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Auswurf, Husten, Atemnot: Diese dreiSymptome sollten bei einem Raucheroder Exraucher immer und möglichstfrühzeitig zu einer Abklärung hinsicht-lich COPD führen. «Leider kommt die-ser AHA-Effekt bei den Patienten, aberauch bei uns Ärzten oft sehr spät, unddie COPD wird erst diagnostiziert,wenn sie schon weit fortgeschrittenist», gibt PD Dr. Claudia Steurer-Stey,Zürich, zu bedenken und rät, im Pra-xisalltag bei:� (Ex-)Rauchern� inhalativen Noxen � Alter > 40 Jahre� 1 oder mehreren AHA-Symptomen:

Auswurf, Husten, Atemnot� Belastungsdyspnoe mit schleichen-

dem Beginn, progredient über Jahre� gehäuften viralen Infekten der Atem-

wege immer auch an eine COPD zu denken.

Diagnostik:Spirometrie und Symptome Goldstandard der Diagnostik ist dieSpirometrie, wobei die entscheidende

Messgrösse der Tiffeneau-Wert (FEV1/FVC %) ist: Liegt er unter 70 Prozent,liegt eine Obstruktion vor. Um zwi-schen einer reversiblen (Asthma) undeiner nicht reversiblen Obstruktion(COPD) zu unterscheiden, sollte nochein Bronchodilatationstest durchge-führt werden. Der Schweregrad einerCOPD wird gemäss der GOLD-Klassi-fizierung anhand des FEV1 bestimmt,für die Risikoabschätzung sind aber nochweitere Faktoren wichtig (Tabelle). «Sowichtig die Spirometrie für die Dia -gnose einer COPD ist, für ein gutes Assessment müssen zusätzlich die fürdie Prognose wichtigen PrädiktorenRauchstatus, BMI, Exazerbationshäu-figkeit, Schweregrad der Symptomeund körperliche Leistungsfähigkeit er-fasst werden», so Steurer-Stey. In derGOLD-Klassifizierung werden nebstder Spirometrie deshalb auch dieSymptome und die Exazerbationshäu-figkeit berücksichtigt (Tabelle [1]). «Einwenig symptomatischer Patient mitzwei oder mehr Exazerbationen proJahr hat ein deutlich höheres Risiko füreine Verschlechterung als ein Patientmit starken Symptomen, aber maxi-mal einer Exazerbation pro Jahr», soSteurer-Stey. Für die Objektivierung der Atemnoteignet sich die Modified Medical Research Council Dyspnoea-Scale(mMRC) (2), die ähnlich den NYHA-Kriterien bei der Herzinsuffizienz eineEinteilung in Grad 0–4 aufgrund derAusprägung der Dyspnoe erlaubt. Mitdem COPD Assessment Test (CAT)kann mit acht Fragen die Einschrän-kung objektiviert werden, was sehr gutmit der Lebensqualität korreliert (3).Für die Beurteilung der körperlichenLeistungsfähigkeit, die für die Prognosesehr wichtig ist, eignet sich in der Pra-xis der Sit To Stand Test sehr gut (4).Bei diesem Test wird der Patient gebe-ten, während einer Minute so oft wiemöglich von einem Stuhl aufzustehen,sich wieder hinzusetzen, wieder aufzu-stehen usw., ohne sich dabei abzustüt-

zen. «Als Faustregel für die Praxis kön-nen Sie sich als Alarmwert 18 oder we-niger Wiederholungen in einer Minutemerken (5). Spätestens dann muss drin-gend eine pulmonale Rehabilitationveranlasst werden», so Steurer-Stey.

Behandlung orientiert sichan ExazerbationshäufigkeitBei Patienten, die noch rauchen, ist derRauchstopp die einzige Massnahme,die den raschen Abfall des FEV1 wirk-sam bremsen kann. Für die medika-mentöse Behandlung gibt es ebenfallsGOLD-Empfehlungen, in welche imUnterschied zu älteren Versionen auchder Schweregrad der Symptome unddie Anzahl Exazerbationen einfliessen(Tabelle). COPD-Patienten mit wenigSymptomen und maximal einer Ex -azerbation pro Jahr können zum Bei-spiel durchaus mit kurz wirksamen�2-Agonisten (SABA) oder kurz wirk-samen Anticholinergika (SAMA) be-handelt werden. Hat ein Patient zweioder mehr Exazerbationen pro Jahr,kommen die inhalativen Kortiko -steroide (ICS) und die Kombinations -präparate – ICS plus lang wirksame�2-Agonisten (LABA) – ins Spiel.«Der Grundpfeiler der COPD-Behand-lung sind die lang wirksamen Broncho-dilatatoren. Nicht jeder COPD-Patientbenötigt aber topische Steroide. Dieentscheidende Grösse ist hier die Ex -azerbationshäufigkeit», betont Steurer-Stey. Neuere Studien zeigen klar, dassmit jeder Exazerbation die Wahrschein-lichkeit einer nächsten Exazerbationsteigt und das Intervall bis dahin immerkürzer wird (6). Bereits zwei Exazer -bationen erhöhen das Risiko für eineweitere schwere Exazerbation um den

SONDERREPORT

COPD: Die Exazerbationshäufigkeit istder zentrale Treiber für die Morbidität

Bericht: Dr. med. Sabina M. Ludin

Redaktion: Dr. med. Christine Mücke

Quelle: «COPD: ein Update mit Blick auf die Grundver-sorgung», Symposium von AstraZeneca amAllgemeinmedizin-Update-Refresher, Forum für medizinische Fortbildung, 8. November 2013,Zürich.

Dieser Bericht wurde ermöglicht durch AstraZeneca.

COPD-Praxisguide

Unter www.copd-update.ch könnenim COPD-Praxisguide aktuelle Emp-fehlungen zu Diagnose, Therapie und Management von COPD-Patienten nach-geschlagen werden. Ein inter diszipli -näres Team aus Pneumologen undHausärzten hat basierend auf der aktuell verfügbaren Literatur Inhaltezusammengestellt, die speziell auf dietägliche Arbeit in einer Hausarztpraxisausgerichtet und auf die Schweiz adaptiert sind. Via swiss-rx-login erhal ten Sie einfach Zugriff auf denCOPD-Praxisguide.

In den letzten Jahren wurde immer klarer,dass bei der COPD der zentrale Treiber für dieMorbidität – aber auch für die Kosten – die Exazerbationshäufigkeit ist. Jede Exazer -bation erhöht nämlich das Risiko für einenächste deutlich. Diesem Umstand tragendie neue GOLD-Klassifizierung und -Empfeh -lungen Rechnung, indem sie die Exazerba -tionshäufigkeit als eines der entscheidendenKriterien aufgenommen haben.

12 ARS MEDICI DOSSIER II � 2014

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SONDERREPORT

Faktor 3. Für den Nikotinstopp, dieGrippeimpfung, die inhalative Thera-pie mit ICS und LABA sowie für diepulmonale Rehabilitation und Schu-lung gibt es Grad-A-Evidenz, dass siedie Exazerbationshäufigkeit signifikantreduzieren (1). Die kürzlich publizierte PATHOS-Stu-die (7, 8), eine populationsbasierte, re-

trospektive Kohortenstudie mit bis zu11 Jahren Beobachtungszeit, erfasste dieExazerbations- und Pneumonie ratenbei Patienten mit schwerer COPD un -ter Budesonid/Formoterol (Symbicort®

Turbuhaler®) und Fluticason/Salmeterol(Seretide® Diskus®) (s. Kasten). «Neben der medikamentösen Behand-lung möchte ich Ihnen aber auch die

pulmonale Rehabilitation und dieSelbstmanagementschulung ans Herzlegen. Regelmässige körperliche Akti-vität – 2- bis 3-mal pro Woche 30 bis 45 Minuten Ausdauer- und etwasKrafttraining genügen schon – verbes-sert nachgewiesenermassen die Dys -pnoe, die Leistungsfähigkeit sowiedie Lebensqualität und reduziert die Exazerbationshäufigkeit (14)», schliesstSteurer-Stey. �

Literatur:1. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease. Global

Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention ofCOPD, Updated 2013: www.goldcopd.org

2. Mahler DA, Wells CK: Evaluation of clinical methods for ratingdyspnea. Chest 1988; 93: 580–586.

3. Jones PW et al.: Development and first validation of the COPDAssessment Test. Eur Respir J 2009; 34: 648–654.

4. Strassmann A et al.: Population-based reference values for the1-min sit-to-stand test. Int J Public Health 2013; 58: 949–953.

5. Siebeling L et al.: Characteristics of Dutch and Swiss primarycare COPD patients – baseline data of the ICE COLD ERIC study.Clin Epidemiol 2011; 3: 273–283.

6. Suissa S et al.: Long-term natural history of chronic obstructivepulmonary disease: severe exacerbations and mortality. Thorax2012; 67: 957–963.

7. Larsson K et al.: Combination of budesonide/formoterol moreeffective than fluticasone/salmeterol in preventing exacerba -tions in chronic obstructive pulmonary disease. The PATHOSstudy. J Intern Med 2013; 273: 584–594.

8. Janson C et al.: Pneumonia and pneumonia related mortalityin patients with COPD treated with fixed combinations of inha-led corticosteroid and long acting �2 agonist: observational matched cohort study (PATHOS). BMJ 2013; 346: f3306.

9. Halpin D et al.: Budesonide/formoterol vs. salmeterol/flutica-sone in COPD: a systematic review and adjusted indirect com-parison of pneumonia in randomised controlled trials. Int J ClinPrac 2011; 65: 764.

10. Singh S et al.: Risk of pneumonia associated with long-term useof inhaled corticosteroids in chronic obstructive pulmonary disease: a critical review and update. Curr Opin Pulm Med. 2010;16: 118.

11. Nannini LJ et al.: Combined corticosteroid and long-actingbeta2-agonist in one inhaler versus long-acting beta2-agonistsfor chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Databaseof Systematic Reviews 2012, Issue 9. Art. No.: CD006829. DOI:10.1002/ 14651858.CD006829. pub 2.

12. Calverley PMA et al.: Salmeterol and fluticasone propionate andsurvival in chronic obstructive pulmonary disease. NEJM 2007;356: 775–789.

13. Sin DD et al.: Budesonide and the risk of pneumonia:a meta-analysis of individual patient data. Lancet 2009; 374:712–719.

14. Casaburi R, ZuWallack R: Pulmonary rehabilitation for manage-ment of chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med2009; 360: 1329–1335.

Kasten:

PATHOS – eine Beobachtungsstudie bei COPDDie kürzlich publizierte PATHOS-Studie (7, 8), eine populationsbasierte, retrospektive Kohortenstudie,erfasste die Exazerbations- und Pneumonieraten bei Patienten mit schwerer COPD unter Budesonid/Formoterol (B/F; Symbicort® Turbuhaler®) und Fluticason/Salmeterol (F/S; Seretide® Diskus®).Die Daten von mehr als 20 000 COPD-Patienten von Grundversorgern wurden mit Angaben aus staat-lichen Registern verknüpft. In einem Beobachtungszeitraum von bis zu 11 Jahren wurden 9893 Pa-tienten mit COPD mit einer der beiden ICS-LABA-Kombinationen behandelt (7155 mit B/F, 2738 mitF/S). Mittels Propensity Score Matching wurde eine allfällige Unausgewogenheit bei der nicht rando-misierten Zuteilung der Patienten zu ihrer Behandlung ausgeglichen. So entstanden zwei vergleich-bare Kohorten mit je 2734 Patienten.In der PATHOS-Studie ging B/F im Vergleich zu F/S mit einer reduzierten Rate in Hinsicht auf Exazer-bationen von COPD einher: Exazerbationen pro Patientenjahr (95%-Konfidenzintervall [KI]): B/F: 0,80[0,77–0,84] vs. F/S: 1,09 [1,05–1,14], p < 0,0001 (7).Auch für die einzelnen Exazerbationstypen war B/F mit signifikant tieferen Raten assoziiert (siehe Abbildung).Diese Beobachtungsstudie weist darauf hin, dass Patienten unter F/S höhere Pneumonieraten beziehungsweise mehr pneumoniebedingte Hospitalisationen haben können als COPD-Patienten, diemit B/F behandelt wurden (Pneumonien: Rate Ratio (RR) [95%-KI] 1,73 [1,57–1,90], p < 0,001; resp.pneumoniebedingte Hospitalisationen: RR [95%-KI] 1,74 [1,56–1,94], p < 0,001) (8).PATHOS liefert somit einen zusätzlichen Hinweis auf mögliche Unterschiede zwischen einzelnenICS/LABA-Kombinationen, wie auch in anderen Studien berichtet (9–13).

Abbildung: COPD-Exazer bationenunter Budesonid/Formoterolund Fluticason/Salmeterolin der BeobachtungsstudiePATHOS (adaptiert nach [7]).

Tabelle:

GOLD-Klassifizierung und Therapieempfehlung

Gruppe CharakteristikSpirometrie-

Klassifikation*Exazerbationen

pro Jahr

GOLD Grad 1 oder 2 ≤ 1

GOLD Grad 3 oder 4 ≥ 2

mMRC CATEmpfohleneTherapie

Ageringes Risiko

wenig symptomatischwenig

symptomatischSAMA oder SABA

bei Bedarf

Bgeringes Risiko

mehr symptomatischsymptomatisch LAMA oder LABA

Chohes Risiko

wenig symptomatischwenig

symptomatischICS + LABA oder LAMA

D

*FEV1/FVC <70%; GOLD 1 = FEV1 ≥80%; GOLD 2 = FEV1<80% ≥5s0%; GOLD 3 = FEV1<50% ≥30%; GOLD 4 = FEV1<30% (adaptiert nach [1])SAMA: kurz wirksame Anticholinergika; SABA: kurz wirksameβ2-Agonisten; LAMA: lang wirksame Anticholinergika; LABA: lang wirksameβ2-Agonisten; ICS: inhalative Kortikosteroide

hohes Risikomehr symptomatisch

symptomatischICS + LABA und/oder

LAMA

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