Marian Niestedt, RA, und Dr. Matthias Trennt, RA
Das neue Außenwirtschaftsrecht
Das neue Außenwirtschaftsgesetz (AWG) ist am 1.9.2013 – zeitgleich mit
der ebenfalls reformierten Außenwirtschaftsverordnung (AWV) – voll-
umfänglich in Kraft getreten. Erstmals seit der Einführung des AWG im
Jahr 1961 sind damit die Rahmenbedingungen für die Einfuhr von
Gütern nach und insbesondere für die Ausfuhr aus Deutschland um-
fassend überarbeitet worden. Für die exportorientierte deutsche Wirt-
schaft stellt die Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts eines der
wesentlichen neuen Gesetzesvorhaben in diesem Jahr dar.
Dieser Beitrag vermittelt zunächst einen Überblick über die wesent-
lichen Neuerungen (I.) und geht im Folgenden ausführlich auf die inhalt-
lich überarbeiteten Straf- und Bußgeldvorschriften ein, die die spür-
barsten materiellen Änderungen mit sich bringen (II.). Hierbei wird
insbesondere auf die neu eingeführte und für die Praxis relevante
Selbstanzeige bei Verstößen gegen außenwirtschaftsrechtliche Vor-
schriften eingegangen (III.). Abschließend werden die Änderungen einer
Wertung unterzogen.
I. Die Neuerungen im Überblick
Die Grundprinzipien des deutschen Außenwirtschaftsrechts werden
durch die Modernisierung nicht verändert. Grundlegendes Prinzip ist
weiterhin die Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs. Die Freiheit der
Unternehmen, Waren ein- bzw. auszuführen, kann aber wie bislang auch
in einigen Bereichen generell oder im Einzelfall eingeschränkt werden.
Beispielhaft seien hier die Ausfuhrverbote bzw. Genehmigungsvorbe-
halte im Bereich von Rüstungs- oder Dual-Use-Gütern sowie bei der
Ausfuhr von Waren in Embargo-Ländern genannt. Gegenüber dem
AWG und der AWV in der alten Fassung zeichnen sich die neuen Rege-
lungen1 dadurch aus, dass sie einfacher anzuwenden sind (I.1.) und von
deutschen Sondervorschriften im Rahmen der Exportkontrolle berei-
nigt wurden (I.2.). Einige insbesondere für die Praxis relevante Ände-
rungen enthalten die novellierten Vorschriften zur Prüfung von Unter-
nehmenserwerben (I.3.) sowie zum Meldewesen im Außenwirtschafts-
verkehr (I.4.). Darüber hinaus wurden die für Unternehmen und deren
Ausfuhrverantwortliche besonders relevanten Regelungen im Bereich
der Straf- und Bußgeldvorschriften grundlegend überarbeitet (I.5.).
1. Vereinfachte Anwendung desAußenwirtschaftsrechts
Erklärtes Ziel der Novellierung des Außenwirtschaftsrechts war es, die
Anwendung der außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften zu vereinfa-
chen und übersichtlicher zu gestalten.2 Dieses Ziel wurde durch ver-
schiedene Maßnahmen erreicht: Zunächst enthält das Außenwirt-
schaftsgesetz nach der Modernisierung nur noch 28, statt wie bisher
50 Paragrafen. Mit § 2 AWG n.F. wurde eine Norm geschaffen, die
nun alle wesentlichen Begriffsbestimmungen enthält. Die bislang an
verschiedenen Stellen des AWG a.F. und AWV a.F. getroffenen Defini-
tionen zu bestimmten Regelungen wurden in § 2 AWG n.F. zusam-
mengeführt. Die Begrifflichkeiten wurden zugleich modernisiert und
unionsrechtlichen Regelungen angepasst, insbesondere denjenigen
der Ein- und Ausfuhr von Dual-Use-Gütern (Güter, die sowohl für
militärische als auch zivile Zwecke verwendet werden können). Der
Vereinfachung dient auch, dass in der Ausfuhrliste, welche weiterhin
als Anlage 1 zur Außenwirtschaftsverordnung besteht und genehmi-
gungspflichtige Güter auflistet, nur noch Rüstungsgüter und natio-
nale Listenpositionen von Dual-Use-Gütern geführt werden. Die Rüs-
tungsgüter sind weiterhin in Teil I Abschn. A gelistet. Die nationalen
Listenpositionen der Dual-Use-Güter sind nun in Teil I Abschn. B
aufgeführt. Güter, die bereits in den Anhängen zur Dual-Use-Verord-
nung3 aufgeführt sind, werden anders als bisher nicht mehr in der
Ausfuhrliste benannt. Teil I Abschnitt C, der bislang sämtliche Dual-
Use-Güter aufzählte, wurde gestrichen.
Einfacher wird sich für die betroffenen Unternehmen zukünftig auch
die Einhaltung länderbezogener Embargos im Hinblick auf die Ein-
und Ausfuhr von Rüstungs- und Militärgütern gestalten. Die länder-
spezifischen Embargo-Vorschriften werden – ohne wesentliche inhalt-
liche Änderungen – in den §§ 70ff. AWV n.F. deutlich übersichtlicher
als bisher aufgeführt.
2. Abschaffung und Beibehaltung deutscherSondervorschriften
Im Rahmen der Novellierung des Außenwirtschaftsrechts wurden zu-
dem Vorschriften gestrichen, die deutsche Exporteure bisher gegen-
über ihren europäischen Konkurrenten benachteiligt hatten. Hierbei
handelt es sich bspw. um die bislang nach § 5c AWV a.F. erforderliche
Genehmigung für die Ausfuhr von Gütern in Länder der sog. Länder-
liste K (als besonders sensibel eingestufte Empfängerländer). Auch
entfällt die Genehmigungspflicht für die Verbringung von Dual-Use-
Gütern in einen anderen EU-Mitgliedstaat. Nach § 7 Abs. 2 AWV a.F.
war für die Verbringung der Güter eine Genehmigung erforderlich,
wenn der Verbringer Kenntnis darüber hatte, dass das endgültige Be-
stimmungsziel der Güter außerhalb der EU liegt. Auf eine solche Re-
gelung wurde nun verzichtet, da für die Ausfuhr von Dual-Use-Gü-
tern in der EU ein einheitlicher Rechtsrahmen besteht und sich auch
angesichts der Kontrollpraxis in den verschiedenen EU-Mitgliedstaa-
ten kein praktisches Bedürfnis für eine solche Regelung ergeben hat.
Der Gewinn an Freiheit für die ausführenden Unternehmen durch
den Wegfall von Genehmigungserfordernissen ist allerdings über-
schaubar. Zum einen sind die zuständigen Behörden ohnehin befugt,
im Einzelfall nach § 6 AWG n. F. die unerwünschte Ausfuhr oder Ver-
bringung zu verhindern. Zum anderen wurden vor allem solche Rege-
lungen gestrichen, die sich inzwischen durch vorranginge Regelungen
auf unionsrechtlicher Ebene überholt hatten, oder die in der Praxis
kaum relevant waren. Bspw. erfasst die Länderliste K nur noch Kuba,
Betriebs-Berater | BB 36.2013 | 2.9.2013 2115
Aufsätze | Wirtschaftsrecht
1 AWG und AWV sind am 1.9.2013 in Kraft getreten, BGBl. I 1482 v. 13.6.2013 und BGBl. I 2865 v. 2.8.2013;die §§ 4, 5 und 11 AWG n. F. sind bereits am 14.6.2013 in Kraft getreten.
2 S. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts“, BT-Drs. 17/1127, 19.3 VO (EU) Nr. 428/2009, ABl. EU 2009 Nr. L 134/1.
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und in den letzten Jahren wurde kein Antrag nach § 5c AWV a.F. für
eine Ausfuhr nach Kuba abgelehnt.4
Es wurden zudem nicht alle nationalen Sonderregelungen abgeschafft,
die die Ein- und Ausfuhr von Gütern erschweren. Nach § 8 Abs. 1 AWV
n.F. steht auch zukünftig die Ausfuhr von Militär- und Rüstungsgütern,
die in Teil I Abschn. A der Ausfuhrliste genannt sind, unter dem Vorbe-
halt einer Genehmigung. Gleiches gilt für die nationalen Listennum-
mern zu Dual-Use-Gütern (Teil I Abschn. B der Ausfuhrliste). Auch in
Zukunft wird zudem nach § 9 AWV n.F. daran festgehalten, dass die
Ausfuhr von proliferationsrelevanten Waren einer Ausfuhrgenehmi-
gung bedarf, wenn der Ausführer darüber unterrichtet wurde bzw.
Kenntnis davon hat, dass die Güter für die Errichtung oder den Betrieb
einer Anlage für kerntechnische Zwecke verwendet werden können,
und die Ausfuhr in eines der festgelegten Länder (Algerien, Irak, Iran,
Israel, Jordanien, Libyen, Nordkorea, Pakistan oder Syrien) erfolgt.
Im Zusammenhang mit der Novellierung des Außenwirtschaftsrechts
werden auch die auf der AWV beruhenden „Allgemeinen Genehmi-
gungen“ überarbeitet. Diese werden im Bundesanzeiger veröffentlicht
und haben zur Folge, dass automatisch sämtliche Ausfuhren geneh-
migt sind, die die Voraussetzungen der jeweiligen „Allgemeinen Ge-
nehmigung“ erfüllen. Die „Allgemeinen Genehmigungen“ Nr. 18 bis
27 wurden daher bis zum 31.8.2013 befristet.5 Die von den „Allgemei-
nen Genehmigungen“ profitierenden Unternehmen sind angehalten,
genau zu verfolgen, ob und in welchem Umfang die „Allgemeinen
Genehmigungen“ auf Grundlage des neuen Außenwirtschaftsrechts
erneut bekannt gegeben werden.
3. Prüfung von UnternehmenserwerbenFür die Praxis von Bedeutung ist die Neufassung der Vorschriften für
die Prüfung von Unternehmenserwerben (§§ 55 bis 62 AWV n.F.),
die übersichtlicher und lesbarer gefasst wurden. Die sektorübergrei-
fende Prüfung von Unternehmenserwerben ist nunmehr in den §§ 55
bis 59 AWV n.F. geregelt, während §§ 60 bis 62 AWV n.F. spezifische
Vorschriften über die Prüfung von bestimmten Unternehmenserwer-
ben in den Sektoren Rüstung und IT-Sicherheit enthalten.
Hinsichtlich der sektorübergreifenden Prüfung bleibt es in den §§ 55
bis 59 AWV n.F. dabei, dass der Erwerber den Erwerb nicht melden
muss, sondern das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-
gie (BMWi) ein Prüfungsrecht hat, ob der (mittelbare) Erwerb eines
Stimmrechtsanteils an einem inländischem Unternehmen, der nach
dem Erwerb mindestens 25% der Stimmrechte erreicht, die öffent-
liche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
gefährdet. § 56 Abs. 3 AWV n.F. enthält im Hinblick auf die Berech-
nung der Höhe einer mittelbaren Beteiligung eine Klarstellung.
Klargestellt wird darüber hinaus im § 57 AWV n.F., dass die Ver-
pflichtung, die Unterlagen über den Erwerb einzureichen, den „un-
mittelbaren“ Erwerber trifft. Hingegen kann eine Unbedenklichkeits-
bescheinigung nach § 58 AWV n.F. jeder Erwerber beantragen. Das
BMWi kann dem unmittelbaren Erwerber eine Unbedenklichkeitsbe-
scheinigung ausstellen. Diese gilt als erteilt, wenn das BMWi nicht in-
nerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags ein Prüfverfahren
nach § 55 AWV n.F. eröffnet. Auch ein Prüfverfahren i.S. v. § 55
AWV n.F. ist gegenüber dem unmittelbaren Erwerber zu eröffnen.
§ 60 bis 62 AWV n. F., die die sektorspezifische Prüfung von Unterneh-
menserwerben regeln, sind gegenüber der sektorübergreifenden Prü-
fung leges speciales.6 Die in § 60 Abs. 3 S. 1 AWV n.F. normierte Melde-
pflicht ist hinsichtlich ihres Umfangs nunmehr gegenüber § 52 Abs. 1
S. 1 AWV a.F. eingeschränkt. § 60 Abs. 3 S. 2 AWV n.F. verweist inso-
fern auf § 58 Abs. 1 S. 2 AWV n.F., so dass auch in der Meldung nach
§ 60 AWV n.F. wie im Fall eines Antrags auf Bescheinigung der Unbe-
denklichkeit des Erwerbs durch den unmittelbaren Erwerber lediglich
der Erwerb, der Erwerber und das zu erwerbende inländische Unter-
nehmen sowie in Grundzügen die Geschäftsfelder des Erwerbers und
des zu erwerbenden inländischen Unternehmens darzustellen sind.7 In
Fällen mit geringem Prüfbedarf soll danach eine schnelle Prüfung er-
möglicht werden. Neu ist die Möglichkeit einer Freigabe durch das
BMWi. Gem. § 61 AWV n.F. kann es den Erwerb bereits vor Ablauf der
Prüffrist freigeben. § 61 S. 2 AWV n.F. enthält – vergleichbar der Fik-
tion der Unbedenklichkeitsbescheinigung für den sektorübergreifen-
den Erwerb ist § 58 Abs. 2 AWV n.F. – eine Freigabefiktion für den Fall,
dass nicht innerhalb eines Monats seit Eingang der Meldung beim
BMWi ein Prüfverfahren eröffnet wird. Wird ein solches nach § 60
Abs. 1 i.V.m. § 61 S. 2 AWV n.F. eröffnet, hat der unmittelbare Erwer-
ber weitere Unterlagen einzureichen. Wie im Fall der sektorübergrei-
fenden Prüfungen werden die dann einzureichenden Unterlagen durch
eine Allgemeinverfügung bestimmt (§ 61 S. 3 i.V.m. § 57 S. 2 AWV
n.F.), die noch im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden muss. Wie
bislang kann das BMWi innerhalb eines Monats nach Eingang der voll-
ständigen Unterlagen den Erwerb untersagen oder Anordnungen erlas-
sen. Unterbleibt eine Untersagung, werden die dem Vollzug des Er-
werbs dienenden Rechtsgeschäfte mit Ablauf der Frist nach Maßgabe
des § 15 Abs. 3 AWG n.F. wirksam.
4. Änderungen im MeldewesenDie Vorschriften über Meldepflichten im Kapital- und Zahlungsverkehr
wurden klarer gefasst. In den §§ 63ff. AWV n.F. sind nun formelle Mel-
defragen, wie z.B. das Format und die Fristen für Meldungen, von den
materiellen Meldefragen, also z.B. dem Inhalt der Meldepflicht und der
Festlegung des Meldepflichtigen, klarer getrennt. Die Vorschriften wur-
den zudem modernisiert, um international verbindlichen Vorgaben ge-
recht zu werden. Eingeführt wurde die Pflicht, die Daten auf elektroni-
schem Weg einzureichen. Anmeldungen in Papierform werden grund-
sätzlich nicht mehr akzeptiert und sind nur noch in Einzelfällen (z.B.
durch Privatpersonen) zulässig. Unternehmen, die bislang noch nicht
über eine Ausnahmegenehmigung zur elektronischen Einreichung ver-
fügten, sind angehalten, ihr Meldesystem umzustellen.
Sowohl Transaktionsmeldungen als auch Bestandsmeldungen der Un-
ternehmen über Forderungen und Verbindlichkeiten sind nunmehr
in tieferer Untergliederung als bislang einzureichen. Dazu sind teil-
weise neue Kennzahlen eingeführt worden bzw. alte durch neue
Kennzahlen ersetzt worden. Hintergrund ist, dass verschiedene Be-
stimmungen8 neue Beweispflichten auferlegen, die insbesondere eine
differenziertere Gliederung der Dienstleistungen und der Kreditposi-
tionen bei den Direktinvestitionen verlangen. Zugleich wurden ein-
zelne Meldevordrucke der Deutschen Bundesbank sowie das „Leis-
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Wirtschaftsrecht | AufsätzeNiestedt/Trennt · Das neue Außenwirtschaftsrecht
4 Runderlass Außenwirtschaft Nr. 5/2013, zur Neufassung der Außenwirtschaftsverordnung, Anmerkungenzu Kap. 2, E-VSF-Nachrichten v. 16.8.2013, Nr. 222.
5 Bekanntmachung vom 18.6.2013 (BAnz. AT 28.6.2013 B 6 bis B 10).6 Für die alte Rechtslage siehe Pottmeyer, in: Wolffgang/Simonsen/Tietje, AWR-Kommentar, 2012, § 53
AWV Rn. 42 m. w. N.7 Der Inhalt der Meldung nach § 52 AWV a. F. ergab sich aus dem Runderlass Außenwirtschaft 13/2004,
BAnz. Nr. 164 v. 1.9.2004, 19565.8 Leitlinie über die statistischen Berichtsanforderungen der EZB im Bereich der außenwirtschaftlichen Sta-
tistiken, EZB/2011/23, ABl. EU Nr. L 65/1 v. 3.3.2012; VO (EU) Nr. 555/2012 v. 22.6.2012 zur Änderung derVO (EG) Nr. 184/2005 betreffend die gemeinschaftliche Statistik der Zahlungsbilanz, des internationalenDienstleistungsverkehrs und der Direktinvestitionen im Hinblick auf die Aktualisierung der Datenanfor-derungen und Definitionen, ABl. EU Nr. L 166/22 v. 27.6.2012.
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tungsverzeichnis der Deutschen Bundesbank für die Zahlungsbilanz“
(Anlage LV zur AWV) angepasst.
5. Straf- und BußgeldvorschriftenDie spürbarsten materiell-rechtlichen Änderungen enthalten die neu-
en Straf- und Bußgeldvorschriften. Diese wurden in den §§ 17 ff.
AWG inhaltlich neu konzipiert. Der Gesetzgeber hat sich dazu ent-
schlossen, die Strafbarkeit bei Verstößen gegen das Außenwirtschafts-
recht künftig stärker am Grade der Vorwerfbarkeit auszurichten.
Fahrlässige Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht sind grundsätz-
lich nur noch als Ordnungswidrigkeit zu bewerten und mit einem
Bußgeld zu bewähren. Eine Ausnahme gilt für fahrlässige Verstöße ge-
gen bestehende Waffenembargos. Vorsätzliche Verstöße sind hingegen
grundsätzlich als Straftat zu bewerten. Dieser Grundsatz gilt zumin-
dest für Verstöße gegen wesentliche außenwirtschaftsrechtliche Ver-
bote und Genehmigungsvorbehalte. Einige vorsätzliche Verstöße, die
der Gesetzgeber als nicht schwerwiegend ansieht, werden weiterhin
als Ordnungswidrigkeit geahndet.
Mit der Regelung, fahrlässige Verstöße grundsätzlich nur noch als Ord-
nungswidrigkeit zu verfolgen, berücksichtigt der Gesetzgeber, dass bei
der „Abwicklung von außenwirtschaftsrechtlich relevanten Vorgängen
[…] im Einzelfall Arbeitsfehler unterlaufen [können], selbst wenn die
Handelnden grundsätzlich rechtstreu sind und Vorkehrungen zur Ver-
meidung von Verstößen getroffen wurden“.9 Folgenlos sind fahrlässige
Verstöße freilich nicht. Der Strafrahmen für mögliche Bußgelder liegt
nach § 19 Abs. 6 AWG n.F. bei bis zu 500000,00 Euro für jeden einzel-
nen Verstoß. Neben dem drohenden Bußgeld kann das Fehlverhalten
zudem bei Bewertung der Zuverlässigkeit des Unternehmens im Rah-
men von Genehmigungs- und Bewilligungsverfahren negativ berück-
sichtigt werden. Gegenstände, auf die sich die Ordnungswidrigkeit be-
zieht oder die zur ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht wurden,
können nach § 20 Abs. 1 AWG n.F. eingezogen werden; bei gewerbs-
oder bandenmäßiger Begehung kann der Verfall des aus der Tat Erlang-
ten angeordnet werden (§ 20 Abs. 3 AWG n.F. i.V.m. § 73 d StGB).10
Vorsätzliche Verstöße gegen die Verbote und Genehmigungserforder-
nisse des Außenwirtschaftsrechts werden zukünftig grundsätzlich als
Straftat bewertet. Der Gesetzgeber hat die Strafbarkeit nicht auf absicht-
liches oder bewusstes Handeln beschränkt. Vielmehr ist jeder vorsätzli-
che Verstoß als Straftat anzusehen. Mithin zählen hierzu auch Fälle, in
denen die Verantwortlichen im Unternehmen allenfalls bedingt vorsätz-
lich gegen die Vorgaben des Außenwirtschaftsrechts verstoßen. Vor dem
Hintergrund, dass die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und
grober Fahrlässigkeit häufig fließend ist, ist dies in der Literatur auf Kri-
tik gestoßen,11 allerdings ist die Abgrenzung zwischen bedingtem Vor-
satz und grober Fahrlässigkeit für den Juristen „bekanntes Terrain“. Die
exportierenden Unternehmen sind allerdings angehalten, noch sorgfäl-
tiger die Einhaltung der außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften si-
cherzustellen, um schwere Folgen für die verantwortlichen Personen im
Unternehmen zu vermeiden, zumal im Zuge der Novellierung auch die
bislang bestehenden Strafrahmen teilweise erhöht wurden.
II. Die Straf- und Bußgeldvorschriften imEinzelnen
1. § 17 AWG n. F. – Waffenembargos§ 17 AWG n.F. erfasst Verstöße gegen bestehende Waffenembargos
und ist als Verbrechenstatbestand ausgestaltet. Die Lieferung von Gü-
tern des Teils 1 Abschn. A der Ausfuhrliste entgegen bestehender Em-
bargos ist mithin mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
zu ahnden.
2. § 18 AWG n. F. – Vorsätzliche Verstöße gegenmaterielle Verbote und Genehmigungspflichten
§ 18 AWG n.F. regelt die Folgen von vorsätzlichen Verstößen gegen
das Außenwirtschaftsrecht – vorbehaltlich der Regelung des § 17
AWG n.F. im Hinblick auf Verstöße gegen Waffenembargos und der
Ordnungswidrigkeiten des § 19 Abs. 3 bis Abs. 5 AWG n.F. Besondere
Relevanz in der Praxis hat hierbei die Strafbarkeit von vorsätzlichen
Verstößen gegen die Ausfuhr-, Einfuhr-, Durchfuhr- und sonstigen
Verbote und Genehmigungspflichten aus länderspezifischen Embar-
govorschriften, die durch unmittelbar geltende Rechtsakte der EU
verhängt wurden. Hierzu zählen bspw. die Verbote und Genehmi-
gungserfordernisse der Iran-Embargoverordnung (EU) Nr. 267/2012.
Vorsätzliche Verstöße gegen diese Vorschriften werden nach § 18
Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AWG n.F. mit Freiheitsstrafen von drei Mona-
ten bis zu fünf Jahren geahndet.
Nicht mehr strafbewehrt sind die in den entsprechenden Rechtsakten
regelmäßig festgelegten Umgehungsverbote. Vor dem Hintergrund
der mangelnden Bestimmtheit des Umgehungsverbots und der daraus
folgenden Ungewissheit für die Unternehmen, welche Handlungen
im Hinblick auf bestimmte länderspezifische Embargos verboten
sind, ist diese Änderung positiv zu bewerten. Die Umgehung selbst
bleibt allerdings verboten. Ein Rechtsgeschäft, das die Umgehung be-
zweckt, ist nach § 134 BGB grundsätzlich nichtig. Zudem können
Umgehungskonstruktionen strafrechtlich als Mittäterschaft, Anstif-
tung oder Beihilfe zu strafbewehrten Verstößen gegen die Verbote
und Genehmigungsvorbehalte aus den Embargovorschriften angese-
hen werden. Unternehmen sollten im Einzelfall sehr sorgfältig prüfen,
ob ein geplantes Rechtsgeschäft im Einklang mit bestehenden embar-
gorechtlichen Vorschriften ist.
Nach § 18 Abs. 2 AWG n.F. werden zudem Verstöße gegen die natio-
nalen Genehmigungserfordernisse der §§ 8 und 9 AWV n.F. bei der
Ausfuhr von Gütern des Teils I Abschn. A und Abschn. B der Aus-
fuhrliste mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen ge-
ahndet. Gleiches gilt für entsprechende Handels- und Vermittlungsge-
schäfte oder Verstöße gegen Catch-All-Vorschriften im Hinblick auf
technische Unterstützung. In gleicher Weise können auch Verstöße
gegen die Verbote und Genehmigungspflichten der Dual-Use-Verord-
nung (EG) Nr. 428/2009 geahndet werden.
Für Straftaten, die im Zusammenhang mit unternehmerischer Tätig-
keit erfolgen, kann sich der Strafrahmen nach § 18 Abs. 7 Nr. 2 AWG
n.F. schnell erhöhen. Sofern der Täter „gewerbsmäßig“ handelt, wird
die Tat zu einem Verbrechen mit der Mindeststrafe von einem Jahr.
Gewerbsmäßiges Handeln liegt vor, wenn die handelnde Person sich
durch wiederholte Begehung der Handlung eine fortlaufende Einnah-
mequelle von einiger Dauer und einigem Umfang erschließen will. Da
die unternehmerische Tätigkeit im Regelfall darauf ausgerichtet ist,
Einnahmen zu generieren, ist es naheliegend, dass seitens der zustän-
digen Behörden auch die Gewerbsmäßigkeit des Handelns vorgewor-
fen werden kann.
Betriebs-Berater | BB 36.2013 | 2.9.2013 2117
Aufsätze | WirtschaftsrechtNiestedt/Trennt · Das neue Außenwirtschaftsrecht
9 „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts“, BT-Drs. 17/1127, 25; Anm. zuTeil 3.
10 S. Ricke, AW-Prax 2012, 242.11 So Hohmann, AW-Prax 2013, 3, 5; Walter, RIW 2013, 205, 208.
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Neu aufgenommen wurde ein Strafausschließungsgrund. Nach § 18
Abs. 11 AWG n.F. wird nicht bestraft, wer eine der genannten Straf-
taten begeht und dabei bis zum Ablauf des zweiten Werktages han-
delt, der auf die Veröffentlichung des Rechtsaktes im Amtsblatt der
EU folgt, und von einem Verbot oder von einem Genehmigungserfor-
dernis zum Zeitpunkt der Tat keine Kenntnis hat. Diese Zwei-Tages-
Frist ist für die Unternehmen aber nur eine geringe Erleichterung,
denn die Frist ist sehr kurz bemessen. Die Unternehmen sollten stets
über neu verhängte Embargos oder die Änderung von bestehenden
Embargos informieren und diese Änderungen umgehend umzuset-
zen. Es empfiehlt sich, bereits im Vorfeld die Rechtsetzungsverfahren
aufmerksam zu verfolgen.
3. § 19 AWG n. F. – Ordnungswidrigkeiten§ 19 AWG n.F. erfasst Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht, die
als nicht schwerwiegend angesehen werden und daher lediglich als
Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Wie bereits oben angesprochen,
zählen hierzu – mit Ausnahme leichtfertiger Verstöße gegen Waffen-
embargos – grundsätzlich sämtliche fahrlässigen Verstöße gegen das
Außenwirtschaftsrecht. Die Folgen fahrlässiger Verstöße sollten je-
doch von den Unternehmen keineswegs vernachlässigt werden.
Daneben ist auch die vorsätzliche Begehung einiger Verstöße gegen
das Außenwirtschaftsrecht nach § 19 Abs. 2 bis Abs. 5 AWG n.F. als
Ordnungswidrigkeit zu bewerten. § 19 AWG n. F. entspricht in we-
sentlichen Teilen dem bisherigen § 33 AWG a.F. Allerdings wurden ei-
nige Handlungen, die bislang in der AWV geregelt waren, in § 19
AWG n.F. aufgenommen. Aus § 19 Abs. 1 AWG n.F. folgt zunächst,
dass die lediglich fahrlässige Begehung der in § 18 AWG n.F. genann-
ten Verstöße als Ordnungswidrigkeit zu bewerten ist. Darüber hinaus
sind in den § 19 Abs. 2 bis 5 AWG n.F. noch weitere Bußgeldtatbe-
stände benannt. Hierzu zählen nach § 19 Abs. 5 n.F. AWG insbeson-
dere Verstöße gegen Informations-, Anmelde-, Aufzeichnungs- und
Unterrichtungspflichten aus Embargovorschriften aus unmittelbar
geltenden Rechtsakten der EU. Diese Vorschrift fasst eine Vielzahl bis-
lang in der AWV im Einzelfall geregelter Bußgeldbewehrungen von
Verstößen gegen Verfahrensvorschriften übersichtlicher als in der Ver-
gangenheit zusammen.
III. Die Möglichkeit der „Selbstanzeige“ undweitere Strafbefreiungsmöglichkeitennach dem Außenwirtschaftsrecht
1. Voraussetzungen der „Selbstanzeige“Neu – und für die Praxis zukünftig von nicht zu unterschätzender Be-
deutung – ist die Regelung des § 22 Abs. 4 AWG n.F. Diese sieht die
Möglichkeit einer „Selbstanzeige“ im Falle bestimmter Verstöße gegen
außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften vor. Danach unterbleibt in
den Fällen der fahrlässigen Begehung eines Verstoßes im Sinne des
§ 19 Abs. 2 bis 5 AWG die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit, wenn
(1.) der Verstoß im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt und (2.) der
zuständigen Behörde angezeigt wurde, sowie (3.) angemessene Maß-
nahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund ge-
troffen werden. Obgleich § 22 Abs. 4 S. 1 AWG n.F. nicht ausdrück-
lich voraussetzt, dass die „Selbstanzeige“ freiwillig erfolgt, definiert
§ 22 Abs. 4 S. 2 AWG n.F. die Anzeige als freiwillig, wenn die zustän-
dige Behörde hinsichtlich des Verstoßes noch keine Ermittlungen auf-
genommen hat. Schließlich wird angeordnet, dass § 47 OWiG unbe-
rührt bleibt. Die Regelung zur „Selbstanzeige“ war im ursprünglichen
Entwurf der Bundesregierung nicht vorgesehen. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie hat sie im Anschluss an die Beratung des
Entwurfs vorgeschlagen.12 Erklärtes Ziel der Regelungen ist es, Unter-
nehmen zu motivieren, ihre interne Überwachung zu verbessern und
Arbeitsfehler dem Zoll oder dem Bundesamt für Wirtschaft und Aus-
fuhrkontrolle (BAFA) von sich aus zu melden.13 Die Möglichkeit der
„Selbstanzeige“ wirft allerdings im Hinblick auf ihren Umfang und
ihren Anwendungsbereich Fragen auf.
§ 22 Abs. 4 AWG n. F. bestimmt seinen Anwendungsbereich zumin-
dest insofern eindeutig, als die Vorschrift regelt, bei welchen außen-
wirtschaftsrechtlichen Verstößen eine Selbstanzeige möglich ist. Sie
gilt nur in Fällen des § 19 Abs. 2 bis Abs. 5 AWG n. F. Bei Straftaten
nach §§ 17 und 18 AWG n.F. und damit insbesondere bei vorsätzli-
chen und leichtfertigen Verstößen gegen Waffenembargos und vor-
sätzlichen Verstößen gegen die Ein-, Ausfuhr- und anderen materiel-
len Verbote und Genehmigungspflichten länderspezifischer Embar-
gos, gegen die Genehmigungspflichten bei der Ausfuhr von Gütern
nach dem AWG oder der Dual-Use-Verordnung besteht die Möglich-
keit zur Selbstanzeige nach § 22 Abs. 4 AWG n.F. grundsätzlich – vor-
behaltlich der im Folgenden benannten Ausnahmen – nicht. Das be-
deutet allerdings nicht, dass etwaige Verstöße gegen außenwirtschafts-
rechtliche Vorschriften nicht auch außerhalb der förmlichen „Selbst-
anzeige“ den Behörden gegenüber freiwillig angezeigt werden können,
um eine Reduzierung einer Strafe bzw. eines Bußgeldes zu erreichen.
Erfasst werden von § 22 Abs. 4 AWG n.F. die in § 19 Abs. 2 bis Abs. 5
AWG n.F. beschriebenen Verstöße gegen Form- und Verfahrensvor-
schriften, insbesondere Melde-, Auskunfts-, Unterrichtungs- und An-
zeigepflichten im Außenwirtschaftsverkehr. Die Selbstanzeige gilt aber
nicht nur für Form- und Verfahrensvorschriften.14 Über den Verweis
aus § 19 Abs. 3 Nr. 1 a und Abs. 4 Nr. 1 AWG n.F. wird auch der um-
fangreiche Katalog an Ordnungswidrigkeiten aus den §§ 81 und 82
AWV n.F. vom Anwendungsbereich der Selbstanzeige erfasst. Hierzu
zählen neben weiteren Verfahrens- und Formverstößen im Rahmen
eines Ausfuhrverfahrens auch materielle Verstöße gegen die soge-
nannten Erfüllungsverbote länderspezifischer Embargos.15 Gleiches
gilt für Verstöße gegen Genehmigungs- und Meldepflichten im Zu-
sammenhang mit Zahlungstransfers aus der Iran-Embargo-Verord-
nung (EU) Nr. 267/2012.
2. Aufdecken des Verstoßes im Wege derEigenkontrolle
Voraussetzung für die Anwendung des § 22 Abs. 4 AWG n.F. ist, dass
die Verstöße im Wege einer „Eigenkontrolle“ aufgedeckt werden. Eine
solche ist stets dann anzunehmen, wenn die Kenntnis über den Ver-
stoß durch unternehmensinterne Quellen herrührt. Hierzu zählt ins-
besondere das eigene interne Kontrollsystem.16 Noch ungeklärt ist, ob
eine Aufdeckung im Rahmen der Eigenkontrolle auch dann vorliegt,
wenn der Hinweis auf den Verstoß durch externe Quellen erfolgt.
Hier wird man differenzieren müssen: Sofern der Hinweis durch un-
2118 Betriebs-Berater | BB 36.2013 | 2.9.2013
Wirtschaftsrecht | AufsätzeNiestedt/Trennt · Das neue Außenwirtschaftsrecht
12 S. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Gesetzes-entwurf der Bundesregierung – Drs. – 17/11127 –, BT-Drs. 17/12101, 3.
13 S. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Gesetzes-entwurf der Bundesregierung – Drs. – 17/11127 –, BT-Drs. 17/12101, 11.
14 Zu eng Prieß/Arend, AW-Prax 2013, 71, die davon ausgehen, dass sich die Selbstanzeige nicht auf mate-rielle Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht beziehen kann.
15 Zu eng insofern Pelz/Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 f., die den Anwendungsbereich nur in der Abwick-lung von Ausfuhrvorgängen sehen, die weder einem Embargo noch einer Genehmigungspflicht unter-liegen.
16 Vgl. Krause, ExportManager, Ausgabe 5/2013, 22.
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ternehmensfremde Personen erfolgt, die im Auftrag des Unterneh-
mens handeln, z.B. Zollagenten, Spediteure, Wirtschafts- oder
Rechtsberater etc., ist eine Selbstanzeige in diesem Fall für zulässig zu
erachten.17 Zum einen entspricht auch in diesem Fall eine Anzeige
bei den zuständigen Behörden dem Gesetzeszweck, dass die Unter-
nehmen Verstöße von sich bei den Behörden melden und aufklären
sollen. Zum anderen sollte eine Selbstanzeige nicht von dem Umstand
abhängig gemacht werden, wie das betroffene Unternehmen seine in-
terne Compliance aufbaut, ob es also selbst regelmäßig die Vorgänge
überprüft oder Dritte hiermit beauftragt. Ein Verstoß wird allerdings
dann nicht im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt, wenn das Unter-
nehmen durch einen behördlichen Hinweis oder Ermittlungsmaß-
nahmen auf den Verstoß aufmerksam wurde.
3. Keine „Selbstanzeige“ im Fall behördlicherErmittlungen
Nach § 22 Abs. 4 S. 2 AWG n. F. gilt die Anzeige nur solange als „frei-
willig“, wie die zuständige Behörde hinsichtlich des Verstoßes noch
keine Ermittlungen aufgenommen hat. Hier ist § 22 Abs. 4 S. 2 AWG
n.F. unglücklich formuliert. Soweit der Begriff „freiwillig“ hier legal
definiert wird, hätte er im Rahmen des §§ 22 Abs. 4 S. 1 AWG n.F.
verwendet werden müssen. Entscheidend für die Unternehmen ist ab-
seits der terminologischen Ungenauigkeit jedoch, dass eine Selbstan-
zeige nicht mehr zulässig ist, wenn Ermittlungen aufgenommen wur-
den. Dies wird bereits dann anzunehmen sein, wenn eine Behörde
eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden
straf- oder bußgeldrechtlich vorzugehen, auch wenn der Beschuldigte
noch unbekannt ist.18 Sollte eine Behörde zum Zeitpunkt der Selbst-
anzeige bereits Kenntnis von dem Verstoß haben, kann sich eine An-
zeige unabhängig von § 22 Abs. 4 AWG n.F. aber positiv auf die Si-
tuation des Anzeigenden auswirken. Die Anzeige kann nämlich im
Rahmen einer Einstellung des Bußgeldverfahrens nach § 47 OWiG
weiter beachtlich sein.19
4. Adressat und Form der „Selbstanzeige“Die Anzeige muss grundsätzlich nach § 22 Abs. 3 AWG n.F. beim ört-
lich zuständigen Hauptzollamt erfolgen. Mangels konkreter Vorgaben
ist sie grundsätzlich formfrei möglich.20 Aus Gründen der Beweisbar-
keit sollte sie so erfolgen, dass auch zu einem späteren Zeitpunkt ein-
deutig nachvollziehbar ist, wann und in welchem Umfang sie erfolgt
ist.
5. Angemessene Maßnahmen zur Verhinderungeines erneuten Verstoßes
Weiterhin müssen „angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines
Verstoßes aus gleichem Grund“ getroffen werden. Die Verwendung
dieses unbestimmten Rechtsbegriffs stellt die handelnden Unterneh-
men vor die Frage, welche Maßnahmen als „angemessen“ angesehen
werden können, damit sie von den Wirkungen des § 22 Abs. 4 AWG
n.F. profitieren können. Die zu treffenden Maßnahmen hängen von
der Ursache des Verstoßes ab. Liegt diese in der mangelnden Kenntnis
der Mitarbeiter von den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen, so
bieten sich Schulungen an, die entsprechend dokumentiert werden
sollten. Wenn sich unternehmensinterne Verfahrensanweisungen als
unzureichend erweisen, sind diese entsprechend zu überarbeiten. So-
fern bestimmte Verstöße im Rahmen von bestehenden Compliance-
Maßnahmen nicht oder nur zufällig aufgedeckt werden, müsste ggf.
das System der betriebsinternen Compliance geändert werden. Wich-
tig ist, der Ursache des Verstoßes auf den Grund zu gehen und ent-
sprechende Maßnahmen zu ergreifen. Im Rahmen der Selbstanzeige
sollten die getroffenen oder zu ergreifenden Maßnahmen bereits ge-
schildert werden, damit die zuständigen Behörden den Willen des
Unternehmens erkennen können, zukünftig im Einklang mit den au-
ßenwirtschaftsrechtlichen Vorgaben vorzugehen.
6. Rechtsfolgen der „Selbstanzeige“Welche Rechtsfolgen an eine Selbstanzeige nach § 22 Abs. 4 AWG n.F.
geknüpft sind, ist nicht eindeutig. In der Formulierung „die Verfol-
gung als Ordnungswidrigkeit unterbleibt“ könnte man einen persön-
lichen Strafaufhebungsgrund sehen oder ein generelles Verfolgungs-
hindernis der Tat.21 Zutreffend dürfte Letzteres sein. Anders als die
Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO knüpft § 22 Abs. 4 AWG n.F.
nicht an einen bestimmten Täter an, sondern spricht allgemein von
der Verfolgung der Tat. Ein Verfolgungshindernis wird dem Zweck
der „Selbstanzeige“ eher gerecht. Im Zusammenhang mit außenwirt-
schaftsrechtlich relevanten Vorgängen sind stets eine Vielzahl von Per-
sonen involviert (z.B. der Sachbearbeiter, der Ausfuhrverantwortli-
che, der Zollbeauftragte bis hin zu den Geschäftsführern). Ein Unter-
nehmen wäre kaum motiviert, Verstöße von sich aus anzuzeigen,
wenn der Personenkreis begrenzt wäre und im Falle einer Anzeige ein
Verfahren – wenn auch nicht gegen den Anzeigenden – gegen andere
Mitarbeiter des Unternehmens geführt werden würde. Ebenso wenig
findet sich eine klare Regelung dazu, ob auch Nebenfolgen von der
Selbstanzeige profitieren können. Damit das Ziel der Selbstanzeige er-
reicht werden kann und die Unternehmen ermutigt werden, Verstöße
von sich aus anzuzeigen, sollten die zuständigen Behörden im Rah-
men ihres Ermessens zur Verhängung von Nebenfolgen die Selbstan-
zeige positiv berücksichtigen.
Eine ähnliche Problematik stellt sich im Hinblick auf die Ordnungs-
widrigkeitstatbestände, die regelmäßig im Zusammenhang mit Ver-
stößen gegen außenwirtschaftsrechtliche Regelungen einschlägig sein
können. Nach § 130 OWiG können gegen die Unternehmensverant-
wortlichen bei Aufsichtspflichtverletzungen Geldbußen verhängt wer-
den. Zusätzlich kann nach § 30 OWiG das Unternehmen mit einem
Bußgeld belegt werden, wenn eine vertretungsberechtigte Person eine
Pflicht verletzt hat, die das Unternehmen zu erfüllen verpflichtet ist.
Ob die Selbstanzeige dazu führen kann, dass auch diese Ordnungs-
widrigkeiten nicht verfolgt werden, ist indes zweifelhaft. Selbst wenn
die Behörden allerdings nicht verpflichtet sind, die Tat im Rahmen
von § 22 Abs. 4 AWG n.F. nicht zu verfolgen, so ist die „Selbstanzei-
ge“ doch bei der Ausübung des nach § 47 OWiG bestehenden Ermes-
sens zu berücksichtigen.
Unternehmen können grundsätzlich auch für Verstöße gegen das Au-
ßenwirtschaftsrecht, die vor dem Inkrafttreten des neuen Außenwirt-
schaftsrechts stattfanden, von der Selbstanzeige Gebrauch machen.
Nach § 4 Abs. 3 OWiG gilt der Grundsatz, dass das mildere Gesetz
Anwendung findet, wenn sich das Gesetz geändert hat, welches zum
Zeitpunkt der Begehung der Tat galt.22 § 4 Abs. 4 OWiG sieht hinge-
gen vor, dass ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll,
Betriebs-Berater | BB 36.2013 | 2.9.2013 2119
Aufsätze | WirtschaftsrechtNiestedt/Trennt · Das neue Außenwirtschaftsrecht
17 So auch Pelz/Hofschneider, AW-Prax 2013, 173 f.18 Vgl. Krause, ExportManager, Ausgabe 5/2013, 22 f., der die Maßstäbe des § 397 Abs. 1 AO heranzieht.19 Vgl. auch Pelz/Hofschneider, AW-Prax 2013, 173, 175.20 Vgl. Krause, ExportManager, Ausgabe 5/2013, 22 f.21 Vgl. Krause, ExportManager, Ausgabe 5/2013, 22, 24.22 Vgl. Prieß/Arend, AW-Prax 2013, 71 f.; kritisch aber Pelz/Hofschneider, AW-Prax 2013, 173, 175.
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2120 Betriebs-Berater | BB 36.2013 | 2.9.2013
Wirtschaftsrecht | AufsätzeJannott/Gressinger · Heilende Kraft des Kontinuitätsprinzips oder Perpetuierung nichtiger Aufsichtsratswahlen?
auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch
dann anzuwenden ist, wenn es außer Kraft getreten ist. Ob eine rück-
wirkende Inanspruchnahme der Regelung des § 22 Abs. 4 AWG n.F.
möglich ist, hängt mithin von der Art des Verstoßes und den übrigen
Umständen des konkreten Falls ab.23 Jedenfalls benennt § 22 Abs. 4
AWG n.F. keine Ausschlussfrist, innerhalb der eine Anzeige erfolgen
muss, nachdem der Verstoß im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt
wurde.
Über den Anwendungsbereich von § 22 Abs. 4 AWG n.F. hinaus kann
es für Unternehmen auch sonst ratsam sein, Verfehlungen gegen au-
ßenwirtschaftsrechtliche Vorschriften von sich aus anzuzeigen. Eine
solche „Selbstanzeige“ kann positiv bei der Frage berücksichtigt wer-
den, ob bestehende Genehmigungen und Bewilligungen aufgrund des
Verstoßes entzogen werden müssen. Eine eigenständige Aufklärung
über Verstöße kann auch von den zuständigen Behörden im Rahmen
des Einstellungsermessens nach § 47 OWiG und §§ 153, 153a Straf-
prozessordnung berücksichtigt werden.24
IV. Fazit
Das neue Außenwirtschaftsrecht ist im Vergleich zu den bisherigen Fas-
sungen des AWG und der AWV klarer strukturiert und einheitlicher
ausgestaltet. Die Terminologie wurde modernisiert und den Begrifflich-
keiten des Unionsrechts weitgehend angepasst. Dies wird die Anwen-
dung des Außenwirtschaftsrechts für die exportorientierten Unterneh-
men in Zukunft vereinfachen, was zu begrüßen ist. Die Neuregelung
der Straf- und Bußgeldvorschriften zeigt allerdings, dass den Unterneh-
men hier auch erhebliche Risiken drohen. Unternehmen sollten die
Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam verfolgen. Die neu ein-
geführte Frist von zwei Tagen, innerhalb derer Rechtsänderungen des
Unionsrechts umgesetzt sein müssen, lässt nur sehr wenig Zeit. Leider
hat es der Gesetzgeber versäumt, die Person des „Ausfuhrverantwortli-
chen“, dessen Benennung sich bislang allein aus den „Grundsätzen der
Bundesregierung zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Exporteuren von
Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern“25 ergibt, im AWG oder
der AWV zu normieren. Wie sich die vom Gesetzgeber durch die Novel-
lierung vorgenommenen Änderungen auf die Praxis auswirken, bleibt
abzuwarten. Das gilt insbesondere für die Handhabung der neugeschaf-
fenen Möglichkeit der „Selbstanzeige“ nach § 22 Abs. 4 AWG n.F.
durch die Unternehmen und die Verwaltung.
Marian Niestedt ist Rechtsanwalt und Partner am Hambur-ger Standort der Sozietät Graf von Westphalen. Er ist aufdas Zoll- und Außenhandelsrecht einschließlich des Rechtsder Exportkontrolle und Sanktionen spezialisiert.
Dr. Matthias Trennt ist Rechtsanwalt am HamburgerStandort der Sozietät Graf von Westphalen. Er ist auf dasZoll- und Außenhandelsrecht einschließlich des Rechts derExportkontrolle und Sanktionen spezialisiert.
Dr. Dirk Jannott, RA, und Dr. Tobias Gressinger, RA
Heilende Kraft des Kontinuitätsprinzips oderPerpetuierung nichtiger Aufsichtsratswahlen?
Die Notwendigkeit, vor einer Aufsichtsratswahl in bestimmten Fällen ein
Statusverfahren durchzuführen, wird in der Praxis immer wieder über-
sehen. In diesen Fällen ist die Aufsichtsratswahl nichtig – und damit
regelmäßig auch jeder Aufsichtsratsbeschluss. Die Folgen können gra-
vierend sein, beispielsweise bei Abberufungsbeschlüssen. Werden die
nachfolgenden Aufsichtsratswahlen ebenfalls ohne Statusverfahren
durchgeführt, stellt sich die Frage, ob die Nichtigkeit der Ausgangswahl
auch die Folgewahlen infiziert; häufig bleibt die Nichtigkeit nämlich
über Jahre unentdeckt. Dieser Frage, die sich nicht nur bei der Vorberei-
tung von Aufsichtsratswahlen, sondern regelmäßig auch im Rahmen
einer Due Diligence stellt, geht der folgende Beitrag nach.
I. Einleitung
Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds ist nichtig, wenn der Aufsichts-
rat unter Verstoß gegen das in § 96 Abs. 2 AktG normierte Kontinui-
tätsprinzip zusammengesetzt wird. Danach kann der Aufsichtsrat
nach anderen als den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften
nur zusammengesetzt werden, wenn zuvor das in §§ 97ff. AktG gere-
gelte Statusverfahren durchgeführt wurde. Dies gilt im Interesse der
Rechtssicherheit auch dann, wenn nach materiellem Recht der Auf-
sichtsrat tatsächlich nach diesen anderen Vorschriften zusammenge-
setzt werden müsste.
23 Vgl. Bohnert, OWiG, 3. Aufl. 2010, § 4 Rn. 18; die Rechtsprechung sieht einzelne Embargovorschriften alsZeitgesetze an, vgl. BGH, 14.7.1998 – 1 StR 110/98, StV 1999, 26; BGH, 23.8.2006 – 5 StR 105/06, NStZ2007, 644.
24 So auch Haellmigk/Vulin, AW-Prax, 2013, 176 f.25 BAnz. v. 25.7.2001, 177.
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