Claudia Liebrand, Irmtraud Hnilica, Thomas Wortmann (Hrsg.)
Redigierte Tradition
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Claudia Liebrand, Irmtraud Hnilica, Thomas Wortmann (Hrsg.)
Redigierte TraditionLiteraturhistorische Positionierungen Annette von Droste-HĂŒlshoffs
Ferdinand SchöninghPaderborn · MĂŒnchen · Wien · ZĂŒrich
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Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn
ISBN 978-3-506-76972-5
Die Gestaltung des Umschlags erfolgte unter Verwendung eines Briefcouverts, auf das Droste-HĂŒlshoff unter anderem eine Liste mit Namen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern notierte (Meersburger Nachlass MA II 1). Wir danken der UniversitĂ€ts- und Landesbibliothek MĂŒnster fĂŒr die Genehmigung des Abdrucks.
Gedruckt wurde der Band mit freundlicher UnterstĂŒtzung der Nyland-Stiftung, Köln und des Land-schaftsverbandes Westfalen-Lippe.
FĂŒr die Einrichtung des Manuskriptes fĂŒr den Druck danken wir Peter Scheinpflug.
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Inhaltsverzeichnis
CLAUDIA LIEBRAND, IRMTRAUD HNILICA UND THOMAS WORTMANN EinleitungâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠ...................7
FRAUKE BERNDT âDie Kunst des Rahmens und das Reich der Töneâ. Weibliche Medien der Konversation in Droste-HĂŒlshoffs âBertha oder die AlpenââŠ...âŠâŠâŠâŠ....21
FRANZISKA SCHĂSSLER Schiller und Goethe, âmĂ€nnliche Sittlichkeitâ und âweibliche Freiheitâ: Genrehybride und Geschlechterdiskussion in Droste-HĂŒlshoffs Dramenfragment âBertha oder die AlpenââŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠ.. 59
BASTIAN REINERT Metaleptische Dialoge. Wirklichkeit als Reflexionsprozess in Annette von Droste-HĂŒlshoffs Versepos âDes Arztes VermĂ€chtniĂââŠâŠ.....77
CLAUDIA LIEBRAND Todernstes Rollenspiel. Zur Poetik von Annette von Droste-HĂŒlshoffs âGeistlichem JahrââŠâŠâŠâŠ.93
RĂDIGER NUTT-KOFOTH VerfĂŒgbarkeit, UnzuverlĂ€ssigkeit. Zur literatursysteminternen Funktion literarischer Tradition in der Lyrik Annette von Droste-HĂŒlshoffs...................................................121
OLIVER KOHNS Wie ein Schiff im Sturm. Schicksalhaftigkeit, Kontingenz und Zeit in Annette von Droste-HĂŒlshoffs âDas SchicksalââŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠ............151
MARTIN ROUSSEL Tummelplatz und Folgegeister. Annette von Droste-HĂŒlshoffs materielle RomantikâŠâŠâŠâŠ.âŠâŠâŠ.........171
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INHALTSVERZEICHNIS 6
STEFAN BĂRNCHEN âKönig ĂŒber Alle, der Magnetâ. Magnetismus und Liebe in Annette von Droste-HĂŒlshoffs Gedicht âAn ***ââŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠ197
OURANIA SIDERI Annette von Droste-HĂŒlshoffs âSpiegelbildâ: das poetische Selbst im Zwielicht des KristallsâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠ.................223
ACHIM GEISENHANSLĂKE Schwellenzauber. âDie TaxuswandââŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠ..243
GĂNTER OESTERLE Annette von Droste-HĂŒlshoffs lyrische âVersuche im Komischenâ..............253
MARTHA B. HELFER âEin heimlich Dingâ. Das Selbst als Objekt bei Annette von Droste-HĂŒlshoffâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠâŠ271
MARCEL LEPPER Annette von Droste-HĂŒlshoff und Joseph von LaĂberg: Geduldsphilologie und Ungeduldspoetik 1835-1848âŠâŠ.............................281
IRMTRAUD HNILICA Annette von Droste-HĂŒlshoff an Levin SchĂŒcking: Heiratsregeln und Körpertopographien in Drostes âWestphĂ€lischen Schilderungenâ................297
THOMAS WORTMANN Kapitalverbrechen und familiĂ€re Vergehen. Zur Struktur der Verdoppelung in Droste-HĂŒlshoffs âJudenbucheâ..............315
ASTRID LANGE-KIRCHHEIM Annette von Droste-HĂŒlshoff wiedergelesen mit Franz Kafka â âDie Judenbucheâ und âIn der Strafkolonieâ.................................................339
Angaben zu den Autorinnen und AutorenâŠâŠ.âŠâŠâŠâŠâŠâŠ.....................375
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OLIVER KOHNS
Wie ein Schiff im Sturm. Schicksalhaftigkeit, Kontingenz und Zeit in
Annette von Droste-HĂŒlshoffs âDas Schicksalâ
Das Schicksal
Weithin rauschen die brausenden Fluten Und es tönet das krachende Meer
Wellen die so selten so selten nur ruhten WĂ€lzen sich rauschend wohl hin und her
(5) Fernhin toben die wĂŒtenden Wogen Weit hinter des Horizonts wolkenden Rand Mit mĂ€chtigem Arme hingezogen Hallen sich brechend wieder am Strand.
Und um ein Schifflein, umschwebt von Gefahren (10) WĂ€lzt sich die schrecklich drohende Flut
Die, seit des Werdens sich dehnenden Jahren Wildhin stĂŒrmt und so selten nur ruht
Schleudernd hebt sie es hoch in die LĂŒfte Ăber der Wolken wölbenden Rund,
(15) Wirft es schmetternd hinab in die KlĂŒfte In des Abgrunds weit gĂ€hnenden Schlund,
Und des Schiffsvolks heulendes Zagen, Tönt von der Wellen Wipfel hernieder Und ihr banges verzweifelndes Klagen
(20) Hallt in des Abgrunds KlĂŒften wider
Und sie suchen mit schwachen Armen Sich zu retten mit zweifelndem Herzen Flehen vom Himmel errettend Erbarmen, Oder geduldge Ertragung der Schmerzen
(25) Aber verbraust mit schrecklichem Grimme Schweiget nun still das besÀnftigte Meer
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OLIVER KOHNS 152
Und der Erretteten jauchzende Stimme Schallet wohl dankend rings umher
Langsam ziehn die Wolken vorĂŒber (30) Wartend schweigen Hain und Flur
Und des Meeres hellglÀnzender Spiegel Denn es feirt die genesne Natur
Gleichwie die Seele des Menschen die bange Sich an der Macht des Schicksals zerkÀmpft
(35) Bis nach der Dinge natĂŒrlichem Gange Sich die Wut des erbitterten dĂ€mpft
Dumpfhin rauschen des Schicksals Wogen In der Ferne der Mensch will enteilen Aber allmÀchtig hingezogen
(40) Kann er nicht fliehn muĂ traurig verweilen
Und immer nÀher immer nÀher Brausen die Fluten die mÀchtig ihn ziehen Und er sieht verzweifelt sie nahen Sieht sie kommen und kann nicht entfliehen
(45) Es umgeben die SchicksalsmÀchte Dumpf hin rauschend jetzt den Armen Und er schauet zum ewigen Vater
Fleht um StÀrke und um Erbarmen
Und er sucht sich schwach zu retten (50) Doch sie schleudern ihn wild zurĂŒck
Und ihn flieht die goldene Ruhe Und das treulos gewordene GlĂŒck
Aber versöhnt sind die SchicksalsmÀchte LÀcheln freundlich dem Dulder hernieder
(55) Und mit der weit verscheuchten Ruhe Kehrt das blĂŒhende GlĂŒck auch wieder
So wie zerschmettert am tönenden Riffe Endlich die brausende Woge auch ruht Seele des Menschen wie gleichst du dem Schiffe
(60) Schicksal des Menschen wie gleichst du der Flut1
âDas Schicksalâ ist ein nachgelassenes Gedicht Annette von Droste-HĂŒlshoffs, dessen Entstehung von den Herausgebern der Historisch-kritischen Ausgabe
1 Annette von Droste-HĂŒlshoff, âDas Schicksalâ, in: dies., SĂ€mtliche Werke in zwei BĂ€nden,
Bd. 1, hg. von Bodo Plachta und Winfried Woesler, Frankfurt a. M. 1994, S. 628-630 (im Folgenden nachgewiesen als âSWâ).
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auf das Jahr 1810 â allerdings mit einem Fragezeichen hinter dem Jahr â datiert wird. Der Kommentar nennt zwei GrĂŒnde fĂŒr diese Datierung: Erstens habe die Reinschrift des Gedichts âdie heute nicht mehr sichtbare Marginalie in Blei von fremder Hand â1810 (?)â getragenâ; zweitens zeige das Gedicht âstilistische und inhaltliche Unsicherheiten, die auf einen sehr frĂŒhen Zeit-punkt in der Phase der âKlassikrezeptionâ und in die NĂ€he von Der Abend und AbendgefĂŒhl verweisen.â2
Als âstilistische und inhaltliche Unsicherheitâ mag vom Kommentar bewer-tet worden sein, dass die letzten beiden Zeilen des Gedichts einen PrĂ€text anklingen lassen: Goethes Gedicht âGesang der Geister ĂŒber den Wassernâ.3 Die abschlieĂenden Verse dieses Textes lauten: âSeele des Menschen,/ Wie gleichst du dem Wasser!/ Schicksal des Menschen,/ Wie gleichst du dem Wind!â4 Die Schlussverse von Drostes Gedicht schlieĂen sowohl syntaktisch als auch semantisch erkennbar eng an Goethes Vorgabe an, auch wenn die Zu-ordnung der Elemente modifiziert wurde. Es mag grundsĂ€tzlich die verschie-densten Möglichkeiten geben, mit dieser engen intertextuellen Relation umzugehen â im Fall Drostes liegt es womöglich nahe, sie als Ausdruck eines âepigonalen LebensgefĂŒhlesâ5 zu verstehen, wie es der Autorin in der Sekun-dĂ€rliteratur immer wieder unterstellt wurde.6 Was bei anderen â mĂ€nnlichen? â Autoren möglicherweise als raffinierte intertextuelle Referenz interpretiert werden könnte,7 gerĂ€t in dieser Konstellation leicht zum Indiz fĂŒr âstilistische und inhaltliche Unsicherheitâ.
Wenn man der Datierung auf das Jahr 1810 folgt, dann wurde das Gedicht âDas Schicksalâ von der nur 13jĂ€hrigen Annette von Droste-HĂŒlshoff verfasst. Diese frĂŒhe Datierung â verbunden mit der abwertenden EinschĂ€tzung des Textes im Kommentar â könnte erklĂ€ren, warum das Gedicht bislang nur wenig Beachtung in der âSekundĂ€rliteraturâ gefunden hat.8 Die Frage der Datierung eines Gedichts ist, so zeigt sich, eine Frage nach der Grenze des Werks: Das Gedicht scheint der ânurâ 13jĂ€hrigen Autorin zuzuordnen zu sein und deshalb â möglicherweise â nicht wirklich zum Oeuvre Droste-HĂŒlshoffs zu gehören. Allerdings könnte die Argumentation auch umgekehrt werden: 2 Bernd KortlĂ€nder, â[Kommentar:] Das Schicksalâ, in: Annette von Droste-HĂŒlshoff,
Historisch-kritische Ausgabe. Werke, Briefwechsel, hg. von Winfried Woesler, Bd. II,2: Gedichte aus dem NachlaĂ. Dokumentation, TĂŒbingen 1998, S. 639-641, hier S. 640.
3 Vgl. ebd., S. 641. 4 Johann Wolfgang von Goethe, âGesang der Geister ĂŒber den Wassernâ, in: ders., Werke.
Hamburger Ausgabe in 14 BĂ€nden, Bd. 1, hg. von Erich Trunz, MĂŒnchen 1988, S. 143. 5 Artur Brall, Vergangenheit und VergĂ€nglichkeit. Zur Zeiterfahrung und Zeitdeutung im Werk
Annettes von Droste-HĂŒlshoff, Marburg 1975, S. 271. 6 Vgl. Claude David, âĂber den Begriff des Epigonischenâ, in: Tradition und UrsprĂŒnglichkeit.
Akten des III. Internationalen Germanistenkongresses 1965 in Amsterdam, hg. von Werner Kohlschmidt und Herman Meyer, Bern, MĂŒnchen 1966, S. 66-78, hier S. 71.
7 Vgl. dagegen zur Möglichkeit, gerade aus Drostes Umgang mit der âTraditionâ eine spezifisch weibliche Dichterpersona zu destillieren: Claudia Liebrand, Kreative Refakturen. Annette von Droste-HĂŒlshoffs Texte, Freiburg i. Br. 2008, S. 48 f.
8 Vgl. die Droste-Bibliographie 1981-2003, hg. von Jochen Grywatsch, Bielefeld 2005.
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Das Gedicht wird dem âFrĂŒhwerkâ zugerechnet, weil es fĂŒr den Datierenden â und möglicherweise auch fĂŒr die oder den ersten Datierende(n), die oder der ein unsicheres â1810 (?)â auf der Reinschrift notierte â âinhaltliche und stili-stische Unsicherheitenâ offenbarte. Die Entscheidung, ob ein Text zum eigent-lichen Werk einer Autorin zu zĂ€hlen ist, beruht (nicht nur) in diesem Fall auf einem Werturteil ĂŒber einen Text, wie Michel Foucault mit einiger PrĂ€zision beschrieben hat.9 âTatsĂ€chlich jedochâ, schreibt Foucault, âist das, was man bei einem Individuum als Autor bezeichnet (oder was ein Individuum zum Autor macht), nur die mehr oder weniger psychologisierende Projektion der Behandlung, die man den Texten angedeihen lĂ€sstâ.10 Im Fall Drostes ist die Kategorie âFrĂŒhwerkâ (verbunden mit der Feststellung âstilistischer und inhaltlicher Unsicherheitâ) als das Ergebnis einer solchen Psychologisierung zu verstehen, die Konsequenzen bis in die Edition der Texte hat und bis zu der Frage reicht, ob Texte ĂŒberhaupt zum Objekt literaturwissenschaftlicher LektĂŒre werden oder nicht.
Sobald man sich nicht mehr durch die Datierung des Gedichts von dessen LektĂŒre abhalten lĂ€sst, kann auffallen, dass die Frage nach der AbhĂ€ngigkeit des eigenen Selbst nicht nur durch das Gedicht als Teil einer intertextuellen Relation aufgeworfen wird, sondern auch im Text selbst die zentrale Thematik darstellt. Die Semantik des Gedichts organisiert sich entlang einer recht sche-matischen Differenz zwischen Figuren des hin- und hergeworfenen Einzelnen (âSchiffleinâ [9], âSchiffsvolkâ [17], âErretteteâ [27], âSeeleâ [33, 59], âMenschâ [33, 59]) und Figuren, die zu solchem mĂ€chtigen Hin- und Her-werfen befĂ€higt sind (âFlutenâ [1, 42], âMeerâ [2], âWellenâ [3], âWogenâ [5], âFlutâ [10, 60], âSchicksalâ [34, 37, 60], âSchicksalsmĂ€chteâ [45], âewiger Vaterâ [47]). Es fĂ€llt nicht schwer, diese Begrifflichkeit prĂ€ziser zu ordnen: Die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Begriffen drĂ€ngt sich auf, und es liegt nahe, die konkreten â auf den Bereich des Maritimen bezogenen â Begriffe als eine metaphorische Darstellung der ab-strakten â auf das âSchicksalâ der âSeeleâ bezogenen â Begriffe zu lesen. Diese Ăbertragung wird ĂŒberdies im bereits angesprochenen Schluss des Ge-dichts ausdrĂŒcklich evoziert: âSeele des Menschen wie gleichst du dem Schiffe/ Schicksal des Menschen wie gleichst du der Flutâ (59-60).
Dass die metaphorische Analogie zwischen Schiff und Seele, zwischen Seefahrt und menschlichem Leben, in irgendeiner Weise originell wĂ€re, kann kaum behauptet werden. Es wĂ€re wohl kaum ĂŒbertrieben, das Schiff als Exem-plum des Allegorischen ĂŒberhaupt zu bezeichnen. Wenn es möglich ist, einen Beginn dieser literarischen Tradition zu benennen, dann am ehesten in Horazâ 9 So nennt Foucault die Festlegung eines âkonstante[n] Wertniveau[s]â als eines der vier
Kriterien, mit denen der heilige Hieronymus die Einheit eines Werks (und also eines Autor-namens) bestimmt habe (vgl. Michel Foucault, âWas ist ein Autor?â, in: ders., Schriften zur Literatur, hg. von Daniel Defert und François Ewald, ĂŒbers. von Michael Bischoff, Hans-Dieter Gondek und Hermann Kocyba, Frankfurt a. M. 2003, S. 234-270, hier S. 248 f.).
10 Ebd., S. 248.
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Carmina, deren 14. beginnt: âO navis, referent in mare te novi/ fluctus, o quid agis? fortiter occupa/ portumâ.11 Quintilian zitiert diese Passage in seinem fĂŒr folgende Jahrhunderte maĂgeblichen Rhetoriklehrbuch (Institutio oratoria) und erklĂ€rt sie zum Musterbeispiel der Allegorie.12 In der Folge ist die Litera-turgeschichte angefĂŒllt mit allegorischen Schifffahrten, die Beispiele sind schier zahllos.13 Das Schiff ist fĂŒr die Allegorie, mit anderen Worten, das-jenige, was der Löwe fĂŒr die Metapher darstellt:14 nicht ein Beispiel, sondern eher das Beispiel. Demzufolge ist die Schifffahrt ein Bibliotheksereignis: Das Schiff erweckt im literarischen Text die Erinnerung an unzĂ€hlige andere Schiffe, es ist immer schon in einem Meer aus BĂŒchern unterwegs.
Nichtsdestotrotz hat Hans Blumenberg einen (letzten?) Versuch zu einer existenzialen Interpretation der Schiffsallegorik unternommen und die (von ihm als âMetaphorikâ interpretierte) Bildlichkeit des Schiffs als eine grund-legende âDaseinsmetapherâ beschrieben: âDer Mensch fĂŒhrt sein Leben und errichtet seine Institutionen auf dem festen Lande. Die Bewegung seines Da-seins im ganzen jedoch sucht er bevorzugt unter der Metaphorik der gewagten Seefahrt zu begreifenâ,15 schreibt Blumenberg.
Die Metaphorik der Seefahrt zielte demzufolge, nicht erst bei Droste, wesentlich auf die UnwĂ€gbarkeit der Reise auf das Meer. Die âBedeutungslast der Metaphorik von Seefahrt und Schiffbruchâ, wird Blumenberg zufolge von zwei âVoraussetzungenâ â d.h. wohl soviel wie anthropologische und kulturelle Konstanten in der Wahrnehmung des Meers â bestimmt: âeinmal das Meer als naturgegebene Grenze des Raumes menschlicher Unternehmun-gen und zum anderen seine DĂ€monisierung als SphĂ€re der Unberechenbarkeit, Gesetzlosigkeit, Orientierungswidrigkeit.â16 Diese beiden âVoraussetzungenâ hĂ€ngen offenkundig zusammen: Weil es aufgrund seiner schweren ZugĂ€ng-lichkeit nur auf stets schwankenden und jederzeit versenkbaren Planken befahren werden kann, kann die Fahrt auf dem Meer zur Metapher fĂŒr Un-
11 Quintus Horatius Flaccus, SĂ€mtliche Gedichte, Lateinisch/Deutsch, hg. von Bernhard Kytzler,
Stuttgart 1992, S. 36. Die deutsche Ăbersetzung lautet: âO Schiff, zurĂŒck werden reiĂen ins Meer dich neue / Fluten â o was tust du? Entschlossen strebe an / den Hafen!â (ebd., S. 37).
12 Vgl. Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol, 4., durchges. Aufl., Göttingen 1997, S. 34 f. 13 Vgl. Ernst Robert Curtius, EuropÀische Literatur und lateinisches Mittelalter [1948],
TĂŒbingen 111993, S. 138-141; Rainer Gruenter, âDas Schiff. Ein Beitrag zur historischen Metaphorikâ, in: Tradition und UrsprĂŒnglichkeit. Akten des III. Internationalen Germanisten-kongresses 1965 in Amsterdam, hg. von Werner Kohlschmidt und Herman Meyer, Bern, MĂŒnchen 1966, S. 86-101; David Halsted, âShips, the Sea and Constancy: A Classical Image in the Baroque Lyricâ, in: Neophilologus. An international Journal of Modern and Medieval Language and Literature 47 (1990), S. 545-560.
14 Vgl. Wolfram Groddeck, Reden ĂŒber Rhetorik. Zu einer Stilistik des Lesens, Basel, Frank-furt a. M. 1995, S. 256.
15 Hans Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher [1979], Frankfurt a. M. 1997, S. 9.
16 Ebd., S. 10.
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planbarkeit, Unvorhersehbarkeit ĂŒberhaupt â kurzum: zu einer prominenten Metapher fĂŒr die Kontingenz des irdischen Lebens â werden.17
Auch Drostes Gedicht âDas Schicksalâ ist wesentlich ein Text ĂŒber Unberechenbarkeit und Unvorhersehbarkeit. Die Insassen des âSchiffleins, umschwebt von Gefahrenâ (9), verfĂŒgen lediglich ĂŒber die einzige Gewissheit, dass ihr Leben nicht in ihren HĂ€nden, sondern in denen fremder âSchicksals-mĂ€chteâ (45) liegt. Das Meer â und damit zugleich auch die Macht des âSchicksalsâ, die ĂŒber das Meer zu gebieten scheint â wird wesentlich durch seine Gewalt und Kraft charakterisiert, menschliches Leben nach Belieben zu vernichten. Attribute wie âbrausendâ (1), âkrachendâ (2), ârauschendâ (4, 46), âwĂŒtendâ (5), âmĂ€chtigâ (7, 42), âbrechendâ (8), âschrecklich drohendâ (10), âschleuderndâ (13), âschmetterndâ (15), âschrecklichâ (25), âallmĂ€chtigâ (39), âwildâ (50) und Verben wie âwĂ€lzenâ (4, 10), âtobenâ (5), âstĂŒrmenâ (12), ârauschenâ (37), âbrausenâ (42) und âschleudernâ (50) lassen die Natur in er-ster Linie als eine SphĂ€re kraftvoller und vernichtender GewaltausĂŒbung erscheinen.
In zweiter Linie jedoch gibt es in Drostes Meer immer noch zumindest die Möglichkeit von âErbarmenâ (23). Die Natur ist in Drostes Gedicht nicht vollstĂ€ndig entgöttlicht, sie ist â zumindest potentiell â der Raum einer Begegnung mit göttlicher Kraft. Die Gewalt des Meers erscheint hier daher von vornherein weder als willen- und sinnlos noch als unabwendbar: Der ânatĂŒrliche Gangâ (35) verheiĂt fĂŒr die Seefahrer daher auch die Möglichkeit von Rettung durch göttliche Gnade. Der SphĂ€re der Gewalt steht daher im Gedicht diejenige der Gnade gegenĂŒber: Es gibt die Hoffnung auf âerrettend Erbarmenâ (23), âgoldene Ruheâ (51) und âblĂŒhendes GlĂŒckâ (56), auf âSchweigenâ (30), âDĂ€mpfenâ (36) und âRuhenâ (55, 58) des Meers.
Das Meer ist also nicht nur Raum unwĂ€gbarer Kontingenz; es lĂ€sst auch den Gedanken von Gnade und Erbarmen und also die Möglichkeit von göttlicher Planung und Vorsehung zu. Blumenberg geht auf die Möglichkeit, die Seefahrt als Begegnung mit Gott zu imaginieren, nicht ein und kann dies auch nicht, weil er die âDĂ€monisierungâ des Meers apodiktisch voraussetzt. Dies mag fĂŒr viele Texte der griechischen Antike zutreffen, allerdings findet sich im Alten Testament, in Psalm 107, eine wirkungsmĂ€chtige Passage, welche das Meer dezidiert nicht als âErscheinungsort des Bösenâ18 entwirft. Wenn man Psalm 107 mit Drostes Gedicht âDas Schicksalâ vergleicht, wird deutlich, dass Drostes Text der alttestamentarischen Vorlage einiges verdankt. Dies zeigt die LektĂŒre des Abschnitts (hier zitiert in der Ăbersetzung Moses Mendelssohns aus dem Jahr 1783):
Die in Schiffen gehen aufs Meer,/ Im GewĂ€sser treiben ihr GeschĂ€ft;/ Diese sehn des Ewgen Taten,/ Seine Wunder in den Tiefen./ Spricht er; so erregt er Sturm-wind;/ Meereswogen tĂŒrmen sich./ (Sie fahren gen Himmel;/ sie sinken in
17 Vgl. Michael Makropoulos, ModernitĂ€t und Kontingenz, MĂŒnchen 1997, S. 7-13. 18 Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer, S. 10.
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Tiefen; Die Seele zagt in Angst./ Sie taumeln im Schwindel, wie trunken./ Alle ihre Kunst versagt.)/ Sie schrein in ihrer Not zum Herrn,/ Der rettet sie aus ihrer Angst./ Verwandelt Sturm in Stille;/ HeiĂt des Meeres Wogen schweigen;/ Leitet sie auf sanften Wellen,/ Froh zu ihres Wunsches Ziel./ Dann preisen sie des Ewgen GĂŒte,/ Den Menschenkindern seine Wunder./ RĂŒhmen ihn in Volks-versamlung,/ Preisen ihn im Sitz der Alten.19
Der Wechsel von der âGefahrâ zur Möglichkeit des âErbarmensâ ist hier â bis hin zu motivischen Details â vorformuliert: Angesprochen wird hier, wie in Drostes Gedicht, der âEwgeâ als Beherrscher des Meeres (âewiger Vaterâ [47]), die Angst der Seeleute, die sich bei Mendelssohn in einer âzagenden Seeleâ Ă€uĂert (bei Droste: âheulendes Zagenâ [17]) und in die Anrufung Gottes mĂŒndet (Psalm 107: âSie schrein in ihrer Not zum Herrnâ; Droste: âFleht um StĂ€rke und um Erbarmenâ [48]). Parallel ist aber vor allem der Um-schwung von stĂŒrmischer See zu Stille (âVerwandelt Sturm in Stilleâ), der auch in Drostes Gedicht gleich mehrfach geschildert wird (âSchweiget nun still das besĂ€nftigte Meerâ [26]; âEndlich die brausende Woge auch ruhtâ [58]).
Droste â der Barbara Beuys attestierte, sie habe â â ungewöhnlich fĂŒr eine Katholikin â ihre Bibel [gekannt]â,20 wird mit höchster Wahrscheinlichkeit auch die Psalmen gekannt haben; schlieĂlich wurden diese seit der Mitte des 18. Jahrhunderts von verschiedenen Autoren als âheilige GesĂ€ngeâ (Karl Wilhelm Ramler), mithin als Urbild lyrischer Poesie ĂŒberhaupt beschrieben und sind entsprechend breit rezipiert (und mehrfach ins Deutsche ĂŒbersetzt) worden.21 Im Anschluss an Psalm 107 wurde in der Erbauungslyrik des 18. Jahrhunderts ausdrĂŒcklich auch bereits die Analogie von Schiff und Seele formuliert, wobei die Seefahrt entsprechend als Allegorie fĂŒr den âgefĂ€hr-lichenâ Gang der Seele durch die Welt erscheint, der glĂŒcklicherweise mit der Begegnung mit Gottes Gnade enden darf.22 In Gerhard Tersteegens Geistliches BlumengĂ€rtlein mit der frommen Lotterie (aus dem Jahr 1727, mit zahlreichen Auflagen bis ins 19. Jahrhundert) heiĂt es etwa unter der Ăberschrift âDer vorsichtige Schiffmannâ: âGott schaut in mich hinein, Und ich auf ihn allein;/ Mein Ruder und KompaĂ Ist sonsten nichts als das./ Ach, wenn es so nur
19 Die Psalmen. Ăbersetzt von Moses Mendelssohn, hg. von Walter Pape, Berlin 1991, S. 164. 20 Barbara Beuys, âBlamieren mag ich mich nichtâ. Das Leben der Annette von Droste-
HĂŒlshoff, Frankfurt a. M., Leipzig 2009, S. 187. 21 Vgl. Walter Pape und Gideon Toury, âNachwortâ, in: Die Psalmen. Ăbersetzt von Moses
Mendelssohn, hg. von Walter Pape, Berlin 1991, S. 229-254, hier S. 240; vgl. mit Bezug auf die Seefahrtsmetaphorik in Psalm 107 auch Ralph HĂ€fner, Konkrete Figuration. Goethes âSeefahrtâ und die anthropologische Grundierung der Meeresdichtung im 18. Jahrhundert, TĂŒbingen 2002, S. 23-53.
22 Vgl. die Hinweise bei August Langen, Der Wortschatz des deutschen Pietismus, 2., erg. Aufl. TĂŒbingen 1968, S. 125.
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stehet, Mein Schifflein sicher gehet;/ Es stĂŒrme Wind und Wellen, Sie werden mich nicht fĂ€llen.â23
Drostes Gedicht âDas Schicksalâ nimmt die hier beschriebene Analogie von Seele und Schifffahrt auf und beschreibt das Meer im Gefolge von Psalm 107 als Ort einer möglichen Begegnung mit Gott. Allerdings ist das Gedicht weit entfernt von der Erbauungslyrik eines Gerhard Tersteegen, und auch die Gewissheit der Erlösung, die in Psalm 107 formuliert wird, fehlt in Drostes Text. Hier liegt die zentrale Differenz, die Drostes Gedicht von diesen Texten trennt: Die Möglichkeit der Erlösung, die in Psalm 107 erfahren wird und in Tersteegens Gedicht gar als âRuder und KompaĂâ und also zu Medien natur-wissenschaftlicher Evidenz und technischer Steuerung analogisiert wird, ist in Drostes Gedicht lediglich als Hoffnung verfĂŒgbar. Zwar gibt es auch in Drostes Text âErretteteâ (27), aber nirgends wird die Rettung â anders als im Psalm (âDer rettet sie aus ihrer Angst./ Verwandelt Sturm in Stilleâ) â als ein tatsĂ€chlicher Eingriff Gottes erkennbar. âAber verbraust mit schrecklichem Grimme/ Schweiget nun still das besĂ€nftigte Meerâ (25-26), heiĂt es in Drostes Gedicht an entsprechender Stelle lediglich â wobei das Wort âbesĂ€nf-tigtâ nicht verrĂ€t, ob die BesĂ€nftigung von auĂen erfolgt ist oder lediglich einer zeitweiligen Erschöpfung zu verdanken ist (auf diese Möglichkeit deutet das Wort âverbraustâ). âWartend schweigen Hain und Flurâ (30), heiĂt es im Anschluss â als ob der nĂ€chste Sturm jederzeit und unvorhersehbar erneut aus-brechen könnte, was wenige Zeilen spĂ€ter (âDumpfhin rauschen des Schick-sals Wogenâ [37]) auch tatsĂ€chlich zu geschehen scheint. Die Rettung bleibt bloĂe Hoffnung und reine Möglichkeit, ĂŒber die auch nach dem âSchweigenâ des Meers keine sichere Aussage zu treffen ist.
Die Seefahrt eröffnet in Drostes Gedicht demnach eine Erfahrung radikaler Kontingenz, allerdings in einem anderen Sinn als Blumenberg es beschreibt. Die Fahrt ĂŒber das Meer macht nicht einfach Kontingenz â Unberechen-barkeit, Ungewissheit, Orientierungswidrigkeit â erlebbar, sondern lĂ€sst prĂ€-zise die Möglichkeit von Gnade, Erbarmen und Rettung â die gesamte SphĂ€re von Providenz mithin â kontingent erscheinen. Das âSchiffsvolkâ in Drostes Gedicht verfĂŒgt weder ĂŒber âRuderâ noch ĂŒber âKompaĂâ; von einem Ver-trauen in göttliche Lenkung und FĂŒgung kann keine Rede sein. Die Rettung kann lediglich erwartet werden, ohne dass ihr Eintreffen jemals sicher wĂ€re: Der Mensch, so heiĂt es im Gedicht, âmuĂ traurig verweilenâ (40). Dass dieses wartende âVerweilenâ nicht allein in hoffnungsvoller Stimmung, son-dern mindestens ebenso sehr im Zeichen des Zweifels steht, wird dabei mehrfach deutlich: Die Seefahrer suchen âmit zweifelndem Herzenâ (22) nach Rettung, ihr Klagen ist âverzweifelndâ (19), ebenso wie sie spĂ€ter die Fluten nur âverzweifelndâ (43) nahen sehen können. Der Grund fĂŒr dieses Verzwei-feln ist im Gedicht zunĂ€chst die Sorge um das physische Ăberleben, zugleich 23 Gerhard Tersteegen, Geistliches BlumengĂ€rtlein mit der frommen Lotterie und einem kurzen
Lebenslauf des Verfassers [1727], Neue Ausgabe, Stuttgart 151956, S. 150 f.
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aber â insofern im Verzweifeln stets der religiöse Zweifel nachklingt â auch das Bewusstsein der Grundlosigkeit (das âverzweifelnde Klagenâ, so heiĂt, es âHallt in des Abgrunds KlĂŒften widerâ [19-20]). Das âErbarmenâ, welches in Drostes Gedicht einfach geschieht, wird dadurch kontingent: Es könnte jederzeit auch nicht geschehen.
***
Die Kontingenz des Lebenslaufs behandelt auch Goethes Gedicht âGesang der Geister ĂŒber den Wassernâ, auf das Drostes Gedicht âDas Schicksalâ in den letzten beiden Zeilen auffĂ€llig Bezug nimmt. Auch wenn es auf den ersten Blick tatsĂ€chlich wirken mag, als seien die letzten beiden Verse von Drostes Text ein âbeinahe wörtliches Zitatâ24 Goethes, zeigt eine vergleichende LektĂŒre, dass Goethes Gedicht in demjenigen Drostes zugleich zitiert und transformiert wird. Der PrĂ€text erscheint bei nĂ€herem Hinsehen nicht so sehr als autoritĂ€re Stimme, die eine junge Autorin mit âepigonalem LebensgefĂŒhlâ nur nachahmen könnte, sondern vielmehr als Teil eines textuellen Spiels mit sprachlichem Material und literarischem Traditionsbestand.
Gesang der Geister ĂŒber den Wassern
Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel steigt es, Und wieder nieder Zur Erde muĂ es, Ewig wechselnd.
Strömt von der hohen, Steilen Felswand Der reine Strahl, Dann stÀubt er lieblich In Wolkenwellen Zum glatten Fels, Und leicht empfangen Wallt er verschleiernd, Leisrauschend Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen Dem Sturz entgegen, SchÀumt er unmutig
24 KortlĂ€nder, âKommentar: âDas Schicksalââ, S. 641.
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Stufenweise Zum Abgrund.
Im flachen Bette Schleicht er das Wiesental hin, Und in dem glatten See Weiden ihr Antlitz Alle Gestirne.
Wind ist der Welle Lieblicher Buhler; Wind mischt vom Grund aus SchÀumende Wogen.
Seele des Menschen, Wie gleichst du dem Wasser! Schicksal des Menschen, Wie gleichst du dem Wind!25
Auch Goethes Gedicht mĂŒndet in einem ausdrĂŒcklichen Vergleich. Drostes Zeilen âSeele des Menschen wie gleichst du dem Schiffe/ Schicksal des Menschen wie gleichst du der Flutâ (59-60) greifen zwar die Syntax und die Semantik der letzten beiden Zeilen von Goethes Gedicht auf. Die Elemente, mit denen âSeeleâ und âSchicksalâ des Menschen jeweils analogisiert werden, sind jedoch gewissermaĂen verschoben: Wo Goethe einerseits âSeeleâ und âWasserâ und andererseits âSchicksalâ und âWindâ gleichsetzt, schlieĂt Drostes Text mit der Parallele zwischen âSeeleâ und âSchiffâ sowie von âSchicksalâ und âFlutâ.
Die Analogie zwischen âSeele/Schicksalâ und âWasser/Windâ, die Goethes Gedicht entwickelt, ist weniger kulturell verankert als Drostes Parallele zwischen âSeele/Schicksalâ und âSchiff/Flutâ und ist daher auch weniger ein-fach hermeneutisch zugĂ€nglich.26 In seinem Kommentar zu Goethes Gedicht nennt Konrad Burdach vor allem den Koran als âQuelleâ27 â eine nahezu
25 Goethe, Gesang der Geister ĂŒber den Wassern, S. 143. 26 Vgl. Terence James Reed, âGesang der Geister ĂŒber den Wassernâ, in: Goethe Handbuch in
vier BĂ€nden, hg. von Bernd Witte u.a. Stuttgart, Weimar 1996-1998, Bd. 1, S. 195-198, hier S. 196: âDabei leuchtet die allegorische Gleichung âMenschenseele gleich Wasserâ nicht ohne weiteres ein.â
27 Konrad Burdach, âGoethes Gesang der Geister. Ein Brief an Wilhelm Bode [1913]â, in: ders., Vorspiel. Gesammelte Schriften zur Geschichte des deutschen Geistes, Bd. 2. Halle/Saale 1926, S. 82-90, hier S. 82. Burdach zitiert in diesem Zusammenhang Bodes Stunden mit Goethe: âIn der zehnten Sure stehen zwischen allerlei anderen, hin und her irrlichtelnden AusfĂŒhrungen einige SĂ€tze, die im jungen Goethe haften blieben und zum Gedichte wurden. Hier sind sie in einer Ăbersetzung von 1746 (Th. Arnold nach dem Englischen, Lemgo): âZu ihm [Gott] sollt ihr alle wiederkehren ... Denn er bringt ein Geschöpf herfĂŒr und lĂ€Ăt es dann wiederkehren ... Wahrlich, die Gleichheit dieses gegenwĂ€rtigen Lebens ist nichts anders als Wasser, welches wir vom Himmel herabfallen lassen...ââ (zit. nach Burdach, Goethes Gesang der Geister, S. 84 f., FuĂnote 1).
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unfreiwillig komisch erscheinende Wortwahl angesichts des Umstands, dass Goethes Gedicht vor allem die Frage nach der Herkunft des Wassers (welches dem Geist analog sein soll) thematisiert: âStrömt von der hohen,/ Steilen Felswand/ Der reine Strahlâ â und verweist auf den Einfluss âverwandter, Ă€lterer wie jĂŒngerer Mystikâ.28 Jenseits einiger möglicher BezĂŒge zur Motivik des Korans steht die Metaphorik des âGesangs der Geisterâ aber am ehesten in Verbindung mit einer ganzen Reihe von anderen Texten Goethes â Burdach nennt insbesondere die Gewitterszene aus den Leiden des jungen Werther und Orests Dankesjubel aus Iphigenie auf Tauris.29 Der Umstand, dass die Gestal-tung des Wassermotivs im âGesang der Geisterâ keinen derart im kulturellen Kanon vorgeprĂ€gten Mustern folgt wie zum Beispiel die Seefahrtsallegorie in Drostes âDas Schicksalâ, könnte manchen Leser dazu verleitet haben, das Gedicht als Ausdruck von Goethes eigenem Erleben zu interpretieren. Noch der Kommentar zum Gedicht im Goethe Handbuch (aus dem Jahr 1996) interpretiert das Gedicht im Kontext von Goethes Reise in die Schweiz und beginnt mit Hinweisen darauf, dass âdie Reisendenâ sich im Oktober 1779 â zur möglichen Zeit der Entstehung des Gedichts â âin der Gegend von Lau-terbrunnenâ aufgehalten hĂ€tten, âam Staubbach, dessen Wasserfall eine Höhe von 300 Metern hinunterstĂŒrzt.â30 Bereits Burdach liest den âGesang der Geisterâ dagegen nicht als Ausdruck wirklichen Erlebens, sondern als die Entfaltung dichterischer Weisheit ĂŒber das menschliche Leben ĂŒberhaupt. â[I]ch glaubeâ, erlĂ€utert Burdach die Analogie zwischen âSeeleâ und âWasserâ, âder Zwiegesang der Geister in der WĂŒste31 bezieht sich nur auf das Auf und Nieder, das Steigen und Sinken, Aufleben und Absterben innerhalb der irdischen Laufbahn des Menschen.â32
Von derartig reiner Immanenz wird in Goethes Text freilich ausdrĂŒcklich nicht gesprochen. âDes Menschen Seeleâ, heiĂt es, âGleicht dem Wasser:/ Vom Himmel kommt es,/ zum Himmel steigt es,/ Und wieder nieder/ Zur Erde muĂ es,/ Ewig wechselnd.â Hier ist nicht nur von âAuf und Niederâ die Rede, sondern zugleich von Verwandlungen zwischen verschiedenen Aggre-gatszustĂ€nden: Wasser, das aus Wolken regnet, verdunstend wieder aufsteigt, um erneut Wolken zu bilden. Im Gegensatz zu Drostes âSchicksalsâ-Gedicht erscheint Wasser hier also nicht als Meer, sondern wesentlich als Teil eines Kreislaufs der Natur. Es geht â mit anderen Worten â nicht so sehr um ein âAuf und Niederâ als vielmehr um ein âHin und ZurĂŒckâ, um Zirkulation, Austausch, um das Ăberwechseln und ZurĂŒckkehren einer Energie durch ver-
28 Burdach, Goethes Gesang der Geister, S. 84. 29 Vgl. ebd., S. 83 f. 30 Reed, Gesang der Geister ĂŒber den Wassern, S. 195. 31 âGesang der lieblichen Geister in der WĂŒsteâ ist ein abweichender Titel des Gedichts. Diesen
Titel trÀgt die Handschrift des Gedichts, die Goethe am 14. Oktober 1779 an Frau von Stein schickte (vgl. ebd., S. 195).
32 Burdach, Goethes Gesang der Geister, S. 89.
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schiedene Formen hindurch, kurzum: um eine bestimmte Ăkonomie.33 Aus-getauscht und ausgewechselt wird in der Ăkonomie des Wassers im âGesang der Geisterâ eine identische Substanz: Das âWasserâ steigt zum Himmel, âmuĂâ wieder herunter und bleibt doch in diesem âewigenâ Wechsel stets eine mit sich identische EntitĂ€t. Möglich wird diese zirkulierende IdentitĂ€t durch die A-MaterialitĂ€t des Wassers: Allen Gesetzen der (Newtonschen) Schwer-kraft entgegen kann es â scheinbar selbstĂ€ndig â âzum Himmelâ steigen, als âreiner Strahlâ von der âFelswandâ herab âströmenâ und âverschleierndâ â also sich wohl in der Form von Gischt ausbreitend â herunter âwallenâ; es kann als Fluss, im âflachen Betteâ, zum Meer (âglatte Seeâ) werden (und von dort aus wieder verdunsten. Das Wasser hat im âGesang der Geisterâ keine materielle Substanz, und eben darum eine bleibende IdentitĂ€t in allen materiel-len Erscheinungsformen.
Darin â so sagt es der âGesangâ â gleicht der âGeistâ dem Wasser. Die âQuelleâ des Geists ist himmlisch, aber durch seine eigene Kraft kann der Geist sich sogar selbst zum Himmel erheben. Die Ăkonomie des Wassers ist also innerhalb der von der im Gedicht ausgesprochenen Analogie zwischen Wasser und Geist als eine Theorie der Inspiration lesbar, und der âGeistâ zu-gleich mit seiner lateinischen Bezeichnung als genius oder Genie. Inspiration wiederum â Begeisterung wĂ€re der deutsche Begriff â geschieht durch den âewig wechselndenâ Kreislauf des Wassers und also gewissermaĂen durch eine Kommunikation des Geistes mit sich selbst: Der Geist wĂ€re demzufolge dasjenige, das keine Ă€uĂere Quelle braucht, sondern Kraft aus einer eigenen Ăkonomie heraus entwickeln kann. Mit Blick vor allem auf âMahomets-Gesangâ, in dem auf vergleichbare Art und Weise der Weg des Wassers vom âFelsenquellâ um âewâgen Ozeanâ beschrieben wird,34 hat David Wellbery in diesem Sinn das FlĂŒssige als die genuine MaterialitĂ€t des Genies in Goethes Gedichten ausgemacht. âThe genius, as source emerging into being (or âbornâ) from between the cliffs, is originary liquidityâ,35 schreibt Wellbery und betont, dass die Bedeutung der Bildlichkeit des FlĂŒssigen fĂŒr die Vorstellung des Genies weit ĂŒber die Assoziation von âflieĂenderâ oder âsprudelnderâ Kreati-vitĂ€t hinausgeht: âThe figure of âliquidityâ introduces into the discourse on genius a range of significant possibilities that go well beyond such simple substitution. The flow of liquid is an unbroken movement, a movement that suffers no articulatory incisions or caesurae. It is the paradigm of pleasure and
33 Darauf, dass die âFigur des Kreises im Zentrumâ des Ăkonomischen steht â inklusive der
damit verbundenen âIdee des Tausches, der Zirkulation, der RĂŒckkehrâ, notiert Jacques Derrida. Jacques Derrida, Falschgeld. Zeit geben I, ĂŒbers. von Andreas Knop und Michael Wetzel, MĂŒnchen 1993, S. 16.
34 Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, âMahomets-Gesangâ, in: ders., Werke. Hamburger Aus-gabe in 14 BĂ€nden, Bd. 1, hg. von Erich Trunz, MĂŒnchen 1988, S. 42 f.
35 David Wellbery, The Specular Moment. Goetheâs Early Lyric and the Beginnings of Romanticism, Stanford/Ca. 1996, S. 123.
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fulfilment; it is a form of expressivity; it is common to water, semen, paint, and ink.â36
Auch im âGesang der Geister ĂŒber den Wassernâ reprĂ€sentiert das FlĂŒssige nicht nur das ausdrĂŒcklich genannte âWasserâ, sondern partizipiert ebenso an der Assoziation zum Sperma als Symbol fĂŒr Schöpfungskraft und Energie â hier zusĂ€tzlich assoziiert mit der Idee von Reinheit (âStrömt von der hohen,/ Steilen Felswand/ Der reine Strahlâ), zur Farbe ebenso wie zum Spiegel als Medien der ReprĂ€sentation von Welt und Himmel (âUnd in dem glatten See/ Weiden ihr Antlitz/ Alle Gestirneâ) und schlieĂlich zur Tinte, welche der Samen und zugleich die Farbe des âGeistesâ ist.
Dem Prinzip des Wassers erscheint im Text dasjenige des Windes entgegen-gesetzt. Der Wind âschĂ€umtâ das Wasser auf und zerstreut es. Der Grund fĂŒr diese Zerstreuung ist mit dem Wort âBuhlerâ gegeben: âWind ist der Welle/ Lieblicher Buhlerâ, sagt das Gedicht. Der Wind âmischt vom Grund aus/ SchĂ€umende Wogenâ: buhlend zielt er auf die Paarung und Vermischung von Wind und Wasser, das SchĂ€umende als Ergebnis der Paarung hervorbringend. Ausgehend vom Begriff des âBuhlensâ kann die Vermischung von Wind und Wasser als Chiffre fĂŒr eine SexualitĂ€t gelesen werden, die das Prinzip des schöpferischen und mĂ€nnlich konnotierten âWassersâ substantiell zu zerstreuen droht.37 Dergestalt wirft der âWindâ â analogisiert zum âSchicksalâ des Menschen â in Goethes Gedicht die Frage der Kontingenz auf (eine â wenn man etwa auch an die Bewegung der Wolken denkt â gelĂ€ufige metaphorische Besetzung des Winds). Bedenkt man allerdings die Analo-gisierung von âWasserâ mit Samen (Zeugungskraft) und Tinte (kreativer Ener-gie), dann ist Zerstreuung auch eine Notwendigkeit zur Nutzung der eigenen Kraft. Die Kraft des Wassers besteht darin, noch die Zerstreuung durch den Wind fĂŒr sich zu nutzen, und sich nicht in seinem Kreislauf aufhalten zu lassen. Goethes Gedicht â kurzum â entwirft das Genie als eine Kraft, die noch die Kontingenz des Lebens in sich aufzunehmen weiĂ und die sich gewissermaĂen zu einem Kreislauf ewiger Erneuerung und Selbstschöpfung befĂ€higt.
Ein Vergleich zwischen Goethes und Drostes Gedicht offenbart trotz evidenter formaler und struktureller NĂ€he â die Form der Analogisierung von âSeeleâ und âSchicksalâ jeweils mit dem Fluiden â maĂgebliche Differenzen. Drostes Text unterscheidet sich in zwei entscheidenden Schritten erheblich vom PrĂ€text. Erster Schritt: Drostes Text ĂŒbernimmt vom gesamten poe-tologischen Subtext, bei Goethe in der Metaphorik des Wassers angesprochen, nicht einmal Spurenelemente. Die Symbolik und Metaphorik des Wassers wird in Drostes âDas Schicksalâ vielmehr â wie oben skizziert â ganz aus der
36 Ebd., S. 123 f. 37 Vgl. Reed, Gesang der Geister ĂŒber den Wassern, S. 196 f.: âDer Wind [...] könnte sehr wohl
den seelischen Störfaktor Liebe meinen, wĂŒrde er nicht in den SchluĂversen dem Schicksal des Menschen ĂŒberhaupt gleichgesetzt.â
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Tradition alttestamentarischer und erbauungslyrischer Topik heraus ent-wickelt. Damit ist zugleich gesagt, dass die Emphase individueller Autorschaft und GenialitĂ€t zurĂŒckgenommen wird zugunsten eines der Allegorik genuin angehörigen Bewusstseins der KonventionalitĂ€t des eigenen Sprechens.38 Zweiter Schritt: Die dominierende mĂ€nnliche Gestalt im Hintergrund des Ge-schehens wird ausgetauscht. An die Stelle des â zumindest qua metaphorischer Referenz aufgerufenen â Genies in Goethes âGesang der Geisterâ tritt in Drostes Gedicht der âewâge Vaterâ und also der monotheistische Gottvater, der als Beherrscher des flĂŒssigen Elements angerufen wird. Dritter Schritt: Die Kontingenz, die in Goethes Gedicht im Begriff des âSchicksalsâ noch gebĂ€ndigt wird â insofern der Lauf des Wassers durch die Zerstreuung durch den Wind nie aufgehalten scheint â, wird in Drostes Text selbst zum unerbittlichen Schicksal. Wenn man diese dreischrittige Abweichung von Goethes âGesang der Geisterâ ernst nimmt, muss man zu dem Schluss kom-men, dass Drostes Text alles andere als ein Bekenntnis zu einem âepigonal-enâ SelbstverstĂ€ndnis ist. Die (annĂ€hernde) Zitation der letzten beiden Verse ist gerade nicht Ăbereinstimmung und nicht einmal Huldigung, sondern ver-weist auf eine grundlegende Deviation: Goethes Gedicht formuliert in einer verhĂ€ltnismĂ€Ăig eigenwilligen Metaphernsprache die Gewissheit eines Selbst, die Kontingenz des Lebens beherrschen zu können, Drostes Text be-schreibt in weitaus traditionsreicherer Bildlichkeit das absolute Ausgeliefert-sein an die Ungewissheit. WĂ€hrend der âGeistâ in Goethes âGesang der Geisterâ zwar durch den âWindâ zerstĂ€ubt und zerstreut werden kann, ist diese Ablenkung doch zugleich auch ein Teil seiner KraftausĂŒbung; in Drostes Text hingegen besteht die Kontingenz des Schicksals darin, dass nicht einmal gesagt werden kann, welcher Kraft die Insassen des in Seenot geratenen Schiffs ĂŒberhaupt ausgeliefert sind.
***
Drostes Gedicht, es wurde oben gesagt, schlieĂt an die Tradition alttestamen-tarischer und erbauungslyrischer Bildlichkeit an und dreht die Symbolik in diesem Anschluss gleichsam um: Die Metapher der Seele im Sturm fĂŒhrt hier keine Begegnung mit Gott mehr vor, sondern allein die Unbeherrschbarkeit des âSchicksalsâ. Drostes Gedicht âDas Schicksalâ, auf den ersten Blick mög-licherweise nicht mehr als eine unbeholfene Montage von ĂŒberlieferten VersatzstĂŒcken aus der lyrischen Tradition, erweist sich in vergleichender
38 Vgl. in diesem Sinne die Sentenz Walter Benjamins: âDie Allegorie des XVII. Jahrhunderts
ist nicht Konvention des Ausdrucks sondern [sic] Ausdruck der Konvention.â Walter Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels [1928], hg. von Rolf Tiedemann, Frank-furt a. M. 71996, S. 153.
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LektĂŒre mit den (an-)zitierten Texten nicht mehr als das Ergebnis einer âepigonalenâ Verfallenheit an das bereits Geschriebene und Gedachte.
Der Artikel âSchicksalâ im Historischen Wörterbuch der Philosophie be-ginnt mit der EinfĂŒhrung einer Differenz zwischen einem âphilosophischenâ und dem âumgangssprachlichenâ Gebrauch des Begriffs âSchicksalâ.
Das, was man im heutigen umgangssprachlichen Gebrauch als âSch.â bezeichnet, nĂ€mlich die unverfĂŒgbaren Kontingenzen des Lebens, wird in der Philosophie kaum unter dem Terminus âSch.â (fatum) thematisiert, sondern, wenn es ĂŒber-haupt einem Begriff zuzuordnen ist, eher unter âfortunaâ.39
Im Zusammenhang philosophischer Terminologie bezeichnet âSchicksalâ, heiĂt es weiter, âgeht es um das, was der Mensch nicht in seiner VerfĂŒgungsgewalt hat, und um die Frage, inwieweit das Handeln des Menschen selbstbestimmt sein kann.â40 Die Differenz zwischen âun-verfĂŒgbarer Kontingenzâ auf der einen Seite und der Negation von âVerfĂŒ-gungsgewaltâ auf der anderen Seite mag vielleicht nicht sofort einleuchten. Der Unterschied liegt darin, dass die hier als âphilosophischâ bezeichnete Version des âSchicksalsâ eine von auĂen determinierte Form der âUnverfĂŒgbarkeitâ des Lebens meint (fatum), wĂ€hrend die hier als âumgangs-sprachlichâ bezeichnete Version auf eine gewissermaĂen radikalisierte Form der UnverfĂŒgbarkeit abzielt, die keine göttliche Kraft mehr âhinterâ den unver-fĂŒgbaren Erlebnissen vermuten kann (Kontingenz, fortuna). Aus dieser Per-spektive erscheinen beide Möglichkeiten, den Begriff âSchicksalâ zu bestimmen, diametral entgegengesetzt: Die Idee des fatums setzt eine bestimmte Logik der Vorhersagbarkeit und Unausweichlichkeit voraus,41 ra-dikale Kontingenz im Gegenteil die vollstĂ€ndige Unmöglichkeit, sichere Aussagen ĂŒber die Zukunft zu tĂ€tigen.
In diesem Sinn lediglich als Bezeichnung fĂŒr das Unvorhersagbare und Un-bestimmbare (nicht aber: fĂŒr das im Vorhinein Determinierte) benutzt, bedeutet âSchicksalâ demnach das exakte Gegenteil der âklassischenâ PrĂ€gung des Begriffs. Wenn man dem Historischen Wörterbuch der Philosophie folgt, wird es dadurch gewissermaĂen nur noch nicht-terminologisch gebraucht. Zu sagen, ein Ereignis sei âschicksalhaftâ, kann dann kaum mehr bedeuten als: Es geschah ĂŒberraschend, unvorhersagbar.
Die erste LektĂŒre von Drostes Gedicht âDas Schicksalâ fĂŒhrt zu dem Gedanken, dass der Begriff des Schicksals hier â anders als das Thema des Gedichts zunĂ€chst suggerieren mag â eher in der âumgangssprachlichenâ Vari-ante gebraucht wird. Die Möglichkeit von Providenz bleibt im Gedicht kon-sequent ausgespart: Gott wird angerufen, die Rettung geschieht, aber ob diese
39 M[argarita] Kranz, âSchicksalâ, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von
Joachim Ritter, Karlfried GrĂŒnder und Gottfried Gabriel, 13 Bde., Basel, Stuttgart 1971-2007, Bd. 8, Sp. 1275-1289, hier Sp. 1275.
40 Ebd., Sp. 1275 f. 41 Vgl. Genevieve Lloyd, Providence Lost, Cambridge/Mass., London 2008, S. 74.
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der Wille oder die Gnade Gottes war, wird an keiner Stelle gesagt. An die Stelle von Providenz tritt radikale Kontingenz: Die Rettung erscheint als zu-fĂ€llig und auch anders möglich. Diese ZufĂ€lligkeit der Rettung kann dann allerdings â wenn auch nicht als vorherbestimmt, aber doch als verhĂ€ngnisvoll und damit wiederum schicksalhaft erscheinen.
Als reines VerhĂ€ngnis â ohne jede Verbindung zu einer Idee der Providenz oder auch zu Gott â interpretiert Walter Benjamin in diesem Sinn den Begriff des Schicksals. âSchicksal ist der Schuldzusammenhang des Lebendigenâ,42 schreibt Benjamin. Schuld ist hier die Verstrickung des Individuums in eine âOrdnung von Verschuldung und Vergeltungâ,43 aus dem es keine Erlösung und keine Rettung mehr geben kann.44 Schicksal ist, wie Benjamin mit aller SchĂ€rfe betont, kein religiöser Begriff: âEine Ordnung aber, deren einzig kon-stitutive Begriffe UnglĂŒck und Schuld sind und innerhalb deren es keine denk-bare StraĂe der Befreiung gibt [...], eine solche Ordnung kann nicht religiös sein, so sehr auch der miĂverstandene Schuldbegriff darauf zu verweisen scheint.â45 Die Pointe dieser Argumentation ist, dass der Begriff des Schick-sals ohne die Idee Providenz und ohne die Annahme göttlicher FĂŒgung ver-stĂ€ndlich wird; zugleich kann Schicksal âzur zeitdiagnostischen Kategorieâ46 werden: Die Moderne, die sich rĂŒhmt, die Herrschaft des Schicksals endgĂŒltig verabschiedet zu haben,47 steht fĂŒr Benjamin ganz im Zeichen schicksalhafter VerhĂ€ngnisse.
Drostes Gedicht âDas Schicksalâ nun zeigt â auch wenn hier der Begriff der Schuld nicht fĂ€llt â gleichfalls eine Situation ohne eine âdenkbare StraĂe der Befreiungâ. Resultierend aus der Ungewissheit ĂŒber die Möglichkeit Gottes, in das Geschehen in der Welt eingreifen zu können, ist das Schicksalhafte in Drostes Gedicht wesentlich diese Befreiungslosigkeit. Sie fĂŒhrt unmittelbar zu einer eigenen Ordnung der Zeit.
***
Als konkrete Bezeichnungen der Zeit fallen in Drostes Gedicht zunĂ€chst zwei Begriffe auf: ânunâ (26) und âendlichâ (58). Beide Wörter kennzeichnen den glĂŒcklichen Moment der Ruhe, in dem der Sturm abflaut: âschweiget nun still 42 Walter Benjamin, âSchicksal und Charakterâ, in: ders., Illuminationen. AusgewĂ€hlte Schrif-
ten 1, Frankfurt a. M. 1977, S. 42-49, hier S. 46. 43 Werner Hamacher, âSchuldgeschichte. Benjamins Skizze âKapitalismus als Religionââ, in:
Kapitalismus als Religion, hg. von Dirk Baecker, Berlin 2003, S. 77-119, hier S. 78. 44 Vgl. auch Lorenz JĂ€ger, âSchicksalâ, in: Benjamins Begriffe, hg. von Michael Opitz und
Erdmut Wizisla, Frankfurt a. M. 2000, Bd. 2, S. 725-739, hier S. 730. 45 Benjamin, Schicksal und Charakter, S. 44 f. 46 JĂ€ger, Schicksal, S. 733. 47 Vgl. Georg Simmel, âDas Problem des Schicksalsâ [1913], in: ders., BrĂŒcke und TĂŒr. Essays
des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft, hg. von Michael Land-mann, Stuttgart 1957, S. 8-16, hier S. 9.
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das besĂ€nftigte Meerâ (26), âEndlich die brausende Woge ruhtâ (58). Die Zeitlichkeit dieses Moments kann daher im Sinn des griechischen kairĂłs â als glĂŒcklicher, erfĂŒllter Moment â interpretiert werden. Das GlĂŒck besteht in beiden Momenten im Ruhen sĂ€mtlicher KrĂ€fte: âstillâ (26), âRuheâ (55), âruhtâ (58). Diese Ruhe verspricht â wie schon die Etymologie des Wortes âendlichâ zeigt â ein Ende, ein eschaton, allerdings nicht als ein Ende der Zeit, sondern innerhalb der Zeit (und der Welt). Damit entspricht die Zeit des ânunâ und des âendlichâ der messianischen Zeit, die, wie zuletzt Giorgio Agamben herausgearbeitet hat, nicht eine Zeit des Aufschubs oder der Erwar-tung, sondern vielmehr eine erfĂŒllte Zeit ist: âDas messianische Ereignis hat schon stattgefunden, die Rettung ist fĂŒr die GlĂ€ubigen schon vollendet, gleich-wohl impliziert sie fĂŒr ihre wirkliche Vollendung eine weitere Zeit.â48 Das Ende der Zeit â das eschaton â ist in der messianischen Tradition des Christentums nicht eine zu erwartende, zukĂŒnftige Zeit, sondern vielmehr âeine gegenwĂ€rtige Zeit â hier und jetzt â, die aber die Bedeutung des Hier und Jetzt radikal verĂ€ndert.â49 Mit anderen Worten: Messianische Zeit erwartet kein Ende der Zeit â was sollte auch nach dem Ende der Zeit noch geschehen können, ohne doch wieder eine andere Zeit zu benötigen?50 â sondern sie fĂŒgt der Zeit eine QualitĂ€t hinzu: Sie ist die Zeit, in der in jedem Moment die Erlösung geschehen und der Messias erscheinen könnte.51
Sobald diese beiden Momente aber nicht mehr Teil einer Ordnung der Providenz sind, sondern kontingent erscheinen, erweist sich das Versprechen des Endes, der erfĂŒllten Zeit, als trĂŒgerisch. Der messianischen Zeit ist in Drostes Gedicht deshalb eine zweite Zeitvorstellung gegenĂŒbergesetzt, die man â mit Walter Benjamin â als Zeit des Schicksals bezeichnen kann. Das Gedicht wird von Figurationen einer Zeit ohne Ende durchzogen: âWellen die selten so selten nur ruhten/ WĂ€lzen sich rauschend wohl hin und herâ (3-4); âWĂ€lzt sich die schrecklich drohende Flut/ Die, seit des Werdens sich dehnenden Jahrenâ (10-11); âIn der Ferne der Mensch will enteilen/ Aber allmĂ€chtig hingezogen/ Kann er nicht fliehn muĂ traurig verweilenâ (38-40). ZunĂ€chst ist es demnach die Natur, die hier in sinnleerer Repetition und in blindem Automatismus (âhin und herâ) befangen erscheint. Sodann aber ist es auch â zweiter Schritt â die Zeit, die sich âseit des Werdens dehntâ und die folglich in endloser Ausdehnung begriffen ist seit ihrem Beginn. Die Zeit, von der hier gesprochen wird, ist offenbar die endlose Zeit der Newtonschen
48 Giorgio Agamben, Die Zeit, die bleibt. Ein Kommentar zum Römerbrief, ĂŒbers. von Davide
Giuriato, Frankfurt a. M. 2006, S. 83. 49 Gianluca Solla, ââAlles, was der Fall istâ. Der Messias als Ereignis ĂŒberhauptâ, in: Ereignis.
Eine fundamentale Kategorie der Zeiterfahrung. Anspruch und Aporien, hg. von Nikolaus MĂŒller-Schöll, Bielefeld 2003, S. 48-59, hier S. 53.
50 Darauf weist bereits Kant in seinem Essay âDas Ende aller Dingeâ hin. Vgl. Immanuel Kant, âDas Ende aller Dingeâ, in: ders., Werke in sechs BĂ€nden, hg. von Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1983, Bd. 6, S. 175-190; vgl. Agamben, Die Zeit, die bleibt, S. 84.
51 Vgl. Agamben, Die Zeit, die bleibt, S. 85.
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OLIVER KOHNS 168
Physik: die unendlich fortschreitende, leere Zeit in der Form der Linie. Diese leere Zeit ist sodann die eigentliche Zeit des menschlichen Schicksals, in welcher dieser âtraurig verweilenâ muss: Es handelt sich dabei um eine Zeit des traurigen Wartens â traurig deshalb, weil die Vergeblichkeit des Wartens hier immer schon geahnt werden muss. Von einer âZeit des Schicksalsâ spricht Walter Benjamin, welche aber nur âganz uneigentlich zeitlichâ52 sei. Sie ist deshalb nur âuneigentlich zeitlichâ, weil sie keinen Ausweg aus dem universalen âSchuldzusammenhangâ kennt, keine Entwicklung, die nicht zugleich eine Perpetuierung der immer gleichen Verstrickung und des ewig gleichen VerhĂ€ngnisses wĂ€re.53
Eine Zeit des ewigen VerhĂ€ngnisses evoziert Drostes Gedicht âDas Schick-salâ nicht allein auf bildlicher Ebene, sondern bereits auf konkret sprachlicher Ebene. Der Text wird durch ein immer erneut wiederholtes âUndâ strukturiert, das nunmehr nicht mehr schlicht unbeholfen wirken kann, sondern als die sprachliche Gestaltung einer repetetiven Zeitordnung interpretiert werden kann: âUnd es tönet ...â (2) âUnd um ein Schifflein ...â (9); âUnd des Schiffs-volks ...â (17); âUnd ihr banges ...â (19); âUnd sie suchen ...â (21); âUnd der Erretteten ...â (27); âUnd des Meeres ...â (31); âUnd immer nĂ€her ...â (41); âUnd er sieht ...â (43); âUnd er schauet ...â (47); âUnd er sucht ...â (49); âUnd ihn flieht ...â (51); âUnd das treulos ...â (52); âUnd mit der ...â (55). Das zweimalige âAberâ fĂŒgt sich nahtlos in diese Struktur ein: âAber verbraust ...â (25), âAber versöhnt ...â (53). Das Gedicht nimmt hier eine irritierende sprach-liche NĂ€he zur Liste an, zur Auflistung einer monotonen Reihung von immer nur leicht variierten UnglĂŒcklichkeiten.
Die Zeitlichkeit des Schicksals entspricht zugleich der von Walter Benja-min beschriebenen Zeitstruktur des Allegorischen. In der Allegorie, schreibt Benjamin, âliegt die [...] facies hippocratica der Geschichte als erstarrte Ur-landschaft dem Betrachter vor Augen. Die Geschichte in allem was sie Unzei-tiges, Leidvolles, Verfehltes von Beginn an hat, prĂ€gt sich in einem Antlitz â nein in einem Totenkopf aus.â54 Das Allegorische bestimmt sich damit â in einem Syllogismus des VerhĂ€ngnisses â als strukturell dem Schuldzusammen-hang des Schicksals ausgeliefert.
Nicht allein âDas Schicksalâ, auch die spĂ€tere Lyrik ist durch Figuren solchen Ausgeliefertseins an das Schicksalhafte gekennzeichnet. Die Zeit er-scheint hier jeweils als ĂŒbermĂ€chtige Kraft, deren Vergehen das Subjekt nur ohnmĂ€chtig wĂŒnschen kann, ohne davon jemals eine Rettung zu erhoffen. âO, schlafen möchte ich, schlafen,/ Bis meine Zeit herum!â, endet das Gedicht âDie Taxuswandâ (SW I, S. 142); âO fĂŒnfzehn Jahre, lang öde Zeit!â, heiĂt es in âNach fĂŒnfzehn Jahrenâ (SW I, S. 143). Wo âJahre [...] sich langsam,/ TĂŒ-ckisch reihten aus Minutenâ (SW I, S. 153), wird allein das Ertragen einer un-
52 Benjamin, Schicksal und Charakter, S. 46. 53 Vgl. Hamacher, Schuldgeschichte, S. 82. 54 Benjamin, Ursprung des deutschen Trauerspiels, S. 145.
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WIE EIN SCHIFF IM STURM 169
differenzierbaren, monotonen und daher buchstĂ€blich endlosen Zeit leicht zum heroischen Akt: âUnd das Leben rauscht vorbei,/ Und dein Tag treibt sie von dannen!/ Sieh, so kann ich glĂ€ubig sagen,/ Aber meine Seele steht,/ Wenn der Tag von allen Tagen/ Furchtbar mir vorĂŒber geht.â (SW I, S. 399), liest man im Geistlichen Jahr. Auch hier zeigt sich erneut die repetetive Struktur des aufzĂ€hlenden âUndâ: Das traurige Ergeben in das ausweglose Schicksal bleibt hier die letzte Möglichkeit, Gott einen âGlaubenâ zu beweisen, der doch damit zugleich negiert bleibt.
Man wird die Zeitlichkeit des Schicksals, die dergestalt nicht nur âDas Schicksalâ beherrscht, sondern auch in vielen anderen Texten Drostes gestaltet wird, nicht mit einem âepigonalen LebensgefĂŒhlâ verwechseln dĂŒrfen. Es geht hier um gĂ€nzlich anderes und weitaus ernsteres als bloĂ um den Verdacht, dass frĂŒhere Autoren vielleicht origineller gewesen sein mögen (wenn dies nicht ohnedies nur eine Projektion der Wertung seitens mancher Literatur-historiker in die analysierten Texte ist): Es geht um das Ertragen einer ab-soluten Kontingenz, die absolute Ungewissheit bedeutet, weshalb Erlösung â schicksalhaft, wenn man so will â zu einer reinen Möglichkeit unter anderen wird. Die Zeitlichkeit dieser Schicksalhaftigkeit ist zweifellos von gĂ€nzlich anderer Art als die Rede vom Epigonentum weismachen will. Man wird aller-dings auch zögern, die Zeitstruktur, die sich hier zeigt, als âmodernâ zu bezeichnen â denn zu sehr erscheint âModernitĂ€tâ auch nur als ein weiterer Mythos der FortschrittglĂ€ubigkeit, die noch die Möglichkeit von Schicksal vergessen machen will. Weitaus einfacher als im Umfeld einer vagen âModerneâ steht Drostes Gedicht âDas Schicksalâ im Kontext einer langen und verzweigten literarischen Tradition. Ob ModernitĂ€t â das wĂ€re die Möglichkeit einer Erlösung im Glauben an unendlichen Fortschritt â oder âTraditionâ â das wĂ€re die ewige Verschuldung an die Vorfahren: Noch die Literaturhistorie spricht, wenn auch in einer anderen allegorischen Sprache, vom Schicksalhaften.
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