Hintergrund: Europawahlen Nr. 26 / Mai 2014 | 1
Belgien wählt - auf allen Ebenen
Julie Cantalou
Am 25. Mai findet der größte Wahltag in der Geschichte Belgiens statt:
Europaparlament, belgische Abgeordnetenkammer und die regionalen
Parlamente Flanderns, der Wallonie, Brüssels und der deutschsprachi-
gen Gemeinschaft. Sozialisten, Liberale und flämische Nationalisten
beherrschen das Feld.
Aus politisch-institutioneller Sicht ist Belgien einzigartig in der Europäischen Union. Im Zuge von
mittlerweile sechs Staatsreformen wandelte es sich zu einem Bundesstaat, in dem die drei Regionen
(Flandern, Wallonie und Brüssel-Hauptstadt) sowie die drei Sprachgemeinschaften (flämisch, franzö-
sisch und deutsch) zunehmend an Kompetenzen gewonnen haben - zu Lasten der nationalen Ebene.
Bis auf wenige Ausnahmen gibt es keine nationalen Parteien mehr, sondern jeweils flämisch- und
französischsprachige Liberale, Konservative, Sozialisten, etc.. Mitglieder der europäischen Liberalen in
der ALDE Partei sind dementsprechend sowohl die flämisch-sprachige Open VLD als auch die franzö-
sisch-sprachige Mouvement Réformateur.
Umfragen sagen voraus, dass in Flandern die nationalistische N-VA als große Gewinnerin dieses drei-
fachen Wahlganges hervorgehen wird. In der Wallonie liegen die sozialdemokratische Parti Socialiste
(PS) und die liberale Mouvement Réformateur mit jeweils 28,9% und 23,3% der Stimmen in Führung.
Wahl zur belgischen Abgeordnetenkammer
Bei der letzten Parlamentswahl am 13. Juni 2010 zogen elf Parteien in die belgische Abgeordneten-
kammer ein, sechs flämisch- und fünf französischsprachige Parteien. In Flandern wurde die nationalis-
tische Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) die stärkste Kraft, gefolgt von der konservativen Christen-
Democratisch en Vlaams (CD&V). Die liberale Open VLD wurde viertstärkste Partei.
Hintergrund:
Europawahlen 2014
Nr. 26 / 15. Mai 2014
Hintergrund: Europawahlen Nr. 26 / Mai 2014 | 2
Nach schier endlosen Diskussionen, bei denen nacheinander acht von König Albert II. eingesetzte Ver-
mittler scheiterten, gelang es schließlich dem frankophonen Sozialisten Di Rupo im Dezember 2011 (!)
ein Bündnis aus den sozialdemokratischen Parteien sp.a und PS, den konservativen CD&V und CDH
und den liberalen MR und Open VLD zu schmieden.1
In der laufenden Legislaturperiode
wurden einige Änderungen im
Wahlsystem eingeführt und ab der
Wahl 2014 für das ganze Land
vereinheitlicht, sodass jede Provinz
sowie die Region Brüssel-
Hauptstadt jeweils einen Wahl-
kreis bilden.2
In Flandern waren traditionell die
Christdemokraten die stärkste
Kraft, bis ihre Position in den
1990er Jahren vom rechtsextre-
men Vlaams Belang streitig ge-
macht wurde; zwischen 2004 und
2009 stellte dieser sogar die größ-
te Fraktion im flämischen Regio-
nalparlament. Doch seitdem verlor
der Vlaams Belang sukzessive an Anhängern, die mehrheitlich zur separatistischen Nieuw-Vlaamse
Alliantie (N-VA) überliefen. In 2010 hatte der Vlaams Belang noch 12,6% der Stimmen. Umfragen von
April 2014 zufolge liegen die Rechtsextremen gegenwärtig bei nur noch knapp 7%, während die N-VA
mit über 32% einen Anstieg von 4% im Vergleich zum letzten Urnengang aufweist. Neben dem
Vlaams Belang werden voraussichtlich die Christdemokraten CD&V die größten Verlierer sein, während
sowohl die Grünen wie auch die Liberalen an Stimmen gewinnen könnten. Die liberale Staatssekretä-
rin für Asylpolitik, Immigration und soziale Integration, Maggie De Block, gilt als beliebteste flämische
Politikerin, noch vor dem konservativen Ministerpräsidenten Kris Peeters.
In der Wallonie hat sich seit Jahren nicht viel gewandelt. Das politische Umfeld war stets von der so-
zialistischen Partei und der liberalen Mouvement Réformateur (MR) dominiert. Doch auch wenn die
Sozialisten wohl einige Sitze werden einbüßen müssen, sollten sie ihre Position mit knapp 29% der
Stimmen behaupten können. Die liberale MR wird vermutlich mit über 23% der Stimmen die zweit-
stärkste Kraft in der Wallonie bleiben. Insbesondere in der Wallonie zeichnet sich eine deutliche Pola-
risierung des politischen Spektrums ab. Auf der extremen Linken könnte der Partij van de Ar-
beid (PVDA), auf Französisch Parti du Travail de Belgique (PTB), eine der wenigen Parteien Belgiens, die
sowohl flämisch als auch frankophon ist, der Durchbruch gelingen. Mit mehr als 9% könnte sie erst-
mals in die Abgeordnetenkammer einziehen. Auf der rechten Seite des politischen Spektrums wird die
Parti Populaire mit 7% der Wahlabsichten taxiert; sie bemüht sich wohl erfolgreich um ehemalige
Wähler der konservativen CDH.
1 Die Zeitspanne von 540 Tagen von der Wahl bis zur Bildung einer neuen Regierung stellt einen Rekord in der modernen
Geschichte dar. Dass Belgien diese politische Krise unbeschadet überstand, liegt auch an den vielen Einzelbefugnissen der
Regionen und Sprachgemeinschaften. 2 Die Flämische Region besteht aus fünf Provinzen: Antwerpen, Limburg, Ostflandern, Flämisch Brabant und Westflandern.
Die Wallonische Region umfasst ebenfalls fünf Provinzen: Hennegau, Lüttich - in der auch das Gebiet der Deutschsprachi-
gen Gemeinschaft liegt -, Provinz Luxemburg, Namur und Wallonisch Brabant.
Wahlplakate in Brüssel/Foto: FNF-Europe
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In der Region Brüssel-Hauptstadt ist die politische Landschaft seit der letzten Wahl stabil geblieben.
Kleine Parteien haben keine Chance gegen die Dominanz des Mouvement Réformateur. In Brüssel sind
die frankophonen Liberalen traditionell stärkste Kraft, so auch wieder seit 2009. Doch die Spitzenposi-
tion wird ihnen von der Parti Socialiste streitig gemacht.
Auch dieses Mal könnte sich nach den Wahlen die Bildung einer Regierung als schwierig erweisen.
Premierminister Elio di Rupo (PS) bleibt zwar, vor allem in der Wallonie (56% der Befragten), aber
auch in Brüssel (44% der Befragten) einer der populärsten Politiker. Seine Regierung wird jedoch sehr
unterschiedlich bewertet. In der Wallonie werden die Sparpolitik und die Kürzung der Sozialausgaben
kritisiert, was auch zum Aufstieg der linksextremen PvdA/PTB beiträgt. Stattdessen bewerten die Fla-
men die belgische Regierung als zu sozialdemokratisch. Die Steuererhöhungen während der Krise hät-
ten vor allem die Unternehmen benachteiligt und so Belgiens Wettbewerbsfähigkeit geschadet. Wirt-
schaft und Wettbewerbsfähigkeit sind daher dieses Jahr die großen Themen der Wahlkampagne.
Der zweite Schwerpunkt der diesjährigen Wahlkampagne liegt erneut auf der institutionellen Reform
des Landes. Die N-VA wirbt für ein föderales System auf der Basis einer freiwilligen Zusammenarbeit
zwischen den Regionen, die zunehmend mehr Autonomie erhalten sollen. Ob dieses föderale System
jedoch die endgültige Staatsform Belgiens sein soll oder nur ein Stadium auf dem Weg zur Unabhän-
gigkeit Flanderns, lässt sie absichtlich unausgesprochen. Immerhin 30% der Belgier sind zwar für
mehr Autonomie der Regionen, jedoch nur 10-15% für die Unabhängigkeit Flanderns.
Die föderalen Wahlen könnten zu einer neuen Regierungskonstellation führen, wenn die NV-A tat-
sächlich weiter in der Wählergunst zulegt. Mit knapp einem Drittel der flämischen Stimmen wird die
N-VA zu einem fast unumgänglichen Gesprächspartner für die Koalitionsgespräche. Parteipräsident
Bart de Wever ist für 44% der Befragten der beliebteste Politiker Flanderns. Gleichzeitig gefährden die
möglichen Stimmverluste der konservativen Flamen CD&V deren Schlüsselrolle in der Koalitionsbil-
dung und somit die Fortsetzung der gegenwärtigen Regierung. Die N-VA wünscht sich eine Mitte-
Rechts-Regierung mit den Konservativen und den Liberalen. Diese Regierung sei dringend notwendig,
um die belgische Wirtschaft zu stärken, so de Wever. Sie hätte jedoch keine Mehrheit in der Wallonie.
Die frankophonen Parteien haben sich bisher gegen jede Regierungsbildung unter Einbeziehung der N-
VA ausgesprochen; dies könnte sich jedoch nach der Wahl ändern. Sowohl die MR wie auch die CDH
könnten sich ihren flämischen Partnerparteien anschließen. Die Verhandlungsstärke der N-VA hängt
auch von ihrem Wahlergebnis zum regionalen Parlament in Flandern ab. Sie könnte die Regierungs-
verhandlungen auf der regionalen und der föderalen Ebene miteinander verknüpfen und so in die Län-
ge ziehen.
Hintergrund: Europawahlen Nr. 26 / Mai 2014 | 4
Wahlen in den Regionen
Auf regionaler Ebene spiegeln
sich die Wahlprognosen der nati-
onalen Parlamentswahlen wider.
Mit einer Zunahme von knapp
2% im Vergleich zu den letzten
Wahlen und insgesamt 23,3% der
Wahlabsichten, positioniert sich
der Mouvement Réformateur in
der Wallonie als unumgänglicher
Partner zur Bildung der nächsten
Regierung in Namur.
In Brüssel könnte die konservati-
ve Vize-Premierministerin und
Innenministerin Belgiens, Joelle
Milquet, als wichtige Vermittlerin
der neuen Regierung der Region
Brüssel-Hauptstadt agieren. Sie
ist eine der beliebtesten Politikerinnen in Brüssel und Spitzenkandidatin der CDH. Dank ihrer Populari-
tät könnte sie dem gegenwärtigen Ministerpräsidenten Charles Picqué (PS) nachfolgen.
In Flandern wird es für den amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Kris Peeters aufgrund der
starken Einbußen der CD&V in den Umfragen, eng. Sollte die NV-A stärkste Partei werden, könnten
sich die Konservativen in der Rolle des Juniorpartners wiederfinden.
Starke Partizipation von Migran-
ten - eine belgische Besonderheit
Seit Mitte der 1990er Jahre hat die
politische Partizipation eingebür-
gerter Migrantinnen und Migran-
ten außereuropäischen Ursprungs,
vor allem auf kommunaler und
regionaler Ebene, stark zugenom-
men. 1995 hatten bei Regional-
wahlen 5,3% der gewählten Man-
datsträger einen Migrationshinter-
grund, in 1999 waren es bereits
10,6% und in 2004 20,2%3. Diese
Zahlen zeigen: In Belgien ist die
aktive politische Beteiligung von
Bürgerinnen und Bürgern außereu-
ropäischen Ursprungs viel signifi-
kanter als in Frankreich oder
Deutschland.
3 „Belgique. La participation politique des populations issues de l’immigration. », Dirk Jacobs, Andrea Rea. 2013.
Wahlprognosen/ Quelle: „de Standaard“
Kandidaten kongolesischen Ursprungs in Matongé/Foto: FNF-Europe
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Die hohe Partizipationsrate von Migranten, die nicht aus einem EU-Mitgliedsstaat stammen, ist auf
mehrere politische und strukturelle Faktoren zurück zu führen4. Einerseits, so Politologen, liege dies an
der im europäischen Kontext äußerst liberalen Einbürgerungspolitik der 1990er Jahre. Zwischen 1988
und 2002 erhielten allein in der Region Brüssel-Hauptstadt 150.000 Ausländer die belgische Staats-
bürgerschaft; in den neunziger Jahren nahmen über 50% der eingewanderten Marokkaner und Türken
die belgische Staatsbürgerschaft an. Andererseits hat auch die Wahlpflicht und das System der Vor-
zugswahl in Belgien Einfluss auf diese Entwicklung. Politische Parteien, besonders in der Region Brüs-
sel-Hauptstadt, haben zunehmend Kandidaten mit Migrationshintergrund in ihre Listen aufgenom-
men. Auch wenn diese keinen prominenten Listenplatz innehatten, wurden sie durch die Vorzugs-
stimmen gewählt. Wahlforscher sprechen von einem ausgeprägten ethnischen Wahlverhalten. Vor
allem Parteien des linken politischen Spektrums bauten in ihre Listen eine sogenannte „ethnische Ni-
sche“ für Migranten ein und konnten so in vielen Städten Belgiens in den letzten Jahren an Bedeutung
gewinnen.
Zweitrangige Europawahl
Die Europawahl rückt aufgrund der gleichzeitig stattfin-
denden regionalen und föderalen Parlamentswahlen in den
Hintergrund.
In der Wallonie kandidieren viele aktuelle Mitglieder des
Europäischen Parlaments nun auf regionaler oder föderaler
Ebene. Neu ist auch die Zunahme von Listen kleinerer Par-
teien. Sowohl die Partei der Arbeit (PTB), wie auch die Pi-
raten, die Partei Véga oder sogar eine neue föderalistische
Partei „Stand up for the United States of Europe“, treten
zum ersten Mal für die Europawahl an. Nur die Liberalen
setzen mit dem ehemaligen EU-Kommissar Louis Michel
als Spitzenkandidaten und Frédérique Ries auf dem zwei-
ten Platz auf Kontinuität.
Anders als in der Wallonie besteht in Flandern bei den
Bewerbern für das Europaparlament eher Konstanz. Fast
alle flämischen Parteien setzen auf gegenwärtige Euro-
paabgeordente als Spitzenkandidaten. Die liberale Open
VLD bietet mit dem ehemaligen belgischen Premier und
gegenwärtigem Vorsitzenden der ALDE-Fraktion im EP und
Spitzenkandidaten der ALDE Partei, Guy Verhofstadt, den
bekanntesten Politiker. Verhofstadt ist überzeugt, gute
Chancen zu haben der nächste Kommissionspräsident zu werden, auch wenn die ALDE nicht die
stärkste Partei werden sollte. Annemie Neyts, ehemalige Präsidentin von Liberal International und der
ALDE Partei, steigt auf Platz zwei ins Rennen. Sollte einer der gewählten Open VLD-Vertreter das
Mandat nicht annehmen, so käme auch der erste Stellvertreter auf der Liste, Philipp de Backer, wieder
zum Zuge. Er hat sich in der laufenden Legislatur als „Neuling“ durchaus einen Namen gemacht.
Den Umfragen zufolge wird auch bei der Europawahl der Sieger die flämische N-VA sein. Sie könnte
3-4 Sitze erreichen (gegenwärtig ein Abgeordneter).
4 « Les comportements électoraux des minorités éthniques à Bruxelles. », Andrea Rea, Dirk Jacobs, Céline Teney, Pascal
Delwit. 2010.
Guy Verhofstadt, Spitzenkandidat der Liberalen/
Foto: ALDE Communication, flickr
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Die N-VA war zusammen mit anderen regionalistischen/separatistischen Parteien bisher Teil der Frak-
tion der Europäischen Grünen – Europäische Freie Allianz, in der sich auch die belgischen Grünen be-
finden. Die Beziehung zwischen den Grünen und der N-VA ist jedoch zunehmend angespannt, so dass
der Spitzenkandidat der N-VA, Johan Van Obertveldt, bereits angekündigt hat, seine Partei werde
über einen Wechsel zu einer anderen Fraktion nachdenken. Nur – wohin? N-VA-Präsident de Wever
hat zwar bereits, u.a. mit dem britischen Premier Cameron, Gespräche über einen Beitritt zu den Euro-
pean Conservatives and Reformists (ECR) gesprochen. Doch während die britischen Tories eher Euro-
paskeptiker sind, ist die N-VA eher pro-europäisch. In der Europäischen Volkspartei EVP könnte der N-
VA die Rolle des Königmachers zufallen, was ihr eine besonders interessante Verhandlungsstärke ge-
ben würde. Mit der ALDE gibt es viele inhaltliche Übereinstimmungen und ein ähnliches Abstim-
mungsverhalten in vielen Bereichen. Aber in der ALDE Fraktion sind bereits mit der Open VLD und der
MR zwei belgische liberale Parteien, und damit Wettbewerber auf nationaler Ebene, vertreten. So
träumt die N-VA deshalb von einer „euro-realistischen“ Fraktion ohne die belgischen Liberalen.
Belgisch liberal
Die belgischen Liberalen – Open VLD und MR – sind langjährige Mitglieder der ALDE-Fraktion. Sie sind
beide als sozial-liberale Parteien einzuordnen. Besonders die Mouvement Réformateur hat eine starke
soziale Agenda, sicherlich aufgrund ihrer wallonischen Wählerschaft, die dem Staat tendenziell eine
wichtigere Rolle in der Organisation der Gesellschaft zuordnet als dies in Flandern oder anderen euro-
päischen Ländern der Fall ist. Im Gegensatz zu vielen klassisch-liberalen Parteien, sind die belgischen
Liberalen für eine stärkere europäische Integration, besonders in den Bereichen Wirtschaft, Währung,
Energie, Verteidigung- und Außenpolitik. So setzen sich sowohl die Open VLD wie auch die MR für die
Einführung von Eurobonds ein. Den Vorwurf, Föderalist zu sein weist Guy Verhofstadt zurück, er sei
für eine bessere Aufteilung der Kompetenzen zwischen lokalen, regionalen, nationalen und europäi-
schen Instanzen. In seinem Sinne sollten jedoch mehr Kompetenzen auf die europäische Ebene verla-
gert werden.
Bei den Wahlen zur belgischen Abgeordnetenkammer werben die Liberalen für Steuersenkungen, be-
sonders für kleine und mittlere Unternehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Auch der
Druck auf die Löhne und Renten wird kontrovers diskutiert. Open VLD und MR unterscheiden sich in
dieser Hinsicht kaum. In ihren Programmen stehen Wirtschaftswachstum, Steuerreform und Unter-
nehmensförderung ganz klar an erster Stelle. Eigenverantwortung, Leistung, Freiheit, Bürgerrechte
und Fortschritt, verbunden mit einem klaren Engagement für Europa, sind die Prinzipien der flämi-
schen Liberalen. Sie haben sich während der letzten Legislaturperiode auch durch ihre reformorientier-
te Justiz-, Asyl- und Migrationspolitik ausgezeichnet. „Streng, aber gerecht“ war die Devise Maggie De
Blocks im Umgang mit der Migrationspolitik. Die frankophone MR unterscheidet sich in ihrem Pro-
gramm nur gering von der flämischen Open VLD. Aufgrund ihrer Geschichte und Wählerschaft hat die
MR jedoch auch einen starken sozial-demokratischen Flügel. Somit werden Vorschläge für mehr Wirt-
schaftswachstum, Entbürokratisierung und Steuersenkungen in Form finanzieller Hilfen und Subven-
tionen begleitet.
Ausblick
Nach dem 25. Mai dürfte es in Belgien spannend werden. Es ist schon fast ein „Wahl-Großversuch“, da
nach den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr nun die Wählerinnen und Wähler über alle anderen
Ebenen neu entscheiden. Die voraussichtlichen Stimmengewinne für die flämische N-VA und die Zu-
nahme extremer Parteien in der Wallonie dürften die Regierungsbildung auf föderaler Ebene und in
den Regionen nicht gerade erleichtern.
Hintergrund: Europawahlen Nr. 26 / Mai 2014 | 7
Es könnte sogar zu einem Regierungswechsel kommen - von einer Regierung, die gegenwärtig keine
Mehrheit in Flandern hat, zu einer Regierung, die dann keine Mehrheit in der Wallonie haben dürfte.
Ob die Belgier ihren eigenen „Weltrekord“ bei der Regierungsbildung von 541 Tagen schlagen“? Hof-
fentlich nicht!
Julie Cantalou ist European Affairs Managerin im Dialog Programm Brüssel der FNF.
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