23Die Südtiroler Frau, 1. 6. 2014/Nr. 11
WEGBEGLEITUNG
Der Beckenboden besteht aus verschiedenen Muskelgrup-pen, die sich im und um das Becken befinden. Diese Mus-keln stärken uns von der Mitte aus und geben uns Halt und Stabilität.
Häufig ist es der Fall, dass der Beckenboden jahrelang ohne besondere Beachtung und Wertschätzung seiner Bestimmung und Aufgabe nachkommt. Erst in dem Moment, wo etwas nicht mehr so läuft, wie es sollte, fällt es auf, wie einschränkend sich eine solche Schwäche auf unser Leben auswirken kann.
Warum dem Beckenboden nicht Wertschätzung und Aufmerksamkeit schenken, bevor Probleme entstehen? In Südtirol gibt es ein bereits bestens funktionierendes Netz an Angeboten für Frauen jeden Alters, die es ermöglichen, sich auf den eigenen Körper einzulassen und dabei gezielt den Beckenboden mit seinen Muskelgruppen kennenzulernen, wahrzunehmen, sie zu entspannen, aber auch eine kraftvolle Spannung und Energie im Zentrum des Körpers zu erzeugen. Wann bietet sich ein solcher Kurs an? Kann ich bereits etwas zu Hause für mich machen?
Es gibt einige Gründe, die dafür sprechen, sich für eine Stärkung des Beckenbodens einzusetzen: bei Blasenschwäche (schwaches Bindegewebe), bei Übergewicht, bei körperlicher Überbelastung, zur Rückbildung nach der Geburt, bei hormonellen Umstellungen, bei Rückenproblemen, bei einer Senkungstendenz, vor oder
nach Unterleibsoperationen, für ein besseres Körpergefühl, für mehr Selbstvertrauen.
Der Aufbau des Beckenbodens ist heute zu einem Geheimtipp für eine Steigerung der Lebensqualität und des Selbstvertrauens geworden. Die Frauengruppen sind für mich als Leiterin immer sehr wertvoll, ich schätze besonders den bestehenden Altersunterschied der Teilnehmerinnen.
Dieser erlaubt es, dass wir uns näherkommen, Erfahrungen aust auschen und auch voneinander lernen. Es ist zu erwähnen, dass mit Sicher
heit auch bei Männern die Muskulatur des Beckenbodens vernachlässigt wird; dieses Thema wird bei Männern noch stärker tabuisiert als bei Frauen.
Natürlich können Sie bereits jetzt etwas für sich tun. Zu Beginn ist es wichtig, dass Sie lernen, Ihren Beckenboden bewusst wahrzunehmen. Dazu dient eine einfache Übung:
Legen Sie sich auf den Rücken, stellen Sie Ihre Beine auf, achten Sie darauf, dass
die Füße dabei hüftbreit geöffnet sind. Nun legen Sie Ihre Hände auf den Unterbauch und lassen Ihren Atem so weit wie möglich Richtung Hand bis hin zum Beckenboden f ließen.
Nehmen Sie sich Zeit, üben Sie liebevoll und mit
Ruhe. Lassen Sie Ihren Atem für einige Minuten
f l ießen. Als n ä c h s t e n
S c h r i t t ne h me n Sie die H ä n de vom B a u c h und stellen Sie I h r e m K ö r per die
F r a
ge: Wo ist mein Beckenboden? Sie werden staunen, wie sich eine Wärme, ein Kribbeln oder ein besonderes Gefühl im Bereich des Beckenbodens ausdehnt. Lassen Sie die Energie sich ausbreiten, bleiben Sie dabei ganz entspannt und locker, bleiben Sie im Fühlen und in der Entspannung.
Diese Übung dient zur Wahrnehmung des Beckenbodens, gleichzeitig zur Entspannung desselben. Wahrnehmung und Entspannung des Beckenbodens sind die Grundvoraussetzungen, um in die Kraft zu kommen. Ein ständig angespannter Beckenboden kann gerade durch die Daueranspannung nicht genügend leisten. Dieser Zustand kann zur Entstehung von Störungen beitragen.
Als Frau möchte ich Sie dazu motivieren, sich mit Ihrem Beckenboden zu befassen und ihn als wichtigen Teil Ihres gesunden Körpers wahrzunehmen. Viele Frauenleiden können gar nicht entstehen, wenn der Beckenboden kraftvoll und dynamisch ist. Wenn sich die Frau der Wichtigkeit ihrer Mitte bewusst ist, wird sie sich bereits in jungen Jahren um ihren Beckenboden kümmern. Dann wird ihr Beckenboden seine Aufgabe bis ins hohe Alter erfüllen. Es ist nie zu spät! Auch Frauen im hohen Alter können ihren Beckenboden wieder beleben und erleben.
Dr. Carmen Willeit
Psychologin und Hebammewww.praxis-wegbegleitung.it
D e r B e c k e n b o d e n
Die Kraft aus der Mitte
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