Kapitel 5
Drehimpulse in der Quantenmechanik
Zur Beschreibung vieler quantenmechanischer Systeme ist es notig, Drehimpulse zu berucksich-
tigen: Elektronen in Atomen und in Molekulen besitzen einen Bahndrehimpuls, der ein charakte-
ristisches Merkmal der Orbitale ist; isolierte Molekule drehen sich im Raum und besitzen einen
Rotationsdrehimpuls ; schliesslich besitzen Protonen, Elektronen und Kerne einen intrinsischen
Drehimpuls, den Spin. Wahrend sowohl Bahndrehimpuls- und Rotationsdrehimpulsoperatoren
mittels Korrespondenzprinzip aus der klassischen Darstellung von Drehimpulsen hergeleitet
werden konnen, haben Spins keine klassische Analoga. Die Spindrehimpulsoperatoren mussen
daher etwas abstrakter ermittelt werden.
Ein Drehimpuls ist ein Vektor mit drei Komponenten. Ublicherweise werden unterschiedliche
Symbole fur die unterschiedlichen Drehimpulse verwendet: ~J = (Jx, Jy, Jz) wird im Allge-
meinen fur den Gesamtdrehimpulsvektor, ~l = (lx, ly, lz) fur den Bahndrehimpulsvektor eines
einzelnen Teilchens, ~L = (Lx, Ly, Lz) fur den Gesamtbahndrehimpulsvektor mehrerer Teilchen,
~s = (sx, sy, sz) fur den Spin eines Elektrons, ~S = (Sx, Sy, Sz) fur den Gesamtelektronenspin und~I = (Ix, Iy, Iz) fur den Kernspin (siehe Tabelle 5.1).
In der quantenmechanischen Darstellung von Drehimpulsen spielen Vertauschungsrelationen
Tabelle 5.1: Zusammenstellung verschiedener Typen von Drehimpulsen in Atomen oder Molekulen.
Symbol Drehimpuls
~l Bahndrehimpuls eines Elektrons
~s Spin eines Elektrons~j Gesamtdrehimpuls eines Elektrons~L Gesamtbahndrehimpuls eines Atoms oder Molekuls~S Gesamtelektronenspin eines Atoms oder Molekuls~J Gesamtdrehimpuls ohne Kernspins~Ii Kernspin des i-ten Kerns eines Molekuls~F Gesamtdrehimpuls
5-1
5-2 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
eine wichtige Rolle. Diese legen fest, welche Grossen Konstanten der Bewegung sind und welche
Observablen gleichzeitig genau experimentell gemessen werden konnen (siehe Kapitel 3). Es
stellt sich heraus, dass die drei Komponenten eines Drehimpulsvektors nicht gleichzeitig genau
bestimmt werden konnen. Die entsprechenden Unbestimmtheitsrelationen fuhren dazu, dass die
Addition von Drehimpulsvektoren, die in der klassischen Physik eine einfache Vektoraddition
ist, in der Quantenmechanik etwas schwieriger zu behandeln ist.
Dieses Kapitel fangt mit der quantenmechanischen Behandlung vom Bahndrehimpuls eines
einzelnen Teilchens an (Abschnitt 5.1) ausgehend vom klassischen Ausdruck und mittels Kor-
respondenzprinzip. Die fur den Drehimpuls charakteristischen Vertauschungsrelationen werden
dann in Abschnitt 5.2 verwendet, um allgemeine Drehimpulse zu definieren, die nicht nur”klas-
sische“ Drehimpulse, sondern auch Spins einschliessen. Abschnitt 5.3 ist der Matrixdarstellung
von Drehimpulsoperatoren gewidmet, die eine besonders einfachen Behandlung des Spins (sie-
he Abschnitt 5.5) und der Rotation von Molekulen (Abschnitt 5.4) ermoglicht. Schliesslich
behandelt Abschnitt 5.7 die Addition und die Kopplung von Drehimpulsen.
5.1 Der Bahndrehimpuls
Mit dem Korrespondenzprinzip erhalt man die quantenmechanischen Bahndrehimpulsoperato-
ren aus der klassischen Darstellung eines Drehimpulses (siehe auch Abschnitt 2.3).
~l
~r ~p
�
Klassisch ist der Bahndrehimpuls eines Teilchens mit Ortsvektor ~r = (x, y, z) und Impulsvektor
~p = (px, py, pz) definiert als
~l = (lx, ly, lz) = ~r × ~p= (y pz − z py, z px − x pz, x py − y px) , (5.1)
und der Betrag |~l | des Drehimpulsvektors ~l betragt
|~l | = |~r||~p| sinα = |~r||~v|m sinα , (5.2)
wobei α dem Winkel zwischen dem Ortsvektor und dem Impulsvektor respektive dem Geschwin-
digkeitsvektor entspricht.
Gemass dem Korrespondenzprinzip ist also
~l =
(i ~(z∂
∂y− y ∂
∂z
), i ~
(x∂
∂z− z ∂
∂x
), i ~
(y∂
∂x− x ∂
∂y
))(5.3)
=(lx, ly, lz
).
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5.1 Der Bahndrehimpuls 5-3
Zudem gilt fur den Operator des Quadrates des Bahndrehimpulses
l2 = l2x + l2y + l2z . (5.4)
Mit Gleichung (5.3) lassen sich die Vertauschungsrelationen zwischen den Komponenten li von
~l herleiten.
5.1.1 Vertauschungsrelationen
[lx, ly
]= (ypz − zpy) (zpx − xpz)− (zpx − xpz) (ypz − zpy)
= [ypz, zpx]− [ypz, xpz]− [zpy, zpx] + [zpy, xpz]
= y [pz, z]︸ ︷︷ ︸−i ~
px − 0− 0 + x [z, pz]︸ ︷︷ ︸i ~
py
= i ~ [xpy − ypx] = i ~ lz , (5.5)
und mit zyklischer Vertauschung[lx, ly
]= i ~ lz ,
[ly, lz
]= i ~ lx ,
[lz, lx
]= i ~ ly . (5.6)
Aus den Gleichungen (5.1) und (5.4) konnen auch die Vertauschungsrelationen zwischen l2 und
den Komponenten li des Bahndrehimpulsvektors hergeleitet werden:[l2, lz
]=
[l2x + l2y + l2z , lz
]=
[l2x, lz
]+[l2y, lz
]+[l2z , lz
]︸ ︷︷ ︸
0
=[lx, lz
]lx + lx
[lx, lz
]+[ly, lz
]ly + ly
[ly, lz
]= 0 .
Analog findet man [l2, lx
]= 0 und
[l2, ly
]= 0 .
Aus diesen Vertauschungsrelationen kann man die folgenden Schlusse ziehen:
• Es ist unmoglich, mehr als eine Komponente des Bahndrehimpulsvektors eines Teilchens
gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit zu bestimmen (siehe Kapitel 3): Es besteht die
Unbestimmtheitsrelation
∆lx∆ly > 12|〈[lx, ly]〉| = 1
2~|〈lz〉| . (5.7)
• Der Betrag des Drehimpulsvektors |~l| und eine Komponente (z.B. lz) konnen gleichzeitig
genau bestimmt werden.
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5-4 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
• Die Operatoren l2 und lz besitzen eine gemeinsame Basis von Eigenvektoren (oder Eigen-
funktionen) (siehe Kapitel 3, Theoreme 3 und 4).
Durch Losen der folgenden Eigenwertgleichungen
lz Y (x, y, z) = ~ d Y (x, y, z) (5.8)
l2 Y (x, y, z) = ~2c Y (x, y, z) (5.9)
konnen die gemeinsamen Eigenfunktionen Y (x, y, z) und die zu lz und l2 gehorenden Eigenwerte
~ d, bzw. ~2c bestimmt werden. Die Eigenwertgleichungen (5.8) und (5.9) charakterisieren den
Bahndrehimpuls eines Teilchens. Diese Gleichungen sind einfacher in Polarkoordinaten zu losen
als in kartesischen Koordinaten. Deshalb formen wir zuerst die Operatoren lx, ly, lz und l2
(Gleichungen (5.3) und (5.4)) in Polarkoordinaten um.
5.1.2 Drehimpulsoperatoren in Polarkoordinaten
Abbildung 5-1: Definition der Polarkoordi-
naten (r, θ, φ) und deren Beziehungen zu den
kartesischen Koordinaten (x, y, z).
z
y
x
~r
�
�
Die Beziehungen zwischen den Polarkoordinaten (r, θ, φ) und den kartesischen Koordinaten
(x, y, z) sind in den Gleichungen (5.10a) bis (5.10f) zusammengefasst und konnen aus Abbil-
dung 5-1 hergeleitet werden
x = r sin θ cosφ (5.10a)
y = r sin θ sinφ (5.10b)
z = r cos θ (5.10c)
cos θ =z
r(5.10d)
tanφ =y
x(5.10e)
r =√x2 + y2 + z2 . (5.10f)
Um die Bahndrehimpulsoperatoren l2 und lz in Polarkoordinaten auszudrucken, mussen die
Operatoren ∂∂x
, ∂∂y
und ∂∂z
in Polarkoordinaten transformiert werden. Die Transformation wird
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5.1 Der Bahndrehimpuls 5-5
mittels der Kettenregel der Differentialrechnung durchgefuhrt:
∂
∂x=
(∂r
∂x
)y,z
(∂
∂r
)θ,φ
+
(∂θ
∂x
)y,z
(∂
∂θ
)r,φ
+
(∂φ
∂x
)y,z
(∂
∂φ
)r,θ
(5.11)
∂
∂y=
(∂r
∂y
)x,z
(∂
∂r
)θ,φ
+
(∂θ
∂y
)x,z
(∂
∂θ
)r,φ
+
(∂φ
∂y
)x,z
(∂
∂φ
)r,θ
(5.12)
∂
∂z=
(∂r
∂z
)x,y
(∂
∂r
)θ,φ
+
(∂θ
∂z
)x,y
(∂
∂θ
)r,φ
+
(∂φ
∂z
)x,y
(∂
∂φ
)r,θ
. (5.13)
Die partiellen Ableitungen konnen unter Verwendung der Gleichungen (5.10a) bis (5.10f) wie
folgt bestimmt werden:(∂r(x, y, z)
∂x
)y,z
(5.10f)=
1
2
2x√x2 + y2 + z2
=x
r
(5.10a)=
r sin θ cosφ
r= sin θ cosφ (5.14)(
∂θ(x, y, z)
∂x
)y,z
(5.10d)=
(∂ arccos(z/r)
∂x
)y,z
=(z/r)
r√
1− (z/r)2
(∂r
∂x
)y,z
=cos θ cosφ
r(5.15)(
∂φ(x, y, z)
∂x
)y,z
(5.10e)=
(∂ arctan(y/x)
∂x
)y,z
=1
1 + (y/x)2
(−yx2
)= − sinφ
r sin θ. (5.16)
Analog erhalt man (∂r
∂y
)x,z
= sin θ sinφ (5.17a)(∂r
∂z
)x,y
= cos θ (5.17b)(∂θ
∂y
)x,z
=cos θ sinφ
r(5.17c)(
∂θ
∂z
)x,y
= −sin θ
r(5.17d)(
∂φ
∂y
)x,z
=cosφ
r sin θ(5.17e)(
∂φ
∂z
)x,y
= 0 . (5.17f)
Somit ergeben sich fur ∂∂x
, ∂∂y
, ∂∂z
und fur den Laplace-Operator ∆ = ∂2
∂x2 + ∂2
∂y2 + ∂2
∂z2
∂
∂x= sin θ cosφ
∂
∂r+
cos θ cosφ
r
∂
∂θ− sinφ
r sin θ
∂
∂φ(5.18)
∂
∂y= sin θ sinφ
∂
∂r+
cos θ sinφ
r
∂
∂θ+
cosφ
r sin θ
∂
∂φ(5.19)
∂
∂z= cos θ
∂
∂r− sin θ
r
∂
∂θ(5.20)
∆ =∂2
∂r2+
2
r
∂
∂r+
1
r2
(∂2
∂θ2+ cot θ
∂
∂θ+
1
sin2 θ
∂2
∂φ2
). (5.21)
Das Einsetzen dieser partiellen Ableitungen in die Gleichungen (5.3) und (5.4) fuhrt zu den
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5-6 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Komponenten von l und zu l2:
lx = i ~(
sinφ∂
∂θ+ cot θ cosφ
∂
∂φ
)(5.22)
ly = i ~(− cosφ
∂
∂θ+ cot θ sinφ
∂
∂φ
)(5.23)
lz = −i ~∂
∂φ(5.24)
l2 = −~2(∂2
∂θ2+ cot θ
∂
∂θ+
1
sin2 θ
∂2
∂φ2
)= −~2
(1
sin θ
∂
∂θ
(sin θ
∂
∂θ
)+
1
sin2 θ
∂2
∂φ2
). (5.25)
Man beachte, dass l2 dem Winkelteil des Laplace-Operators entspricht. Die Eigenwertgleichun-
gen (5.8) und (5.9) haben jetzt die Form
lz Y (r, θ, φ) = −i ~∂
∂φY (r, θ, φ) = ~ d Y (r, θ, φ) (5.26)
l2 Y (r, θ, φ) = −~2(∂2
∂θ2+ cot θ
∂
∂θ+
1
sin2 θ
∂2
∂φ2
)Y (r, θ, φ) = ~2 c Y (r, θ, φ) . (5.27)
Da die Operatoren l2 und lz nicht von r abhangen, hangen auch ihre Eigenfunktionen Y nicht
von r ab (reines Drehproblem).
5.1.3 Losen der Eigenwertgleichungen
Man betrachtet die beiden Variablen θ und φ als unabhangig voneinander, so dass der folgende
Ansatz entsteht (Separabilitat und Trennung der Variablen, siehe Abschnitte 3.7 und 4.2):
Y (θ, φ) = S(θ)T (φ) . (5.28)
Einsetzen von (5.28) in (5.26) ergibt
lz Y (r, θ, φ) = lz (S(θ)T (φ)) = S(θ)
(−i ~
∂
∂φT (φ)
)≡ ~ d S(θ)T (φ) (5.29)
und nach Division durch ~S(θ)
−i∂
∂φT (φ) = d T (φ) . (5.30)
Daraus folgt
T (φ) = A ei d φ , (5.31)
wobei die Funktion T (φ) die Randbedingung T (φ) = T (φ+ 2 π) erfullen muss:
A ei d φ!
= A ei d φ ei d 2π︸ ︷︷ ︸=1
. (5.32)
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5.1 Der Bahndrehimpuls 5-7
Folglich muss d ganzzahlig sein: d = 0,±1,±2, . . . Anstelle von d schreiben wir m (oder ml)
und erhalten die normierten Eigenfunktionen (siehe Ubung 2)
Tm(φ) =1√2 π
eimφ . (5.33)
Die Eigenwertgleichung fur lz ist also
lz S(θ)Tm(φ) = ~mS(θ)Tm(φ) mit m = 0,±1,±2, . . . (5.34)
Die ganzzahlige Zahl m wird als magnetische Quantenzahl bezeichnet, und ~m sind die Eigen-
werte fur die Projektion von ~l auf die z-Achse.
Gleichung (5.27) kann ebenfalls durch explizites Rechnen gelost werden, allerdings in einem
aufwendigeren Prozess, auf den wir hier verzichten. Die Losung des Eigenwertproblems lautet:
l2 Yl,m(θ, φ) = ~2 l (l + 1)Yl,m(θ, φ) , (5.35)
mit l = 0, 1, 2, ...,∞ und m = 0,±1,±2, ...,±l. Die Eigenfunktionen Ylm(θ, φ) sind die soge-
nannten Kugelflachenfunktionen und haben die Form
Yl,m(θ, φ) = Nl,m P|m|l (cos θ)︸ ︷︷ ︸
S(θ)
exp {imφ}︸ ︷︷ ︸T (φ)
, (5.36)
wobei
Nl,m =
√(2l + 1)(l − |m|)!
4π(l + |m|)!(5.37)
ein Normierungsfaktor darstellt. Wie ublich werden diese Eigenfunktionen mit ihren Quan-
tenzahlen (l und m) indiziert. l ist die Bahndrehimpulsquantenzahl und m die oben bereits
eingefuhrte magnetische Quantenzahl. Die Funktionen P|m|l (ξ) sind sogenannte zugeordnete
Legendre-Polynome, benannt nach dem franzosischen Mathematiker Adrien-Marie Legendre
(1752–1833), und sind durchi
Pml (ξ) = (−1)m
(1− ξ2
)m2
dm
dξmPl(ξ) (0 6 m 6 l) (5.38)
definiert, wobei Pl(ξ) ein Legendre-Polynom darstellt:
Pl(ξ) =1
2l l!
dl
dξl(ξ2 − 1
)l(l = 0, 1, 2, . . . ; |ξ| 6 1) (5.39)
mit den expliziten Formeln
P0(x) = 1 P0(cos θ) = 1 (5.40a)
P1(x) = x P1(cos θ) = cos θ (5.40b)
P2(x) =1
2(3x2 − 1) P2(cos θ) =
1
4(1 + 3 cos(2θ)) (5.40c)
P3(x) =1
2(5x3 − 3x) P3(cos θ) =
1
8(3 cos θ + 5 cos(3θ)) . (5.40d)
i In der Literatur sind die Phasenfaktoren fur die Kugelflachenfunktionen nicht einheitlich. So werden die
zugeordneten Legendre-Polynome [Gleichung (5.38)] auch ohne den Faktor (−1)m, der stattdessen (fur m >
0) zur Normierungskonstante [Gleichung (5.37)] hinzugefugt wird, geschrieben. Eine ebenfalls oft verwendete
Definition finden Sie als Gleichung (4.29) im Skript”Allgemeine Chemie (Teil Physikalische Chemie)“.
Vorlesungsskript PCIII
5-8 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Die ersten zugeordneten Legendre-Polynome und Kugelflachenfunktionen lauten:
P 00 (cos θ) = 1 Y0,0(θ, φ) =
1√4π
(5.41a)
P 01 (cos θ) = cos θ Y1,0(θ, φ) =
1
2
√3
πcos θ (5.41b)
P 11 (cos θ) = − sin θ Y1,±1(θ, φ) = −1
2
√3
2πsin θ e±iφ . (5.41c)
Weitere Funktionen sind in Anhang D aufgelistet.
5.1.4 Graphische Darstellung der Kugelflachenfunktionen
Die Kugelflachenfunktionen konnen graphisch dargestellt werden, indem fur jedes Paar von
Polarwinkeln (θ, φ) in der entsprechenden Raumrichtung ein Punkt in einem Abstand zum
Ursprung des Koordinatensystems, der gerade den Wert |Yl,m(θ, φ)| entspricht, gezeichnet wird.
Das Vorzeichen von |Yl,m(θ, φ)| kann durch die unterschiedliche Farbe (oder Schattierung) der
so erhaltenen Oberflachen angegeben werden.
Diese Prozedur ergibt fur Y0,0(θ, φ) = 1√4π
eine Kugel, wie sie in Abbildung 5-2 graphisch
dargestellt ist.
Fur Y1,0(θ, φ) = 12
√3π
cos θ erhalt man eine “hantelformige” Flache, die zylindersymmetrisch zur
z-Achse ist. Y1,0 entspricht der Winkelfunktion eines pz-Orbitals und ist in Abb. 5-3 dargestellt.
Abbildung 5-2: s-Orbital. Abbildung 5-3: pz-Orbital.
Die Funktionen Y1,1 und Y1,−1 konnen nicht auf dieselbe Weise dargestellt werden, da sie kom-
plexwertig sind. Sie konnen aber so uberlagert werden, dass die Superposition nur noch einen
Realteil besitzen:
−Y1,−1(θ, φ)− Y1,1(θ, φ)√2
=1
2
√3
πsin θ cosφ → px (5.42)
Y1,−1(θ, φ)− Y1,1(θ, φ)√2 i
=1
2
√3
πsin θ sinφ → py (5.43)
Vorlesungsskript PCIII
5.2 Allgemeine Drehimpulse 5-9
Diese Flachen entsprechen den Winkelfunktionen der px- und py-Orbitale und sind in Abbil-
dungen 5-4 und 5-5 abgebildet. Weitere Orbitale werden im Anhang D dargestellt.
Abbildung 5-4: px-Orbital. Abbildung 5-5: py-Orbital.
5.2 Allgemeine Drehimpulse: Losung der Eigenwertglei-
chung mittels Leiteroperatoren
Es sei ~J = (Jx, Jy, Jz) ein allgemeiner Drehimpuls, definiert durch die Vertauschungsrelationen
(siehe Abschnitt 5.1.1)[Jx, Jy
]= i ~ Jz und zyklischer Vertauschung, (5.44)[
J2, Jx
]=[J2, Jy
]=[J2, Jz
]= 0 . (5.45)
Statt Differentialgleichungen der Form (5.26) und (5.27) zu losen, wird hier ein eleganterer
Losungsweg vorgestellt, der auf Operatoralgebra beruht.
Wir definieren die sogenannten Drehimpuls-Leiteroperatoren (engl. ladder operators) J± als
J+ = Jx + i Jy (5.46)
J− = Jx − i Jy , (5.47)
beziehungsweise
Jx =J+ + J−
2(5.48)
Jy =J+ − J−
2i. (5.49)
Dann ist
J+J− =(Jx + i Jy
)(Jx − i Jy
)= Jx
(Jx − i Jy
)+ i Jy
(Jx − i Jy
)= J2
x + J2y −i JxJy + i JyJx︸ ︷︷ ︸
−i[Jx,Jy]=~ Jz
= J2 − J2z + ~ Jz . (5.50)
Vorlesungsskript PCIII
5-10 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Analog erhalt man
J−J+ = J2 − J2z − ~ Jz , (5.51)[
J+, Jz
]=[Jx + i Jy, Jz
]=[Jx, Jz
]︸ ︷︷ ︸−i ~ Jy
+i[Jy, Jz
]︸ ︷︷ ︸
i ~ Jx
= −~(Jx + i Jy
)= −~ J+ (5.52)
und [J−, Jz
]= ~ J− . (5.53)
Die Gleichungen (5.52) und (5.53) konnen auch als
J+Jz = JzJ+ − ~J+ (5.54)
und
J−Jz = JzJ− − ~J− (5.55)
geschrieben werden. Die Losung der Eigenwertgleichungen (5.26) und (5.27) erfolgt in drei
Schritten:
Im ersten Schritt wird bewiesen, dass J±Ψ ≡ J±[Ψ(θ, φ)] eine Eigenfunktion von Jz mit dem
Eigenwert ~(d± 1) ist, d. h.
J+ Jz Ψ︸︷︷︸~ dΨ
=(Jz − ~
)J+ Ψ
= ~ d J+ Ψ . (5.56)
Die erste Zeile folgt aus (5.54) und die zweite aus (5.26). Es folgt also
Jz
(J+Ψ
)= ~(d+ 1)
(J+Ψ
), (5.57)
was das zu beweisende Resultat darstellt. Wir lassen nun J+ von links auf beide Seiten von
(5.57) wirken und erhalten
J+Jz
(J+Ψ
)= ~(d+ 1)J+
(J+Ψ
)=(Jz − ~
)J+
(J+Ψ
), (5.58)
wobei die zweite Zeile aus (5.54) folgt. Somit erhalten wir
Jz
(J+J+Ψ
)= ~(d+ 2)
(J+J+Ψ
). (5.59)(
J+J+Ψ)
ist also Eigenfunktion von Jz zum Eigenwert ~(d+ 2). Durch Induktion erhalt man
dann
Jz
(Jk+Ψ
)= ~(d+ k)
(Jk+Ψ
). (5.60)
Analoge Ergebnisse konnen mit J− hergeleitet werden:
Jz
(J−Ψ
)= ~(d− 1)
(J−Ψ
)(5.61)
Vorlesungsskript PCIII
5.2 Allgemeine Drehimpulse 5-11
und
Jz
(Jk−Ψ
)= ~(d− k)
(Jk−Ψ
). (5.62)
Im zweiten Schritt wird bewiesen, dass alle Funktionen Jk± Ψ Eigenfunktionen von J2 zum
selben Eigenwert c ~2 sind. Wir zeigen zuerst, dass J2 mit J2± vertauscht:[
J2, J±
]=[J2, Jx
]︸ ︷︷ ︸
=0
±i[J2, Jy
]︸ ︷︷ ︸
=0
= 0 (5.63)
[J2, J2
±
]=[J2, J±
]J± + J±
[J2, J±
]= 0 (5.64)
und durch Induktion [J2, Jk±
]= 0 oder J2Jk± = Jk±J
2 . (5.65)
Es folgt also
J2(Jk±Ψ
)= Jk±
(J2Ψ
)= ~2c
(Jk±Ψ
). (5.66)
Im dritten Schritt werden Randbedingungen berucksichtigt. Es gibt namlich nur eine end-
liche Anzahl Eigenfunktionen von Jz, die durch Jk± erzeugt werden konnen. Dies lasst sich
folgendermassen zeigen:
J2z
(Jk±Ψ
)= JzJz
(Jk±Ψ
)= ~(d± k)Jz
(Jk±Ψ
)= ~2(d± k)2
(Jk±Ψ
). (5.67)
Daraus folgt (J2 − J2
z
)(Jk±Ψ
)= ~2(c− (d± k)2)
(Jk±Ψ
)=(J2x + J2
y
)(Jk±Ψ
). (5.68)
Der Eigenwert ~2(c− (d± k)2) des Operators(J2 − J2
z
)=(J2x + J2
y
)muss eine positive reelle
Zahl sein, da der Betrag eines Vektors mindestens so gross sein muss wie eine Komponente.
Damit ergibt sich die Ungleichung
~2(c− (d± k)2
)> 0(
c− (d± k)2)> 0
√c > |d± k| ,
oder
√c > d± k > −
√c k = 0, 1, 2, ... . (5.69)
Es existieren also ein maximaler Wert dmax und ein minimaler Wert dmin fur d mit entsprechen-
den Eigenfunktionen Ψmax und Ψmin. Deshalb muss gelten:
J+Ψmax = 0 und J−Ψmin = 0 .
Vorlesungsskript PCIII
5-12 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Diese zwei Gleichungen konnen, nach Multiplikation von links mit J− bzw. J+ als
J−J+Ψmax = 0 (5.70)
=(J2 − J2
z − ~Jz)Ψmax
= ~2(c− d2max − dmax
)Ψmax
und
J+J−Ψmin = 0 (5.71)
=(J2 − J2
z + ~Jz)Ψmin
= ~2(c− d2min + dmin
)Ψmin .
geschrieben werden. Aus den Gleichungen (5.70) und (5.71) erhalt man
c = dmax(dmax + 1) c = dmin(dmin − 1)
und also
dmax(dmax + 1) = dmin(dmin − 1) . (5.72)
Gleichung (5.72) hat zwei Losungen
dmax = −dmin und dmax = dmin − 1 ,
wobei die zweite Losung nicht physikalisch ist, da dmax > dmin sein muss. Zudem gilt
dmax − dmin = n n = 0, 1, 2, ....
Daraus folgt, dass
dmax = n2
= J mit J = 0, 1/2, 1, 3/2, ....
Somit sind die Losungen der Eigenwertgleichungen (5.8) und (5.9)
J2ΨJM = ~2 J(J + 1)ΨJM (5.73)
mit J = 0, 1/2, 1, 3/2, ... und
JzΨJM = ~M ΨJM , (5.74)
mit M = −J,−J + 1, ..., J , wobei J die Drehimpulsquantenzahl und M die magnetische Quan-
tenzahl sind. Die Eigenfunktionen werden wie ublich mit den Quantenzahlen J und M indiziert.
Diese Losungen sind den Losungen des Bahndrehimpulsproblems (Gleichungen (5.34) und
(5.35)) sehr ahnlich. Die Bahndrehimpulsquantenzahlen l und m sind aber ganzzahlige Quan-
tenzahlen, wahrend die Quantenzahlen J und M eines allgemeinen Drehimpulses ganz- oder
halbzahlig sein konnen. Aus der experimentell bestatigten Existenz von halbzahligen Drehim-
pulsen lasst sich schliessen, dass es neben Bahn- und Rotationsdrehimpulsen noch einen anderen
Vorlesungsskript PCIII
5.2 Allgemeine Drehimpulse 5-13
Typ von Drehimpuls geben muss. Dieser Drehimpuls ist der Spin, der auch halbzahlige Werte
besitzen kann (vgl. Postulat 5 in Kapitel 3 und Abschnitt 5.5).
Beispiel : Orientierung von Drehimpulsvektoren in der Quantenmechanik — das Vektor-
modell des Drehimpulses
Aus Gleichungen (5.73) und (5.74) erhalt man fur den Betrag | ~J | und die z-Komponente
des Drehimpulses ~J
| ~J | = ~√J(J + 1) , (5.75)
Jz = ~M . (5.76)
Da es in der Quantenmechanik nicht moglich ist, neben der Lange | ~J | und der z-
Komponente Jz weitere Komponenten (Jx, Jy) gleichzeitig exakt zu bestimmen [sie-
he Gleichung (5.44)], kann der Drehimpulsvektor ~J niemals exakt parallel zur z-Achse
des Koordinatensystems stehen. In einem solchen Fall waren namlich die x- und die y-
Komponenten genau null und somit exakt bestimmt. Die einzige Aussage, die uber die
x- und y-Komponenten gemacht werden kann, ist, dass diese zusammen eine Kreisbahn
bilden, da gelten muss:
J2x + J2
y = | ~J |2 − J2z = ~2
[J(J + 1)−M2
], (5.77)
wobei die rechte Seite von Gleichung (5.77) fur gegebene Werte der Quantenzahlen J und
M konstant ist und diese somit eine Kreisbahn mit Radius ~√J(J + 1)−M2 beschreibt
(siehe Abbildung 5-6).
Ein weiterer Grund, warum ein Drehimpulsvektor ~J in der Quantenmechanik nie parallel
zur z-Achse stehen kann, kann direkt ausgehend von den obigen Beziehungen (5.73) und
(5.74) hergeleitet werden. In diesem Fall musste der Betrag der z-Komponente von ~J gerade
seiner Lange entsprechen, wahrend die x- und y-Komponenten verschwinden. Es musste
wegen Gleichung (5.73) also
~J?=
0
0
±~√J(J + 1)
(5.78)
gelten. Gemass Gleichung (5.74) sind fur den Betrag |Jz| der z-Komponente von ~J aber
nur Werte bis maximal ~ J moglich. Da ausser fur J = 0, das heisst in Fallen, in denen
kein Drehimpuls ~J vorhanden ist, stets J <√J(J + 1) gilt, kann der Drehimpulsvektor ~J
also nie exakt parallel zur z-Achse des Koordinatensystems stehen.
Vorlesungsskript PCIII
5-14 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
jy!
jy!
jz!
jz!
jx!
jx!
jy!
jy!
jz!
jz!
0.5
1.0
1.5
!0.5
!1.0
!1.5
0.5
1.0
1.5
!0.5
!1.0
!1.5
!0.5!1.0!1.5 0.5 1.0 1.5
0.5 1.0 1.5 2.0!0.5!1.0!1.5!2.0
j = 1, mj = 1
j = 1, mj = 0
j = 1, mj = !1
j = 32 , mj = 3
2
j = 32 , mj = 1
2
j = 32 , mj = !1
2
j = 32 , mj = !3
2
Abbildung 5-6: Mogliche Orientierungen von Drehimpulsvektoren in der Quantenmechanik fur j = 1 (oben)
und j = 3/2 (unten).
5.3 Matrixdarstellung von Drehimpulsoperatoren
Die Matrixdarstellung quantenmechanischer Operatoren wurde bereits in Abschnitt 3.10 be-
handelt. In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie die Drehimpulsoperatoren Jx, Jy, Jz, J+, J−
und J2 in Matrixform ausgedruckt werden konnen. Als Basis werden die Eigenfunktionen ΨJ,M
von Jz und J2 gewahlt. Die Basisfunktionen werden durch die Quantenzahlen J und M be-
zeichnet und werden in Diracscher Schreibweise (siehe Kapitel 3) als |J,M〉 geschrieben. Sie
sind orthonormiert, d.h.∫Ψ ∗JMΨJ ′M ′ dτ = 〈J,M |J ′,M ′〉 = δJ,J ′δM,M ′ . (5.79)
Die Gleichungen (5.73) und (5.74) konnen in dieser Schreibweise als
Jz ΨJM = Jz |J,M〉 = ~M |J,M〉 (5.80)
und
J2 ΨJM = J2 |J,M〉 = ~2 J(J + 1) |J,M〉 (5.81)
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5.3 Matrixdarstellung von Drehimpulsoperatoren 5-15
ausgedruckt werden.
Matrixdarstellung von Jz
Die Matrixelemente von Jz lauten
〈J ′,M ′| Jz |J,M〉︸ ︷︷ ︸~M |J,M〉
= ~M 〈J ′,M ′|J,M〉︸ ︷︷ ︸δJ′,JδM′,M
= ~M δJ ′,JδM ′,M . (5.82)
Matrixdarstellung von J2
〈J ′,M ′| J2 |J,M〉 = ~2 J(J + 1) δJ ′,JδM ′,M . (5.83)
Matrixdarstellung von J+ und J−
Aus Abschnitt 5.2 wissen wir, dass
J+|J,M〉 = ~ c+J,M |J,M + 1〉 (5.84)
J−|J,M〉 = ~ c−J,M |J,M − 1〉 (5.85)
J− J+|J,M〉︸ ︷︷ ︸~ c+J,M |J,M+1〉
= ~ c+J,M J−|J,M + 1〉
= ~2 c+J,M c−J,M+1|J,M〉 . (5.86)
Also muss gelten
〈J ′,M ′|J−J+|J,M〉 = ~2 c+J,M c−J,M+1 δJ,J ′ δM,M ′ . (5.87)
Gemass Gleichung (5.51) wissen wir aber, dass
J−J+ = J2 − J2z − ~Jz . (5.88)
Deshalb gilt fur die Matrixelemente von J−J+
〈J ′,M ′|J−J+|J,M〉 = 〈J ′,M ′|J2 − J2z − ~Jz|J,M〉
= ~2 (J(J + 1)−M(M + 1)) 〈J ′,M ′|J,M〉 . (5.89)
Der Vergleich von (5.87) mit (5.89) ergibt (〈J ′,M ′|J,M〉 = δJ ′,JδM ′,M)
c+J,M c−J,M+1 = J(J + 1)−M(M + 1) . (5.90)
Um die Koeffizienten c+J,M und c−J,M zu bestimmen, zeigen wir zuerst, dass J− = (J+)†:
〈J,M |J−|J,M + 1〉 = 〈J,M |Jx − iJy|J,M + 1〉 = 〈J,M |Jx|J,M + 1〉 − i〈J,M |Jy|J,M + 1〉= 〈J,M + 1|Jx|J,M〉∗ − i 〈J,M + 1|Jy|J,M〉∗
={〈J,M + 1|Jx|J,M〉+ i 〈J,M + 1|Jy|J,M〉
}∗= 〈J,M + 1|J+|J,M〉∗ ,
(5.91)
Vorlesungsskript PCIII
5-16 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
da Jx und Jy selbstadjungiert sind. Daraus folgt:
〈J,M + 1|J+|J,M〉∗ = ~(c+J,M〈J,M + 1|J,M + 1〉
)∗= ~ (c+J,M)∗ , (5.92)
〈J,M |J−|J,M + 1〉 = ~ c−J,M+1 (5.93)
und damit
(c+J,M)∗ = c−J,M+1 . (5.94)
Also haben wir
c+J,M c−J,M+1 = c+J,M (c+J,M)∗ = |c+J,M |2 (5.90)
= J(J + 1)−M(M + 1) . (5.95)
Wenn die Koeffizienten c+J,M und c−J,M reell und positiv gewahlt werden
c+J,M =√J(J + 1)−M(M + 1) (5.96)
c−J,M =√J(J + 1)−M(M − 1) , (5.97)
erhalt man fur die nicht verschwindenden Matrixelemente von J+ und J−
〈J ′,M ′|J+|J,M〉 = ~√J(J + 1)−M(M + 1)δJ ′,JδM ′,M+1 (5.98)
〈J ′,M ′|J−|J,M〉 = ~√J(J + 1)−M(M − 1)δJ ′,JδM ′,M−1 . (5.99)
Die Matrizen fur Jx und Jy konnen aus den Matrizen fur J+ und J− erhalten werden. Da
alle Matrixelemente proportional zu δJ,J ′ sind, sind sie blockdiagonal in J und man muss nur
Diagonalblocke fur die verschiedenen J-Werte bestimmen. Diese Tatsache ist gleichbedeutend
mit der Tatsache, dass ~J eine Konstante der Bewegung ist, oder dass J eine gute Quantenzahl
ist (siehe Abschnitt 3.19).
Beispiel : Die Matrizen fur J = 1/2 (sogenannte Pauli-Matrizen, siehe auch Ubung 1)
Fur J = 1/2 kann die magnetische Quantenzahl M nur zwei Werte annehmen: M = ±1/2.
Es gibt also nur zwei Eigenfunktionen von J2 und Jz, die wir in diesem Fall wie folgt in
|J,M〉 Schreibweise bezeichnen:
|1/2, 1/2〉 def.= |α〉
|1/2, −1/2〉 def.= |β〉.
(5.100)
Der Raum ist zweidimensional und die Matrizen J2, Jz, J+, J−, Jx und Jy fur J = 12
sind
alle 2× 2-Matrizen. Allgemein sind die Matrizen fur J2, Jz, J+, J−, Jx und Jy ((2J + 1)×(2J + 1))-dimensional. Fur die Matrizen benutzen wir die folgende Konvention:
|α〉 |β〉〈α|〈β|
[ ](5.101)
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5.3 Matrixdarstellung von Drehimpulsoperatoren 5-17
Man erhalt fur Jz
Jz =
[〈α|Jz|α〉 〈α|Jz|β〉〈β|Jz|α〉 〈β|Jz|β〉
]=
~2
[1 0
0 −1
]=
~2σz , (5.102)
fur J2
J2 =
[〈α|J2|α〉 〈α|J2|β〉〈β|J2|α〉 〈β|J2|β〉
]= ~2
[34
0
0 34
]=
3~2
4σ2z =
3~2
41 , (5.103)
und analog (siehe Gleichungen(5.98) und (5.99))
J+ = ~
[0 1
0 0
](5.104)
J− = ~
[0 0
1 0
](5.105)
Jx =J+ + J−
2=
~2
[0 1
1 0
]=
~2σx (5.106)
Jy =J+ − J−
2i=
~2
[0 −i
i 0
]=
~2σy . (5.107)
Die Matrizen σx, σy und σz sind auch als Pauli-Matrizen bekannt (siehe Ubung 1). Da
der Raum zweidimensional ist, haben die Vektoren nur zwei Komponenten und konnen als
Zweikomponentenvektoren folgendermassen geschrieben werden:
|1/2, 1/2〉 = |α〉 =
[1
0
](5.108)
|1/2,−1/2〉 = |β〉 =
[0
1
]. (5.109)
Mit diesen Vektoren kann zum Beispiel der Eigenwert von Jz in einem System, das durch
|α〉 charakterisiert ist, wie folgt berechnet werden:
Jz|α〉 =~2
[1 0
0 −1
][1
0
]=
~2
[1
0
], (5.110)
so dass der Eigenwert von Jz~2
ist. Zudem kann der Erwartungswert von Jx im |α〉 Zustand
berechnet werden gemass:
~2
[1 0
] [ 0 1
1 0
][1
0
]=
~2
[1 0
] [ 0
1
]= 0 . (5.111)
Vorlesungsskript PCIII
5-18 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
5.4 Die Rotation starrer Molekule
Fur die Behandlung der Molekulrotation ist es wichtig, zwischen molekul- und raumfesten
Koordinatensystemen zu unterscheiden. In diesem Abschnitt bezeichnen JX , JY und JZ die
Komponenten des Drehimpulses entlang den Achsen X, Y und Z des korperbezogenen Koordi-
natensystems, welches seinen Ursprung im Schwerpunkt des sich drehenden Korpers hat, und
Jx, Jy und Jz (wie bisher) die Komponenten des Drehimpulses entlang den Achsen x, y und z
des raumfesten Koordinatensystems.
X
Y
Z~ω
Klassische Behandlung
Die Rotation eines Korpers, der aus n Teilchen besteht, um eine Achse eines beliebig gewahlten
korperbezogenen Koordinatensystems kann durch folgende Gleichung charakterisiert werden
(bei der Rotation eines Korpers geht die Drehachse durch den Massenschwerpunkt):
Erot =1
2I ~ω2 =
~J2
2 I(5.112)
mit
I =∑i
miR2i
(=
∫ρ(~R)R2 dV
)(5.113)
~J = I ~ω . (5.114)
Dabei ist I das Tragheitsmoment des Korpers um die Drehachse, Ri der Abstand des Teilchens
mit Masse mi (resp. des Volumenelementes dV mit Dichte ρ(~R)) von der Drehachse und ~J der
Drehimpulsvektor des Korpers.
Fur den Drehimpulsvektor ~J gilt
~J =∑i
mi
[~Ri × ~vi
]=∑i
mi
[~Ri × (~ω × ~Ri)
]. (5.115)
Mit der Beziehung ~v1 × (~v2 × ~v3) = (~v1 · ~v3) · ~v2 − (~v1 · ~v2) · ~v3 kann Gleichung (5.115) auch als
~J =∑i
mi
[~ω ~R2
i − ~Ri(~Ri · ~ω)]
(5.116)
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5.4 Die Rotation starrer Molekule 5-19
geschrieben werden mit ~Ri · ~ω = XiωX + YiωY +ZiωZ . Somit erhalt man fur die Komponenten
des Drehimpulsvektors ~J
JX =
[∑i
mi(R2i −X2
i )
]ωX −
[∑i
miXiYi
]ωY −
[∑i
miXiZi
]ωZ , (5.117a)
JY = −
[∑i
miXiYi
]ωX +
[∑i
mi(R2i − Y 2
i )
]ωY −
[∑i
miYiZi
]ωZ , (5.117b)
JZ = −
[∑i
miXiZi
]ωX −
[∑i
miYiZi
]ωY +
[∑i
mi(R2i − Z2
i )
]ωZ . (5.117c)
mit R2i = X2
i + Y 2i + Z2
i . (5.117) in Matrixform ausgedruckt ergibt
~J = I · ~ω =
JXJYJZ
=
IXX IXY IXZ
IY X IY Y IY Z
IZX IZY IZZ
ωXωYωZ
(5.118)
mit
Ijj =∑i
mi(R2i −R2
ij) , (5.119)
Ijk = −∑i
miRijRik , (5.120)
wobei i den Index der Massenpunkte darstellt und Rij = Xi, Yi, Zi for j = 1, 2, 3 respective,
und I den sogenannten Tragheitstensor darstellt. Fur die Energie gilt somit
Erot =1
2~ωTI~ω =
1
2(ωX , ωY , ωZ)
IXX IXY IXZ
IY X IY Y IY Z
IZX IZY IZZ
ωX
ωY
ωZ
(5.121)
Da der Tragheitstensor I reell und symmetrisch ist, kann das korperbezogene Koordinatensy-
stem (X,Y ,Z) durch eine unitare Transformation (UT) in ein geeignetes Koordinatensystem
(das sogenannte Hauptachsensystem) uberfuhrt werden, in dem die Ausserdiagonalelemente des
Tragheitstensors (I) verschwinden (IUT−→I):
Erot =1
2~ωTI~ω =
1
2(ωX , ωY , ωZ)
IX 0 0
0 IY 0
0 0 IZ
ωX
ωY
ωZ
(5.122)
oder
Erot =1
2
J2X
IX+
1
2
J2Y
IY+
1
2
J2Z
IZ, (5.123)
wobei die sogenannten Haupttragtheitsmomente IX , IY und IZ die Tragheitsmomente um die
Hauptachsen X, Y und Z darstellen. Fur den Rest dieses Kapitels werden wir das korperbe-
zogene Koordinatensystem (X,Y ,Z) jeweils so wahlen, dass es ein Hauptachsensystem ist und
wir Gleichung (5.123) ohne Tilden schreiben konnen.
Vorlesungsskript PCIII
5-20 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Beachte, dass bei der Rotation um eine Haupttragheitsachse der Drehimpuls parallel zur Dreh-
achse ist (5.114) . Dies fuhrt zu einer stabilen Rotation. In allen anderen Fallen bleibt die
momentane Drehachse nicht fest (im Laborsystem, sondern lauft auf der Oberflache des soge-
nannten Rastpolkegels um die Drehimpulsachse herum. Der Korper fuhrt dann eine Taumel-
bewegung aus.
Symmetriebetrachtungen von Matrizen: Es ist oft sinnvoll, eine Matrix
A =
axx axy axz
ayx ayy ayz
azx azy azz
(5.124)
in die drei Komponenten
A = A(0) + A(1) + A(2) (5.125)
zu zerlegen mit dem Rang 0 Anteil:
A(0) =
a 0 0
0 a 0
0 0 a
(5.126)
wobei
a =1
3Tr[A] =
axx + ayy + azz3
(5.127)
dem Rang 1 Anteil (antisymmetrisch)
A(1) =1
2
0 axy − ayx axz − azxayx − axy 0 ayz − azyazx − axx azy − ayz 0
(5.128)
und dem spurlosen symmetrischen Anteil (Rang 2)
A(2) =
axx − a axy+ayx2
axz+azx2
axy+ayx2
ayy − a ayz+azy2
axz+azx2
ayz+azy2
−(axx + ayy) + 2a
(5.129)
Tensoren: Wie oben beschrieben kann eine allgemeine 3x3 Matrix in drei verschiedene
Komponenten zerlegt werden. Die Rang 0 Komponente ist durch eine einzige Zahl charak-
terisiert, die Rang 1 Komponente durch 3 Zahlen, die in einem Vektor angeordnen werden
konnen und die Rang 2 Komponente durch 5 unabhangige Zahlen, die als Matrix aus-
gedruckt werden konnen. Beachte dass, wie oben angegeben, auch die Rang 0 und Rang
1 Komponenten als Matrix geschrieben werden konnen. Die Komponenten unterscheiden
Vorlesungsskript PCIII
5.4 Die Rotation starrer Molekule 5-21
sich in ihren Transformationseigenschaften unter Rotationen (des Koordinatensystems):
Tensoren vom Rang 0: Skalare
Gewisse Eigenschaften eines physikalischen Systems sind unabhangig vom Koordinaten-
system in welchem sie beschreiben sind. Betrachen wir zwei Punkte im Raum X =(x1, x2, x3
)und Y =
(y1, y2, y3
). Die Distanz zwischen diesen beiden Punkten:
rXY =
√√√√ 3∑i=1
(xi − yi)2 (5.130)
ist unabhangig von der Wahl des Koordinatensystems. Wenn wir die neuen Koordinaten
mit einem Apostroph bezeichnen gilt:
r′XY = rXY (5.131)
Im allgemeinen gilt fur jede skalare Grosse:
A′(0) = A(0) (5.132)
Eine wichtige skalare Grosse ist die Energie. Damit ist der Hamiltonoperatore ebenfalls ein
skalarer Operator.
Tensoren vom Rang 1: Vektoren
Die Koordinaten eines Punktes ~x =(x1, x2, x3
)sind ein Beispiel fur eine Grosse mit
Rang 1, die auch Vektorgrossen genannt werden. Unter einer Koordinatentransformation
verhalten sie sich folgendermassen: a′xa′ya′z
=
Rxx Rxy Rxz
Ryx Ryy Ryz
Rzx Rzy Rzz
ax
ay
az
(5.133)
oder
a′i =∑j
Rijaj (5.134)
Tensoren vom Rang 2: Spurlose Matrizen
Unter einer Koordinatentransformation verhalten sich Matrizen folgendermassen: A′xx A′yx A′zxA′xy A′yy A′zyA′xz A′zy A′zz
=
Rxx Rxy Rxz
Ryx Ryy Ryz
Rzx Rzy Rzz
Axx Ayx Azx
Axy Ayy Azy
Axz Azy Azz
Rxx Ryx Rzx
Rxy Ryy Rzy
Rxz Rzy Rzz
(5.135)
Vorlesungsskript PCIII
5-22 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
oder
A′ij =∑k
∑l
RikRjlAkl (5.136)
Euler Rotationen: Rotationsmatrizen konnen als Funktion der drei Euler Winkel α, β und
γ dargestellt werden. In diesem Fall wird die Rotationsmatrix R(α, β, γ), die einen Wechsel
des Koordinatensystems beschreibt als Abfolge von drei Rotationen konstruiert:
R(α, β, γ) = Rz′′(γ)Ry′(β)Rz(α) (5.137)
entsprechend
• zuerst einer Rotation um α um die original z-Achse
• dann einer Rotation um β um die neue y’-Achse
und schlussendlich
• einer Rotation um γ um die neue z”-Achse
Diese Konvention fur die Euler Rotationen ist leider nicht die einzige, die in der Literatur
verwendet wird und beim Vergleich mit anderen Quellen ist Vorsicht geboten.
Die inverse Rotation ist gegeben durch:
R−1(α, β, γ) = R(−γ,−β,−α) = Rz′′(−α)Ry′(−β)Rz(−γ) (5.138)
In karthesischen Koordinaten gilt fur eine z-Rotation
Rz(θ) =
cos(θ) sin(θ) 0
− sin(θ) cos(θ) 0)
0 0 1
(5.139)
und fur eine y-Rotation:
Rz(θ) =
cos(θ) 0 − sin(θ)
0 1 0)
sin(θ) 0 cos(θ)
(5.140)
Damit gilt fur die karthesische Version der allgemeinen Eulermatrix:
Rz(α,β,γ) = cosα cosβ cosγ − sinα sinγ sinα cosβ cosγ + cosα sinγ − sinβ cosγ
− cosα cosβ sinγ − sinα cosγ − sinα cosβ sinγ + cosα cosγ sinβ sinγ
cosα sinβ sinα sinβ cosβ
(5.141)
Vorlesungsskript PCIII
5.4 Die Rotation starrer Molekule 5-23
Quantenmechanische Behandlung des starren Rotators (mittels Korrespondenzprinzip)
Die Schrodinger-Gleichung fur die Drehbewegung kann gemass Korrespondenzprinzip aus (5.123)
als
Hrot Ψrot = Erot Ψrot (5.142)
mit
Hrot =1
2
J2X
IX+
1
2
J2Y
IY+
1
2
J2Z
IZ(5.143)
geschrieben werden. Da es drei Rotationsfreiheitsgrade gibt, erwartet man drei Rotationsquan-
tenzahlen.i Diese drei Quantenzahlen sind J , M und K; sie kommen in den folgenden Eigen-
wertgleichungen vor:
J2 Ψ= ~2 J(J + 1)Ψ mit J = 0, 1, 2, ..., (5.144a)
Jz Ψ= ~M Ψ mit M = 0,±1,±2, ...,±J (5.144b)
JZ Ψ= ~K Ψ mit K = 0,±1,±2, ...,±J . (5.144c)
J ist die Rotationsdrehimpulsquantenzahl, M die Quantenzahl fur die Projektion von ~J auf
die raumfeste z-Achse und K die Quantenzahl fur die Projektion von ~J auf die Z-Achse des
molekulfesten Hauptachensystems. Man bezeichnet die Wellenfunktionen entsprechend mit
Ψrot,J,K,M = |J,K,M〉 . (5.145)
Im freien Raum hangt Erot nicht von M ab, da wir die raumfesten Achsen beliebig definieren
konnen.
Man beachte, dass fur die Komponenten JX , JY und JZ die sogenannten anomalen Vertau-
schungsrelationen (d.h. umgekehrtes Vorzeichen gegenuber Gleichung (5.6)) geltenii:
[JX , JY ] = −i~JZ und zyklische Vertauschung . (5.146)
Als Folge davon erniedrigt der Leiteroperator J+ = JX + iJY die Quantenzahl K um eins und
J− = JX − iJY erhoht K um eins (vgl. Gleichung (5.98) und (5.99)):
〈J ′, K ′,M ′|J±|J,K,M〉 = ~√J(J + 1)−K(K ∓ 1)δJ ′,JδK′,K∓1δM ′,M . (5.147)
Um eine Verwechslung mit den Leiteroperatoren J± im laborfesten Koordinatensystem zu ver-
meiden, werden die Leiteroperatoren im molekulfesten Koordinatensystem als J± (d. h. mit
hochgestelltem ±) geschrieben.
i Zum Vergleich: Beim Bahndrehimpuls eines Elektrons in einem Atom gibt es zwei Freiheitsgrade (θ, φ) und
zwei Quantenzahlen (l,m) (siehe Abschnitt 5.1).
ii Das umgekehrte Vorzeichen kommt von der Tatsache, dass wenn sich ein freies Molekul im Raum dreht, das
laborfeste Koordinatensystem im Vergleich zum molekulfesten Koordinatensystem sich in entgegengesetzter
Richtung dreht.
Vorlesungsskript PCIII
5-24 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
In der Spektroskopie werden haufig die RotationskonstantenA,B und C (in Frequenz-Einheiten)
oder A, B und C (in Wellenzahl-Einheiten) anstelle der Haupttragheitsmomente gebraucht.
Ausgedruckt in Wellenzahl-Einheiten hangen sie wie folgt von den zugehorigen Tragheitsmo-
menten ab:
A =~
4π c Ia=A
c(5.148a)
B =~
4π c Ib=B
c(5.148b)
C =~
4π c Ic=C
c. (5.148c)
Die Zuordnung der Indizes a, b, c zu den Hauptachsen X, Y und Z erfolgt nach der Konvention
Ia 6 Ib 6 Ic (resp. A > B > C). (5.149)
5.4.1 Der spharische Kreisel
Fur spharische Kreisel (”Kugelkreisel“) gilt, dass die drei Haupttragheitsmomente gleich gross
sind:
IX = IY = IZ = I . (5.150)
Beispiele fur spharische Kreisel sind CH4 und SF6. Der Hamilton-Operator ist
Hrot =1
2 I
(J2X + J2
Y + J2Z
)=
1
2 IJ2 . (5.151)
Die Eigenfunktionen von H sind deshalb auch Eigenfunktionen von J2
H Ψrot,J,K,M =1
2 IJ2 Ψrot,J,K,M =
~2
2 IJ (J + 1)Ψrot,J,K,M = h c B J(J + 1)Ψrot,J,K,M (5.152)
und die Energieeigenwerte sind
EJ,K,M = EJ =~2
2 IJ (J + 1) = h c B J (J + 1) (5.153)
mit B in cm−1. Die Energie hangt also weder von M noch von K ab. Die Entartungsfaktoren
betragen
gJ = (2 J + 1)2 = (2 J + 1)︸ ︷︷ ︸M=−J,−J+1,...,J
× (2 J + 1)︸ ︷︷ ︸K=−J,−J+1,...,J
. (5.154)
Die Energieniveaus und die Entartungen sind fur den Kugelkreisel in Abbildung 5-7 graphisch
dargestellt. Aufgrund des Pauli-Prinzips und der Symmetrie der Wellenfunktionen sind aber
moglicherweise nicht alle Zustande erlaubt.
Vorlesungsskript PCIII
5.4 Die Rotation starrer Molekule 5-25
E = hc ...
0
2B
6B
12B
J � 0
J � 1
J � 2
J � 3
g0 � 1
g1 � 9
g2 � 25
g3 � 49
Abbildung 5-7: Darstellung der Rotationsenergieniveaus eines Kugelkreisels.
5.4.2 Der symmetrische Kreisel
Fur den symmetrischen Kreisel gilt IX = IY 6= IZ . Es konnen zwei Falle unterschieden werden:
1. IX = IY > IZ , sog. “prolate” Fall (spindelformiger Kreisel), z. B. CH3Cl. In diesem Fall
ordnet man die Achsen (X, Y, Z) zu (b, c, a).
2. IX = IY < IZ , sog. “oblate” Fall (tellerformiger Kreisel), z. B. NH3, C6H6. In diesem Fall
werden die Achsen gemass (X, Y, Z)→ (a, b, c) zugeordnet.
Der Hamilton-Operator fur die Rotationsbewegung lautet
Hrot =J2X + J2
Y
2 IX+
J2Z
2 IZ=J2 − J2
Z
2 IX+
J2Z
2 IZ. (5.155)
Die Eigenfunktionen von H sind Eigenfunktionen von J2 und von JZ :
HrotΨrot,J,K,M =
[J2
2 IX+ J2
Z
(1
2 IZ− 1
2 IX
)]Ψrot,J,K,M
=
[~2
2 IXJ (J + 1) +
(1
2 IZ− 1
2 IX
)~2K2
]︸ ︷︷ ︸
Eigenwert
Ψrot,J,K,M . (5.156)
Die Energieeigenwerte sind
EJ,K,M = EJ,K =~2
2 IXJ (J + 1) +
(~2
2 IZ− ~2
2 IX
)K2
=h c B J (J + 1) + h c (A− B)︸ ︷︷ ︸pos.
K2 (spindelformiger Kreisel) (5.157)
resp. h c B J (J + 1) + h c (C − B)︸ ︷︷ ︸neg.
K2 (tellerformiger Kreisel). (5.158)
Vorlesungsskript PCIII
5-26 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Die Energieeigenwerte hangen vom Absolutbetrag |K| von K ab, aber nicht von der Quanten-
zahl M . Die Entartung der Energieeigenwerte betragt (2J+1) · i mit i = 1 fur K = 0 und i = 2
fur K 6= 0.
M : −J,−J + 1, . . . , J (2J + 1)-fache Entartung in M
K: ±K
{2-fache Entartung fur K 6= 0
keine Entartung fur K = 0
Die Entartungsfaktoren sind somit
gJ,K =
{2 (2 J + 1) fur K 6= 0
2 J + 1 fur K = 0(5.159)
Die Energieniveaustruktur eines spindelformigen Kreisels und eines tellerformigen Kreisels sind
in den Abbildungen 5-8 bzw. 5-9 dargestellt.
E = hc ...
0
2B
6B
12B
J � 0
J � 1
J � 2
J � 3
K � 0 K � 1�J � 1�
K � 2�J � 2�
: : :
A � B
4�A � B�
g0;0 � 1
g1;0 � 3
g2;0 � 5
g3;0 � 7
g1;1 � 6
g2;1 � 10
g3;1 � 14
g2;2 � 10
g3;2 � 14
Abbildung 5-8: Darstellung der Rotationsenergieniveaus eines spindelformigen Kreisels mit entsprechenden
Entartungsfaktoren gJ,K .
5.4.3 Zweiatomige Molekule
Bei zweiatomigen Molekulen gilt: IX = IY , IZ = 0. Zweiatomige Molekule sind daher Spezi-
alfalle eines spindelformigen symmetrischen Kreisels. Damit die Energie in Gleichung (5.157)
nicht unendlich wird, muss K = 0 sein. Es gilt
Hrot =J2X + J2
Y
2 I+
J2Z
2 IZ, (5.160)
Hrot Ψ =1
2 I~2 J (J + 1)Ψ +
(1
2 IZ︸︷︷︸∞
− 1
2 I
)~2 K2︸︷︷︸
=0
Ψ , (5.161)
EJ = h c B J (J + 1) . (5.162)
Vorlesungsskript PCIII
5.4 Die Rotation starrer Molekule 5-27
E = hc ...
0
2B
6B
12B
J � 0
J � 1
J � 2
J � 3
K � 0 K � 1�J � 1�
K � 2�J � 2�
: : :
C � B
4�C � B�
g0;0 � 1
g1;0 � 3
g2;0 � 5
g3;0 � 7
g1;1 � 6
g2;1 � 10
g3;1 � 14
g2;2 � 10
g3;2 � 14
Abbildung 5-9: Darstellung der Rotationsenergieniveaus eines tellerformigen Kreisels mit entsprechenden Ent-
artungsfaktoren gJ,K .
Da EJ nicht von M abhangt und M = −J,−J + 1, . . . , J , betragt die Entartung
g = 2 J + 1 . (5.163)
Die Rotationsenergieniveaustruktur eines zweiatomigen Molekuls ist schematisch in Abbil-
dung 5-10 dargestellt.
E = hc ...
0
2B
6B
12B
J � 0
J � 1
J � 2
J � 3
g0 � 1
g1 � 3
g2 � 5
g3 � 7
Abbildung 5-10: Darstellung der Energieniveaus und der Entartungsfaktoren der entsprechenden Rotations-
zustande eines linearen Molekuls.
Vorlesungsskript PCIII
5-28 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
5.4.4 Der asymmetrische Kreisel
Bei asymmetrischen Kreiseln sind alle drei Haupttragheitsmomente verschieden (IX 6= IY 6=IZ). Der Hamilton-Operator
H =J2X
2 IX+
J2Y
2 IY+
J2Z
2 IZ(5.164)
kann nicht mehr nur als Funktion der zwei Drehimpulsoperatoren J2 und JZ ausgedruckt und
somit nicht mehr durch Diagonalmatrizen dargestellt werden. Somit konnen die Energieei-
genwerte im Allgemeinen nicht analytisch angegeben werden. Um die Energieeigenwerte zu
ermitteln, werden zunachst die Operatoren J2X , J2
Y , J2Z und H in Matrixform ausgedruckt. Die
Rotationsenergien entsprechen den Eigenwerten der Matrix H (siehe Ubung 10).
5.5 Der Spin
Quantenmechanische Elementarsysteme (Teilchen) haben einen intrinsischen Drehimpuls, der
als Spin ~s oder ~I bezeichnet wird und kein klassisches Analogon besitzt. Die Hypothese des
Elektronspins wurde von Uhlenbeck und Goudsmit aufgestellt, um bis dahin unerklarbare Er-
scheinungen in den Atomspektren deuten zu konnen.i Damit konnte in der Folge auch das
Stern-Gerlach-Experiment, mit dem die Raumquantisierung der magnetischen Momente erst-
mals gezeigt wurde, korrekt interpretiert werden: Das magnetische Moment des Silberatoms
im Grundzustand ruhrt vom Elektronenspin her, da das einzige ungepaarte Elektron (wie auch
in Wasserstoff und den Alkalimetallen) ein s-Elektron mit l = 0 ist.ii Zur quantenmechani-
schen Beschreibung des Elektrons fuhrte Pauli die Spinkomponente sz (mit den zwei einzigen
Eigenwerten +~/2 und −~/2) als eine zusatzliche unabhangige Variable neben den Ortskoordi-
naten und die nach ihm benannten Spinmatrizen ein (siehe Beispiel in Abschnitt 5.3).iii Dirac
konnte schliesslich die Existenz des Spins durch eine relativistische Behandlung des Elektrons
erklaren.iv
Phanomenologisch ist der Spin eines Systems der Anteil des Gesamtdrehimpulses, der nicht auf
Bahn- oder Rotationsdrehimpulse zuruckgefuhrt werden kann. Beispielsweise gilt fur ein Atom
i G. E. Uhlenbeck, S. Goudsmit,”Ersetzung der Hypothese vom unmechanischen Zwang durch eine Forderung
bezuglich des inneren Verhaltens jedes einzelnen Elektrons“, Naturwissenschaften 47, 953–954 (1925). G. E.
Uhlenbeck, S. Goudsmit,”Spinning Electrons and the Structure of Spectra“, Nature 117, 264–265 (1926).
ii Walther Gerlach, Otto Stern,”Der experimentelle Nachweis der Richtungsquantelung im Magnetfeld“, Z.
Phys. 9, 349–352 (1922). Bretislav Friedrich, Dudley Herschbach,”Stern and Gerlach: How a Bad Cigar
Helped Reorient Atomic Physics“, Physics Today 56[12], 53–59 (Dec. 2003).
iii W. Pauli jr.,”Zur Quantenmechanik des magnetischen Elektrons“, Z. Phys. 43, 601–623 (1927).
iv P. A. M. Dirac,”The Quantum Theory of the Electron“, Proc. R. Soc. London Ser. A 117, 610–624; 118,
351–361 (1928). P. A. M. Dirac,”The Principles of Quantum Mechanics“, 2nd ed., Clarendon Press, Oxford
UK, 1935.
Vorlesungsskript PCIII
5.5 Der Spin 5-29
(ohne Berucksichtigung des Kernspins)
~S = ~J − ~L , (5.165)
wobei die Bezeichnungen aus Tabelle 5.1 verwendet worden sind. Als quantenmechanischer
Drehimpuls besitzt der Spin folgende Eigenschaften:[Sx, Sy
]= i ~ Sz und zyklische Vertauschung (5.166)[
Sz, S2]
= 0 (5.167)
mit
S2|S,MS〉 = ~2S(S + 1) |S,MS〉 (5.168)
Sz|S,MS〉 = ~MS |S,MS〉 . (5.169)
Beispiel : Spindrehimpulsquantenzahlen und magnetische Quantenzahlen fur verschiedene
Elementarteilchen und Atomkerne
Der Wert der Spinquantenzahl ist fur jedes Elementarteilchen und fur jeden Atomkern eine
charakteristische Grosse, welche in entsprechenden Nachschlagewerken gefunden werden
kann. Fur Elektronen, Protonen und Neutronen betragt s = 1/2. Fur ms ergeben sich
daraus zwei erlaubte Werte, namlich ms = −1/2 und ms = 1/2. In der folgenden Tabelle sind
einige Kernspindrehimpulsquantenzahlen I mit den erlaubten Werten fur mI angegeben
sowie Beispiele von stabilen Atomkernen fur die verschiedenen I-Werte.
I mogliche Werte fur mI Beispiele fur stabile Atomkerne
0 0 4He, 12C, 16O, 18O1/2 −1/2 1/2 1H, 13C, 15N,19F, 31P
1 −1 0 1 6Li, 14N, 2H3/2 −3/2 −1/2 1/2 3/2 7Li, 9Be, 11B, 23Na, 35Cl, 37Cl
2 −2 −1 0 1 2
Fur I = 2 gibt es keine stabilen Atomkerne sondern nur radioaktive. Es gibt jedoch stabile
Atomkerne, fur die I > 2 gilt. Als Beispiele seien etwa 17O mit I = 5/2, 10B mit I = 3 oder83Kr mit I = 9/2 erwahnt.
Zu beachten ist, dass im Gegensatz zu den Quantenzahlen ms und mI , welche auch negative
Werte annehmen konnen, fur die Quantenzahlen s und I stets s > 0 respektive I > 0 gelten
muss.
Vorlesungsskript PCIII
5-30 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
5.6 Drehimpulssysteme in Magnetfeldern
Abbildung 5-11: Das magnetische Dipolmoment einer Strom-
schleife ist parallel zur Flachennormalen ~n.
~n
~B
�
IA
Die Existenz eines Spins oder Bahndrehimpulses fuhrt dazu, dass ein quantenmechanisches
System ein magnetisches Dipolmoment ~µ besitzt. Das Verhalten von magnetischen Dipolmo-
menten in Magnetfeldern wird hier zunachst klassisch behandelt und dann mittels Korrespon-
denzprinzip auf quantenmechanische Systeme ubertragen. Das magnetische Moment ~µ einer
Stromschleife in einem Magnetfeld (siehe Abbildung 5-11) ist gegeben durch
~µ = I A~n . (5.170)
In (5.170) ist I die Stromstarke, A die Flache innerhalb der Stromschleife und ~n der Normalen-
vektor auf der Flache der Stromschleife. θ sei der Winkel zwischen dem magnetischen Moment
~µ und einem extern angelegten Magnetfeld ~B (praziser gesagt die magnetische Induktion). Das
externe Magnetfeld ~B erzeugt ein Drehmoment ~T auf die Stromschleife:
~T = ~µ× ~B . (5.171)
Wenn der Nullpunkt der potentiellen Energie bei θ = π2
festgelegt wird, ist die potentielle
Energie des magnetischen Moments im Magnetfeld
Epot = Epot(π2) +
∫ θ
π/2
~T dθ′ =
∫ θ
π/2
~µ× ~B dθ′ = |µ| |B|∫ θ
π/2
sin θ′ dθ′
= −|µ| |B| cos θ|θπ/2 = −|µ| |B| cos θ = −~µ · ~B . (5.172)
Es gibt einen einfachen Zusammenhang zwischen ~µ und dem Bahndrehimpuls ~l eines Elektrons,
das sich (ahnlich wie im Bohrschen Atommodell) auf einer kreisformigen Bahn mit Radius r
und Geschwindigkeit v bewegt:
~n
~r ~v
e�
~l = me ~r × ~v (5.173)
= me2πr2
τ~n = 2me
A
τ~n . (5.174)
Vorlesungsskript PCIII
5.6 Drehimpulssysteme in Magnetfeldern 5-31
τ ist die Umlaufperiode des Elektrons, r der Bahnradius, me die Elektronenmasse und A die
von der Bahn eingeschlossene Flache. Da fur den Strom
I = − eτ
(5.175)
gilt, wobei e die Elementarladung bezeichnet, folgt
~l = −2me
eI A~n︸ ︷︷ ︸~µ
. (5.176)
Also ist das magnetische Moment proportional zum Bahndrehimpuls
~µ = γl~l (5.177)
und die Proportionalitatskonstante γl wird als gyromagnetisches Verhaltnis bezeichnet. Fur ein
Elektron auf einer kreisformigen Umlaufbahn ist gemass (5.176)
γl = − e
2me
= glµB
~(5.178)
mit dem Bohrschen Magneton µB = e~2me
und gl = −1.i Die klassische potentielle Energie ist
somit
Epot = −~µ ~B = −γl~l · ~B = −γl (lxBx + lyBy + lzBz) . (5.179)
Die quantenmechanische Behandlung geht wie ublich vom Korrespondenzprinzip aus. Das ma-
gnetische Moment ~µ eines quantenmechanischen Systems wird durch einen Operator charakte-
risiert, der proportional zum Drehimpuls ~J eines Systems ist gemass
~µJ = γJ ~J . (5.180)
Das magnetische Moment ~µl, das von der Bahnbewegung eines Elektrons verursacht wird, kann
direkt aus (5.176) mittels Korrespondenzprinzip ermittelt werden:
~µl = γl~l = − e
2me
~l = glµB
~l
~. (5.181)
Das magnetische Moment ~µs, das vom Spin ~s eines Elektrons verursacht wird, kann mit Hilfe
von (5.180) ermittelt werden:
~µs = γs ~s . (5.182)
Der Proportionalitatsfaktor γs betragt geµB
~ mit ge = −2.002 319 304 362 2(15).
Analog ist das magnetische Moment eines Kernspins
~µ = γN ~I = gNe
2mp
~I = gNµN
~I
~, (5.183)
i Es ist zu beachten, dass die Vorzeichen der g-Faktoren fur negativ geladene Teilchen gemass der hier ver-
wendeten Konvention negativ sind. Einzelheiten dazu finden Sie bei J. M. Brown et al.,”Remarks on the
sign of g factors in atomic and molecular Zeeman spectroscopy“, Mol. Phys. 98, 1597–1601 (2000).
Vorlesungsskript PCIII
5-32 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
wobei mp die Protonenmasse und µN = e~2mp
das Kernmagneton bezeichnet und der g-Faktor
gN eine kernspezifische Grosse ist. Der entsprechende Hamilton-Operator fur einen Kernspin in
einem Magnetfeld ist gemass (5.179)
HN = −γN(IxBx + IyBy + IzBz
)= −γN ~I · ~B. (5.184)
Dieser Ausdruck wird auch als Kern-Zeeman-Wechselwirkungsterm bezeichnet.
Beispiel : Protonenspin im Magnetfeld ~B = (0, 0, Bz)
Hp = −γH ~I · ~B = −γHBz Iz = −γHBz~2
[1 0
0 −1
], (5.185)
wobei Iz in Matrixform nach der in Unterkapitel 5.3 eingefuhrten Regeln aufgestellt wurde.
Die Eigenwerte Eα und Eβ konnen sofort aus Gleichung (5.185) bestimmt werden als
Eα = −γHBz ~2
|α〉 =
[1
0
]= |1/2, 1/2〉 (5.186)
Eβ =γHBz ~
2|β〉 =
[0
1
]= |1/2,−1/2〉 . (5.187)
Man sieht sofort, dass die Funktionen |α〉 und |β〉 Eigenfunktionen von Hp sind:
Hp|α〉 = Hp
[1
0
]= −γHBz
~2
[1 0
0 −1
][1
0
]
= −γHBz ~2
[1
0
]= −γHBz ~
2|α〉 , (5.188)
Hp|β〉 =γHBz ~
2
[0
1
]=γHBz ~
2|β〉 . (5.189)
Die Eigenenergien eines Protonenspins in einem externen Magnetfeld sind somit propor-
tional zum Feld (siehe Abbildung 5-12).
Vorlesungsskript PCIII
5.7 Die Addition von Drehimpulsen 5-33
Bz / T
Ep
ot
gpµ
N
Ep
ot
h
/
MH
z
0 2 4 6 8 10
−6
−4
−2
0
2
4
6
−200
−100
0
100
200(a) Proton
|β〉
|α〉
Bz / T
Ep
ot
geµ
B
Ep
ot
h
/
GH
z
0 2 4 6 8 10
−6
−4
−2
0
2
4
6
−150
−100
−50
0
50
100
150(b) Elektron
|β〉
|α〉
Abbildung 5-12: Die Energie eines Protonenspins (a) und eines Elektronenspins (b) als Funktion der
Starke eines extern angelegten Magnetfeldes. Man beachte, dass die Aufspaltung im Falle des Elektronen-
spins etwa drei Grossenordnungen grosser ist als im Fall des Protonenspins. In der magnetischen Reso-
nanzspektroskopie werden Ubergange zwischen den Spinzustanden |α〉 und |β〉 durch Radiowellen (NMR)
oder Mikrowellen (ESR) induziert.
Bei der Behandlung der Wechselwirkung eines Elektrons in einem Atom mit einem Magnetfeld
muss man berucksichtigen, dass ein Elektron sowohl einen Bahndrehimpuls ~l als auch einen
Spindrehimpuls ~s besitzt. Neben den Zeeman-Wechselwirkungstermen, die eine ahnliche Form
wie (5.184) haben, gibt es noch eine Wechselwirkung zwischen Elektronenspin- und Elektronen-
bahnbewegung, die zu einem Spin-Bahn-Wechselwirkungsterm im Hamilton-Operator fuhrt:
He = −γe(lxBx + lyBy + lzBz)− γs(sxBx + syBy + szBz) + a~l · ~s . (5.190)
Bei der Losung der entsprechenden Schrodinger-Gleichung muss man sich uberlegen, wie die
Drehimpulsvektoren ~l und ~s des Elektrons zu einem Gesamdrehimpulsvektor ~j addiereni; die
Drehimpulsaddition wird im nachsten Abschnitt behandelt.
5.7 Die Addition von Drehimpulsen
Wir betrachten jetzt zwei Teilsysteme eines quantenmechanischen Systems mit den Dreh-
impulsvektoren ~j1 und ~j2 und bestimmen den Drehimpuls ~J des Gesamtsystems, das aus den
i Der Hamilton-Operator (5.190) hat dieselbe Form wie Gleichung (5.220) und die entsprechende Schrodinger-
Gleichung kann analog wie das Wasserstoffatom im Magnetfeld in Unterkapitel 5.7.2 behandelt werden
Vorlesungsskript PCIII
5-34 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
zwei Teilsystemen besteht. Der Gesamtdrehimpuls ~J lasst sich durch Addition der Vektoren ~j1
und ~j2 bestimmen:
~J = ~j1 + ~j2 . (5.191)
Beispiele:
• ~j1: Bahndrehimpuls eines Elektrons |j1,m1〉 = |l,ml〉~j2: Spindrehimpuls eines Elektrons |j2,m2〉 = |s,ms〉~J : Gesamtdrehimpuls eines Elektrons |J,M〉 = |j,mj〉
• ~j1: Protonenspin im Wasserstoffatom |j1,m1〉 = |I,MI〉~j2: Elektronenspin im Wasserstoffatom |j2,m2〉 = |S,MS〉~J : Gesamtspindrehimpuls des Wasserstoffatoms |J,M〉
Da allerdings die drei Komponenten der Vektoren ~j1, ~j2 und ~J nicht gleichzeitig genau bestimmt
werden konnen, erfolgt die Vektoraddition in der Quantenmechanik mit speziellen Regeln, die
wir in diesem Unterkapitel kennenlernen werden.
Zwei Grenzfalle sind wichtig:
• Im ersten Grenzfall wechselwirken die zwei Teilsysteme nicht. ~j1 und ~j2 sind unabhangig
voneinander und man spricht von der ungekoppelten Darstellung der Vektoraddition.
Bei dieser Darstellung sind j1, m1, j2, m2 und M definiert (M = m1 + m2, siehe Abbil-
dung 5-13). J dagegen ist nicht eindeutig definiert, da die Lange des Additionsvektors von
den Positionen der Vektoren ~j1 und ~j2 auf dem gepunkteten Kreis abhangt. Die”guten“
Quantenzahlen sind daher j1, m1, j2 und m2 und als Basisfunktionen kommen folgende
Funktionen in Frage:
|j1,m1, j2,m2〉 = |j1,m1〉 |j2,m2〉 . (5.192)
• Im anderen Grenzfall wechselwirken die zwei Teilsysteme stark. ~j1 und ~j2 sind gekoppelt
und man spricht von der gekoppelten Darstellung. Die Wechselwirkung der magnetischen
Dipolmomente ~µ1 und ~µ2 induziert eine Prazession der Drehimpulsvektoren ~j1 und ~j2 um
eine gemeinsame Drehachse (siehe Abbildung 5-14).
In der gekoppelten Darstellung sind die Quantenzahlen j1, j2, M und J , nicht aber m1
und m2, definiert. Als Basisfunktionen kommen daher
|j1, j2, J,M〉 (5.193)
in Frage.
Vorlesungsskript PCIII
5.7 Die Addition von Drehimpulsen 5-35
m1~j1
m2
~j2M~J
z
y
x
Abbildung 5-13: Ungekoppelte Darstellung der
Drehimpulsaddition.
m01
m02
m1
~j1
m2
~j2 M~J
Präzessionsachsez
y
x
Abbildung 5-14: Gekoppelte Darstellung der Dre-
himpulsaddition.
~J erhalt man aus der Vektoraddition von ~j1 und ~j2:
~J = ~j1 + ~j2 Jx = j1x + j2x, Jy = j1y + j2y, ... (5.194)
Es stellt sich die Frage, ob der Vektor ~J = ~j1 + ~j2 ebenfalls die Vertauschungsrelationen eines
Drehimpulses erfullt, und was die entsprechenden Quantenzahlen J und M betragen.
Wir beweisen zuerst, dass ~J ein Drehimpuls ist, d.h. wir zeigen, dass die Vertauschungsrelatio-
nen (5.44) und (5.45) erfullt sind:[Jx, Jy
]=[j1x + j2x, j1y + j2y
]=[j1x, j1y
]︸ ︷︷ ︸
i ~ j1z
+[j1x, j2y
]︸ ︷︷ ︸
0
+[j2x, j1y
]︸ ︷︷ ︸
0
+[j2x, j2y
]︸ ︷︷ ︸
i ~ j2z
= i ~(j1z + j2z
)= i ~ Jz q.e.d. (5.195)[
J2, Jz
]=
[(j1x + j2x
)2+(j1y + j2y
)2+(j1z + j2z
)2, j1z + j2z
]=[j21 + j22 + 2(~j1 · ~j2), j1z + j2z
]= 2
[j1xj2x, j1z + j2z
]︸ ︷︷ ︸−i~j1y j2x−i~j1xj2y
+2[j1y j2y, j1z + j2z
]︸ ︷︷ ︸
i~j1xj2y+i~j1y j2x
= 0 q.e.d. (5.196)
~J ist also ein Drehimpuls. Es gilt daher:
J2 Ψ = ~2J(J + 1)Ψ (5.197)
Jz Ψ = ~M Ψ . (5.198)
Die moglichen Werte der Quantenzahlen J und M , die aus der Addition von ~j1 und ~j2 resul-
tieren, konnen wie folgt bestimmt werden.
Vorlesungsskript PCIII
5-36 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Zuerst zeigen wir, dass Jz, J2, j21 und j22 alle paarweise vertauschen:[
Jz, j21
]=[j1z + j2z, j
21x + j21y + j21z
]=[j1z, j
21x + j21y + j21z
]=[j1z, j
21
]= 0 , (5.199)[
Jz, j22
]= 0 , (5.200)[
J2, j21
]=[j21 + j22 + 2(~j1 · ~j2), j21
]=[j21 , j
21
]︸ ︷︷ ︸
0
+[j22 , j
21
]︸ ︷︷ ︸
0
+ 2[j1xj2x, j
21
]︸ ︷︷ ︸
0
+ 2[j1y j2y, j
21
]︸ ︷︷ ︸
0
+ 2[j1z j2z, j
21
]︸ ︷︷ ︸
0
= 0 , (5.201)
[J2, j22
]= 0 . (5.202)
Daraus konnen zwei Folgerungen gezogen werden:
Folgerung 1: Die Operatoren Jz, J2, j21 und j22 besitzen eine gemeinsame Basis von Eigenvek-
toren.
Folgerung 2: Die entsprechenden vier Observablen konnen gleichzeitig genau bestimmt wer-
den.
Die gemeinsame Basis wird in Diracscher Schreibweise geschrieben:
|j1, j2, J,M〉 (gekoppelte Darstellung) . (5.203)
Es gibt eine alternative Basis, denn j21 , j22 , j1z und j2z vertauschen auch alle paarweise:
|j1,m1, j2,m2〉 = |j1,m1〉 |j2,m2〉 (ungekoppelte Darstellung) . (5.204)
Beide Satze von Basisfunktionen spannen denselben Vektorraum auf. Sie sind durch eine unitare
Transformation miteinander verknupft:
|j1, j2, J,M〉 =∑
j1,m1,j2,m2
c (j1,m1, j2,m2, J,M)︸ ︷︷ ︸Clebsch-Gordan-Koeffizienten
|j1,m1, j2,m2〉 . (5.205)
Die Koeffizienten c(j1,m1, j2,m2, J,M) in dieser linearen Relation werden als Clebsch-Gordan-
Koeffizienten bezeichnet. Formeln zur Berechnung dieser Koeffizienten und numerische Werte
sind in Referenzbuchern tabelliert [siehe z.B. Zare (1988), Condon und Shortley (1935) oder
Landau und Lifschitz (1988)].
Aus den Vektoradditionsdiagrammen in den Abbildungen 5-13 und 5-14 sieht man leicht, dass
M = m1 +m2 . (5.206)
Der Wert von M folgt daher aus den Werten von m1 und m2.
Vorlesungsskript PCIII
5.7 Die Addition von Drehimpulsen 5-37
Wir bestimmen jetzt die moglichen J-Werte anhand eines konkreten Beispiels :
Teilsystem 1:j1 = 1
m1 = −1, 0, 1
}drei Funktionen |j1 m1〉
Teilsystem 2:j2 = 2
m2 = −2,−1, 0, 1, 2
}funf Funktionen |j2 m2〉
Der Vektorraum ist 15-dimensional ((2j1+1)×(2j2+1)). Es gibt deshalb 15 Basisfunktionen
|j1,m1, j2,m2〉 = |j1,m1〉|j2,m2〉 in der ungekoppelten Darstellung und demzufolge auch
15 Basisfunktionen |j1, j2, J,M〉 in der gekoppelten Darstellung.
In einer Tabelle bestimmen wir alle moglichen M -Werte, die aus den Werten von m1 und
m2 gemass Gleichung (5.206) resultieren.
m1︷ ︸︸ ︷M −1 0 1
m2
︷︸︸
︷ −2 −3 −2 −1
−1 −2 −1 0
0 −1 0 1
1 0 1 2
2 1 2 3
(5.207)
Man zahlt in (5.207), wieviele Male die moglichen M -Werte vorkommen.
M −3 −2 −1 0 1 2 3
Anzahl Vorkommen 1 2 3 3 3 2 1(5.208)
Der maximale M -Wert ist Mmax = 3. Da J > M sein muss und ein Drehimpulsvektor
mit J > 3 auch M > 3 Projektionen haben muss, kann man schliessen, dass aus der
Addition von ~j1 und ~j2 auf jeden Fall J = 3 resultiert mit den moglichen M -Werten
(−3,−2,−1, 0, 1, 2, 3). Wir streichen diese M -Werte aus der Tabelle (5.208) und erhalten
die Tabelle (5.209):
M −2 −1 0 1 2
Anzahl Vorkommen 1 2 2 2 1(5.209)
Der maximale Wert der ubriggebliebenen M -Werte ist M ′max = 2 und daher ein Drehimpuls
mit J = 2 aus der Addition von ~j1 und ~j2 resultieren muss mit den moglichen M -Werten
(−2,−1, 0, 1, 2). Nach Elimination dieser Werte aus der Tabelle (5.209) erhalt man die
Tabelle (5.210):
M −1 0 1
Anzahl Vorkommen 1 1 1(5.210)
mit M ′′max = 1, was J = 1 entspricht.
Vorlesungsskript PCIII
5-38 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
Aus der Addition von ~j1 und ~j2 resultieren also Vektoren ~J mit Quantenzahlen J = 3, 2, 1.
Diese Prozedur lasst sich leicht verallgemeinern. Der maximale J-Wert muss
Jmax = j1 + j2 (5.211)
sein. Die Anzahl J-Werte ist gleich der Anzahl Nullen in der Tabelle (5.207), und die
moglichen J-Werte sind
J = j1 + j2, j1 + j2 − 1, ..., |j1 − j2| . (5.212)
Zusammenfassung
Die Addition von zwei Drehimpulsvektoren ~j1 und ~j2 mit den Drehimpulsquantenzahlen j1, m1,
j2 und m2 ergibt einen Drehimpulsvektor ~J mit den Quantenzahlen J und M , deren Werte aus
den Werten von j1, m1, j2 und m2 wie folgt bestimmt werden konnen:
J = j1 + j2, j1 + j2 − 1, ..., |j1 − j2| (5.213)
M = m1 +m2 . (5.214)
Beispiel : Aus j1 = 3 und j2 = 4 ergeben sich insgesamt (7×9) = 63 Basisfunktionen in der
ungekoppelten Darstellung und ebenso viele in der gekoppelten Darstellung. Die moglichen
J-Werte sind also
J = 7 , 6 , 5 , 4 , 3 , 2 , 1.
Da jeder Drehimpulsvektor mit Quantenzahl J 2J + 1 mogliche M -Werte hat gibt es
15 + 13 + 11 + 9 + 7 + 5 + 3 = 63 Basisfunktionen in der
gekoppelten Darstellung.
5.7.1 Drehimpulsaddition und Atomterme
Bei leichten Elementen erfolgt die Drehimpulsaddition in der sogenannten LS- oder Russell-
Saunders-Kopplung. Die elektrostatische Wechselwirkung fuhrt zu einer starken Kopplung der
Bahndrehimpulse ~li der Elektronen gemass
~L =∑i
~li (5.215)
und dieselbe Wechselwirkung inklusive Austauschwechselwirkung fuhrt zu einer starken Kopp-
lung der Elektronenspins gemass
~S =∑i
~si . (5.216)
Vorlesungsskript PCIII
5.7 Die Addition von Drehimpulsen 5-39
Der Gesamtbahndrehimpuls ~L wechselwirkt dann schwacher mit dem Gesamtspindrehimpuls~S, so dass der Gesamtdrehimpuls ~J des Atoms (ohne Kernspin) aus der Addition
~J = ~L+ ~S (5.217)
resultiert. Die Zustande werden in der gekoppelten Darstellung gemass Gleichung (5.193) durch
die Quantenzahlen L, S, J und MJ dargestellt
|L, S, J,MJ〉 . (5.218)
Die moglichen Energiezustande eines Atoms werden durch Angabe der Elektronenkonfiguration
und eines Termsymbols
2S+1LJ (5.219)
bezeichnet, das eine kompakte Schreibweise fur die LS-Kopplung darstellt.i Die Quantenzahl
MJ stellt die Orientierung von ~J im Raum dar und entspricht der Projektion Jz = ~MJ von ~J
auf die z-Achse. Im feldfreien Raum hangt die Energie nicht von MJ ab; deshalb erscheint die
Quantenzahl MJ nicht im Termsymbol.
Beispiel : Terme der Grundzustandskonfiguration von 12C:
Wir betrachten das Atom 12C im Grundzustand. Die Elektronenkonfiguration ist
12C: (1s)2 (2s)2 (2p)2 .
Alle vollen Unterschalen konnen vernachlassigt werden. Von Relevanz ist daher nur die
Unterschale (2p)2. Fur den Grundzustand gilt (siehe Kapitel ??)
L = 1
S = 1
}J = 2, 1, 0 .
Die Grundzustandskonfiguration hat also drei Terme mit den Termsymbolen
3P2,3P1,
3P0 .
Kapitel 6 enthalt eine ausfuhrliche Behandlung der Drehimpulsaddition in Atomen und von
Atomtermen.
5.7.2 Das Wasserstoffatom im Magnetfeld
Wir betrachten ein Wasserstoffatom (Proton und Elektron) in einem Magnetfeld ~B = (0, 0, B).
Die Wechselwirkungen zwischen dem Kernspin, dem Elektronenspin und dem Magnetfeld sind
i Fur die L-Werte gelten die folgenden Bezeichnungen: S fur L = 0; P fur L = 1; D fur L = 2; F fur L = 3; G
fur L = 4, und alphabetisch weiter.
Vorlesungsskript PCIII
5-40 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
im Grundzustand des Wasserstoffatoms (1s)1 2S1/2 durch den folgenden Hamilton-Operator
charakterisiert:
Hmagn = −
γ︷ ︸︸ ︷geµB
~Sz B︸ ︷︷ ︸
e−-Spin-
Zeeman-WW
− γH Iz B︸ ︷︷ ︸H+-Spin-
Zeeman-WW
+ a ~S · ~I︸ ︷︷ ︸e−-Spin-
H+-Spin-WW
(Hyperfein-WW)
. (5.220)
Der erste Term entspricht der Elektronenspin-Zeeman-Wechselwirkung, der zweite der Kernspin-
Zeeman-Wechselwirkung. Der Bahndrehimpuls kommt in (5.220) nicht vor, weil das Elektron in
einem 1s-Orbital mit l = 0 ist. Der Term a ~S · ~I stellt die magnetische Wechselwirkung zwischen
dem Kern- und Elektronenspin dar:
a ~S · ~I = a[SxIx + Sy Iy + Sz Iz
]. (5.221)
Diese Wechselwirkung ist schwach und wird als Hyperfeinwechselwirkung bezeichnet. Wenn
der Term a ~S · ~I klein ist im Vergleich zur Elektronenspin-Zeeman-Wechselwirkung (was im
Grenzfall B → ∞ zutrifft), sind die Kernspin- und Elektronenspin-Drehimpulse nur schwach
gekoppelt und es ist zweckmassig, in der ungekoppelten Darstellung |S,MS〉|I,MI〉 zu arbeiten.
Im Fall des Wasserstoffatoms im (1s)1 2S1/2-Grundzustand lautet die Basis
|S, MS〉 |I, MI〉
|1/2, 1/2〉 |1/2, 1/2〉 = |αα〉|1/2, 1/2〉 |1/2, −1/2〉 = |αβ〉|1/2, −1/2〉 |1/2, 1/2〉 = |β α〉|1/2, −1/2〉 |1/2, −1/2〉 = |β β〉 .
(5.222)
Die Matrix H kann wie folgt in dieser Basis aufgestellt werden:
• Sz Iz:
Sz|αα〉 = ~2|αα〉
Sz|αβ〉 = ~2|αβ〉
Sz|β α〉 = −~2|β α〉
Sz|β β〉 = −~2|β β〉
Sz =~2
Sz |αα〉 |αβ〉 |β α〉 |β β〉〈αα| 1 0 0 0
〈αβ| 0 1 0 0
〈β α| 0 0 −1 0
〈β β| 0 0 0 −1
= S(S)
z ⊗ E(I)I
= S(1/2)z ⊗ E(1/2)
I =~2
(1 0
0 −1
)⊗
(1 0
0 1
)(5.223)
Gleichung (5.223) entspricht dem direkten Produkt S(1/2)z ⊗ E(1/2)
I der Matrizen S(1/2)z und E
(1/2)I .
Ein direktes Produkt wird so berechnet, indem jedes Element der ersten Matrix (S(1/2)z ) mit
der gesamten zweiten Matrix multipliziert wird (siehe Anhang C, Abschnitt C.3.5).
Vorlesungsskript PCIII
5.7 Die Addition von Drehimpulsen 5-41
Iz|αα〉 = ~2|αα〉
Iz|αβ〉 = −~2|αβ〉
Iz|β α〉 = ~2|β α〉
Iz|β β〉 = −~2|β β〉
Iz = E(1/2)S ⊗ I(1/2)z =
~2
(1 0
0 1
)⊗
(1 0
0 −1
)
=~2
1 0 0 0
0 −1 0 0
0 0 1 0
0 0 0 −1
(5.224)
Sz Iz = S(1/2)z ⊗ I(1/2)z =
~2
4
1 0 0 0
0 −1 0 0
0 0 −1 0
0 0 0 1
(5.225)
Die Matrix fur Sz Iz kann auch als direktes Produkt der Matrizen S(1/2)z und I
(1/2)z bestimmt
werden.
• SxIx:
Sx|αα〉 =1
2
(S+ + S−
)|αα〉
=S−2|αα〉 =
~2|β α〉 (5.226)
Sx|αβ〉 =~2|β β〉 (5.227)
Sx|β α〉 =1
2
(S+ + S−
)|β α〉
=S+
2|β α〉 =
~2|αα〉 (5.228)
Sx|β β〉 =~2|αβ〉 (5.229)
Sx = S(1/2)x ⊗ E(1/2)
I =~2
0 0 1 0
0 0 0 1
1 0 0 0
0 1 0 0
(5.230)
Ix = E(1/2)S ⊗ I(1/2)x =
~2
0 1 0 0
1 0 0 0
0 0 0 1
0 0 1 0
(5.231)
Sx Ix = S(1/2)x ⊗ I(1/2)x =
~2
4
0 0 0 1
0 0 1 0
0 1 0 0
1 0 0 0
(5.232)
Vorlesungsskript PCIII
5-42 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
• Sy Iy:
Sy = S(1/2)y ⊗ E(1/2)
I =~2
0 0 −i 0
0 0 0 −i
i 0 0 0
0 i 0 0
(5.233)
Iy = E(1/2)S ⊗ I(1/2)y =
~2
0 −i 0 0
i 0 0 0
0 0 0 −i
0 0 i 0
(5.234)
Sy Iy = S(1/2)y ⊗ I(1/2)y =
~2
4
0 0 0 −1
0 0 1 0
0 1 0 0
−1 0 0 0
(5.235)
Mit den Gleichungen (5.223) bis (5.235) erhalt man nun fur Hmagn
Hmagn = − ~2γ B︸ ︷︷ ︸
12ge µBB
1 0 0 0
0 1 0 0
0 0 −1 0
0 0 0 −1
− ~2γHB
1 0 0 0
0 −1 0 0
0 0 1 0
0 0 0 −1
+~2 a
4
1 0 0 0
0 −1 2 0
0 2 −1 0
0 0 0 1
=
−~
2(γ + γH)B + ~2
4a 0 0 0
0 −~2
(γ − γH)B − ~2
4a ~2
2a 0
0 ~2
2a ~
2(γ − γH)B − ~2
4a 0
0 0 0 ~2
(γ + γH)B + ~2
4a
.
(5.236)
In Gleichung (5.236) ist µB = e~2me
das Bohrsche Magneton. Die Energieeigenwerte sind die
Eigenwerte der (4× 4)-Matrix (5.236)
E1 = −~2
(γ + γH)B +~2
4a , ϕ1 = |αα〉 (5.237a)
E2 = −~2
4a+
√(~2
(γ − γH)B
)2
+
(~22a
)2
, ϕ2 = c1|αβ〉+ c2|βα〉 (5.237b)
E3 = −~2
4a−
√(~2
(γ − γH)B
)2
+
(~22a
)2
, ϕ3 = −c2|αβ〉+ c1|βα〉 (5.237c)
E4 =~2
(γ + γH)B +~2
4a , ϕ4 = |ββ〉 (5.237d)
mit a~2/h = 1420.406 MHz, ~2γ/h = 1
2geµB/h = −14.012 477 GHz T−1 und ~
2γH/h =
12gpµN/h = 21.2887 MHz T−1 . Die vier Energieniveaus werden als Funktion von B in Abbil-
dung 5-15 aufgetragen. Auf der rechten Seite der Abbildung werden die entsprechenden Eigen-
funktionen angegeben. Wahrend die Zustande |αα〉 und |ββ〉 Eigenzustande von Hmagn mit den
Energien E1 und E4 sind, fuhrt die Hyperfeinwechselwirkung dazu, dass die Zustande mit den
Vorlesungsskript PCIII
5.7 Die Addition von Drehimpulsen 5-43
Energien E2 und E3 Mischungen von |αβ〉 und |βα〉 sind. Bei hohen Feldstarken ist der Term
a ~S · ~I klein im Vergleich zu den Zeeman-Termen und die durch die Hyperfeinwechselwirkung
hervorgerufene Mischung von |αβ〉 und |βα〉 wird unbedeutend, d. h., der Koeffizient c1 wird
viel grosser als der Koeffizient c2 und die Eigenfunktionen ϕ2 und ϕ3 sind den Basisfunktionen
|αβ〉 bzw. |βα〉 sehr ahnlich. In diesem Fall sieht man sofort, dass die ungekoppelte Darstel-
lung eine gute Basis fur die Beschreibung des Problems darstellt (Hmagn ist annahernd schon
in Diagonalform).
Tabelle 5.2: Auflistung der vier Energieniveaus des Wasserstoffatoms in der Grundzustandskonfiguration (1s)1
beschrieben durch den Hamilton-Operator in Gleichung (5.220). Die Energien werden durch die Gleichungen
(5.237a) bis (5.237d) beschrieben und fur die magnetischen Feldstarken B = 0 T und B = 1 T berechnet.
iEi(B = 0 T)
h
/GHz
Ei(B = 1 T)
h
/GHz
1 0.355 14.346
2 0.355 13.697
3 −1.065 −14.407
4 0.355 −13.636
Die Ubergange
ϕ2 → ϕ1 (hν12 = E1 − E2) (5.238)
und
ϕ3 → ϕ4 (hν34 = E4 − E3) (5.239)
entsprechen Kernspinubergangen, welche im Bereich von etwa 4 · 107 Hz bis 109 Hz (je nach
Feldstarke) liegen und in der NMR untersucht werden. Die Ubergange
ϕ3 → ϕ1 (hν13 = E1 − E3) (5.240)
und
ϕ4 → ϕ2 (hν24 = E2 − E4) (5.241)
dagegen entsprechen Elektronenspinubergangen und werden in der EPR (ESR) untersucht (ty-
pischer Frequenzbereich 1 GHz bis 100 GHz). Diese Ubergange werden schematisch in Abbil-
dung 5-16 gezeigt.
Gleichung (5.220) konnte auch in der gekoppelten Darstellung ausgewertet werden. Da in dieser
Darstellung MS und MJ nicht definiert sind, sind die Basisfunktionen
|S, I, J,MJ〉.
In dieser Darstellung sind die zwei ersten Terme von H in (5.220) (γBSz und γHBIz) nicht mehr
diagonal. Dafur ist der Term a ~S·~I, der fur die Kopplung der Elektron- und Kernspindrehimpulse
Vorlesungsskript PCIII
5-44 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
verantwortlich ist, diagonal.
Beweis:
~J = ~S + ~I (5.242)
~J2 = ~S2 + ~I2 + 2 ~S · ~I. (5.243)
Daraus folgt:
~S · ~I |S, I, J,MJ〉 =~2
2(J(J + 1)− S(S + 1)− I(I + 1)) |S, I, J,MJ〉. (5.244)
Die gekoppelte Darstellung ist im Grenzfall B → 0 besonders nutzlich, da in diesem Fall Hmagn
diagonal ist. Die drei Zustande |S, I, J,MJ〉 = |1/2, 1/2, 1, 1〉, |1/2, 1/2, 1, 0〉 und |1/2, 1/2, 1,−1〉sind fur B = 0 entartet und haben gemass Gleichung (5.244) die Eigenenergien 1
4a~2. Der vierte
Zustand |1/2, 1/2, 0, 0〉 hat fur B = 0 die Eigenenergie −34a~2.
Die Energieeigenwerte zwischen den zwei Grenzfallen der gekoppelten Darstellung (fur B = 0)
und der ungekoppelten Darstellung (B →∞) werden in Abbildung 5-15 aufgetragen. Eine sol-
che Auftragung ermoglicht es, zwischen zwei Grenzfallen zu interpolieren (d. h. die Zustande von
einem Grenzfall zum anderen zu”korrelieren“) und wird als Korrelationsdiagramm bezeichnet.
In der Anwesenheit eines Magnetfeldes ist J keine gute Quantenzahl mehr (siehe Tabelle 3.1
in Kapitel 3). Die einzige gute Quantenzahl ist in diesem Fall M . Ein Korrelationsdiagramm
wird so aufgestellt, dass Zustande mit denselben Werten aller guten Quantenzahlen sich nicht
kreuzen.
Vorlesungsskript PCIII
5.7 Die Addition von Drehimpulsen 5-45
E
h
/
GHz
10
−10
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0
B /T
M = 1: |αα〉
M = 0: c1|αβ〉+ c2|βα〉
|c1| >> |c2|
M = −1: |ββ〉
M = 0: −c2|αβ〉 + c1|βα〉
|c1| >> |c2|
J = 1 und M = 0,±1
J = 0 und M = 0
E1(B)
E2(B)
E3(B)
E4(B)
M = 1
M = 0
M = −1
M = 0
Abbildung 5-15: Energien und Eigenfunktionen von Hmagn (Gleichung (5.220)) (beschrieben durch die Glei-
chungen (5.237a) bis (5.237d)) des Wasserstoffatoms im (1s)1-Grundzustand im Magnetfeld in Abhangigkeit
der magnetischen Feldstarke B im Bereich zwischen 0 T und 1 T. Ein Diagramm, in dem die Energiezustande
zwischen zwei Grenzsituationen als Funktion eines Systemparameters (hier B) aufgetragen werden, wird auch
Korrelationsdiagramm genannt. In diesem Fall stellen die beiden Grenzsituationen den schwach gekoppelten
Fall bei grossem B (die Hyperfeinwechselwirkung a ~S · ~I ist dann viel kleiner als die Wechselwirkungen der
Spins mit dem Magnetfeld; rechte Seite der Abbildung) und den stark gekoppelten Fall bei B = 0 (dann ist
nur noch die Hyperfeinwechselwirkung relevant; linke Seite der Abbildung). Die Quantenzahl M ist die einzige
Quantenzahl, welche uberall im Korrelationsdiagramm definiert ist. Die Zustande mit M = ±1 (|αα〉 und |ββ〉mit den Energien E1 und E4) spalten linear mit dem Magnetfeld auf. Die Zustande mit M = 0 hingegen werden
gemischt, d. h. die Wellenfunktionen dieser Zustande bilden eine Linearkombination aus den Basisfunktionen
|αβ〉 und |βα〉. Man erkennt aus den Gleichungen (5.237b) und (5.237c) fur die Energien E2 und E3, dass die
Energien der Zustande mit M = 0 sich nicht linear zur magnetischen Feldstarke B verhalten.
Vorlesungsskript PCIII
5-46 5 Drehimpulse in der Quantenmechanik
E
h
/
GHz
14.5
14.0
13.5
−13.5
−14.0
−14.5
650 700 750
27.0 27.5 28.0 28.5 29.0
ν /MHz
ν /GHz
NMR
NMR
EPR
EPR
NMR
(a)
(b)
(c)
E1; |αα〉
E2; c1|αβ〉+ c2|βα〉
|c1| >> |c2|
E4; |ββ〉
E3; −c2|αβ〉 + c1|βα〉
|c1| >> |c2|
Abbildung 5-16: (a) Darstellung der Energien der Eigenzustande (beschrieben durch die Gleichungen (5.237a)
bis (5.237d)) des Wasserstoffatoms im (1s)1-Grundzustand im Magnetfeld der Feldstarke von B = 1 T (sie-
he auch Abbildung 5-15). Die gestrichelten (gestrichpunkteten) Linien entsprechen Elektronenspinubergangen
(Kernspinubergangen), wie sie in der EPR-Spektroskopie (NMR-Spektroskopie) untersucht werden. Darstellung
der Kernspinubergange (b) und der Elektronenspinubergange (c) im (1s)1-Grundzustand des Wasserstoffatoms
bei einer magnetischen Feldstarke von B = 1 T. Das Gesamtspektrum besteht aus zwei Dubletten.
Vorlesungsskript PCIII