„Hygiene im Islam“
„Aktuelle Krankenhaushygiene“
Universitätsklinikum Essen
Krankenhaushygiene
25. Februar 2015
Nils Fischer
Essen, 25. Februar 2015
Quelle: A Turkish bath, engraving by M. J. Starling after T. Allom, Wellcome Images, http://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0020027.html (21. Februar 2015)
Überblick
1. Einführung
2. Reinheit im Koran
3. Reinheit im islamischen Recht
4. Reinheit in der islamischen Frömmigkeit
5. Historische und aktuelle Tendenzen
6. Impressionen
7. Fazit
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
1. Einführung
Grundlegende Unterscheidung
1. Rituelle Reinheit
2. Persönliche Sauberkeit
3. Medizinische Hygiene
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
„Ihr Gläubigen! Wenn ihr euch zum Gebet aufstellt, dann wascht
euch (vorher) das Gesicht und die Hände bis zu den Ellbogen und
streicht euch über den Kopf und (wascht euch) die Füße bis zu den
Knöcheln (Variante (vermutlich der ursprüngliche Wortlaut): und
(über) die Füße bis zu den Knöcheln)! Und wenn ihr unrein seid,
dann nehmt eine (entsprechende) Reinigung vor! Und wenn ihr krank
seid (und deshalb nicht die regelrechte Waschung vornehmen könnt)
oder (wenn ihr euch) auf einer Reise (befindet) oder (wenn) einer von
euch vom Abort kommt oder (wenn) ihr mit Frauen in Berührung
gekommen seid und kein Wasser findet (um die Waschung
vorzunehmen) dann sucht einen sauberen (oder: geeigneten, w.
guten) hochgelegenen Platz auf und streicht euch (mit etwas Erde)
davon über das Gesicht und die Hände! Gott will euch nichts
auferlegen, was (euch) bedrückt. Vielmehr will er euch rein machen
und seine Gnade an euch vollenden. Vielleicht würdet ihr dankbar
sein.“
(Koran 5:6; Übersetzung: Rudi Paret 2004, 79)
2. Rituelle Reinheit im Koran
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Ibn Rušd (gest. 1198) „Bidāyat al-muǧtahid wa-nihāyat al-muqtaṣid“
- Unterscheidung zwischen „rituell verunreinigenden Ereignissen“
(aḥdāṯ), „Unreinheiten“ (naǧāsāt) und „Schmutz“ (ḫabaṯ)
3. Rituelle Reinheit (ṭahāra) im islamischen Recht
- Ausführung und Systematisierung der Regelungen des Korans
und der Prophetentradition (sunna) - Diskussion von Einzelfällen
- Erklärung und Unterscheidung von Verschmutzung und
Reinigung
- Genaue Anweisungen für das persönliche Sauberkeitsverhalten
(z. B. Art und Weise des Urinierens und der Defäkation)
- Genaue Anweisungen für die persönliche und die Intimpflege
(z. B. Nagel-, Haar- und Bartschneiden, Epilation und Rasur)
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„Kleine Unreinheit“ wird verursacht durch:
- Körpersubstanzen (Urin, Kot)
- Berührung von Unreinem (Substanzen, Tiere)
- Berührungen (Genitalien, Frauen, Tote)
- Bewusstlosigkeit, Schlaf
3.1 „Kleine Unreinheit“ (ḥadaṯ aṣġar)
„Kleine Unreinheit“ hat zur Folge:
- Ungültigkeit des Gebets
- Koran darf nicht berührt und rezitiert werden
- Kaaba darf nicht umrundet werden
„Kleine Unreinheit“ wird beseitigt durch eine „kleine Waschung“ (wuḍūʾ)
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„Große Unreinheit“ wird verursacht durch:
- Geschlechtsverkehr
3.2 „Große Unreinheit“ (ḥadaṯ akbar, ǧanāba)
„Große Unreinheit“ hat zur Folge:
- Ungültigkeit des Gebets
- Koran darf nicht berührt und rezitiert werden
- Kaaba darf nicht umrundet werden
„Große Unreinheit“ wird beseitigt durch eine „große Waschung“ (ġusl)
Eine „große Waschung“ ist auch üblich bei:
- Leichenwäsche
- nach der Menstruation
- nach der Geburt
- Samenerguss
- vor dem Freitagsgebet und vor Festtagen
- vor der Pilgerfahrt
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Wenn kein Wasser zur Waschung vorhanden ist, darf statt der
„kleinen Waschung“ und der „großen Waschung“ eine
„Ersatzhandlung“ ohne Wasser (tayammum) vorgenommen werden.
3.3 Rituelle Reinigung ohne Wasser (tayammum)
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3.3 „Unreinheiten“ (naǧāsāt)
„Unreinheiten“ (naǧāsāt) müssen beseitigt werden:
- Tote Tiere (Ausnahme die „Tiere des Meeres“, rituell
geschlachtete und durch Jagd erlegte Tiere)
- Blut
- Urin, Kot
Dies gilt vor allem für:
- Körper
- Kleidung
- Gebetsort
„Unreinheit“ wird beseitigt durch Entfernen der Verschmutzung durch:
- Abkratzen, Reiben
- Waschen
- Sonne, Trocknen
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Al-Ġazālī (gest. 1111) „Die Wiederbelebung der
Religionswissenschaften“ (Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn)
„Vier Stufen der Reinheit“
1. Reinheit des Körpers
2. Reinheit der Sinne
3. Reinheit des Herzens (qalb)
4. Reinheit des „Innersten“ (sirr)
4. Rituelle Reinheit in der islamischen Frömmigkeit
Im Zentrum des Interesses steht die „Reinigung des Herzens“ (taṭhīr
al-qalb), Gefahr der Ablenkung durch Äußerlichkeiten
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- Ausdehnung und Erweiterung der rituellen Reinheit bereits im
frühen Islam: Kritik durch die Rechtsgelehrten
- Gleichsetzung von „islamischer Reinheit“ mit „medizinischer
Hygiene“
5. Historische und aktuelle Tendenzen
- Übertragung der Reinheits- und Unreinheitsmetaphorik auf
Menschen, Orte und Handlungen
- Rituelle Reinigung für die Durchführung „profaner“ Handlungen
- Rituelle Reinigung nach „unmoralischem“ Verhalten
- Rituelle Reinigung im Zustand ritueller Reinheit
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6. Impressionen
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: Muslim distribution, http://www.lib.utexas.edu/maps/world_maps/muslim_distribution.jpg (21. Februar 2015)
Die Verbreitung des Islams
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Das „türkische Bad“: Fiktion
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867), Le bain turc (1862), Louvre, Paris,
Frankreich, http://www.louvre.fr/sites/default/files/imagecache/
940x768/medias/medias_images/images/louvre-bain-turc.jpg (21. Februar 2015)
Das „türkische Bad“ (hammam): Wirklichkeit
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Quelle: Bain maure, Algerien, http://www.vinyculture.com/wp-content/uploads/2013/01/bain-maure.jpg (21. Februar 2015)
Die Waschung im Hammam
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: A ghulum [ghulam, d. h. ein Sklave], or bath
attendant, attending to a custormer, Wellcome Images,
http://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0045683.ht
ml (21. Februar 2015)
Quelle: Traditionelle Schalen, Seife und
Tücher für Waschung,
http://www.ottomanimports.com.au/?i=1282/
copper-hamam-bowls (21. Februar 2015)
Der Gang auf die Toilette
Quelle: Muhamed Aly Camp, Dahab, Egypt, Toilets around the world, http://toilet-guru.com/pictures/dahab-tn.jpg (21. Februar 2015)
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Hygiene im Islam
Populäre Plastikkanne für die Waschung
Quelle:
https://plus.google.com/photos/106404353315780586078/album
s/5865192278446102369 (21. Februar 2015)
Der Gang auf die Toilette
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Quelle: Bidet und Sitztoilette mit „Waschschlauch“ im Paradise Inn „Le Metropole Hotel“,
Alexandria, Ägypten, © Nils Fischer, 2009
Hygiene im Islam
Traditionelle Waschmöglichkeit in einer orientalischen Moschee
Quelle: http://writing.wikinut.com/How-To-Wudu/11oa23qx/ (21. Februar 2015)
Hygiene im Islam
Waschmöglichkeit für Muslime in einer Universität (USA)
Quelle: http://www.specwash.com/portfolio-items/university-2/ (21. Februar 2015)
Hygiene im Islam
Waschmöglichkeit für muslimische Mitarbeiter
Quelle: Zentrale des Eastern Mediterranean Regional Office (EMRO) der World Health Organisation (WHO) in Nasr
City, Kairo, Ägypten, © Nils Fischer, 2009
Die Waschung am Waschbecken
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: http://www.powerlineblog.com/archives/2007/10/018666.php (21. Februar 2015)
Moderner Waschautomat „Auto Wudu Washer“
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Quelle: http://muslim-daily-sunnah.blogspot.de/2012/12/automated-wudu-
ablution-system.html (21. Februar 2015)
Moderner Waschautomat „Wudu Washer“
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: http://rafaqat.com/auto-wudu-washer-for-
muslims (21. Februar 2015)
Die rituelle Reinigung ohne Wasser (tayammum)
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: http://www.islamic-center-santa-cruz.org/salah.php (21. Februar 2015)
Muslime auf Reisen
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: http://islam.ru/en/content/story/tayammum (21. Februar 2015)
Muslime im Weltraum
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
Quelle: Sheikh Muszaphar Shukor auf der ISS, Oktober 2007,
http://drsmshukor.tripod.com/biblio/index.blog?start=1201190459 (21. Februar 2015)
1. Menschen sind nach islamischer Auffassung grundsätzlich „rein“.
2. „Unreinheit“ ist nicht „ansteckend“ und keine „Strafe“.
7. Fazit
3. Für den Muslim ist es „normal“ rituell unrein zu werden.
4. Das Ziel islamischer Reinheitsregeln ist, den gläubigen Muslim in
den Zustand zu versetzen, seine religiösen Pflichten zu erfüllen,
das ist vor allem das Gebet.
5. Die Gültigkeit der rituellen Waschungen und auch der Vollzug der
rituellen Pflichten hängt von der persönlich gefassten Absicht
(niya) und nicht von äußeren Kriterien ab.
Nils Fischer „Hygiene im Islam“, Aktuelle Krankenhaushygiene, 25. Februar 2015, Essen
„Hygiene im Islam“
„Aktuelle Krankenhaushygiene“
Universitätsklinikum Essen
Krankenhaushygiene
25. Februar 2015
Nils Fischer, M. A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Lehrstuhl Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin
Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar
Pallottistraße 3
56179 Vallendar
Essen, 25. Februar 2015 Quelle: A Turkish bath, engraving by M. J. Starling after T. Allom, Wellcome Images, http://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0020027.html (21. Februar 2015)