Pocketbike, Kraftfahrzeug
Gericht / Entscheidungsdatum:OLG Dresden, Beschl. v. 11.09.2013 -2 OLG 21 Ss 652/13
Leitsatz:Ein sogenanntes Pocketbike stellt - in Abgrenzung zum motorbetriebenen Spielzeug - wegen seiner bauartbedingten Bestimmung zur Personenbefrderung ein Kraftfahrzeug im Sinne des 2 Nr. 1 der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) dar. Damit unterliegt der Fahrer eines solchen Gefhrts, sofern es auf ffentlichem Verkehrsgrund betrieben werden soll, der Fahrerlaubnispflicht nach 2 StVGund 4 Fahrerlaubnisverordnung (FeV), mindestens Klasse M ( 6 Abs. 1 FeV). Der Fahrzeughalter ist fr diesen Fall - in Ermangelung eines Ausnahmetatbestands nach 2Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) - zum Abschluss eines entsprechenden Haftpflichtversicherungsvertrages verpflichtet, 1 PflVG.
In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis u.a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft, welche dem Beschwerdefhrer Gelegenheit
zur Gegenerklrung gegeben hat, gem 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO
am 11.09.2013 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Zwickau vom 25. April 2013 im Rechtsfolgenausspruch
mit den zugehrigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegrndet verworfen, weil die
Nachprfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung, auch ber die Kosten der Revision, an eine andere
Berufungskammer des Landgerichts Zwickau zurckverwiesen.
Grnde
I.
Das Landgericht Zwickau hat den Angeklagten mit Berufungsurteil vom
25. April 2013 des vorstzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fnf
Fllen, jeweils in Tateinheit mit vorstzlichem Versto gegen das
Pflichtversicherungsgesetz, schuldig gesprochen und ihn deswegen zu
der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Als
Einzelstrafen hielt das Gericht jeweils eine Freiheitsstrafe von
sechs Monaten fr tat- und schuldangemessen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit einer allgemeinen Sachrge
begrndete Revision des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft
hat beantragt,
das Rechtsmittel als unbegrndet im Sinne des 349 Abs. 2 StPOzu
verwerfen.
II.
Die Revision fhrt zur Aufhebung des Urteils in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang. Im brigen erweist sie sich
als unbegrndet, 349 Abs. 2 StPO.
Den Feststellungen des Landgerichts zufolge fuhr der Angeklagte an
fnf (genau bezeichneten) Tagen im Mai 2012 jeweils (zu drei bzw.
zwei genau bezeichneten Zeitpunkten) "mit einem Pocketbike mit
einem Hubraum von ca. 40 ccm ohne amtliches Kennzeichen auf der dem
ffentlichen Straenverkehr dienenden W-Strae in R., obwohl er die
zum Fhren dieses Kraftfahrzeuges erforderliche Fahrerlaubnis nicht
hatte. Auerdem verfgte der Angeklagte fr dieses Kraftfahrzeug nicht
ber den erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrag. Das wusste
der Angeklagte."
1. Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung tragen den
Schuldspruch wegen vorstzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in
Tateinheit mit vorstzlichem Versto gegen das
Pflichtversicherungsgesetz.
Rechtlich zutreffend stuft das Berufungsgericht das hier magebliche
Pocketbike - in Abgrenzung zum motorbetriebenen Spielzeug - wegen
seiner bauartbedingten Bestimmung zum Personenbefrderung als
"Kraftfahrzeug" im Sinne des 2 Nr. 1 der
Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) ein. Damit unterliegt der Fahrer
eines solchen Gefhrts, sofern es auf ffentlichem Verkehrsgrund
betrieben werden soll, der Fahrerlaubnispflicht nach 2 StVGund 4
Fahrerlaubnisverordnung (FeV) - mindestens Klasse M ( 6 Abs. 1 FeV)
-, ohne dass es hierfr (angesichts der fehlenden Eigenschaft des
Fahrzeugs als insbesondere einspuriges, einsitziges Fahrrad mit
Hilfsmotor, vgl. 4 Abs. 1 Nr. 1 FeV) auf weitere Feststellungen zur
Begrenztheit der bauartbestimmten Hchstgeschwindigkeit ankme. Der
Fahrzeughalter ist fr diesen Fall - in Ermangelung eines
Ausnahmetatbestands nach 2Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) - zum
Abschluss eines entsprechenden Haftpflichtversicherungsvertrages
verpflichtet, 1 PflVG.
2. Die Feststellungen sind auch ausreichend, soweit sie den
Schuldspruch betreffen. Sie enthalten vorliegend durch die
Mitteilung der befahrenen Strae konkrete Angaben zum Tatort. Zudem
ist festgestellt, an welchen Tagen und Uhrzeiten die Taten jeweils
begangen wurden und mit welchem individualisierten Fahrzeug der
Angeklagte in Kenntnis des Umstandes, dass er nicht ber die
erforderliche Fahrerlaubnis verfgt und berdies einen
Haftpflichtversicherungsvertrag bentigt, gefahren ist. Damit sind
zum einen die zur Bestimmung des Umfangs des Strafklageverbrauchs
und der Reichweite der Rechtskraft des Urteils erforderlichen
Feststellungen zur unverwechselbaren Identifizierung der Tat
getroffen. Zum anderen enthalten die Feststellungen alle
Voraussetzungen fr eine Strafbarkeit nach 21 StVGund 6 PflVG. Damit
ist der Unrechts- und Schuldgehalt dieser Taten ausreichend
dargestellt.
a) Zwar lsst das Urteil im brigen smtliche Feststellungen
vermissen, die zur Beurteilung des Unrechtsgehalts der jeweiligen
Einzeltaten erforderlich sind, insbesondere solche zum Anlass und
zur Dauer der Fahrten, zur Fahrstrecke, zur Verkehrsbedeutung des
befahrenen ffentlichen Verkehrsraumes oder zu etwaigen Gefhrdungen
anderer Verkehrsteilnehmer. Auch waren solche Feststellungen
mglich, nachdem sich der Angeklagte zur Sache eingelassen hatte und
dem Gericht im brigen Zeugen zur Verfgung standen.
Das Fehlen dieser (unrechtsbeschreibenden) Feststellungen gefhrdet
den Schuldspruch als solchen aber nicht. Der Senat hlt - entgegen
anderen Oberlandesgerichten, insbesondere dem Oberlandesgericht
Mnchen (OLG Mnchen ZfSch 2012, 472 f.; ebenso OLG Bamberg, Urteil
vom 25. Juni 2013 -3 Ss 36/13- [...]; OLG BambergStRR 2013, 83) -
an seiner Ansicht fest, dass hierfr die vorwerfbare (schuldhafte)
und ungerechtfertigte Erfllung aller objektiven und subjektiven
Tatbestandsmerkmale einer Strafnorm ausreicht (Senat, Urteil vom
13. Oktober 2003 -2 Ss 228/03-, [...]; wie hier: OLG KoblenzNZV
2013, 411-412).
b) Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gem 121 Abs. 2
Nr. 1 GVGist nicht erforderlich.121 Abs. 2 GVGbetrifft nur
Abweichungen in Rechtsfragen (BGHNJW 1977, 1459, 1460 [BGH
28.06.1977 -5 StR 30/77];BGHSt 27, 212, 214). Dies ist gerade nicht
der Fall, wenn ein Satz, der allgemeine Geltung beanspruchen knnte,
in den Urteilsgrnden nicht enthalten ist und es letztlich auf die
Umstnde des Einzelfalles ankommt (vgl. BGH a.a.O.). So liegt der
Fall aber hier.
Das Oberlandesgericht Mnchen hat zwar in stndiger Rechtsprechung
zur Berufungsbeschrnkung nach 318 StPO(vgl. u.a. Beschluss - 5 StRR
119/07 - vom 03.07.2008 bei [...] Rdnr. 17,BeckRS 2008, 14716;
Urteil -4 StRR 97/12- vom 08.06.2012 bei [...] Rdnr. 12,BeckRS
2012, 13803, m.w.N.) ausgefhrt, dass die Schuldfeststellungen
grundstzlich keine tragfhige Strafzumessungsgrundlage bildeten,
wenn sie sich nicht zu den Gegebenheiten der Fahrt selbst
verhalten, weil die Schuld des Tters einer Straftat nach 21
StVGdadurch wesentlich bestimmt sein knne. Gleichzeitig wird in der
Entscheidung jedoch zugestanden, dass die Feststellungen sich auf
einige nach Lage des Einzelfalls besonders bedeutsame Umstnde
beschrnken knnen, und bei einem Schweigen des Angeklagten und
Fehlen eines Zeugenbeweises von solchen Feststellungen sogar
vollstndig abgesehen werden kann. Somit hngt auch nach Ansicht des
Oberlandesgerichts Mnchen die Frage letztlich stets von einer
einzelfallbezogenen Prfung ab (ebenso OLG Koblenz a.a.O.).
3. Wegen des weitestgehenden Fehlens der unrechtsbeschreibenden
Feststellungen ermglichen die Urteilsgrnde dem Revisionsgericht
aber nicht die Prfung, ob auch die Rechtsfolgen rechtsfehlerfrei
bemessen sind. Immerhin hat das Landgericht - obgleich die
mageblichen Strafrahmen auch die Verurteilung nur zu Geldstrafe
ermglichen und auch die Hchststrafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe
pro Tat begrenzt ist - fr jede einzelne Fahrt eine Freiheitsstrafe
von sechs Monaten fr (tat- und) schuldangemessen erachtet. Es hat
diese Strafen dabei - unter Bercksichtigung des Gestndnisses des
Angeklagten und des Umstands, dass er seither nicht mehr mit dem
Pocketbike auf ffentlichen Straen gefahren ist - nur mit den
Vorstrafen des Angeklagten - zuletzt durch Urteil des Amtsgerichts
Plauen vom 08. Mrz 2011 - begrndet. Eine darber hinausgehend
einzel-tatbezogene Zumessung der jeweils dem (Schuld- und)
Unrechtsgehalt angemessenen Rechtsfolge lsst sich dem Urteil
dagegen nicht entnehmen.
Diese Feststellungs- und Abwgungslcke fhrt deshalb unter
Aufrechterhaltung des Schuldspruchs zur Aufhebung des Urteils im
gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den diesbezglich
zugrundeliegenden Feststellungen - und insoweit zur Zurckverweisung
der Sache an das Landgericht. Es wird naheliegen, dass der Schuld-
und Unrechtsgehalt der hier vorliegenden Einzeltaten gegenber dem
der blicherweise zu beobachtenden Vergehen eines vorstzlichen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis wesentlicher geringer erscheint.