J. BartleyAbteilung für gynäkologische Endokrinologie
Charité Universitätsmedizin
Einfluss von
sozialen Normen, Ethik und Religion
auf das Verhütungsverhalten
und die Verhütungsauswahl
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin21.9.2011
Kontrazeptive Prävalenz 2010
Kontinent/Land
Total Sterilisation
♀ ♂
Pille Spirale Kondome Coitus interr.
Welt 62.9 20.3 2.8 8.8 14.2 6.1 2.8
Afrika 30.1 1.5 - 7.8 4.5 1.7 1.1
China 86.9 33.1 6.9 - 39.8 4.4 --
Europa 70.5 3.8 2.6 20.3 13.6 14.0 7.5
- Deutschland 76.0 8.0 2.0 38.5 5.0 12.0 0.5
- UK 82.0 19.0 29.0 29.0 6.0 6.0 7.0
(% der Frauen, die in Partnerschaft leben und eine Kontrazeption benutzen)
www.unpopulation.orgDGGG Leitlinen Kontrazeption 2008
Kontrazeption
Die Entwicklung und Verbreitung der Kontrazeptio
war an drei wesentliche Faktoren gebunden
• Wissenschaftliche Erkenntnisse der Reproduktion
• Säkularismus (in der westlichen Welt)
• Bevölkerungsexplosion
Bevölkerungsexplosion und
Kontrazeption:
Bevölkerungsexplosion
1947 United Nations Population Comittee
1968 United Nations General Assembly:„familiy planning is a basic human right“
1994 Intern Conference on Population & Development„weitweiter Zugang zur Kontrazeption bis 2015“
2002 Acht Millenium Entwicklungs-Ziele (MDGs)Familienplanung und Sexualgesundheit ausgeschlossen
2004 57th World Helath AssemblyIntegration der weltweiten Strategie der WHO zur
Familienplanung und Sexualgesundheit
1AD 170 Millionen1800 1 Milliarden2000 6.7 Milliarden2500 9 Milliarden
jetzt : 90 Millionen zusätzlich / Jahr170 Menschen zusätzlich / Minute
Wie ist die Einstellung der großen
Religionen –
Christentum, Judentum, Islam,
Hinduismus/ Buddismus –
zur Kontrazeption?
Christentum und KontrazeptionKatholizismus• Geschlechtsverkehr ist nur in der Ehe gestattet • Geschlechtsverkehr ist nur zur Fortpflanzung gestattet
1968 Enzyklika Humanae Vitae, Papst Paul IV1992 Katechismus der Katholischen Kirche 2368, 2370• Empfängnisregelung
– Beobachtung der unfruchtbaren Tage – Abstinenz
• Empfängnisverhütung– Coitus interruptuts verboten: Onan musste sterben!
John Rock„The Time Has Come:
A Catholic´s Doctors`s Proposal to End the Battle of Birth Control“
Christentum und Kontrazeption
Protestantismus• Lambeth Conference der anglikanischen Bischöfe1930 erstmals bestimmte Verhütungsmethoden erlaubt1958 Verhütung allgemein gestattet
• Methodisten Konferenz1939 Kontrazeption gestattet
Kooperation mit der UN ausdrücklich angeboten
• Deutsche Evangelische Kirche1951/58 Konferenzen: Kontrazeption gestattet
…und es h ättes alles so einfach sein können ….
Ach doch
Judentum und Kontrazeption
• „Seid fruchtbar und mehret euch (Bescherit 1,28)– Sterilisation nicht gestattet
• Sexualität in der Ehe wird gutgeheißen– Abstinenz nicht gestattet
• Samenzellen dürfen nicht auf ihrem Weg aufgehalten werden– Kondome und Vasektomie verboten
• Die Mitzwa zur Fruchtbarkeit bezieht sich nur auf Männer: – Diaphragma, Pille, Spirale erlaubt
Islam und Kontrazeption• Der Muslim soll sich zur Stärkung und Verbreitung des Islam fortpflanzen. • Sex ist erlaubt in der Ehe zur Fortpflanzung aber auch zur Lust• Zehn Grundrechte der Kinder:
– Recht auf Erziehung und eine sichere Zukunft– Recht auf getrennte Schlafstätten
• 1990 International Islamic Centre for Population Study– Geburtenkontrolle in der Ehe gestattet
– Al-Azla (coitus interruptus) im Koran als Verhütungsmethode erwähnt/ toleriert– alle reversiblen Verhütungsmethoden sind gestattet
• beiderseitiges Einverständnis der Eheleute
• keine gesundheitlichen Schäden infolge der Verhütung• die Verhütung muss reversibel sein
Hinduismus/Buddhismus und KontrazeptionHinduismus• Sexualität wird zelebriert:
• Kamasutra (6.JH AD)– orale Techniken zur Verhütung
• Tantrismus– Sex ohne Orgasmus ist ein Weg zur Erleuchtung
• Verhütung wird im Hinduismus erlaubt, persönliche Entscheidung
Buddihsmus• Keine ethischen Vorgaben Buddhas
• Präventive Verhütung ist gestattet, postkonzeptionelle nicht
„ Wenn es einen guten Grund zur Verhütung gibt, gibt es keine ethischen oder spirituellen Bedenken“
Welchen Einfluss haben die
Religionen heute auf das
kontrazeptive Verhalten?
Religionen und kontrazeptives Verhalten
• Jones & Westhoff 1979:– „The end of Catholic fertility.“
• Gold et al. 2010– ~600 Frauen 14-21 Jahre in Pittsburg– Religiosität ist ein „Schutzfaktor“
• = mehr Jungfrauen, weniger Schwangerschaften,weniger SDTs, weniger Partner
• ≠ Sexfrequenz, aktuelle und geplante Verhütung
Religionen und kontrazeptives Verhalten
Notfallkontrazeption
• USA Studie 2010, Fragebogen von 1200 Gynäkologen
• 89% der Gynäkologen glauben, dass die EC die Rate an ungewollten
Schwangerschaften reduziert
• Gynäkologen empfehlen die Einnahmen der EC weniger wenn.
– Männlich (87% vs. 91%)
– Religiös (84% vs. 95%)
Lawrence et al. 2010, ContraceptionDavidson et al. 2010, Soc. Sc. Med.
Religionen und kontrazeptives Verhalten
Natürliche Familienplanung
• Befragung von postpartalen Frauen in Berlin (N=339) und Krakau (N=98)
• NFP wird häufiger angewendet
– von Frauen aus Krakau
– wenn eine weitere Schwangerschaft erwünscht wird
– wenn sie gläubige Christin ist.
Mikolajczyk et al. 2003, Contraception
Religionen und kontrazeptives Verhalten
• Judentum– Religiosität reduziert die Anwendung von Verhütung– Religiosität hat keinen Einfluss auf die Verhütungsmethode
• IslamDruck gegen die Verwendung von Kontrazeption durch – Tradition / Familie / Religion– Sozioökonomischer Faktor, Geschlecht und Anzahl der
Kinder, Erziehung, Schwiegermutter…..
Okun, Eur J Popul, 2000Kridli, Am J Mat Child Nurs, 2002
Wie wichtig sind soziale
Normen für das kontrazeptive
Verhalten?
Soziale Normen und kontrazeptives Verhalten
Ein schlechter sozioökonomischer Status
ist assoziiert mit
• Verwendung von Verhütung
• frühere Kohabitarche
• höhere teenage-Schwangerschaftsraten
• höhere Kinderzahl
• höhere Raten an HIV/Aids
Glasier et al. 2006, Lancet
Soziale Normen und Kontrazeption
Ein europäischer Vergleich
Skouby et al. 2010, Eur J Contracep Reprod Health Care
Welchen Einfluss haben die
Pharmafirmen auf das
kontrazeptive Verhalten?
Pharmaindustrie und Kontrazeption
• The life style drug „Yaz“
Fazit• Der Einfluss der Religionen auf das Verhütungsverhalten schwindet
• Religiosität ist ein möglicher wichtiger Faktor der einzelnen Frau und Ärzte in ihrer persönlichen Haltung zur Kontrazeption
• Soziale Faktoren beeinflussen stark das Verhütungsverhalten
• Pharmafirmen wenden sich zunehmend direkt an die Frauen und beeinflussen über ein geschicktes Marketing unsere Haltung zu Verhütungsprodukten