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Page 1: Dienstag,18.August2015 SolofürdenverspieltenDrummer · Diebeiden Privatdetektive kehren zurück nach Bern,wosie vonKunsthistorikerClaudioMo-ser bei ihren Recherchen unter-stützt

Dienstag, 18. August 2015 OstschweizerKultur 25

Solo für den verspielten DrummerDer Rheintaler Schlagzeuger Enrico Lenzin hat seine erste Solo-CD aufgenommen und breitet darauf sein ganzesKönnen aus – die Künstlerin Lika Nüssli hat sich davon zu einem Bilderheft inspirieren lassen. Freitag ist Premiere.DIETER LANGHART

REBSTEIN/ST. GALLEN. Es gibt Men-schen, die meinen, Schlagzeugerspielten im Hintergrund, gäbeneinfach den Rhythmus an für dieBand, und einmal im Konzertholten sie aus und glänzten mitihrem Solo. Das zu glauben, hies-se, Enrico Lenzin zu unterschät-zen, mächtig zu unterschätzen.Der Rheintaler ist ein Hans-dampf an allen Klangkörpernund in manchen Projekten, auchwenn er fragil wirkt, fast intro-vertiert mit seinem feinen Lä-cheln. Jetzt holt er aus und stelltseine erste Solo-CD vor.

Doppeltes Kunstwerk

Darauf zeigt Lenzin sein brei-tes Können, und die Liste allerInstrumente und Klangkörper,denen er Töne entlockt hat, füllteine Doppelseite im Booklet,und dieses Booklet ist doppelt sogross wie üblich und 24 Seitenstark, und Lika Nüssli hat es ge-malt und gestaltet, die Künstler-freundin aus St. Gallen, und siewird den Musiker an der CD-Taufe am Freitag mit Livebildernbegleiten. Kennengelernt hat ersie auf einer Tournee mit Tanz-plan Ost. «Lika ist witzig, tief-gründig, sie hat sofort zugesagt.»Als die CD eingespielt war, gab erihr die zehn Stücke: «Mach da-mit, was du willst.»

Enrico Lenzin bezeichnet sichals sehr flexiblen Schlagzeuger:«Ich spiele alles, von traditionellbis frei, habe rund hundert Auf-tritte jedes Jahr.» Oft spielt er mitseinem jüngeren Bruder Peter,dem Saxophonisten (beide ha-ben 2013 den Anerkennungs-preis der St. Gallischen Kultur-stiftung erhalten), etwa im Dusa

Orchestra um den Akkordeonis-ten Goran Kovacevic, das sich2013 auflöste. Oder mit Spoken-Word-Künstler Renato Kaiser.

Drei Alphörner und ein Spunk

Oft aber spielt Enrico Lenzinganz allein: das Hang oder dasAlphorn. «Ich habe Trompete ge-spielt, bis ich achtzehn war», sagter, «vor fünf Jahren habe ich dasAlphorn für mich entdeckt.» Erspiele oft im Wald, er mag dieNaturtöne des Alphorns. Ist dasAlphorn nur eine musikalischePhase? «Nein. Inzwischen habeich deren drei, eines davon ausCarbon, das sich zusammen-schieben lässt.»

Auf seiner nächsten CD werdemehr Alphorn zu hören sein alsauf der Solo-CD «Kling & Klang».Der Titel klingt an Pippi Lang-strumpf an, denn so hiessen diebeiden Polizisten. «Die CD istverspielt, frei wie Pippi Lang-strumpf», erklärt Enrico Lenzin.

Da ist noch eine Reverenz an Ast-rid Lindgrens Buch – Spunk hiessdie Jazzband, in der er vor zehnJahren gespielt hat. Und die jün-gere seiner zwei Töchter lerntSchlagzeug – bei ihrem Vater.

Talerschwingen modern

Warum erst jetzt eine Solo-CD? «Die Zeit mit Dusa war sehrintensiv, jetzt bekommt anderesPlatz.» Und ganz viel anderes istauf «Kling & Klang» zu hören:dünne Becken und dumpfeTrommeln; Brummen und Klin-geln; Fernöstliches, das sich zutreibend Modernem wandelt;das Schnaufen einer Kuh, Vogel-gezwitscher, eine tickende Uhr.

«Viel Persönliches steckt inder CD, auch die Fasnacht in Alt-stätten. Mein Vater spielte ineiner Gugge, auch mein Schwie-gervater.» Enrico Lenzin mag dasSpielerische und Verspielte: DasStück «Finanzkrise» erinnert aneine Auftragskomposition fürdie Ausserrhoder Kulturlandsge-meinde 2009, «Der Rubel rollt»an eine für das SchweizerischeInstitut in Rom 2014 – der Talerschwingt, bis die Schüssel zer-springt.

CD-Vernissage mit Live-Visuals:Fr, 21.8., 20 Uhr, Raum für Literatur,Hauptpost, St. Gallen; weitere Kon-zerte auf www.enricolenzin.ch

Paul Lascaux:Nelkenmörder.Gmeiner 2015,212 S., Fr. 14.90;E-Book Fr. 8.90

Vom alten Florenz ins heutige BernDer Romanshorner Paul Ott schreibt, als Paul Lascaux, auch Krimis. «Nelkenmörder», sein achter Roman mit dem ungleichenErmittlerduo Heinrich Müller und Nicole Himmel, spielt in der Kunstwelt. Ein kurzweiliges und spannendes Lesevergnügen.

KARIN PFISTER

«Müller und Himmel» heisst dasDetektivbüro, das Heinrich Mül-ler zusammen mit der Anthropo-login Nicole Himmel in Bernführt. Bereits zum achtenmallässt der Autor Paul Lascaux diebeiden zusammen ermitteln.

In «Nelkenmörder» beginntdie Geschichte an einer Kunst-auktion. Heinrich Müller – nichtnur Ex-Polizist, sondern auchhistorisch sehr interessiert – er-steigert sich ein Künstlertage-buch mit Landschaftsskizzen. Inihm erzählt Paul Löwensprungseine Geschichte. Er ist als Ge-selle beim berühmten SandroBotticelli in Florenz in die Lehregegangen und hat die Entste-hung wichtiger Werke selbermiterlebt.

Die Spur führt nach Bern

In Florenz wird währenddes-sen der Kunsthändler Christian

Blöchlinger ermordet. Eine ersteSpur führt nach Bern, wo derVerstorbene eine neue Galerieeröffnen wollte. Markus Forrervon der Polizei in Bern wendetsich an «Müller und Himmel» –aus zwei Gründen: Personal-mangel und «Ich habe nieman-den, der gut Italienisch spricht».

Dass zwischen der Auktionund dem Mord ein Zusammen-hang besteht, wird klar, als Hein-rich Müller ein Bild des Totensieht. Der Kunsthändler hattesich im Vorfeld ebenfalls für dasReisetagebuch von Paul Löwen-sprung interessiert, war aber beider eigentlichen Auktion nichtaufgetaucht.

In einen Hinterhof gelockt

Himmel und Müller fliegensofort nach Florenz und werdendort von Danilo Monti, Kontakt-mann der Polizei, herzlich emp-fangen, informiert und herum-geführt – glauben die beiden, bis

sie schliesslich allein in einemabgelegenen Hinterhof landenund sich bedroht fühlen. DieNachfrage in Bern ergibt, dassbei den Florenzer Behörden

schlicht kein Danilo Monti exis-tiert.

Die beiden Privatdetektivekehren zurück nach Bern, wo sievon Kunsthistoriker Claudio Mo-ser bei ihren Recherchen unter-stützt werden. Erweitert wird dieSzenerie dann durch die Kunst-kritikerin Annette Gubler, diemit dem Toten eine Verbindunghatte und zu eher dramatischenAktionen neigt, und RestauratorPascal Ramseyer, der unerwartetzum Mittelpunkt des Gesche-hens wird.

Auch Geschichte ist spannend

In «Nelkenmörder» nimmtPaul Lascaux den Leser mit aufeine Reise, die vom heutigenBern immer wieder zurück insfrühere Florenz führt. Die histo-rischen Einschübe, die sich ausdem Reisetagebuch von Löwen-sprung ergeben, lesen sich min-destens so spannend wie dieJagd nach dem Mörder im Bern

des 21. Jahrhunderts. Der Autorweiss, wovon er erzählt – die Be-schreibungen der Städte Florenzund Bern wie auch die histori-schen Informationen in «Nel-kenmörder» sind detailgenauund lebensecht.

Fazit: Ein kurzweiliger Krimi,für alle, die es gerne spannendhaben und keine allzu langenund zu detailreichen Beschrei-bungen zur Todesart lesen wol-len. Und gerne schaut man auchdem ungleichen ErmittlerduoHimmel und Müller bei derArbeit zu.

Zur PersonPaul Ott aliasPaul LascauxPaul Ott, 1955 in Romanshorngeboren, ist in Goldach undSt.Gallen aufgewachsen; seit1974 lebt er in Bern. Er hatGermanisik und Kunst-geschichte studiert, arbeitetals Journalist und Autor, hatein Sachbuch über denSchweizer Kriminalromanverfasst («Mord im Alpen-glühen») und ist Initiator der«Mordstage». Unter demPseudonym Paul Lascauxschreibt er Kriminalromane.

Kleintheatermacht schwereThemen leichtKREUZLINGEN. Das Theater an derGrenze bietet in seinem Herbst-programm Tragisches und Philo-sophisches mit viel Augenzwin-kern. «Wir thematisieren in ei-nem Schwerpunkt Alter undTod», sagt Simon Hungerbühler,einer der beiden Programmleiterdes kleinen Theaters. «Aber auchdieses Thema hat skurrile, ab-surde und komische Seiten.»

Zusammenarbeit mit Kirche

Zwei kombinierte Termine imNovember stechen aus demHerbstprogramm hervor. Zumeinen spielt Philipp Galizia pas-send zu Allerseelen die Totengrä-berballade «Am Seil abelo». Vordem musikalischen Erzählthea-ter laden die evangelische Pfar-rerin Andrea Stüven und derkatholische Pater Josef Ganderzur Auseinandersetzung mitdem Tod ein. Diese Veranstal-tung ist ebenso kostenlos wie das«Leidmahl» im Anschluss an dasTheaterstück. «Durch die Zu-sammenarbeit mit den Kirch-gemeinden wollen wir uns lokalstärker vernetzen», so Hunger-bühler.

Dorfer und Kinderstück

Mit den Kabarettisten SabineDomogala und Nico Semsrottam 27. und 28. November experi-mentiert das Theater mit einerweiteren speziellen Form derUnterhaltung. «Domogala bautuns als vermeintliche Motiva-tionstrainerin auf», so die zweiteProgrammleiterin Birgit Auwär-ter. «Semsrott zerschlägt in sei-ner Stand-up-Tragedy wieder al-les.» Auch das Kindertheaterwird philosophisch. Die Puppen-spielerinnen von Theater Gus-tavs Schwestern haben sich derTrickflmreihe «Piggeldy und Fre-derick» angenommen und sie inMundart übertragen. Ein kleinesSchwein fragt seinen grossenBruder nach den Geheimnissendes Lebens. «Ich habe es selbstals Kind im ‹Sandmännchen› an-geschaut», sagt Hungerbühler.«Und deshalb freue ich mich aufdas Stück am 21. Oktober.»

Gustavs Schwestern kennt dasKreuzlinger Publikum ebensowie den Kabarettisten Nils Alt-haus, der am 5. Dezember seinAdventsspecial präsentierenwird. Ein Wiedersehen gibt eszudem mit Alfred Dorfer(17. 10.), dessen Gastspiel am Ka-barett-Festival so schnell ausver-kauft war. Wieder in der Gegendist Nagelritz alias Dirk Langer,der Seemannskabarett aus Bre-men an den Bodensee bringt.Den Saisonauftakt am 11. Sep-tember bestreitet die junge Ka-barettistin Mia Pittrof. (red.)

www.theaterandergrenze.ch

Bild: Lika Nüssli

Fasnacht: Illustration zu Track 6 auf «Kling & Klang».Bild: Lika Nüssli

CD-Abspann: Alle eingesetzten Instrumente und Klangmittel.

Zur PersonEnrico LenzinMusiker1971 geboren, in Altstättenaufgewachsen. Unterricht inTrompete, dann Schlagzeug.Studium in Wien und beiPierre Favre in Luzern. Lehreran der Musikschule Appen-zell; Kurse und Workshops anSchulen. Seit 1994 in ver-schiedenen Formationen, u.a.Dusa Orchestra; tritt oft mitseinem Bruder Peter Lenzinund Renato Kaiser auf, da-neben experimentelle Solo-und Duoprojekte. Kurse fürKlangwelt Toggenburg undkklick.ch. Ist auf über einemDutzend CDs zu hören.

«Kling & Klang»: Bestellungüber www.enricolenzin.ch

Der SchlagzeugerEnrico Lenzin holt

aus allem Tönehervor.

Bild: MacBaertsch

Bands, raus ausdem ProberaumDas Nachwuchsband-FestivalBandX-Ost sucht wieder nachMusikperlen der Ostschweiz unddem Fürstentum Liechtenstein.Die Plattform für talentierteBands mit einem maximalen Al-tersdurchschnitt von 24 Jahrenermöglicht Musikerinnen undMusikern aus allen Stilrichtun-gen, Bühnenerfahrung in profes-sioneller Umgebung zu sammeln.Also raus aus dem Probekeller,rauf auf die Bühnen. Die Online-Anmeldefrist läuft bis 13. Septem-ber. Die drei Siegerbands werdenmit Studiozeit, Konzertvermitt-lung, Coaching und Digitalver-trieb gefördert. Neu dabei alsAustragungsort ist Zuoz. (red.)

Anmeldung bis 13.9. auf:www.bandxost.ch

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