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Bayerisches Ärzteblatt 5/2005 333

BLÄK informiert

Die Verbreitung des Vogelgrippevirus H5N1 inSüdostasien mit 54 nachgewiesenen H5N1-Fäl-len beim Menschen, darunter 41 Todesfällen(Stand Ende Januar 2005) erregte weltweit Aufse-hen, unter anderem deshalb, weil das Infektions-geschehen mit der Möglichkeit des Auftretens ei-ner Influenza-Pandemie in Verbindung gebrachtwird. Im Januar 2005 stellte das Robert-Koch-In-stitut (RKI) der Öffentlichkeit den „Nationalen In-fluenza-Pandiemieplan“ vor, nachdem die Weltge-sundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1999 ihreMitgliedstaaten aufrief, nationale Pläne zur Vor-bereitung auf das Eintreten einer Influenza-Pan-demie zu erarbeiten. Bei der Umsetzung kommtden Bundesländern eine besondere Bedeutungzu. Daher initiierte Dr. Werner Schnappauf, Baye-rischer Staatsminister für Umwelt, Gesundheitund Verbraucherschutz und derzeitiger Vorsitzen-der der Gesundheitsministerkonferenz, das vomBayerischen Landesamt für Gesundheit und Le-bensmittelsicherheit (LGL) am 23. März 2005 imÄrztehaus Bayern veranstaltete Expertenhearing„Influenza-Pandemieplan“.

Versorgungsengpass

Dr. Max Kaplan, Vizepräsident der Bayeri-schen Landesärztekammer, skizzierte in sei-nem Eröffnungsstatement die Folgen einerInfluenza-Pandemie. Derzeit berge die starkeAusbreitung des Vogelgrippevirus H5N1 inSüdostasien das Risiko einer Neukombina-tion von aviären und humanen Influenza-Vi-ren und damit die Gefahr der Entstehung ei-nes pandemischen Virus. „Noch ist Deutsch-land auf einen Pandemiealarm nicht vorberei-tet. Die Entwicklung eines Pandemie-Impf-stoffes kostet Zeit, zudem reichen für eine ra-sche Produktion dieses Impfstoffes die Kapa-zitäten einheimischer Hersteller nicht annä-hernd aus, virenhemmende Medikamentesind nicht bevorratet“, so Kaplan zusammen-fassend. Wie dieser offensichtliche Missstandschnellstmöglich zu beheben sei, beschäftigtauch den Bayerischen Gesundheitsminister.„Bloßer Optimismus, dass die Pandemie soschnell nicht kommt, kann die Vorsorge nichtersetzen. Präventionsentscheidungen sind al-so notwendig“, ist er überzeugt. Vom Hearingerwartete er sich einen Beitrag zu wichtigenpolitischen Entscheidungen beispielsweisehinsichtlich der Bevorratung antiviraler Arz-neimittel oder zur Impfstoffversorgung derBevölkerung im Pandemiefall.

Risikoanalyse

Privatdozent Dr. Walter Haas von der Abtei-lung Infektionsepidemiologie des RKI analy-sierte das aktuelle epidemiologische Risiko.Das Auftreten einer Pandemie sei keine neueSituation, sondern ein grundsätzliches Pro-blem, das sich schon seit Ende der Neunzi-gerjahre hinziehe. So kam es 1997 in Hong-kong, 2003 in Südchina und den Niederlan-den zu Influenza-Ausbrüchen in Geflügelpo-pulationen (mit einzelnen Erkrankungenbeim Menschen), die durchaus zu einer Pan-demie hätten führen können. Die Vorausset-zungen zur Entstehung einer Pandemie seienInfluenza-A-Viren mit Antigen-Shift, feh-lende Bevölkerungsimmunität, Virulenz desErregers und eine effiziente Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Letzteres fehle beimVogelgrippevirus in Asien bislang. Entspre-chend der Phaseneinteilung der WHO be-fänden wir uns derzeit in einer Bereitschafts-stufe zur Pandemie, so Haas abschließend.

Expertenmeinungen

Der Grund dafür, dass die Vorbereitung einesPandemieimpfstoffes nicht so einfach ist, seidie antigenetische Veränderung eines Sub-typs, so Dr. Gerd Sutter, Leiter der AbteilungVirologie des Paul-Ehrlich-Instituts. Er stell-te Vorbereitungsstrategien für Impfungen vorund regte die Entwicklung eines Subtypen-übergreifenden Impfstoffes an. Mittel- undlangfristig sollte man in diese Richtung den-ken, um „den großen Wurf zu wagen“. Demstimmten auch andere Teilnehmer zu, derenAnsicht nach diese Aufgabe auf gesamteuro-päischer Ebene zu lösen sei. Professor Dr.Hans Doerr von der Universität Frankfurtbefasste sich in seinem Vortrag mit Strategienzur antiviralen Arzneimittelversorgung. Erforderte, für eine rasche Labortechnik zu sor-gen und verstärkt Schnelltests zu nutzen, da-mit Betroffene früh diagnostiziert und recht-zeitig mit antiviralen Medikamenten versorgtwerden könnten. Darüber hinaus ging er aufdie saisonale Influenza ein: Er regte hier dieÄnderung der Impfempfehlung an, die der-zeit vor allem auf ältere Menschen abziele.Ein Experte aus Nordrhein-Westfalen sprachsich für die Einführung einer bundesweit ein-heitlichen Impfempfehlung aus. „Die Im-munisierung ist die beste Methode, um diebreite Bevölkerung zu schützen“, so Doerrüberzeugt. Ziel müsse es sein, die in

Deutschland derzeit bei durchschnittlich 24Prozent liegende Durchimpfungsrate bei dersaisonalen Influenza auf ein hohes Niveau zubringen. Dazu Dr. Ernst-Jürgen Finke vomInstitut für Mikrobiologie der Sanitätsakade-mie der Bundeswehr: „Ein effektiver Schutzvor Influenza ist gegeben, wenn 80 Prozentder Population durchgeimpft sind. Um dieszu erreichen, muss vor allem die Akzeptanzfür das Impfen in der Bevölkerung verbessertwerden.“ Laut Finke sollte besonderes Au-genmerk auf Impfungen von Kindern gelegtwerden, denn diese spielten bei der Weiter-verbreitung der Influenza eine wichtige Rolle.

Dr. Caroline Dreweck vom Referat Gesund-heit und Umwelt der LandeshauptstadtMünchen, Abteilung Gesundheitsschutz,skizzierte antiepidemische Maßnahmen aufkommunaler Ebene am Beispiel eines Pande-mieausbruchs in München. Wie Doerr plä-dierte sie für einen häufigeren Einsatz vonSchnelltests und die Verbesserung der Labor-kapazität. Zufrieden zeigte sie sich über dieEinrichtung des regionalen Kompetenzzen-trums für hochansteckende lebensbedrohlicheErkrankungen in München.

Als Fazit der dreistündigen Veranstaltung hieltder Moderator und Präsident des LGL, Pro-fessor Dr. Volker Hingst, fest: „Es war nichtdie Absicht dieses Expertenhearings, eine in-haltliche Punktlandung zu schaffen und alleFragen zu klären. Es ist aber deutlich gewor-den, dass von den Akteuren viele Fragen be-arbeitet werden und sie voneinander wissen.“

Susann Leder (BLÄK)

Expertenhearing „Influenza-Pandemieplan“

Dr. Werner Schnappauf und Dr. Max Kaplan(v. li.): Zwei für einen bayerischen„Influenza-Pandemieplan“.

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