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Mit Propylencarbonat auf DrahtLösemittel im Vergleich.Silke Schmidt und Hansjörg Nickel, LudwigshafenFür lackierte Drähte gibt es unzählige Anwendungen. DerDrahtlack dient als elektrische Isolierung, schützt den Lackaber auch vor thermischen und mechanischen Belastungen,vor Abnutzung sowie chemischen Reaktionen undZersetzungsprozessen. Das für Drahtlackierungen häufigverwendete Lösemittel Kresol wurde in einerÖkoeffizienz-Analyse mit der Alternative Propylencarbonatverglichen. Das Ergebnis: Propylencarbonat ist im Vergleichzu Kresol ökoeffizienter, d. h. bei gleichen Gesamtkostenwird die Umwelt deutlich weniger belastet.

Lackieren von KupferdrähtenDer Lack, der auf einen Kupferdraht aufgebracht wird,besteht aus einem Bindemittel-Lösemittelgemisch, dessenLösemittelanteil zwischen 60 und 80 Gewichtsprozent liegt.Eines der am häufigsten eingesetzten Bindemittel für dieBeschichtung von Kupferdrähten ist Polyesterimid [1]. Eswird verwendet, weil es sehr leicht, mechanisch fest undhaltbar ist, sich gut mit Imprägniermitteln verträgt undhervorragende thermische Eigenschaften aufweist. MitPolyesterimid beschichtete Drähte findet man unteranderem in Haushaltsgeräten, Motoren, Spulen oderTransformatoren.Drahtlacke aus Polyesterimid werden im wesentlichen mitdem Lösemittel Kresol hergestellt, das als toxisch eingestuftist. Alternativ könnte Propylencarbonat verwendet werden.Dieses Lösemittel wird bislang bereits beim Herstellen vonFarben, Lacken, Kunststoffen, Epoxiden, Pharmazeutikaund Kosmetika verwendet.

Konventionelles LackierverfahrenDie Beschichtung des Drahtes erfolgt nach demkonventionellen Durchlaufverfahren. Dabei wird der Drahtdurch die Lackiermaschine gezogen (s. Abb. 1), und dieMischung aus Löse- und Bindemittel fließt über dendurchlaufenden Draht. Im nächsten Schritt wird der Drahtdurch einen Einbrennofen geführt. Bei Temperaturenzwischen 300 und 600 °C härtet das Bindemittel aus. DasLösemittel verdampft, wobei geringe Mengen an die Umweltabgegeben werden. Der Lackierprozess wird sechs bis zehnMal wiederholt, bis die erforderliche Lackdicke erreicht ist.

Beide Lösemittel im VergleichIn einer Ökoeffizienz-Analyse (siehe Kasten) hat die BASFKresol und Propylencarbonat für die Lackierung vonKupferdrähten miteinander verglichen. Neben derGewinnung und dem Transport der Rohstoffe wurden dieProduktion der beiden Lösemittel und des Lackes sowie dereigentliche Lackierprozess untersucht. Für beideAlternativen identische Produktionsabschnitte wurden nichtin der Analyse berücksichtigt. Ein Sachverständiger derMichigan State University (Prof. David Shonnard) hat dievorgestellte Ökoeffizienz-Analyse im Rahmen eines "CriticalReviews" geprüft und bestätigt.

Bewertung mit dem ökologischen FingerabdruckDie ökologischen Vor- und Nachteile der betrachtetenAlternativen werden relativ zueinander dargestellt. Dieserökologische Fingerabdruck (oder auch Fingerprint; s. Abb.2) bildet die Ergebnisse der sechs WirkungskategorienEnergieverbrauch, Rohstoffverbrauch, Emissionen,Flächenbedarf, Toxizitätspotenzial und Risikopotenzial ab.Die jeweils schlechtere Alternative der einzelnen Kategorienerhält den Wert 1, die andere Alternative wird relativ dazu

bewertet. Der ökologische Fingerprint liefert somit eineÜbersicht über die Umweltbelastung der einzelnenAlternativen bezogen auf das Gesamtsystem.

Kaum Unterschiede beim Rohstoff- undEnergieverbrauchDer ökologische Fingerprint zeigt, dass die beidenAlternativen sich sowohl im Energie- als auch imRohstoffverbrauch nur geringfügig unterscheiden. Da derEnergieaufwand für den Lackierprozess unabhängig vomverwendeten Lösemittel ist, sind die Hauptunterschiede dereinzelnen Wirkkategorien fast ausschließlich auf dieHerstellung der Lösemittel sowie die Zusammensetzung desLackes zurückzuführen.

Toxizitätspotenzial von Propylencarbonat ist niedrigerEin wesentlicher Vorteil von Propylencarbonat gegenüberKresol ist das geringere Toxizitätspotenzial. Für dieErmittlung des Toxizitätspotenzials wurden Bestimmungender europäischen Gefahrstoffverordnung hinsichtlich derEinstufung und Kennzeichnung, die so genannten R-Sätze,berücksichtigt [3].Kresol ist mit einem T (toxisch), sowie den R-Sätzen R24/25(giftig bei Berührung mit der Haut und bei Verschlucken)und R34 (verursacht Verätzungen) gekennzeichnet;Propylencarbonat mit Xi (reizend) und dem R-Satz R36(reizt die Augen). Kresol hat ein deutlich höheresToxizitätspotenzial als Propylencarbonat (s. Abb. 3). ZumTragen kommt dies bei dessen Herstellung, Handhabungund beim Verdampfen des Lösemittels während desLackierprozesses. Außerdem wird beim Einsatz von Kresolmehr Co-Lösemittel (Solvent Naphtha) verwendet und damitauch frei gesetzt.

Risikopotenzial: Signifikante Nachteile für KresolDie Informationen zur Bestimmung des Risikopotenzials (s.Abb. 4) stammen im Wesentlichen aus denSicherheitsdatenblättern der beiden Lösemittel. Es zeigtsich, dass Kresol gegenüber Propylencarbonat signifikanteNachteile hat. So darf Kresol zum Beispiel auf Grund seinerEinstufung nicht bei Eis- und Schneeglätte transportiertwerden. Kresol wurde bislang hauptsächlich alsNebenprodukt der Koksherstellung gewonnen. Heute wirdjedoch immer weniger Koks benötigt. Das liegt an derUmstellung der Gasversorgung von Stadtgas auf Erd- bzw.Spaltgas und an verfahrenstechnischen Verbesserungender Hochofenverhüttung. Außerdem werden die Aromaten,die früher aus Koks hergestellt wurden, heute meist ausErdöl gewonnen. Durch diese Entwicklung besteht einRisiko der Rohstoffverknappung für Kresol. Die synthetischeHerstellung von Kresol ist zwar möglich, abervergleichsweise teuer. Ein weiterer Nachteil von Kresol: Daes toxisch ist, wird für die Berechnung des Risikopotenzialsauch der MAK-Wert herangezogen. Das ist die maximaleArbeitsplatzkonzentration, die für Kresol mit 22 mg/m3

angegeben ist (siehe Tabelle). Für Propylencarbonat gibt eskeine Angaben zum MAK-Wert, da dieses Lösemittel nichttoxisch ist. Auch die Entsorgung der Lackreste wurde imRisikopotenzial berücksichtigt, ebenso eine möglicheGefährdung der Umwelt durch ein eventuelles Verschüttender Substanzen: Während Kresol als wassergefährdend(Wassergefährdungsklasse 2) eingestuft ist, istPropylencarbonat nur schwach wassergefährdend (WGK 1).

Gesamtkosten sind fast gleichDie Kosten setzen sich aus den Anschaffungskosten der

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Lösemittel, den Kosten für die Produktion des Lacks unddes Co-Lösemittels sowie den Entsorgungskosten deranfallenden Lackreste zusammen. Das Auftragen desLackes auf den Draht verursacht bei beiden Alternativen diegleichen Kosten und geht somit nicht in die Berechnung ein.Der Preisvorteil des Propylencarbonats wird durch dessenleicht erhöhte Einsatzmenge aufgehoben. GeringeKostenunterschiede zeigen sich bei der Entsorgung derkresolhaltigen Lackreste, die unwesentlich teurer ist als dieEntsorgung der Lackreste mit Propylencarbonat. Insgesamtzeigt sich, dass die Gesamtkosten bei beiden Alternativenvergleichbar sind.

Propylencarbonat ist ökoeffizienter als KresolDas Ergebnis der Analyse wird in einemÖkoeffizienz-Portfolio abgebildet, das die Kosten und dieUmwelteinflüsse der Alternativen darstellt (s. Abb. 5). Indieser Ökoeffizienz-Analyse liegen die Unterschiedehauptsächlich in der Umweltverträglichkeit der beidenLösemittel. Propylencarbonat ist in dieser Anwendung dieökoeffizientere Alternative, da es eine geringereUmweltbelastung bei vergleichbaren Gesamtkostenaufweist.Für die hier vorgestellte Ökoeffizienz-Analyse wurde eineSoftware entwickelt, die es dem Anwender ermöglicht,individuelle Angaben in die Berechnung einzubeziehen.Hierdurch kann die Ökoeffizienz der beiden Lösemittel mitfirmenbezogenen Daten eigenständig ermittelt werden.

Literatur[1] Dr. Beck, "Electrical Insulation - from Wire Enamel toEnamelled Wire", Beck Information, July 1992[2] Saling, P. et al., "Eco-efficiency Analysis by BASF: TheMethod", The International Journal of Life CycleAssessment, Vol 7, No. 4, 2002[3] European Directive 67/546/EEC

Die Ökoeffizienz-Analyse misst Nachhaltigkeit vonProduktenDie Ökoeffizienz-Analyse ist ein Instrument, mit dem dieBASF die Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Verfahren nachökologischen und ökonomischen Kriterien untersucht. DieMethode, die 1996 von der BASF in Zusammenarbeit mitder Unternehmensberatung Roland Berger entwickeltwurde, geht über die isolierte Betrachtung desfirmeneigenen Produktes hinaus: Prozessstufen, welche dereigenen Produktion vor- oder nachgelagert sind, werdengleichrangig mit den unternehmensinternen Prozessenanalysiert. Im Mittelpunkt der Ökoeffizienz-Analyse stehtimmer der Kundennutzen, wobei mindestens zwei Produkteoder Verfahren miteinander verglichen werden. Ökoeffizientsind solche Problemlösungen, welche die konkretenKundenanforderungen aus Kosten- und Umweltsicht bessererfüllen als andere [2].2002 wurde die Methode vom TÜV Rheinland BerlinBrandenburg geprüft und gemäß ISO 2015 zertifiziert. DieÖkoeffizienz-Analyse der BASF ist somit die erstezertifizierte Methode zur Messung der Nachhaltigkeit vonProdukten und Prozessen. Mittlerweile wurden mehr als 180Ökoeffizienz-Analysen für BASF-Einheiten, aber auch fürexterne Kunden erstellt (mehr zur dazu im Internet unterwww.oekoeffizienzanalyse.de).Silke Schmidt, BASF AG, Ludwigshafen, studierte Biologiemit Schwerpunkt Ökologie an der Ruprecht-Karls-Universitätin Heidelberg. 1999 trat sie in die BASF AG Ludwigshafen inden Bereich Experimentelle Toxikologie und Ökologie ein.Hier hat sie im Rahmen eines Projektes das Verhalten vonTensiden in der Umwelt untersucht. Ende 2000 wechseltesie in den Bereich Umwelt, Sicherheit und Energie. Dort

beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit der Durchführungund Weiterentwicklung von Ökoeffizienz-Analysen.Hansjörg Nickel, BASF AG, Ludwigshafen, studierte an denUniversitäten Marburg und Münster Betriebswirtschaftslehremit Schwerpunkt Marketing. Im September 1985 begann erseine Tätigkeit bei der BASF AG, wo er im BereichZwischenprodukte verschiedene Marketing-Gruppen leitete.Von 1994 bis 1998 wurde er zur BASF Corp. in NewJersey/USA delegiert, dort war er im Bereich SpezielleAmine tätig. Seit 1998 leitet Hansjörg Nickel inLudwigshafen eine Marketing-Gruppe in der Einheit Dioleund Polyalkohole, in welcher u.a. auch die zyklischenCarbonate betreut werden.

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Abb. 1: Der Draht wird im Durchlaufverfahren beschichtet Bild: EKS Isodraht GmbH &Co. KG.

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Abb. 2: Der ökologische Fingerprint liefert eine Übersicht über die Umweltbelastungder einzelnen Alternativen: Schlechteste Alternative = 1; alle anderen werden relativ

dazu bewertet.

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Abb. 3: Toxizitätspotenziale von Propylencarbonat und Kresol im Vergleich:Hauptgrund für das höhere Toxizitätspotential von Kresol ist die Lösemittelfreisetzung

während des Lackierprozesses .

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Abb. 4: Das höhere Risikopotenzial von Kresol ist hauptsächlich auf die Freisetzungdes Lösemittels bei der Lackierung zurückzuführen.

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Abb. 5: Das Ökoeffizienzportfolio zeigt die Kosten und Umwelteinflüsse derAlternativen. Der Abstand von der Diagonalen ist ein Maß für die Ökoeffizienz. Das

Ergebnis: Propylencarbonat ist ökoeffizienter als Kresol. .

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