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Marcus CreutzGarmisch

Ab Oktober fällt in Englandund Wales das Fremdbesitz-verbot für Anwaltskanz-

leien. Auch Branchenfremde kön-nen dann Gesellschafter werden– selbst wenn sie reine Kapitalinte-ressen verfolgen. „Anwaltskanz-leien können bis zu hundert Pro-zent externen Investoren gehören,die keine Anwälte sind“, sagtCharles Plant, Vorsitzender der Soli-citors Regulation Authority, derenglischen Regulierungsstelle fürden Anwaltsstand.

Laut Plant kommen derzeit zahl-reiche mittelgroße Kanzleien außer-halb Londons mit ihrem Geschäfts-

modell nicht weiter. Über eine Kapi-talerhöhung könnten diese künftigexpandieren – auch nach Kontinen-taleuropa. Dort dürften die Sozietä-ten aber alles andere als freundlichempfangen werden. Denn in denmeisten Ländern Europas bestehtderzeit ein striktes Fremdbesitzver-bot an Anwaltskanzleien – das giltauch für Deutschland. „Die Bundes-rechtsanwaltskammer setzt seit Jah-ren alles daran, eine solche Entwick-lung hierzulande zu verhindern.Wir sind eben kein Beruf wie jederandere“, teilte der Präsident derBundesrechtsanwaltskammer, AxelC. Filges, jüngst mit.

Nach deutschem Berufsrecht dür-fen sich Anwälte nur mit im Gesetz

aufgeführten anderen Berufen wieNotaren, Patentanwälten, Wirt-schaftsprüfern und Steuerberaternzusammenschließen. Zudem müs-sen die Gesellschafter aktiv in derSozietät mitarbeiten. Wer etwa ausAltersgründen nicht mehr anwalt-lich tätig ist, muss seinen Sozietäts-anteil veräußern. Auch Marketing-oder Business-Development-Mitar-beiter, die immer mehr zum Erfolgvon Sozietäten beitragen, könnennicht Gesellschafter werden.

Sorge um die Unabhängigkeit

Als Hauptargument gegen eine ge-sellschaftsrechtliche Beteiligungbranchenfremder Berufe wird im-mer wieder die Gefahr genannt,

dass die anwaltliche Unabhängig-keit verloren gehe. Dabei sind vieleAnwälte heute schon von einemoder zwei großen Mandanten ab-hängig. Außerdem dürfen Anwältedurchaus Bankdarlehen in An-spruch nehmen, um sich in eine be-stehende Anwaltskanzlei einzukau-fen oder ein Büro einzurichten.Läuft das Geschäft dann nicht gut,haften sie persönlich. Ein Finanzin-vestor dagegen begnügt sich für sei-nen Kapitaleinsatz mit einer gesell-schaftsrechtlichen Beteiligung.Bleibt er Minderheitsgesellschafter,ist sein Einfluss auf die Geschäfts-entwicklung eher gering.

Doch auch im Falle einer Mehr-heitsbeteiligung durch einen Fi-

IMPRESSUMKonzept&Realisierung:Marcus Creutz ([email protected])Redaktion: ThomasMersch,Stefan Merx

Marcus CreutzGarmisch

Deutschland verfügt welt-weit über den effektivstenRechtsschutz beim geisti-gen Eigentum. Das ist das

Ergebnis einer Umfrage der An-waltskanzlei Taylor Wessing unterrund 14 000 Managern und Juristender 24 stärksten Industrienationen.„Ob Patente, Marken, Geschmacks-muster oder Copyrights – in keinemanderen Land lassen sich Schutz-rechte zu geringeren Kosten anmel-den, verwalten und verteidigen“, er-läutert Sabine Rojahn, Partnerinbei Taylor Wessing. „Zugleichglänzt Deutschland mit effizient or-ganisierten Verwaltungsverfahren,spezialisierten Gerichten, fachkun-

digen Richtern und einer konsisten-ten Rechtsprechung.“Die Schlusslichter beim aktuellenGlobal Intellectual Property Indexbilden einmal mehr China und In-dien. Doch es gibt einen wichtigenUnterschied: Nach Ansicht der Ex-perten bemüht sich die chinesischeRegierung, das Image eines Pirate-riestaates abzuschütteln.

Begehrte Schutzrechte

In wenigen Jahren werde das Landnicht mehr den Besitz von Techno-logien als wichtigste nationale Auf-gabe betrachten, sondern den Be-sitz von Schutzrechten. Indienkämpft dagegen weiter mit struktu-rellen Problemen. So sollen Marken-register Fehler enthalten, die von

den Unternehmen erst einmalteuer beseitigt werden müssen.

Überraschend schlecht schnei-den die USA ab. Sie rangieren nochhinter Australien auf Platz vier. DasMusterland des Copyrightschutzeswurde in dem Index schlechter be-wertet als in den Vorjahren, weilzwei aktuelle Entscheidungen gro-ßen Videoportalen besondere Frei-heiten beim Angebot unrechtmäßigkopierter Filme einräumen. Zudemläuft das Patentanmeldungsverfah-ren schleppend. Im Schnitt dauertes drei Jahre, bis ein Patent in denUSA geprüft ist. Derzeit kämpfendie Behörden mit einem Anmelde-stau von über 700 000 Anträgen.Eine Gesetzesinitiative zielt daraufab, die Mängel abzustellen.

Deutsche Anwälte fürchten FinanzinvestorenIn England dürfen Kapitalgeber bald Kanzleien kaufen. Im Rest von Europa ist das bislang tabu.

Keine Macht den FälschernDeutschland schützt das geistige Eigentum von Unternehmen besser als jeder andereStaat. Nur zögerlich nehmen dagegen China und Indien den Kampf gegen den Ideenklau auf.

Marcus CreutzGarmisch

M ittlerweile sind in dendeutschen Großstädtenbis zu 25 Prozent der zuge-

lassenen Anwälte im Hauptberufals Rechtsberater in einem Unter-nehmen tätig. Der Gesetzgeberignoriert die Berufsgruppe derschätzungsweise 25 000 Syndi-kusanwälte aber völlig. So kenntdie Bundesrechtsanwaltsord-nung nur den niedergelassenen,unabhängigen Anwalt.

Die Folge: Unternehmensjuris-ten erhalten in Deutschland nurdann eine Anwaltszulassung,wenn sie sich im Zweitberuf alsRechtsanwalt selbstständig ma-chen. Das funktioniert aber nur,wenn ihr Arbeitgeber ihnen be-scheinigt, dass sie jederzeit undungefragt ihren Arbeitsplatz ver-lassen dürfen, um Mandanten zubetreuen. Kritiker sprechen voneiner schriftlichen Lüge.

Auch der Anwaltssenat desBundesgerichtshofs (BGH) tutsich mit der Anerkennung der Un-ternehmensjuristen als vollwer-tige Anwälte ähnlich schwer wieder Europäische Gerichtshof, derletztes Jahr die Unternehmensju-risten wegen angeblich fehlenderUnabhängigkeit für vogelfrei er-klärte. Weil jetzt in deren Unter-nehmensbüros heikle Post be-schlagnahmt werden darf, müs-sen sie schon in den Keller gehen,wenn sie ihre Chefs vertraulichberaten wollen.

Schwere Steine legt der BGH zu-dem den Unternehmensjuristenaus dem europäischen Auslandin den Weg, die in Deutschlandals Rechtsanwalt anerkannt wer-den wollen. Mindestens 35 Pro-zent des Gesamtumfangs dernachzuweisenden Beschäftigungmit vornehmlich deutscherRechtsmaterie müsse aus der pa-rallel zu führenden eigenen Pra-xis kommen, fordern die Bundes-richter (Az.: AnwZ (B) 20/10).

Das grenzt an Willkür. Schließ-lich kann die Tätigkeit als Unter-nehmensjurist im Einzelfall we-sentlich anspruchsvoller sein alszum Beispiel die stupide Beitrei-bung von Mandantenforderun-gen in der Kanzlei um die Ecke.Viele Syndikusanwälte habendrei, vier Jahre in Großkanzleiengearbeitet, bevor sie von der In-dustrie in deren Rechtsabteilun-gen abgeworben wurden. Sie wis-sen also, wie Anwalt geht. Undnicht wenige Rechtsabteilungendeutscher Unternehmen habenmittlerweile selbst die Größe ei-ner mittelständischen Kanzlei an-genommen, in denen bis zu 200hochspezialisierte Syndici im na-tionalen wie internationalenRecht beratend und gestaltend tä-tig sind. Dank ihres Arbeitsrechts-schutzes sind die meist gut dotier-ten Unternehmensjuristen wirt-schaftlich unabhängiger als somancher freie Anwalt.

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Quelle: TaylorWessing - GlobalIntellectual Property Index 2011Handelsblatt

Großes GefälleWie sicher Schutzrechte sind

Deutschland

Großbritannien

Australien

USA

Kanada

Niederlande

Brasilien

China

Indien

Rang1

2

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Rating

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Votum:DerGesetzgeberignoriert dieFirmenjuristen

Ausstellung vonPlagiaten in NewYork: Beim KampfgegenNachahmer

sindwestlicheStaaten Vorreiter.

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SPEZIAL: LEGAL SUCCESS 49DONNERSTAG, 28. JULI 2011, Nr. 144

nanzinvestor ist der Anwalt wirt-schaftlich betrachtet unabhängigerals bei einem reinen Bankdarlehen,weil er von persönlicher Haftungim Fall eines Misserfolgs verschontbleibt. Zudem könnte sich das In-vestment durch Branchenfremdeauch positiv für die Allgemeinheitauswirken. Nimmt eine Anwalts-kanzlei einen Investor auf, um mitdem frischen Kapital qualifiziertereAnwälte einzustellen, kommt dieQualitätssteigerung letztendlichden Rechtsuchenden zugute. Auchwird es für junge Anwälte immerschwerer, ein Bankdarlehen zu er-halten, um eine eigene Kanzlei zugründen oder eine bestehendeKanzlei zu kaufen.

„Die USA wollen darüber hinausihr Patentrecht dem Rest der Weltanpassen“, sagt Thomas L. Bittner,Patentanwalt in der Kanzlei Boeh-mert & Boehmert. Bislang sei es so,dass in Amerika das First-to-Invent-Prinzip gilt. Danach steht demjeni-gen das Patent zu, der zuerst dieIdee hatte. In Deutschland undEuropa gilt dagegen das First-to-File-Prinzip: Das Schutzrecht erhältderjenige, der es zuerst beim Pa-tentamt anmeldet.

Europa plant Reformen

In Europa scheinen derweil die Pa-tentreformen voranzukommen.Das ist auch bitter nötig. Denn Erfin-der, die beim Europäischen Patent-amt (EPA) ein europäisches Patentanmelden, müssen bisher rund32000 Euro Verwaltungs- undÜbersetzungskosten tragen, wennsie in allen 27 EU-Ländern vor Pla-giatoren sicher sein wollen. Vor al-lem kleine und mittlere Betriebe las-sen ihre Produkte oft nur in Eng-land, Frankreich und Deutschlandpatentieren. Dadurch aber entste-hen gefährliche Patentlücken.

Dieses Manko soll durch eineneue Patentverordnung behobenwerden, die der EU-Rat kürzlich ver-abschiedet hat. Die Inhaber von eu-ropäischen Patenten, die vom EPAerteilt wurden, können einen „An-trag auf Registrierung der einheitli-chen Wirkung“ einreichen. Danngilt das Patent in 25 der 27 EU-Mit-gliedstaaten. Nur Spanien und Ita-lien nehmen am Verfahren nichtteil. Neue Regelungen sollen paral-lel die Übersetzungskosten um 20Prozent senken. Auch die Jahresge-bühren zur Aufrechterhaltung deseinheitlichen Patentschutzes müs-sen künftig nur noch an das EPA an-statt jeweils an die nationalen Pa-tentbehörden abgeführt werden.

Noch im laufenden Jahr wird aufEU-Ebene über die Schaffung einereinheitlichen europäischen Patent-gerichtsbarkeit beraten. „Nachdemdas EU-Patent konkrete Formen an-nimmt, muss auch das damit engverbundene Projekt des europäi-schen Patentgerichts schnell voran-kommen. Ohne funktionierende Pa-tentgerichtsbarkeit kann es keinfunktionsfähiges Patentsystem aufEU-Ebene geben“, sagt Justizstaats-sekretär Max Stadler.

Thomas Pattloch ist einer derdeutschen Top-Experten fürFragen des Schutzes von geis-

tigem Eigentum in China. Mit demAnwalt der Kanzlei Taylor Wessingsprach Marcus Creutz in München.

Handelsblatt: Mit welchen Risikenaußer Nachahmungen ihrer Pro-dukte müssen ausländische Unter-nehmen in China rechnen?Thomas Pattloch: Ein wachsendesProblem sind widerrechtliche Ent-nahmen, also das Anmelden frem-der Marken und Patente als eigene.

Handelsblatt: Mit welchen Folgen?Pattloch: Im schlimmsten Fall kannes den Zugang zum Markt verhin-dern. Wer es nicht schafft, die bös-gläubige Anmeldung seiner Markezu beseitigen beziehungsweise die

Marke zurückzuerhalten, demkann die Nutzung der eigenenMarke in China vom bösgläubigenAnmelder untersagt werden.

Handelsblatt: Gibt es prominenteBeispiele für Markenkonflikte?Pattloch: Der Supreme People’sCourt verneinte kürzlich gegenüberLacoste eine Verletzung der Markedurch ein in die andere Richtung bli-ckendes Krokodil. Nach langer Ver-fahrensdauer seien die Verbrau-cher an beide Marken gewöhnt, esbestünde keine Gefahr der Verwir-rung über die Herkunft. Ein absur-des Ergebnis mit fatalen Folgen.

Handelsblatt: Gibt es auch positiveEntwicklungen?Pattloch: MAN wurde über 2,1 Mil-lionen Euro Schadensersatz zuge-

sprochen – im Fall ging es um dieNachahmung eines Busdesigns. Daswar ermutigend, ist aber immernoch ein eher seltener Einzelfall.Zumeist können Rechtsinhaber diehohen Beweisanforderungen fürden erlittenen Schaden nicht füh-ren und weichen auf einen pauscha-lierten Schadensersatz aus. Der istim Gesetz festgeschrieben und be-trägt maximal 110000 Euro. Bei teu-

ren Verfahren oder schwerwiegen-den Verletzungen reicht dies nichtzur Deckung der eigenen Verfah-renskosten, geschweige denn zurAbschreckung. Insgesamt steigendie Entschädigungen, sie sind abernoch immer nicht ausreichend.

Handelsblatt: Funktioniert wenigs-tens der vorläufige Rechtsschutz?Pattloch: Er bleibt in China ein Dau-erproblem. 2010 wurden nur 55 An-träge auf einstweilige Verfügungenauf Unterlassung gestellt und davonetwa 90 Prozent erlassen. Höherwar die Erfolgsrate bei der einstwei-ligen Beweissicherung mit 294 An-trägen und über 97 Prozent Zulas-sung. Die Zahlen zeigen, dass die-ses Instrument äußerst zögerlichund selten eingesetzt wird. Dies istauch politisch gewollt.

Thomas Pattloch

ThomasPattloch: „Ein angemessener Schadensersatz beinachgeahmtenProdukten ist in China dieAusnahme“

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