekannderZu-
gangzur„Externenprüfung“inderBerufsbildungvereinfachtwerden?KannderErwerbderdeut-
schenSchriftundSprachedadurcheffizienterundschnellererfolgen,dassernachkurzenersten
SprachkursenaneinenberuflichenAlltaggekoppeltwird?WiekönnenMigrantenundFlücht-
linge,dieindenvergangenenJahrenbereitserfolgreichberuflichintegriertwurden,alsLehrer
undBetreuerbeiderBerufsausbildungderNeuankömmlingehelfen–auchohneLehramtsexamen
oderNachweisder„berufs-undarbeitspädagogischenEignung“durchdieAusbildereignungsprü-
fung?
EswerdensichnochvieleweitereFragendieserArtstellen.Aberandersalsindenvergangenen
Jahren,indenendiegünstigeWirtschaftsentwicklungunddiedamitverbundeneWendeamAus-
bildungsstellenmarktdasSystemderBerufsbildungohneseinDazutunvonReformdruckentlastet
hat,werdenjetztschnelleWeichenstellungenerforderlichsein.
50
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Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung1: VerteilungderJugendlichennachMigrationsgruppen 19
Abbildung2: MenschenmitMigrationshintergrund–nachHerkunftsländernund
AufenthaltsdauerimZeitverlauf(2013) 20
Abbildung3: Einmündunginbetrieblichebzw.vollqualifizierendeAusbildung
innerhalbvon38MonatennachVerlassendesSchulsystems 22
Abbildung4: VerbleibinbetrieblicherAusbildung–BewerberinnenundBewerber
mitundohneMigrationshintergrund2004bis2012 24
Abbildung5: BevölkerungnachMigrationsstatusundberuflichemAbschluss2015 27
Abbildung6: HöchsteabgeschlosseneAusbildungvonAsylberechtigteninÖsterreich 29
Abbildung7: AusgestellteTeilnahmeberechtigungenfürIntegrationskurse
von2005bisQI2015 39
55
Die Initiative „Chance Ausbildung – jeder wird gebraucht!“
Die Initiative „Chance Ausbildung – jeder wird gebraucht!“
MitderInitiative„ChanceAusbildung–jederwirdgebraucht!“setztsichdieBertelsmannStif-
tungfürReformenein,umjedemjungenMenschendieChanceaufeineberuflicheAusbildung
zueröffnen.
Ander InitiativebeteiligensichdieBundesagentur fürArbeitundelfMinisterienausden fol-
genden acht Bundesländern: Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vor-
pommern,Nordrhein-Westfalen,SachsenundSchleswig-Holstein.IneinemDialogprozessundmit
wissenschaftlicherBegleitungarbeitendieBeteiligtengemeinsamanVorschlägenfüreinchan-
cengerechteresund leistungsfähigeresSystemderBerufsausbildung.Sie setzensich insbeson-
deredafürein,dass
• derZugangzurBerufsausbildungbesondersfürjungeMenschenmitStartschwierigkeitener-
leichtertwird;
• dieAusbildungflexiblergestaltetwird,sodassdieAusbildungauchverlängertoderunterbro-
chenunddiebisdahinabsolviertenAnteilezertifiziertwerdenkönnen;
• dasSystemderBerufsausbildunginsgesamtflexiblerwird,umderHeterogenitätderjungen
MenschengerechtzuwerdenundjedemdieChancezugeben,eineAusbildungaufzunehmen
undabzuschließen.
BisEnde2016hatsichdieInitiativedreiSchwerpunktthemengesetzt.ZunächstarbeitendieBe-
teiligtenanderVerbesserungderAusbildungsmöglichkeitenfürJugendlichemitBehinderungen
(Inklusion).AlszweitesThemastehtdieErleichterungdesÜbergangszwischenberuflicherBil-
dungundHochschulbildungaufdemProgramm(Durchlässigkeit).DrittensgehtesumdieAus-
bildungschancenvonJugendlichenmitMigrationshintergrundinDeutschlandundumdieBeset-
zungvonAusbildungsplätzendurchZuwanderung(Integration).
FlankierendarbeitetdasProjektteaminderBertelsmannStiftungandemLändermonitorberufli-
cheBildung,mitdemdieLeistungsfähigkeitundChancengerechtigkeitinderberuflichenBildung
inDeutschlandbewertetwerdensoll.AußerdembeschäftigtessichmitderFrage,wiedasErfolgs-
modelldualeBerufsausbildungauchfürandereLändernutzbargemachtwerdenkann.
MehrInformationenunter:
www.chance-ausbildung.de
56
Über die Autoren
Über die Autoren
Prof. Dr. Dieter Euler studierte Betriebswirtschaftslehre,
WirtschaftspädagogikundSozialphilosophieinTrier,Kölnund
London. Seit Oktober 2000 ist Prof. Euler Inhaber des Lehr-
stuhls für „Wirtschaftspädagogik und Bildungsmanagement“
anderUniversitätSt.Gallen.ZuvorwareranderUniversität
Potsdam(1994–1995)undanderUniversitätErlangen-Nürnberg
(1995–2000)tätig.
Prof. Euler nimmt zahlreiche Funktionen in internationalen
wissenschaftlichen und bildungspolitischen Organisationen
wahr.EinSchwerpunktseinerinternationalausgerichtetenFor-
schungs-undEntwicklungsaktivitätenliegt inderReformvon
Berufsbildungssystemen.
Prof. Dr. Eckart SeveringstudierteSoziologieundPolitikwis-
senschaftinErlangenundhat2000inHamburghabilitiert.Er
lehrt an der Universität Erlangen-Nürnberg, ist Geschäftsfüh-
rerdesForschungsinstitutsBetrieblicheBildung(f-bb)inNürn-
bergundBerlinundMitgliedderGeschäftsleitungdesBildungs-
werksderBayerischenWirtschaft.
Prof.SeveringwirktineinerReihevonGremienundOrganisa-
tionenderBerufsbildungmit.U.a.isterVorsitzenderdesVor-
standesderArbeitsgemeinschaftBerufsbildungsforschungsnetz
(AGBFN).SchwerpunkteseinerwissenschaftlichenArbeitsind
StrukturenderBerufsbildung,europäischeBerufsbildungspoli-
tiksowiedasinformelleberuflicheLernenundseineZertifizie-
rung.
57
Summary
Summary
Germany’s vocational education and training (VET) system faces a mammoth challenge in
providing millions of migrants access to education and employment – today, not tomorrow.
IntegratingsuchlargenumbersofpeopleintotheVETsystemrequiresaneffectiveintegration
strategyaccompaniedbystructuralchangestothesystem.
Germany is and has been a country of immigration, even before the arrival of refugees from
Syria,IraqandAfghanistan.Inthepostwarera,Germanyhasbeenthesiteoftwomajorwavesof
immigration:theinfluxofso-calledguestworkersfromsouthernEuropeandTurkeywhichbegan
inthe1950s;andthearrivalofethnicGermanimmigrantsfromformerEasternBloccountries
((Spät-)Aussiedler),whichbeganinthe1980s.Andasmanystudiesonthedisadvantagesfacedin
theVETmarketbyyouthwithmigrantbackgroundshaveshown,theeducationalandvocational
integrationofthesegenerationsofmigrantshasprovensuboptimal.
At the same time, the OECD’s 2015 Education at a Glance report points to progress made in
Germany in termsof expanding social inclusion througheducation.Germany’sdual system is
laudedforprovidingmigrantsaframeworkfacilitativeoflabormarketintegration–ifandwhen
access to the dual system is achieved. In addition, however, this success involves avoiding a
repetitionofeducation,economicandsociopoliticalmistakesmadeinthepast,asmigrationto
Germanyisanongoing–notatemporary–phenomenon.TheGermanVETsystemmusttherefore
bepreparedtosustainthesystemicintegrationoflargenumbersofmigrantswithvariedneeds
andculturalbackgrounds.
Drawingontheseissues,thebackgroundpaperpresentedhere,“VETinanImmigrationSociety,”
describes Germany‘s various migrant groups and what is needed in order to integrate them
succesfully into education and a career path. In addition, the paper explores the barriers and
pointsofentryformigrantstoVETinGermany.
The paper is published as part of the “Chance Ausbildung – jeder wird gebraucht” initiative
(VocationalTraining:OpportunitiesforEveryone!http://www.bertelsmann-stiftung.de/Vocational-
Training),whichbringstogetherrepresentativesfrom11GermanstateministrieswithGermany’s
FederalEmploymentAgencyandtheBertelsmannStiftungto formulateareformofGermany’s
vocationaleducationsystem.Thepaperrepresentsthefirstinaseriesofpublicationsaddressing
VETissuesinanimmigrationsociety.
Impressum
58
Impressum
© 2016 Bertelsmann Stiftung
Bertelsmann Stiftung
Carl-Bertelsmann-Straße 256
33311 Gütersloh
Telefon +49 5241 81-0
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