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BIOspektrum | 06.13 | 19. Jahrgang

Kampf den Infektionen

InfectControl 2020 entwickelt neueAntiinfektionsstrategienAXEL BRAKHAGE

LEIBNIZ-INSTITUT FÜR NATURSTOFF-FORSCHUNG UND INFEKTIONSBIOLOGIE – HANS-KNÖLL-INSTITUT, JENA

DOI: 10.1007/s12268-013-0373-2© Springer-Verlag 2013

ó Mit der Entdeckung von Antibiotika unddem Beginn der Impfkampagne, die zur welt-weiten Ausrottung der Pocken führen sollte,galten Infektionskrankheiten als beherrsch-bar. Im Jahre 1978 erklär-te Dr. Robert Petersdorf,ein weltweit angesehenerWissenschaftler auf demGebiet der Infektions-krankheiten “Even withmy great personal loyaltyto infectious disease, I can-not conceive of the needfor 309 more [graduatingtrainees in] infectious dis -ease...unless they spendtheir time culturing eachother”. Knapp 40 Jahrespäter ist diese Überzeu-gung als dramatische Fehleinschätzung zuwerten. Infektionskrankheiten sind ein alleBereiche der Gesellschaft betreffendes Pro-blem. Weltweit sterben immer noch die meis-ten Menschen an Infektionskrankheiten.

Die besorgniserregende Zunahme des Auf-tretens und der Verbreitung multiresistenterKrankheitserreger ist eines der wichtigstenaktuellen gesundheitspolitischen Probleme.Verantwortlich hierfür ist vor allem derunsachgemäße Gebrauch von Antibiotika inder Veterinär- und Humanmedizin. Die in denvergangenen Jahren extrem gestiegene Mobi-lität der Menschen sowie der Klimawandeltragen dazu bei, dass bislang regional auf-tretende Erreger global verbreitet werden.

Auch die Veränderung der Patientenkol-lektive trägt zum Auftreten neuer Bedrohun-gen durch Infektionen bei, etwa die stetigeZunahme immungeschwächter Patienten.Opportunistische, häufig schwer zu behan-delnde Erreger wie humanpathogene Pilzeerlangen zunehmend klinische Bedeutung.Obwohl neue (Omics-)Technologien in derInfektionsforschung einen nie gekannten Wis-

senszuwachs ermöglichen, ist die Zahl derneu entwickelten Antibiotika in den letzten20 Jahren auf ein Rekordtief gesunken. VielePharmaunternehmen haben sich aus demGeschäftsbereich Antiinfektiva zurückgezo-gen. Unter den gegenwärtigen Rahmenbe-

dingungen ist keine Trend-wende zu erwarten. Da dasProblem multidimensionalist, ist es heute von größtemgesellschaftlichen Interes-se, die Industrie gemeinsammit der akademischen For-schung und allen weiterenBeteiligten wie Patienten-vertretungen oder Kran-kenkassen in die Entwick-lung neuer Antiinfektions-strategien einzubinden. Esmüssen dringend neuartigeleistungsfähige, dynami-

sche Strukturen geschaffen werden, wenn wirnicht in die Prä-Antibiotika-Ära zurückfallenwollen.

Transsektoraler Forschungsansatz„InfectControl 2020 – Neue Antiinfektions-strategien – Wissenschaft · Gesellschaft · Wirt-schaft“ ist eines von zehn Initialkonzepten,die das BMBF-Programm „Zwanzig20 – Part-nerschaft für Innovation“ fördert. Mehr als30 namhafte akademische und Industrie-partner haben sich zusammengeschlossen,um das Thema Infektionskrankheiten in allenseinen Facetten anzugehen. Sie widmen sichvier Problembereichen: (1) Landwirtschaftund Veterinärmedizin, (2) Mobilität, Klimaund Infrastruktur, (3) medizinische Forschungund Versorgung sowie (4) Öffentlichkeit undPatienten. In den nächsten fünf Jahren stelltdie öffentliche Hand bis zu 45 Millionen Eurobereit, die durch weitere Drittmittel undIndustriegelder in der gleichen Größenord-nung ergänzt werden sollen.

Langfristig möchte das Projektkonsortiumeinen leistungsfähigen Forschungsverbund

etablieren, der die gesamte Wertschöpfungs-kette von exzellenter Grundlagenforschungbis hin zur Entwicklung neuer Produkte undDienstleistungen beinhaltet. Der Verbundsieht ein besonderes Innovations- und Wachs-tumspotenzial im Osten Deutschlands mit vie-len hervorragenden Forschungsinstituten, Kli-niken und innovativen Firmen.

In einer vorangestellten einjährigen Stra-tegiephase beginnt bereits die Arbeit anersten Projektideen. Sie beinhalten die Ent-wicklung neuer Diagnostika wie Arzt-un -abhängige Heimtests für Infektionskrank-heiten ebenso wie immunmodulatorischeund antibiotische Therapeutika. Im Bereichder Prävention ist an neue Baukonzepte fürKrankenhäuser und andere Großprojektewie Flughäfen zu denken, aber auch an großangelegte Kampagnen zur Sensibilisie-rung der Öffentlichkeit für die Themen Impfung, Ansteckungsgefahr und Hygieneoder an ein besseres Verständnis der Aus-wirkungen des Klimawandels auf Infek-tionserreger.

InfectControl 2020 will in einer öffentlich-privaten Partnerschaft dazu beitragen, dassInfektionskrankheiten effektiv diagnostiziertund behandelt werden können und dass inden neuen Bundesländern innovative Unter-nehmen mit hoch qualifizierten Arbeitsplät-zen in einem Wachstumssektor nachhaltigetabliert werden. ó

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Axel A. BrakhageLeibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektions -biologie – Hans-Knöll-InstitutInstitut für MikrobiologieFriedrich-Schiller-UniversitätJenaAdolf-Reichwein-Straße 23D-07745 JenaTel.: 03641-5321001Fax: 03641-5320800axel.brakhage@hki-jena.dewww.infectcontrol.dewww.hki-jena.de

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