Vorlesung im WS 2014/15
Lernen und Gedächtnis
Prof. Dr. Thomas Goschke
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Professur Allgemeine Psychologie
Prof. Dr. Thomas Goschke
Zellescher Weg 17 (BZW, 3. Etage)
Sekretariat: Frau Wobst
Tel. 0351-463-34695
E-Mail: [email protected]
http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_mathematik_und_naturwissenschaften/fachrichtung_psychologie/i1/allgpsy
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l Modul Allgemeine Psychologie I (1. + 2. Semester)
l Modul Allgemeine Psychologie II (3. + 4 Semester)
• Lernen und Gedächtnis
• Motivation, Emotion, Handeln
l Modul Kognitive Neurowissenschaften (5. + 6. Sem.)
(zusammen mit den Professuren Biopsych., Persönlichkeitspsych., Entwicklungspsych. und Neuroimaging)
Allgemeine Psychologie im Bachelor-Studium
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Prüfungsrelevanz
Informationen zur Modulprüfung und zur Prüfungsliteratur Webseiten der Professur für Allgemeine Psychologie
Literaturangaben auf den Folien zu einzelnen Experimenten diene als Quellenangaben; Sie müssen diese Texte NICHT alle lesen!
Powerpointpräsentationen der Vorlesung zum Download: Website der Professur für Allgemeine Psychologie Link „Lehre“ Passwort: yromem
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Lehrbuchempfehlungen
Gluck, M.A., Mercado, E. & Myers, C.E. (2010). Lernen und Gedächtnis. Vom Gehirn zum Verhalten. Heidelberg: Spektrum Verlag.
Mazur, J.E. (2006). Lernen und Verhalten (6. Auflage). München: Pearson Studium. Kapitel 1-2, 3 (ohne 3.6.3), 4-10, 12, 14-15.
Eysenck, M.W. & Keane, M. (2010). Cognitive psychology: A student‘s handbook (6th Ed.). Hove: Psychology Press. (Kap. 6 – 8).
Gazzaniga, M., Ivry, R. & Mangun, R. (2013). Cognitive neuroscience. The biology of the mind (4th ed.). Norton. Kapitel 8: Learning and memory.
• Die Vorlesung ersetzt nicht das Studium der Prüfungsliteratur! • Die Vorlesung geht an einigen Stellen über die Prüfungsliteratur hinaus! • Es ist davon abzuraten, lediglich die Folien zu studieren, ohne die Vorlesung
zu besuchen! 5
Gliederung der heutigen Vorlesung
Bedeutung von Lernen und Gedächtnis
Definition von Lernen und Gedächtnis
Eine kurze Geschichte der Gedächtnisforschung: Forschungsansätze und Paradigmen
Forschungsfragen der Gedächtnispsychologie
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Bedeutung von Lernen und Gedächtnis
"Das Gedächtnis verbindet die zahllosen Einzelphänomene zu einem Ganzen. Und wie unser Leib in unzählige Atome zerstieben müsste, wenn nicht die Attraktion der Materie ihn zusammenhielte, so zerfiele ohne die bindende Macht des Gedächtnisses unser Bewusstsein in so viele Splitter, als es Augenblicke zählt“
Ewald Hering (1870)
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Bedeutung von Lernen und Gedächtnis
Ein Leben ohne Gedächtnis
Clive Wearing (Musiker und Experte für alte Musik in Cambridge)
Aufgrund Hirnschädigung fast vollständiger Gedächtnisverlust (Amnesie)
Keine Erinnerung an Ereignisse, die länger als einige Minuten zurückliegen; kann große Teile seiner Autobiografie nicht mehr erinnern
Lebt in permanenter Gegenwart („Ich bin gerade eben aus einer völligen Bewusstlosigkeit erwacht“)
Clive Wearing with his wife, Deborah
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Bedeutung von Lernen und Gedächtnis Angeborenes vs. erlerntes Verhalten
Angeborene Reflexe und Instinkte
• Evolutionär entstandene Verhaltensprogramme, die durch spezifische Reizbedingungen ausgelöst werden (z.B. Saugreflex, Lidschlagreflex)
• Vorteil: Adaptation an stabile Umweltbedingungen
• Nachteil: Keine Anpassung an neue oder veränderliche Umweltbedingungen
Lernen und Gedächtnis
• Erfahrungsabhängige Veränderung von Reaktionsdispositionen
• Erwerb von inneren Repräsentationen der Umwelt und der Effekte des eigenen Verhaltens
• Anpassung an veränderliche Bedingungen und Antizipation zukünftiger Ereignisse
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Bedeutung von Lernen und Gedächtnis Das Gedächtnis ist von essentieller Bedeutung für menschliches
Verhalten und Erleben
Bedeutung für adaptives Verhalten
• Erwerb von Wissen und Fertigkeiten
• flexible Anpassung an neue Umweltbedingungen
• Interpretation von Objekten und Ereignissen im Lichte früherer Erfahrungen
• Antizipation von zukünftigen Ereignisse und Folgen des eigenen Handelns
• Persönliche Identität und kohärentes Selbst
• Kulturelle und technologische Entwicklung
Bedeutung für das Verständnis von dysfunktionalem Verhalten und psychischen Störungen
• Erlernte inadäquate oder unerwünschte Gewohnheiten
• Konditionierte phobische Reaktionen
• Intrusive Erinnerungen bei posttraumatischer Belastungsstörung
• Lernabhängige Veränderungen des Belohnungssystem bei Drogensucht
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Die Vielfalt des Gedächtnisses…
sich an das Gesicht eines Freundes erinnern
eine vor Jahren gehörte Melodie erinnern
sich an das gestrige Abendessen erinnern
Spanisch lernen
Wissen, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist
die mathematischen Grundlagen der Quantenphysik kennen
Klavier oder Tennis spielen
Fahrradfahren
Automatisch vor einer roten Ampel bremsen
Die Katze, die beim Geräusch des Dosenöffners angerannt kommt
Der am Tisch bettelnde Hund
sich noch Jahre nach einem Unfall beim Klang einer Polizeisirene erschrecken
Beim Klang eines Zahnarztbohrers zusammenzucken
Eine Telefonnummer im Kopf behalten
Im Kopf 49 x 23 rechnen
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Die Vielfalt des Gedächtnisses…
sich an das Gesicht eines Freundes erinnern
eine vor Jahren gehörte Melodie erinnern
sich an das gestrige Abendessen erinnern
Spanisch lernen
Wissen, dass Paris die Hauptstadt von Frankreich ist
die mathematischen Grundlagen der Quantenphysik kennen
Klavier oder Tennis spielen
Fahrradfahren
Automatisch vor einer roten Ampel bremsen
Die Katze, die beim Geräusch des Dosenöffners angerannt kommt
Der am Tisch bettelnde Hund
sich Jahre nach einem Unfall beim Klang einer Polizeisirene erschrecken
Beim Klang eines Zahnarztbohrers zusammenzucken
Eine Telefonnummer im Kopf behalten
Im Kopf 49 x 23 rechnen
Episodisches G.
Semantisches G.
Prozedurales G.
Emotionales G.
Klassisches u.
operantes
Konditionieren
Kurzzeit- oder
Arbeitsged.
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Definition von Lernen und Gedächtnis
Eine Arbeitsdefinition
Von Gedächtnis kann gesprochen werden, wenn Erfahrungen, die ein Lebewesen
macht, zu relativ dauerhaften Veränderungen in seinem Nervensystem führen, die
sich in Veränderungen von Dispositionen des Verhaltens, der Wahrnehmung oder des
Erlebens äußern und die im weitesten Sinn als Erwerb oder Modifikation von
Information oder Wissen betrachtet werden können.
(Goschke, 1996, S. 359)
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Definition von Lernen und Gedächtnis
Eine Arbeitsdefinition
Von Gedächtnis kann gesprochen werden, wenn Erfahrungen, die ein Lebewesen
macht, zu relativ dauerhaften Veränderungen in seinem Nervensystem führen, die
sich in Veränderungen von Dispositionen des Verhaltens, der Wahrnehmung oder
des Erlebens äußern und die im weitesten Sinn als Erwerb oder Modifikation von
Information oder Wissen betrachtet werden können.
(Goschke, 1996, S. 359)
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Definition von Lernen und Gedächtnis
Lernen vs. Gedächtnis
Lernen
• Prozesse, die dem erfahrungsabhängigen Erwerb von Wissen oder Fertigkeiten sowie der Veränderung von Verhaltensdispositionen zugrunde liegen
Gedächtnis
• Ergebnisse des Lernens (Erinnerungen, Wissen, Fertigkeiten)
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Definition von Lernen und Gedächtnis
Abgrenzung von anderen Phänomenen
Verhaltensänderungen, die nicht auf Lernen zurückgehen (z.B. Ermüdung, akute Drogenwirkung, Hirnverletzungen)
Reifung: genetisch angelegte Veränderungen des Nervensystems (Bsp.: Myelinisierung von Nervenbahnen)
Prägung: Etablierung von instinktivem Verhalten in kritischen Entwicklungsphasen (Bsp.: Konrad Lorenz‘ Graugänse)
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Forschungsansätze und Paradigmen Beschreibungsebenen
Subjektives Erleben
• Bewusste Erinnerungen
Verhalten
• Fertigkeiten
• Leistungen in Gedächtnistests
Informationsverarbeitung
• Enkodierung, Speicherung, Repräsentation und Abruf von Information
Neuronale Mechanismen
• Neurobiologische Mechanismen des Lernen und Erinnerns
Kulturelles Gedächtnis
• Überindividueller Wissenstransfer (Schule, Studium, Ausbildung) / Bücher, Datenbanken, Internet
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Eine kurze Geschichte der Gedächtnisforschung: Forschungsansätze und Paradigmen
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Philosophische Vorläufer:
Assoziationismus
Aristoteles (384-322 v. Chr.)
• Gedächtnis beruht auf der Verknüpfung von Vorstellungen, Ideen und Wahrnehmungsinhalten
• Gesetze der Assoziationsbildung
Ähnlichkeit
Gegensatz
räumliche oder zeitliche Nähe (Kontiguität)
David Hume (1711-1767)
John Locke (1632-1704)
Britischer Empirismus (Locke; Hume)
• Alles Wissen stammt aus der Erfahrung (Empirie)
• Geist als „tabula rasa“:
• Komplexe Ideen werden durch Assoziationen aus elementaren Ideen aufgebaut
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Assoziationismus in der Psychologie des 19. Jh.
William James (1842-1910)
• „Principles of Psychology“ (1890)
• Unterscheidung zwischen erlernten Gewohnheiten (habits) und bewussten Erinnerungen an Ereignisse
• Gedächtnis als Netzwerk von Assoziationen
Copyright © 2013 by Worth Publishers 23
Assoziationismus in der Psychologie
Assoziationspsychologie des 19. Jh.
• Herbarth; Ebbinghaus; G.E. Müller; Ziehen
• Denken als Abfolge von untereinander assoziativ verknüpften Vorstellungen
Behaviorismus (Watson, Skinner):
• Griff Assoziationismus auf, aber leugnete die Bedeutung innerer (nicht direkt beobachtbarer) geistiger Vorgänge
Neo-Assoziationismus in der Kognitionspsychologie
• Andersons (1983, 1993) ACT-Theorie
• Konnektionismus und künstliche neuronale Netze (Rumelhart & McClelland, 1986; O‘Reilly & Munakata, 2000)
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Forschungsansätze und Paradigmen
Beginn der experimentellen Gedächtnisforschung: Ebbinghaus (1885)
Behaviorismus und verhaltensorientierte Lerntheorien (ca. 1910-1960) [Kognitionspsychologisch orientierte Weiterentwicklungen der Lernforschung bis heute!]
Kognitionspsychologie und Informationsverarbeitung (1950-heute)
Kognitive Neurowissenschaft (1990-heute)
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Die Anfänge der experimentellen Gedächtnisforschung: Hermann Ebbinghaus (1885)
„Psychische Zustände jeder Art, Empfindungen, Gefühle, Vorstellungen, die irgendwann einmal vorhanden waren und dann dem Bewusstsein entschwanden, haben damit nicht absolut aufgehört zu existieren. Obschon der nach innen gewandte Blick sie auf keine Weise mehr finden mag, sind sie doch nicht schlechterdings vernichtet oder annulliert worden, sondern leben in gewisser Weise weiter, aufbewahrt, wie man sagt, im Gedächtnis. Freilich können wir dieses ihr gegenwärtiges Dasein nicht direkt beobachten, aber mit derselben Sicherheit wie die Fortexistenz der Gestirne unter dem Horizont lässt sich auch die ihre erschließen aus den Wirkungen, die davon zu unserer Kenntnis kommen. Diese sind von verschiedener Art.“
Ebbinghaus (1885, S.1): „Über das Gedächtnis“ Ebbinghaus
(1850-1909)
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Ebbinghaus (1885): Unterscheidung verschiedener Gedächtnisformen
„Erstens können wir ... die anscheinend verlorenen Zustände ... durch eine darauf gerichtete Anstrengung des Willens ins Bewusstsein zurückrufen, wir können sie willkürlich Reproduzieren.“
„Zweitens kommt es auch vor, dass ... einmal bewusst gewesene Zustände ... oft, und oft noch nach Jahren, ohne jedes Zuthun des Willens scheinbar von selbst ins Bewusstsein zurück [kehren], sie werden unwillkürlich reproduciert.“
Drittens „geben die entschwundenen Zustände... auch dann noch zweifellose Beweise ihrer dauernden Nachwirkung, wenn sie selber gar nicht, oder wenigstens gerade jetzt nicht, ins Bewusstsein zurückkehren. Die Beschäftigung mit einem gewissen Gedankenkreise erleichtert unter Umständen die spätere Beschäftigung mit einem ähnlichen Gedankenkreise, auch wenn jene erste weder in ihrer Methode noch in ihren Resultaten direkt vor die Seele tritt.“
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Die Experimente von Ebbinghaus (1885)
Erster Versuch der experimentellen Erforschung des Gedächtnisses
N = 1 (Ebbinghaus selbst)
Lernmaterial: sinnlose Silben (ZES POF GEW BIK KAN …)
• Ausschaltung des Einflusses von Bedeutungen u. Vorwissen
Manipulation unabhängiger Variablen (z.B. Menge des Lernmaterials; Zeit zwischen Lernen und Abruf)
Messung der Effekte unabhängiger Variablen auf quantitative Indikatoren der Gedächtnisleistung
• Erlernungsmethode: Anzahl von Lerndurchgängen bis zur Erreichung eines Lernkriteriums
• Ersparnismethode: Reduktion der Zahl notwendiger Lerndurchgänge beim wiederholten Lernen
Ersparnis = Anzahl Lerndurchgänge 1. Lernen / Anzahl Lerndurchgänge 2. Lernen
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Die Experimente von Ebbinghaus (1885)
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Lerndurchgänge bis zum Erreichen eines Lernkriteriums als Funktion der
Reihenlänge
Exponentielle Vergessenskurve (AV = Zeitersparnis beim erneuten Lernen)
Der Beitrag von Ebbinghaus
Nachweis, dass auch „höhere“ geistige Funktionen wie das Gedächtnis experimentell untersucht werden können
Neue Methoden (Reproduktion, Ersparnis)
Entdeckung grundlegender Prinzipien (Vergessensfunktion, Übungseffekte)
Unterscheidung zwischen kurzzeitigem und langzeitigem Behalten
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Verhaltensorientierte Lernpsychologie
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Verhaltensorientierte Lernpsychologie
Dominierte in der ersten Hälfte des 20. Jh.
Historische Einflüsse
• Darwins Evolutionstheorie
Gehirn als Produkt der Evolution; Graduelle Unterschiede zwischen Tier u. Mensch (Homologien zwischen verwandten Arten)
• Aristoteles: Prinzipien d. Assoziation
Kontiguität, Ähnlichkeit, Kontrast
• Empirismus (John Locke; David Hume)
Alles Verhalten ist gelernt; alles Wissen stammt aus Erfahrung (Menschlicher Geist als „tabula rasa“)
• Entdeckung des klassischen und instrumentellen Konditionierens
Pawlow, Thorndike
Ziele und Methoden
• Suche nach universellen (artübergreifenden) Lerngesetzen
• Tierexperimente (Tauben, Ratten)
• Möglichst quantitative Theorien
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Forschungsansätze und Paradigmen Verhaltensorientierte Lernpsychologie
Pawlow (1849-1936)
• Entdecker des bedingten Reflexes und der Klassischen Konditionierung
Thorndike (1874-1949)
• Begründer der Forschung zum instrumentellen Konditionieren („Gesetz des Effekts“)
Skinner (1904-1990)
• Systematische Erforschung des operanten Konditionierens (Lernen durch Belohnung und Bestrafung)
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Iwan Pawlow: Entdeckung des klassischen Konditionierens
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• Frequency: repeated pairings increase the strength of association, with a characteristic learning curve.
• Contiguity: the association between bell and food is extinguished when the bell is presented alone, ending contiguity.
• Similarity: salivation responses will generalize to stimuli similar to the doorbell, though the less similar, the less effective.
Edward Lee Thorndike: Gesetz des Effekts
„Puzzlebox“
© 2008 by Worth Publishers
• Katzen lernten durch Versuch und Irrtum, welches Verhalten die Käfigtür öffnet • Wurde Katze wiederholt in Käfig gesetzt, führte sie das korrekte Verhalten
zunehmend schneller aus • Gesetz des Effekts:
• Verhalten, das zu positiven Konsequenzen führt, wird verstärkt • Verhalten, das bestraft wird, wird abgeschwächt
Thorndikes Doktorarbeit “Animal intelligence: an experimental study of the associative processes in animals”
Burrhus Frederic Skinner: Operantes (instrumentelles) Konditionieren
Ratte kann Hebel drücken (R)
Hinweisreize (Licht, Ton) (S)
Lernen wird experimentell untersucht, indem die Ratte gezielt für bestimmte Handlungen belohnt oder bestraft wird (Futter vs. E-Schock) (C+ vs. C-)
Skinner-Box
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Forschungsansätze und Paradigmen Radikaler Behaviorismus
„Psychologie, wie sie der Behaviorist sieht, ist ein vollkommen objektiver, experimenteller Zweig der Naturwissenschaft. Ihr Ziel ist die Vorhersage und Kontrolle von Verhalten. Introspektion spielt keine wesentliche Rolle in ihren Methoden, und auch der wissenschaftliche Wert ihrer Daten hängt nicht davon ab, inwieweit sie sich zu einer Interpretation in Bewußtseinsbegriffen eignen. Bei dem Bemühen, ein einheitliches Schema der Reaktionen von Lebewesen zu gewinnen, erkennt der Behaviorist keine Trennungslinie zwischen Tier und Mensch an. Das Verhalten des Menschen in all seiner Feinheit und Komplexität macht nur einen Teil der behavioristischen Forschungen aus.“
John Watson, 1913
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Forschungsansätze und Paradigmen Behaviorismus: Grundlegende Thesen
Nur beobachtbare Entitäten sind wissenschaftlich zulässig
Psychologie soll sich auf Analyse von Beziehungen zwischen beobachtbaren Reizen und Reaktionen beschränken
Alles Verhalten beruht auf erlernten Assoziationen zwischen Reizen und Reaktion
Nicht beobachtbare geistige Vorgänge (Gedanken, Vorstellungen, Absichten) sind überflüssig für die Erklärung des Verhaltens
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Beobachtbare Reize
Reaktionen u. Reaktionsparameter (Latenz, Häufigkeit etc.)
Black Box
Forschungsansätze und Paradigmen Bedeutung der verhaltensorientierten Lernforschung
Wichtige Fortschritte
• Experimenteller Ansatz: Manipulation unabhängiger Variablen und Beobachtung der Effekte auf abhängige Variablen
• Quantitativer Ansatz: Messung quantitativer Verhaltensparameter
• Evolutionstheoretischer Ansatz: Annahme von Homologie zwischen Arten; Übertragung von tierexperimentellen Befunden auf Menschen; Analogie zwischen instrumentellem Lernen und natürlicher Selektion
Wichtige Ergebnisse
• Entdeckung grundlegender Gesetzmäßigkeiten des assoziativen Lernens
• Erklärungen alltäglicher und klinischer Phänomene (Gewohnheitsbildung, Phobien, Wirkung von Belohnung vs. Bestrafung u.a.)
Praktische Anwendungen
• Z.B. Grundlage verhaltenstherapeutischer Interventionen (Reizkonfrontation, Gegenkonditionierung, systematische Desensibilisierung)
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Forschungsansätze und Paradigmen Probleme des radikalen Behaviorismus
Beschränkung auf Reize und Reaktionen wird vielen Gedächtnisleistungen nicht gerecht
Ablehnung theoretischer Begriffe für nicht beobachtbare Entitäten wissenschaftlich unfruchtbar (vgl. „Gen“; „Superstring“)
Stattdessen: Annahme kognitiver Prozesse (Speicherung, Verarbeitung, Abruf von Information) bessere Erklärungen von Gedächtnisleistungen
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Forschungsansätze und Paradigmen Die „kognitive Revolution“
Noam Chomsky
G. Miller D. Broadbent Ulric Neisser
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Kognitive LinguistiK • Kritik an Skinner • Mentale Repräsentationen
und Regelsysteme
W.K. Estes (1919-2011)
Gordon Bower (1932-)
Informationsverarbeitungsansatz und kognitive Psychologie • George Miller (1957): Kurzzeitgedächtniskapazität • Neisser (1967): Erste Monographie “Cognitive Psychology“ • Broadbent (1958): Filtertheorie der Aufmerksamkeit • Estes, Bower u.a.: Mathematische Psychologie und kognitive
Gedächtnisforschung
Informationstheorie, Computerwissenschaft u. KI • Newell & Simon: General
problem solver
Informationsverarbeitungsparadigma
Kognition als Informationsverarbeitung
• Annahme mentaler Repräsentationen und Wissensstrukturen
• Computermetapher
Kognition = Software (Mentale Algorithmen)
Gehirn = Hardware (Neuronale Implementierung)
Methode
• Experimentelle Untersuchung von Gedächtnisleistungen unter kontrollierten Bedingungen; Rückschluss von Verhaltensparametern (Reaktionszeiten, Fehler) auf nicht direkt beobachtbare mentale Prozesse (Enkodieren, Transformieren, Speichern und Abrufen von Information)
Funktionale Dekomposition
• Zerlegung kognitiver Leistungen in Verarbeitungsstufen und Subsysteme
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Kognitive Neurowissenschaft des Gedächtnisses
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Forschungsansätze und Paradigmen
Neurowissenschaftliche Perspektive
"any activity-dependent process that modifies, in a sufficiently stable and long-lasting way, the excitatory or inhibitory interactions between pairs of neurons could serve as a mechanism of learning, and any long-lasting alteration of inter-cellular communication can be considered an engram."
(Singer, 1990, S.211)
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Forschungsansätze und Paradigmen
Neurowissenschaftliche Perspektive
Grundlage aller psychischen Prozesse ist die Signalübertragung zwischen Nervenzellen
Gedächtnisleistungen beruhen auf erfahrungsabhängigen Veränderungen der neuronalen Signalübertragung
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Geist und Gehirn – ein empirisches Beispiel
Elektrische Direktreizung des Kortex in epileptischen Patienten erzeugte bewusste Empfindungen
• "a star came down and towards my nose“
• "those fingers and my thumb gave a jump“
• "I heard the music again; it is like the radio”
61 Penfield, W., & Jasper, H. (1954). Epilepsy and the functional anatomy of the human brain. Boston: Little Brown. Penfield, W., & Perrot, P. (1963). The brain’s record of auditory and visual experience. Brain, 86, 595–696.
Recollection of vivid memories after perirhinal region stimulations
Elektrische Direktreizung im rechten Temporalkortex in einem epilepetischen Patienten lösten visuelle Eindrücke aus, die mit Gedächtnisinhalten assoziiert waren
• “Immediately on stimulation, the patient said an image was coming but that it was hard to see, as it was too faint. He then said he had seen a lake, which was behind his house. He added: “I go there very often.”
• “The patient immediately said that something had materialized and that it was a neighbor going by in the street on a motorbike. He added: “I see him very often” and said that it was his brother’s friend.
62 Barbeau et al. (2005). Neuropsychologia, 43, 1329–1337
Ansätze der neurowissenschaftlichen Gedächtnisforschung I. Untersuchungen auf zellulärer Ebene
Eric Kandel
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Ansätze der neurowissenschaftlichen Gedächtnisforschung II. Klinische und Kognitive Neuropsychologie
Untersuchung hirngeschädigter Patienten (Unfallopfer, Tumor, hirnchirugische Eingriffe, Enzephalitis)
Patient H.M.: wegen schwerer Epilepsie 1953 operative Entfernung von Teilen des medialen Temporallappens (inkl. anteriorer Hippokampus)
Fast vollständiger Verlust der Fähigkeit, neue Ereignisse zu behalten ("Jeder Tag steht für sich selbst, egal welche Freude ich hatte oder welche Sorgen ich verspürte… es ist wie immer wieder aufs Neue aus einem Traum zu erwachen”)
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Hippokampus
Ansätze der neurowissenschaftlichen Gedächtnisforschung III. Funktionelle bildgebende Verfahren
Messung metabolischer Korrelate neuronaler Prozesse
• PET: regionale Hirndurchblutung
• fMRT: Anteil von oxygeniertem und desoxygeniertem Hämoglobin in bestimmten Hirnregionen (Signal)
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Wagner et al., 1998, Science, 281, 1188.
Aktivierung im medialen Temporallappen beim Enkodieren sagt die spätere Erinnerungsleitung vorher
Ansätze der neurowissenschaftlichen Gedächtnisforschung IV. Komputationale Modellierung mit künstlichen neuronalen Netzen
Jay McClelland David Rumelhart
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„Landmark publication“ in 1986
Rekapitulation: Wichtige Ansätze der Gedächtnisforschung
Behaviorismus und verhaltensorientierte Lernpsychologie
Informationsverarbeitungsansatz und kognitive Gedächtnispsychologie
Kognitive Neurowissenschaft des Gedächtnisses
Komputationale Modellierung
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Zentrale Fragen der Gedächtnisforschung
Systeme
• Gibt es ein einheitliches Gedächtnissystem oder gibt es multiple Gedächtnissysteme mit unterschiedlichen Funktionsprinzipien?
Repräsentationen
• Wie werden Gedächtnisinhalte enkodiert und repräsentiert?
• Werden alle Erinnerungen in einem einheitlichen Kode repräsentiert, oder gibt es multiple Arten von Gedächtnisrepräsentationen (symbolisch, bildhaft, motorisch etc.)?
Prozesse
• Welche kognitiven Prozesse und Mechanismen liegen dem Einprägen, Erinnern und Vergessen zugrunde?
• Welche Faktoren bestimmen, ob, wann und was wir behalten, erinnern und vergessen?
• Warum und wann kommt es zu falschen Erinnerungen und Gedächtnistäuschungen?
Neurobiologisches Substrat
• Sind Gedächtnisinhalte an einem bestimmten Ort im Gehirn lokalisiert oder werden sie über viele Hirnregionen verteilt repräsentiert?
• Welche neuronalen Mechanismen liegen der Gedächtnisspeicherung zugrunde?
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Gliederung der Vorlesung
Verhaltensorientierte Lernpsychologie
Klassisches Konditionieren
Instrumentelles Konditionieren
Kognitive Gedächtnisforschung
Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis
Deklaratives Langzeitgedächtnis: I. Enkodierprozesse
Deklaratives Langzeitgedächtnis: II. Abrufen und Vergessen
Das konstruktive Gedächtnis: Gedächtnisverzerrungen und falsche Erinnerungen
Emotionen, Stress und Gedächtnis
Kognitive Neurowissenschaft des Gedächtnisses
Amnesien und das medial-temporale Gedächtnissystem
Konsolidierung und die Interaktion von Hippokampus und Neokortex
Funktionelle Bildgebung von Gedächtnisfunktionen
Neuronale Netzwerkmodelle des Gedächtnisses
Nicht-deklaratives Gedächtnis
Fertigkeiten, Priming und implizites Lernen
Priming und implizites Gedächtnis
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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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