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Berichtsband 7. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 2000

2000 Fachbeiträge 7. Erfahrungsaustausch 43

Ergebnisse des ATV-DVWK-Fachausschusses 1.4

„Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“

von Werner Zacharides

1 ATV-DVWK-Fachausschuss 1.4

Der ehemalige DVWK-Fachausschuss 1.4 ist nachder ATV/DVWK-Fusion die Arbeitsgruppe HW 3.3„Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken“ im Fach-ausschuss HW 3 „Wasserbewirtschaftung“ desHauptausschusses „Hydrologie und Wasserbewirt-schaftung“. Aufgabe der Arbeitskreise und Fachaus-schüsse ist die Erarbeitung von wissenschaftlich fun-dierten und praxisnahen Regeln, Hinweisen undEmpfehlungen im Zusammenhang mit den Oberbe-griffen „Hoch- und Niedrigwasser“. Dabei werden u.a. die Bereiche Niederschlag, Abfluss, Niederschlag-Abfluss-Modelle, Hochwasserwahrscheinlichkeit undder Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken abge-deckt. Von den 8 Mitgliedern des Fachausschusses1.4 kommen drei aus dem universitären Bereich, drei

aus der Wasserwirtschaftsverwaltung und zwei alsVertreter von Fachbüros. Im Fachausschuss sind dieBundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen,Sachsen und Baden-Württemberg vertreten. LAWA(Länderarbeitsgemeinschaft Wasser)-Betreuer istein Vertreter des Landes Rheinland Pfalz. Die Fach-ausschussmitglieder haben in mehreren Sitzungen ineffizienter Arbeitsweise und mit großem persönlichen(ehrenamtlichen) Einsatz ein Gewerk erarbeitet, dasnoch im Laufe dieses Jahres als ATV-DVWK-Veröf-fentlichung erscheinen wird.

2 Veranlassung

Mit dem DVWK-Merkblatt 202/1991 und der DIN19700 werden die Regeln der Technik im Bezug aufPlanung, Bau und technischen Betrieb von Hochwas-serrückhaltebecken weitgehend festgelegt. ImDVWK-Merkblatt 202/1991 werden unter Kapitel 2„Ökologie und Landschaft“ erstmals ökologische Be-lange im Zusammenhang mit Hochwasserrückhalte-becken aufgeführt, ohne im Detail auf die Einstauvor-gänge und deren ökologische Auswirkung einzuge-hen. Hier liegen in den letzten 10 Jahren neue Er-kenntnisse vor. Besonders hinsichtlich der Vereinbar-keit von wasserwirtschaftlichen und ökologischenAnforderungen bzw. der sich daraus ergebendenKonsequenzen besteht ein deutliches Informations-defizit.

3 Aufgabenstellung

Die Veröffentlichung soll keinRegelwerk sein. Es werdenweder Standort- noch Bemes-sungsfragen behandelt. DasThema „Betrieb von Hochwas-serrückhaltebecken und Öko-logie“ steht im Vordergrund.Die Abhandlung soll eineSammlung und Katalogisie-rung des Wissensstandesbzw. der aktuellen Erkenntnis-se über die Auswirkung desBetriebs von Hochwasser-rückhaltebecken auf verschie-dene Schutzgüter enthalten.Besondere Aufmerksamkeitgilt der Behandlung der Ver-einbarkeit wasserwirtschaftli-cher und ökologischer Anfor-

derungen. Fehlende Erkenntnisse sollten durch dieVergabe von Studienaufträge erlangt werden.

4 Inhalt der Abhandlung

Die Publikation enthält zunächst eine Darstellung derMöglichkeiten der Wasserrückhaltung. Neben derzentralen Hochwasserrückhaltung durch technischeStauanlagen wird dabei auch auf dezentrale Rückhal-temöglichkeiten wie Regenbewirtschaftung in Sied-lungsgebieten, Förderung des Rückhaltes auf land-

Abb. 1: Durchgängiges Dammbauwerk am HRB Ellhofen des WV Sulm (Aufn.: Zacharides)

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wirtschaftlichen Flächen oder Förderung der Retenti-on in den Gewässerauen hingewiesen. Dabei werdendie Grenzen dezentraler Hochwasserrückhaltemaß-nahmen aufgezeigt.

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt ist eine Syste-matik und Typologie der Hochwasserrückhaltebek-ken. Auf der Grundlage verschiedener Erhebungen inden alten und neuen Bundesländern wird eine Eintei-lung und Beschreibung der Hochwasserrückhalte-becken nach verschiedenen Kriterien vorgenommen.Interessant dabei ist beispielsweise die Verteilungvon Speicheranlagen mit einem Speicherraum grö-ßer 300.000 m3 auf die Bundesländer Baden-Würt-temberg (27%), Nordrhein-Westfalen (20%), Sach-sen (13%), Bayern (12%) und Thüringen (11%). Auchwenn Baden-Württemberg dabei ist, durch den Bauneuer Hochwasserrückhaltebecken seine führendePosition auszubauen, lässt ein statistischer Wert auf-horchen. Nur 2% der Hochwasserrückhaltebecken inBaden-Württemberg liegen im Nebenschluss desFließgewässers. Im Umkehrschluss bedeutet das,dass ca. 98% im Hauptschluss der Gewässer erstelltwurden. Davon wieder dürfte ein sehr geringer Pro-zentsatz ökologisch durchgängig sein.

Die Einteilung nach den topographischen Gegeben-heiten wird nach Taltypen vorgenommen, die von derTalform und dem Talgefälle charakterisiert werden.Dabei gilt bei gegebener Dammhöhe: je breiter dasTal ist, umso größer ist das Rückhaltevolumen und jegrößer das Talgefälle ist, umso kleiner wird das Volu-men und die überstaute Fläche. Weitere Einteilungs-kriterien sind die Lage am Gewässer, die Betriebs-weise und -einrichtung und die Hochwasserschutz-ziele.

Ein wesentlicher Teil der Veröffentlichung beschäftigtsich mit den Auswirkungen und Einflüssen des Ein-staus in Hochwasserrückhaltebecken auf verschie-dene Schutzgüter. Ausgehend von den physikali-schen und chemischen Vorgängen in Hochwasser-rückhaltebecken mit und ohne Dauerstau, werden dieEinflüsse auf Tier- und Pflanzengemeinschaften desBeckenraums und im Unterwasser der Stauanlagenkritisch durchleuchtet. Beispielhaft soll hier die Pro-blematik der zum Teil katastrophalen Auswirkung desEinstaus in Trockenbecken auf die Säugetierfaunades Beckenraumes angeführt werden. Erkenntnisseabgelaufener Einstauvorgänge belegen, dass wegenfehlenden natürlichen Überschwemmungen es dieTiere „verlernt“ haben vor dem Wasser zu flüchtenund an ihren angestammten Plätzen ertrinken. Soge-nannte „ökologische Flutungen“, die bei den Tiereneinen Anpassungsdruck erzeugen, können in diesemFall ebenso eine wirksame Lösungsalternative sein,wie auch eine vielfältige Gelände- und Vegetations-struktur im Beckenraum.

Den Kern der Abhandlung stellen die wasserwirt-schaftlichen, wasserbaulichen und ökologischen An-

forderungen an Planung und Betrieb von Hochwas-serrückhaltebecken und im direkten Zusammenhangdamit die Vereinbarkeit von wasserwirtschaftlichenund ökologischen Anforderungen dar. In einer Matrixwerden die wichtigsten Merkmale der Hochwasser-rückhaltebecken (z. B. Beckenraumgestaltung, Ein-stauhöhe und -dauer oder Durchgängigkeit) mit öko-logischen Forderungen und wasserwirtschaftlicherWertung gegenübergestellt. Daraus ergeben sichklare Folgerungen und Abstimmungsziele.

Eine textliche und zeichnerische Darstellung vonsechs Beispielen bereits realisierter Hochwasser-rückhaltebecken, bei denen ökologische Anforderun-gen berücksichtigt wurden, rundet die Abhandlungdes ATV-DVWK-Fachausschusses 1.4 ab.

5 Fazit

Aus der Arbeit des DVWK-Fachausschusses 1.4 las-sen sich zunächst zwei Leitsätze für Planung, Bauund Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken hervor-heben:

- Die generelle Zielsetzung muss ein möglichstgroßer Hochwasserschutz bei hohem techni-schen Sicherheitsstandard und gleichzeitiger

ökologischer Verträglichkeit sein.

- Bei konkurrierenden Anforderungen muss derHochwasserschutz einschließlich aller steue-rungs- und sicherheitsrelevanter Aspekte stetsim Vordergrund stehen.

Die Veröffentlichung der Ergebnisse des Fachaus-schusses 1.4 in der ATV-DVWK-Schriftreihe soll glei-chermaßen ein Aufruf und Anstoß zur fruchtbarenZusammenarbeit verschiedener Fachleute (Bauinge-nieure, Landschaftsplaner, Biologen) und Behördenbei Planung, Bau und Betrieb von Hochwasserrück-haltebecken sein. Nur so ist die allgemeine Akzep-tanz dieser notwendigen Ingenieurbauwerke, diezweifellos einen Eingriff in Natur und Landschaft dar-stellen, verbessern. Dafür müssen allerdings einge-fahrene Schienen u. U. aufgegeben und neue Wegebeschritten werden. Ganz im Sinne von Kurt Marti(weder Wasserwirtschaftler, noch Ökologe), der dieWorte prägte:

„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten: ‘Wo kämen wirhin’, und niemand ginge einmal zu schauen, wohinman käme, wenn man ginge?“

Anschrift des Verfassers:

Dipl.-Ing. Werner ZacharidesLandratsamt HeilbronnLerchenstr. 4074072 Heilbronn


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