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© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Marcus Creutz Garmisch A b Oktober fällt in England und Wales das Fremdbesitz- verbot für Anwaltskanz- leien. Auch Branchenfremde kön- nen dann Gesellschafter werden – selbst wenn sie reine Kapitalinte- ressen verfolgen. „Anwaltskanz- leien können bis zu hundert Pro- zent externen Investoren gehören, die keine Anwälte sind“, sagt Charles Plant, Vorsitzender der Soli- citors Regulation Authority, der englischen Regulierungsstelle für den Anwaltsstand. Laut Plant kommen derzeit zahl- reiche mittelgroße Kanzleien außer- halb Londons mit ihrem Geschäfts- modell nicht weiter. Über eine Kapi- talerhöhung könnten diese künftig expandieren – auch nach Kontinen- taleuropa. Dort dürften die Sozietä- ten aber alles andere als freundlich empfangen werden. Denn in den meisten Ländern Europas besteht derzeit ein striktes Fremdbesitzver- bot an Anwaltskanzleien – das gilt auch für Deutschland. „Die Bundes- rechtsanwaltskammer setzt seit Jah- ren alles daran, eine solche Entwick- lung hierzulande zu verhindern. Wir sind eben kein Beruf wie jeder andere“, teilte der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Axel C. Filges, jüngst mit. Nach deutschem Berufsrecht dür- fen sich Anwälte nur mit im Gesetz aufgeführten anderen Berufen wie Notaren, Patentanwälten, Wirt- schaftsprüfern und Steuerberatern zusammenschließen. Zudem müs- sen die Gesellschafter aktiv in der Sozietät mitarbeiten. Wer etwa aus Altersgründen nicht mehr anwalt- lich tätig ist, muss seinen Sozietäts- anteil veräußern. Auch Marketing- oder Business-Development-Mitar- beiter, die immer mehr zum Erfolg von Sozietäten beitragen, können nicht Gesellschafter werden. Sorge um die Unabhängigkeit Als Hauptargument gegen eine ge- sellschaftsrechtliche Beteiligung branchenfremder Berufe wird im- mer wieder die Gefahr genannt, dass die anwaltliche Unabhängig- keit verloren gehe. Dabei sind viele Anwälte heute schon von einem oder zwei großen Mandanten ab- hängig. Außerdem dürfen Anwälte durchaus Bankdarlehen in An- spruch nehmen, um sich in eine be- stehende Anwaltskanzlei einzukau- fen oder ein Büro einzurichten. Läuft das Geschäft dann nicht gut, haften sie persönlich. Ein Finanzin- vestor dagegen begnügt sich für sei- nen Kapitaleinsatz mit einer gesell- schaftsrechtlichen Beteiligung. Bleibt er Minderheitsgesellschafter, ist sein Einfluss auf die Geschäfts- entwicklung eher gering. Doch auch im Falle einer Mehr- heitsbeteiligung durch einen Fi- IMPRESSUM Konzept & Realisierung: Marcus Creutz ([email protected]) Redaktion: Thomas Mersch, Stefan Merx Marcus Creutz Garmisch D eutschland verfügt welt- weit über den effektivsten Rechtsschutz beim geisti- gen Eigentum. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der An- waltskanzlei Taylor Wessing unter rund 14 000 Managern und Juristen der 24 stärksten Industrienationen. „Ob Patente, Marken, Geschmacks- muster oder Copyrights – in keinem anderen Land lassen sich Schutz- rechte zu geringeren Kosten anmel- den, verwalten und verteidigen“, er- läutert Sabine Rojahn, Partnerin bei Taylor Wessing. „Zugleich glänzt Deutschland mit effizient or- ganisierten Verwaltungsverfahren, spezialisierten Gerichten, fachkun- digen Richtern und einer konsisten- ten Rechtsprechung.“ Die Schlusslichter beim aktuellen Global Intellectual Property Index bilden einmal mehr China und In- dien. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied: Nach Ansicht der Ex- perten bemüht sich die chinesische Regierung, das Image eines Pirate- riestaates abzuschütteln. Begehrte Schutzrechte In wenigen Jahren werde das Land nicht mehr den Besitz von Techno- logien als wichtigste nationale Auf- gabe betrachten, sondern den Be- sitz von Schutzrechten. Indien kämpft dagegen weiter mit struktu- rellen Problemen. So sollen Marken- register Fehler enthalten, die von den Unternehmen erst einmal teuer beseitigt werden müssen. Überraschend schlecht schnei- den die USA ab. Sie rangieren noch hinter Australien auf Platz vier. Das Musterland des Copyrightschutzes wurde in dem Index schlechter be- wertet als in den Vorjahren, weil zwei aktuelle Entscheidungen gro- ßen Videoportalen besondere Frei- heiten beim Angebot unrechtmäßig kopierter Filme einräumen. Zudem läuft das Patentanmeldungsverfah- ren schleppend. Im Schnitt dauert es drei Jahre, bis ein Patent in den USA geprüft ist. Derzeit kämpfen die Behörden mit einem Anmelde- stau von über 700000 Anträgen. Eine Gesetzesinitiative zielt darauf ab, die Mängel abzustellen. Deutsche Anwälte fürchten Finanzinvestoren In England dürfen Kapitalgeber bald Kanzleien kaufen. Im Rest von Europa ist das bislang tabu. Keine Macht den Fälschern Deutschland schützt das geistige Eigentum von Unternehmen besser als jeder andere Staat. Nur zögerlich nehmen dagegen China und Indien den Kampf gegen den Ideenklau auf. Marcus Creutz Garmisch M ittlerweile sind in den deutschen Großstädten bis zu 25 Prozent der zuge- lassenen Anwälte im Hauptberuf als Rechtsberater in einem Unter- nehmen tätig. Der Gesetzgeber ignoriert die Berufsgruppe der schätzungsweise 25 000 Syndi- kusanwälte aber völlig. So kennt die Bundesrechtsanwaltsord- nung nur den niedergelassenen, unabhängigen Anwalt. Die Folge: Unternehmensjuris- ten erhalten in Deutschland nur dann eine Anwaltszulassung, wenn sie sich im Zweitberuf als Rechtsanwalt selbstständig ma- chen. Das funktioniert aber nur, wenn ihr Arbeitgeber ihnen be- scheinigt, dass sie jederzeit und ungefragt ihren Arbeitsplatz ver- lassen dürfen, um Mandanten zu betreuen. Kritiker sprechen von einer schriftlichen Lüge. Auch der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) tut sich mit der Anerkennung der Un- ternehmensjuristen als vollwer- tige Anwälte ähnlich schwer wie der Europäische Gerichtshof, der letztes Jahr die Unternehmensju- risten wegen angeblich fehlender Unabhängigkeit für vogelfrei er- klärte. Weil jetzt in deren Unter- nehmensbüros heikle Post be- schlagnahmt werden darf, müs- sen sie schon in den Keller gehen, wenn sie ihre Chefs vertraulich beraten wollen. Schwere Steine legt der BGH zu- dem den Unternehmensjuristen aus dem europäischen Ausland in den Weg, die in Deutschland als Rechtsanwalt anerkannt wer- den wollen. Mindestens 35 Pro- zent des Gesamtumfangs der nachzuweisenden Beschäftigung mit vornehmlich deutscher Rechtsmaterie müsse aus der pa- rallel zu führenden eigenen Pra- xis kommen, fordern die Bundes- richter (Az.: AnwZ (B) 20/10). Das grenzt an Willkür. Schließ- lich kann die Tätigkeit als Unter- nehmensjurist im Einzelfall we- sentlich anspruchsvoller sein als zum Beispiel die stupide Beitrei- bung von Mandantenforderun- gen in der Kanzlei um die Ecke. Viele Syndikusanwälte haben drei, vier Jahre in Großkanzleien gearbeitet, bevor sie von der In- dustrie in deren Rechtsabteilun- gen abgeworben wurden. Sie wis- sen also, wie Anwalt geht. Und nicht wenige Rechtsabteilungen deutscher Unternehmen haben mittlerweile selbst die Größe ei- ner mittelständischen Kanzlei an- genommen, in denen bis zu 200 hochspezialisierte Syndici im na- tionalen wie internationalen Recht beratend und gestaltend tä- tig sind. Dank ihres Arbeitsrechts- schutzes sind die meist gut dotier- ten Unternehmensjuristen wirt- schaftlich unabhängiger als so mancher freie Anwalt. Quelle: Taylor Wessing - Global Intellectual Property Index 2011 Handelsblatt Großes Gefälle Wie sicher Schutzrechte sind Deutschland Großbritannien Australien USA Kanada Niederlande Brasilien China Indien Rang 1 2 3 4 5 5 22 23 24 Rating Votum: Der Gesetzgeber ignoriert die Firmenjuristen Ausstellung von Plagiaten in New York: Beim Kampf gegen Nachahmer sind westliche Staaten Vorreiter. Dennis Van Tine/picture alliance/abaca; PR SPEZIAL: LEGAL SUCCESS 49 DONNERSTAG, 28. JULI 2011, Nr. 144 nanzinvestor ist der Anwalt wirt- schaftlich betrachtet unabhängiger als bei einem reinen Bankdarlehen, weil er von persönlicher Haftung im Fall eines Misserfolgs verschont bleibt. Zudem könnte sich das In- vestment durch Branchenfremde auch positiv für die Allgemeinheit auswirken. Nimmt eine Anwalts- kanzlei einen Investor auf, um mit dem frischen Kapital qualifiziertere Anwälte einzustellen, kommt die Qualitätssteigerung letztendlich den Rechtsuchenden zugute. Auch wird es für junge Anwälte immer schwerer, ein Bankdarlehen zu er- halten, um eine eigene Kanzlei zu gründen oder eine bestehende Kanzlei zu kaufen. „Die USA wollen darüber hinaus ihr Patentrecht dem Rest der Welt anpassen“, sagt Thomas L. Bittner, Patentanwalt in der Kanzlei Boeh- mert & Boehmert. Bislang sei es so, dass in Amerika das First-to-Invent- Prinzip gilt. Danach steht demjeni- gen das Patent zu, der zuerst die Idee hatte. In Deutschland und Europa gilt dagegen das First-to- File-Prinzip: Das Schutzrecht erhält derjenige, der es zuerst beim Pa- tentamt anmeldet. Europa plant Reformen In Europa scheinen derweil die Pa- tentreformen voranzukommen. Das ist auch bitter nötig. Denn Erfin- der, die beim Europäischen Patent- amt (EPA) ein europäisches Patent anmelden, müssen bisher rund 32 000 Euro Verwaltungs- und Übersetzungskosten tragen, wenn sie in allen 27 EU-Ländern vor Pla- giatoren sicher sein wollen. Vor al- lem kleine und mittlere Betriebe las- sen ihre Produkte oft nur in Eng- land, Frankreich und Deutschland patentieren. Dadurch aber entste- hen gefährliche Patentlücken. Dieses Manko soll durch eine neue Patentverordnung behoben werden, die der EU-Rat kürzlich ver- abschiedet hat. Die Inhaber von eu- ropäischen Patenten, die vom EPA erteilt wurden, können einen „An- trag auf Registrierung der einheitli- chen Wirkung“ einreichen. Dann gilt das Patent in 25 der 27 EU-Mit- gliedstaaten. Nur Spanien und Ita- lien nehmen am Verfahren nicht teil. Neue Regelungen sollen paral- lel die Übersetzungskosten um 20 Prozent senken. Auch die Jahresge- bühren zur Aufrechterhaltung des einheitlichen Patentschutzes müs- sen künftig nur noch an das EPA an- statt jeweils an die nationalen Pa- tentbehörden abgeführt werden. Noch im laufenden Jahr wird auf EU-Ebene über die Schaffung einer einheitlichen europäischen Patent- gerichtsbarkeit beraten. „Nachdem das EU-Patent konkrete Formen an- nimmt, muss auch das damit eng verbundene Projekt des europäi- schen Patentgerichts schnell voran- kommen. Ohne funktionierende Pa- tentgerichtsbarkeit kann es kein funktionsfähiges Patentsystem auf EU-Ebene geben“, sagt Justizstaats- sekretär Max Stadler. T homas Pattloch ist einer der deutschen Top-Experten für Fragen des Schutzes von geis- tigem Eigentum in China. Mit dem Anwalt der Kanzlei Taylor Wessing sprach Marcus Creutz in München. Handelsblatt: Mit welchen Risiken außer Nachahmungen ihrer Pro- dukte müssen ausländische Unter- nehmen in China rechnen? Thomas Pattloch: Ein wachsendes Problem sind widerrechtliche Ent- nahmen, also das Anmelden frem- der Marken und Patente als eigene. Handelsblatt: Mit welchen Folgen? Pattloch: Im schlimmsten Fall kann es den Zugang zum Markt verhin- dern. Wer es nicht schafft, die bös- gläubige Anmeldung seiner Marke zu beseitigen beziehungsweise die Marke zurückzuerhalten, dem kann die Nutzung der eigenen Marke in China vom bösgläubigen Anmelder untersagt werden. Handelsblatt: Gibt es prominente Beispiele für Markenkonflikte? Pattloch: Der Supreme People’s Court verneinte kürzlich gegenüber Lacoste eine Verletzung der Marke durch ein in die andere Richtung bli- ckendes Krokodil. Nach langer Ver- fahrensdauer seien die Verbrau- cher an beide Marken gewöhnt, es bestünde keine Gefahr der Verwir- rung über die Herkunft. Ein absur- des Ergebnis mit fatalen Folgen. Handelsblatt: Gibt es auch positive Entwicklungen? Pattloch: MAN wurde über 2,1 Mil- lionen Euro Schadensersatz zuge- sprochen – im Fall ging es um die Nachahmung eines Busdesigns. Das war ermutigend, ist aber immer noch ein eher seltener Einzelfall. Zumeist können Rechtsinhaber die hohen Beweisanforderungen für den erlittenen Schaden nicht füh- ren und weichen auf einen pauscha- lierten Schadensersatz aus. Der ist im Gesetz festgeschrieben und be- trägt maximal 110 000 Euro. Bei teu- ren Verfahren oder schwerwiegen- den Verletzungen reicht dies nicht zur Deckung der eigenen Verfah- renskosten, geschweige denn zur Abschreckung. Insgesamt steigen die Entschädigungen, sie sind aber noch immer nicht ausreichend. Handelsblatt: Funktioniert wenigs- tens der vorläufige Rechtsschutz? Pattloch: Er bleibt in China ein Dau- erproblem. 2010 wurden nur 55 An- träge auf einstweilige Verfügungen auf Unterlassung gestellt und davon etwa 90 Prozent erlassen. Höher war die Erfolgsrate bei der einstwei- ligen Beweissicherung mit 294 An- trägen und über 97 Prozent Zulas- sung. Die Zahlen zeigen, dass die- ses Instrument äußerst zögerlich und selten eingesetzt wird. Dies ist auch politisch gewollt. Thomas Pattloch Thomas Pattloch: „Ein angemessener Schadensersatz bei nachgeahmten Produkten ist in China die Ausnahme“

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Marcus CreutzGarmisch

Ab Oktober fällt in Englandund Wales das Fremdbesitz-verbot für Anwaltskanz-

leien. Auch Branchenfremde kön-nen dann Gesellschafter werden– selbst wenn sie reine Kapitalinte-ressen verfolgen. „Anwaltskanz-leien können bis zu hundert Pro-zent externen Investoren gehören,die keine Anwälte sind“, sagtCharles Plant, Vorsitzender der Soli-citors Regulation Authority, derenglischen Regulierungsstelle fürden Anwaltsstand.

Laut Plant kommen derzeit zahl-reiche mittelgroße Kanzleien außer-halb Londons mit ihrem Geschäfts-

modell nicht weiter. Über eine Kapi-talerhöhung könnten diese künftigexpandieren – auch nach Kontinen-taleuropa. Dort dürften die Sozietä-ten aber alles andere als freundlichempfangen werden. Denn in denmeisten Ländern Europas bestehtderzeit ein striktes Fremdbesitzver-bot an Anwaltskanzleien – das giltauch für Deutschland. „Die Bundes-rechtsanwaltskammer setzt seit Jah-ren alles daran, eine solche Entwick-lung hierzulande zu verhindern.Wir sind eben kein Beruf wie jederandere“, teilte der Präsident derBundesrechtsanwaltskammer, AxelC. Filges, jüngst mit.

Nach deutschem Berufsrecht dür-fen sich Anwälte nur mit im Gesetz

aufgeführten anderen Berufen wieNotaren, Patentanwälten, Wirt-schaftsprüfern und Steuerberaternzusammenschließen. Zudem müs-sen die Gesellschafter aktiv in derSozietät mitarbeiten. Wer etwa ausAltersgründen nicht mehr anwalt-lich tätig ist, muss seinen Sozietäts-anteil veräußern. Auch Marketing-oder Business-Development-Mitar-beiter, die immer mehr zum Erfolgvon Sozietäten beitragen, könnennicht Gesellschafter werden.

Sorge um die Unabhängigkeit

Als Hauptargument gegen eine ge-sellschaftsrechtliche Beteiligungbranchenfremder Berufe wird im-mer wieder die Gefahr genannt,

dass die anwaltliche Unabhängig-keit verloren gehe. Dabei sind vieleAnwälte heute schon von einemoder zwei großen Mandanten ab-hängig. Außerdem dürfen Anwältedurchaus Bankdarlehen in An-spruch nehmen, um sich in eine be-stehende Anwaltskanzlei einzukau-fen oder ein Büro einzurichten.Läuft das Geschäft dann nicht gut,haften sie persönlich. Ein Finanzin-vestor dagegen begnügt sich für sei-nen Kapitaleinsatz mit einer gesell-schaftsrechtlichen Beteiligung.Bleibt er Minderheitsgesellschafter,ist sein Einfluss auf die Geschäfts-entwicklung eher gering.

Doch auch im Falle einer Mehr-heitsbeteiligung durch einen Fi-

IMPRESSUMKonzept&Realisierung:Marcus Creutz ([email protected])Redaktion: ThomasMersch,Stefan Merx

Marcus CreutzGarmisch

Deutschland verfügt welt-weit über den effektivstenRechtsschutz beim geisti-gen Eigentum. Das ist das

Ergebnis einer Umfrage der An-waltskanzlei Taylor Wessing unterrund 14 000 Managern und Juristender 24 stärksten Industrienationen.„Ob Patente, Marken, Geschmacks-muster oder Copyrights – in keinemanderen Land lassen sich Schutz-rechte zu geringeren Kosten anmel-den, verwalten und verteidigen“, er-läutert Sabine Rojahn, Partnerinbei Taylor Wessing. „Zugleichglänzt Deutschland mit effizient or-ganisierten Verwaltungsverfahren,spezialisierten Gerichten, fachkun-

digen Richtern und einer konsisten-ten Rechtsprechung.“Die Schlusslichter beim aktuellenGlobal Intellectual Property Indexbilden einmal mehr China und In-dien. Doch es gibt einen wichtigenUnterschied: Nach Ansicht der Ex-perten bemüht sich die chinesischeRegierung, das Image eines Pirate-riestaates abzuschütteln.

Begehrte Schutzrechte

In wenigen Jahren werde das Landnicht mehr den Besitz von Techno-logien als wichtigste nationale Auf-gabe betrachten, sondern den Be-sitz von Schutzrechten. Indienkämpft dagegen weiter mit struktu-rellen Problemen. So sollen Marken-register Fehler enthalten, die von

den Unternehmen erst einmalteuer beseitigt werden müssen.

Überraschend schlecht schnei-den die USA ab. Sie rangieren nochhinter Australien auf Platz vier. DasMusterland des Copyrightschutzeswurde in dem Index schlechter be-wertet als in den Vorjahren, weilzwei aktuelle Entscheidungen gro-ßen Videoportalen besondere Frei-heiten beim Angebot unrechtmäßigkopierter Filme einräumen. Zudemläuft das Patentanmeldungsverfah-ren schleppend. Im Schnitt dauertes drei Jahre, bis ein Patent in denUSA geprüft ist. Derzeit kämpfendie Behörden mit einem Anmelde-stau von über 700 000 Anträgen.Eine Gesetzesinitiative zielt daraufab, die Mängel abzustellen.

Deutsche Anwälte fürchten FinanzinvestorenIn England dürfen Kapitalgeber bald Kanzleien kaufen. Im Rest von Europa ist das bislang tabu.

Keine Macht den FälschernDeutschland schützt das geistige Eigentum von Unternehmen besser als jeder andereStaat. Nur zögerlich nehmen dagegen China und Indien den Kampf gegen den Ideenklau auf.

Marcus CreutzGarmisch

M ittlerweile sind in dendeutschen Großstädtenbis zu 25 Prozent der zuge-

lassenen Anwälte im Hauptberufals Rechtsberater in einem Unter-nehmen tätig. Der Gesetzgeberignoriert die Berufsgruppe derschätzungsweise 25 000 Syndi-kusanwälte aber völlig. So kenntdie Bundesrechtsanwaltsord-nung nur den niedergelassenen,unabhängigen Anwalt.

Die Folge: Unternehmensjuris-ten erhalten in Deutschland nurdann eine Anwaltszulassung,wenn sie sich im Zweitberuf alsRechtsanwalt selbstständig ma-chen. Das funktioniert aber nur,wenn ihr Arbeitgeber ihnen be-scheinigt, dass sie jederzeit undungefragt ihren Arbeitsplatz ver-lassen dürfen, um Mandanten zubetreuen. Kritiker sprechen voneiner schriftlichen Lüge.

Auch der Anwaltssenat desBundesgerichtshofs (BGH) tutsich mit der Anerkennung der Un-ternehmensjuristen als vollwer-tige Anwälte ähnlich schwer wieder Europäische Gerichtshof, derletztes Jahr die Unternehmensju-risten wegen angeblich fehlenderUnabhängigkeit für vogelfrei er-klärte. Weil jetzt in deren Unter-nehmensbüros heikle Post be-schlagnahmt werden darf, müs-sen sie schon in den Keller gehen,wenn sie ihre Chefs vertraulichberaten wollen.

Schwere Steine legt der BGH zu-dem den Unternehmensjuristenaus dem europäischen Auslandin den Weg, die in Deutschlandals Rechtsanwalt anerkannt wer-den wollen. Mindestens 35 Pro-zent des Gesamtumfangs dernachzuweisenden Beschäftigungmit vornehmlich deutscherRechtsmaterie müsse aus der pa-rallel zu führenden eigenen Pra-xis kommen, fordern die Bundes-richter (Az.: AnwZ (B) 20/10).

Das grenzt an Willkür. Schließ-lich kann die Tätigkeit als Unter-nehmensjurist im Einzelfall we-sentlich anspruchsvoller sein alszum Beispiel die stupide Beitrei-bung von Mandantenforderun-gen in der Kanzlei um die Ecke.Viele Syndikusanwälte habendrei, vier Jahre in Großkanzleiengearbeitet, bevor sie von der In-dustrie in deren Rechtsabteilun-gen abgeworben wurden. Sie wis-sen also, wie Anwalt geht. Undnicht wenige Rechtsabteilungendeutscher Unternehmen habenmittlerweile selbst die Größe ei-ner mittelständischen Kanzlei an-genommen, in denen bis zu 200hochspezialisierte Syndici im na-tionalen wie internationalenRecht beratend und gestaltend tä-tig sind. Dank ihres Arbeitsrechts-schutzes sind die meist gut dotier-ten Unternehmensjuristen wirt-schaftlich unabhängiger als somancher freie Anwalt.

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Quelle: TaylorWessing - GlobalIntellectual Property Index 2011Handelsblatt

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Votum:DerGesetzgeberignoriert dieFirmenjuristen

Ausstellung vonPlagiaten in NewYork: Beim KampfgegenNachahmer

sindwestlicheStaaten Vorreiter.

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SPEZIAL: LEGAL SUCCESS 49DONNERSTAG, 28. JULI 2011, Nr. 144

nanzinvestor ist der Anwalt wirt-schaftlich betrachtet unabhängigerals bei einem reinen Bankdarlehen,weil er von persönlicher Haftungim Fall eines Misserfolgs verschontbleibt. Zudem könnte sich das In-vestment durch Branchenfremdeauch positiv für die Allgemeinheitauswirken. Nimmt eine Anwalts-kanzlei einen Investor auf, um mitdem frischen Kapital qualifiziertereAnwälte einzustellen, kommt dieQualitätssteigerung letztendlichden Rechtsuchenden zugute. Auchwird es für junge Anwälte immerschwerer, ein Bankdarlehen zu er-halten, um eine eigene Kanzlei zugründen oder eine bestehendeKanzlei zu kaufen.

„Die USA wollen darüber hinausihr Patentrecht dem Rest der Weltanpassen“, sagt Thomas L. Bittner,Patentanwalt in der Kanzlei Boeh-mert & Boehmert. Bislang sei es so,dass in Amerika das First-to-Invent-Prinzip gilt. Danach steht demjeni-gen das Patent zu, der zuerst dieIdee hatte. In Deutschland undEuropa gilt dagegen das First-to-File-Prinzip: Das Schutzrecht erhältderjenige, der es zuerst beim Pa-tentamt anmeldet.

Europa plant Reformen

In Europa scheinen derweil die Pa-tentreformen voranzukommen.Das ist auch bitter nötig. Denn Erfin-der, die beim Europäischen Patent-amt (EPA) ein europäisches Patentanmelden, müssen bisher rund32000 Euro Verwaltungs- undÜbersetzungskosten tragen, wennsie in allen 27 EU-Ländern vor Pla-giatoren sicher sein wollen. Vor al-lem kleine und mittlere Betriebe las-sen ihre Produkte oft nur in Eng-land, Frankreich und Deutschlandpatentieren. Dadurch aber entste-hen gefährliche Patentlücken.

Dieses Manko soll durch eineneue Patentverordnung behobenwerden, die der EU-Rat kürzlich ver-abschiedet hat. Die Inhaber von eu-ropäischen Patenten, die vom EPAerteilt wurden, können einen „An-trag auf Registrierung der einheitli-chen Wirkung“ einreichen. Danngilt das Patent in 25 der 27 EU-Mit-gliedstaaten. Nur Spanien und Ita-lien nehmen am Verfahren nichtteil. Neue Regelungen sollen paral-lel die Übersetzungskosten um 20Prozent senken. Auch die Jahresge-bühren zur Aufrechterhaltung deseinheitlichen Patentschutzes müs-sen künftig nur noch an das EPA an-statt jeweils an die nationalen Pa-tentbehörden abgeführt werden.

Noch im laufenden Jahr wird aufEU-Ebene über die Schaffung einereinheitlichen europäischen Patent-gerichtsbarkeit beraten. „Nachdemdas EU-Patent konkrete Formen an-nimmt, muss auch das damit engverbundene Projekt des europäi-schen Patentgerichts schnell voran-kommen. Ohne funktionierende Pa-tentgerichtsbarkeit kann es keinfunktionsfähiges Patentsystem aufEU-Ebene geben“, sagt Justizstaats-sekretär Max Stadler.

Thomas Pattloch ist einer derdeutschen Top-Experten fürFragen des Schutzes von geis-

tigem Eigentum in China. Mit demAnwalt der Kanzlei Taylor Wessingsprach Marcus Creutz in München.

Handelsblatt: Mit welchen Risikenaußer Nachahmungen ihrer Pro-dukte müssen ausländische Unter-nehmen in China rechnen?Thomas Pattloch: Ein wachsendesProblem sind widerrechtliche Ent-nahmen, also das Anmelden frem-der Marken und Patente als eigene.

Handelsblatt: Mit welchen Folgen?Pattloch: Im schlimmsten Fall kannes den Zugang zum Markt verhin-dern. Wer es nicht schafft, die bös-gläubige Anmeldung seiner Markezu beseitigen beziehungsweise die

Marke zurückzuerhalten, demkann die Nutzung der eigenenMarke in China vom bösgläubigenAnmelder untersagt werden.

Handelsblatt: Gibt es prominenteBeispiele für Markenkonflikte?Pattloch: Der Supreme People’sCourt verneinte kürzlich gegenüberLacoste eine Verletzung der Markedurch ein in die andere Richtung bli-ckendes Krokodil. Nach langer Ver-fahrensdauer seien die Verbrau-cher an beide Marken gewöhnt, esbestünde keine Gefahr der Verwir-rung über die Herkunft. Ein absur-des Ergebnis mit fatalen Folgen.

Handelsblatt: Gibt es auch positiveEntwicklungen?Pattloch: MAN wurde über 2,1 Mil-lionen Euro Schadensersatz zuge-

sprochen – im Fall ging es um dieNachahmung eines Busdesigns. Daswar ermutigend, ist aber immernoch ein eher seltener Einzelfall.Zumeist können Rechtsinhaber diehohen Beweisanforderungen fürden erlittenen Schaden nicht füh-ren und weichen auf einen pauscha-lierten Schadensersatz aus. Der istim Gesetz festgeschrieben und be-trägt maximal 110000 Euro. Bei teu-

ren Verfahren oder schwerwiegen-den Verletzungen reicht dies nichtzur Deckung der eigenen Verfah-renskosten, geschweige denn zurAbschreckung. Insgesamt steigendie Entschädigungen, sie sind abernoch immer nicht ausreichend.

Handelsblatt: Funktioniert wenigs-tens der vorläufige Rechtsschutz?Pattloch: Er bleibt in China ein Dau-erproblem. 2010 wurden nur 55 An-träge auf einstweilige Verfügungenauf Unterlassung gestellt und davonetwa 90 Prozent erlassen. Höherwar die Erfolgsrate bei der einstwei-ligen Beweissicherung mit 294 An-trägen und über 97 Prozent Zulas-sung. Die Zahlen zeigen, dass die-ses Instrument äußerst zögerlichund selten eingesetzt wird. Dies istauch politisch gewollt.

Thomas Pattloch

ThomasPattloch: „Ein angemessener Schadensersatz beinachgeahmtenProdukten ist in China dieAusnahme“