EDITORIAL Um einzigartige Bauten zu schaffen, experimentieren
Architekten bisweilen mit freien Formen. Gebäude elemente oder der
gesamte Baukörper entsprechen nicht dem gewohnten Formenvokabular.
Einige sind mehrfach abgekantet, mit schräg geneigten Flächen und
unregelmässigen Umrissen. Andere sind gerundet, ge wellt, konkav
oder konvex verformt. So entstehen noch nie dagewesene
Gebäudeformen und Fassadenober flächen, die von der Konvention
abweichen, sich vom Umfeld abheben und von der Menge des Gebauten
unterscheiden. Ein aktuelles Beispiel experimenteller
Raumdefinition ist das Projekt «Incidental Space» von Christian
Kerez an der Biennale in Venedig.
Architekten entwickeln für ihr Bauprojekt eine Vorstel lung davon,
wie es aussehen soll. Wie die Volumen und wie die Oberflächen
wirken sollen. Sie suchen zu sammen mit Ingenieuren und
Materialherstellern nach Möglichkeiten, ihre Formvorstellungen
umzusetzen. Mal werden bestehende Lösungen verändert, mal wer den
Anwendungen variiert, und mal entstehen neue Produkte. Kreativität
und Fantasie führen zu Innovatio nen auf dem Baumarkt und in der
Architektur.
Die Eternit (Schweiz) AG, die seit mehr als hundert Jahren Zement
und Fasern mithilfe ein paar weiterer Zutaten zu robusten,
langlebigen Produkten verar beitet, stellt sich den
Herausforderungen der aktuellen Architektur. Nebst ebenen und
regelmässig gewellten Platten pflegt das Unternehmen die Tradition,
freie For– men zu entwickeln. In der sogenannten For merei werden
Pflanzenkübel, Sessel und manch andere Acces soires produziert.
Dabei machen sich die Mitarbeiter die Formbarkeit des frisch
gemischten Materials zunutze. Mit Erfahrung und Passion schneiden,
biegen und klopfen sie den Faserzement in immer neue Formen.
In dieser Ausgabe von Swisspearl Architecture treffen freie
Architekturformen und die Formbarkeit von Faserzement aufeinander.
Wir präsentieren speziell ge formte Gebäude, in unterschiedlichen
Massstäben und für verschiedene Zwecke gebaut. Und wir zeigen
speziell geformte Fassadenverkleidungen, entworfen von Architekten
und Gestalterinnen, die die Mitarbeiter von Eternit (Schweiz) AG
weiterentwickelt haben.
Ich wünsche eine inspirierende Lektüre! Michael Hanak,
Chefredakteur
Links: «Incidental Space», ein Projekt von Christian Kerez im
Schweizer Pavillon an der 15. Internationalen
Architekturausstellung La Biennale di Venezia.
FREIE FORMEN Essay von Michael Hanak
2 WIE FREI KANN ARCHITEKTUR SEIN?
Interview mit Professor Fabio Gramazio, ETH Zürich 8 DIGITALE
FORMENWELT
Swisspearl Summerschool 2015 12 ROBOTIC WIRE CUTTING
Österreich: Coop Himmelb(l)au 16 WOLKE UND WELLE
Nordirland: Samuel Stevenson & Sons 20 BRITISCHES HERRENHAUS IM
GRÜNEN
Polen: Insomia Architekten 26 SCHIFF IM STRASSENMEER
Österreich: Mang Architekten 30 NASSER STOFF AUF KÖRPER
Schweiz: Burckhardt + Partner 38 VORHANG AUF FÜRS
MULTIPLEXKINO
Schweiz: Unger & Treina 40 WOGENDES STICKEREIGEWEBE
Schweiz: Stutz & Kohli 44 HÜGEL MIT POLYEDER
Italien: Studio di Architettura Franco Segre 50 ANGELEHNTER
MONOLITH
Österreich: Mathis Barz 54 DIAMANTEN AUF FLIEGENDEM TEPPICH
HERAUSGEGRIFFEN 58 AUFGEBLASENER PLATZHALTER
KLASSIKER 62 DIE SITZSCHLEIFE
FREIE FORMEN 3
Die digitalen Hilfsmittel in der Architektur erlauben es, freie
Formen zu entwerfen. Schon in vordigitaler Zeit gab es wieder holt
Bestrebungen, sich vom rechten Winkel und von regel mässigen
Geometrien zu lösen. Heute scheinen der Fantasie kaum mehr Grenzen
gesetzt. Es müssen nur die Wege gefunden werden, diese
Formvorstellungen in die gebaute Wirklichkeit umzusetzen.
Viele zeitgenössische Bauten haben freie Formen. Ihre Körper sind
mehrfach geknickt oder unregelmässig gerundet. Sie haben die Form
unregelmässiger Polyeder oder sind fliessende, biomorphe Gebilde.
Seit den 1990erJahren fasst man frei geformte Gebäude unter dem
Begriff «BlobArchitektur» zusammen. Manchmal sind auch lediglich
einzelne Fassaden oder Dachbereiche ge wellt, gezackt oder anders
«verformt». Wollen sich die Bauherren und Architektinnen damit
gegen die rigi den Geometrien der Moderne auflehnen? Oder lässt
sich das Phänomen auf die technische Machbarkeit zurückführen? Dass
Architekten heute am Compu ter mit der entsprechenden Software
entwerfen, scheint ein wichtiger Grund dafür zu sein, dass die
Formen über den rechten Winkel und die gerade Linie
hinauswachsen.
Auch in vordigitaler Zeit gab es freie Formen in der Architektur.
Einzelne Architekten lösten sich beim Entwurf vom rechten Winkel
und von regelmäs sigen Geometrien zugunsten einer plastischen
Formen vielfalt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts streben Bau
künstler danach, die Form aus den Bedingungen von Funk tion, Zweck
und Material abzuleiten, mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Die Tendenz hin zu gewachsen erscheinenden Formen bezeichnete man
als organische Architektur. Diese implizierte mit unter auch eine
psychologische und soziale Zweckmässigkeit der Ar chitektur. Ein
bekanntes Beispiel organischer Architektur ist der nach Plänen von
Erich Mendelsohn errichtete Einsteinturm bei Berlin (1919–1922),
mit dem die Gültigkeit von Albert Einsteins Relativitäts theorie
experimentell bestätigt werden sollte.
Eine weitere Blüte fanden fantasievoll geformte Architekturen in
den 1960erJahren, in einer Zeit des sozialen und kulturellen Wan
dels. Neuartige architektonische Vorstellungen fanden auch Eingang
in andere Bereiche des Lebens. Die japanischen Metabolisten entwi
ckelten futuristische Ideen für Grossstrukturen und Städte. Die
briti sche Architektengruppe Archigram suchte nach ganz neuen
Ansät zens des Bauens und Zusammenlebens und überraschte mit
visionä ren Projekten, die inspiriert von neuen Technologien, der
Raumfahrt und ScienceFiction noch nie gesehene Formen annahmen. Zu
ihren berühmtesten Vorschlägen gehörte die «Walking City», ein
bewegli ches Wohngebilde, das aussah wie ein Rieseninsekt auf
Metallbeinen. Ein spätes Kind der Formenwelt von Archigram brachten
die beiden ehemaligen Mitglieder Peter Cook und Colin Fournier mit
dem 2003 eröffneten Kunsthaus in Graz zur Welt, eine transluzente,
biomorphe «Bubble», die ihre Entwerfer «Friendly Alien»
nannten.
Als Ablösung von der Postmoderne etablierte sich in den 1980er
Jahren der Dekonstruktivismus: Die Vertreter dieser
architektoni
WIE FREI KANN ARCHITEKTUR SEIN? Essay von Michael Hanak
Links: Guggenheim Museum in Bilbao, 1993–1997, von Frank
Gehry
4 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
FREIE FORMEN 5
schen Stilrichtung zergliederten und zersplitterten
architektonische Körper und setzten ihre Bestandteile neu zusammen.
Die dekons truktivistische Architektur zeichnet sich durch einen
freien, spieleri schen Umgang mit architektonischen Elementen aus.
Gewohnte Ka tegorien wie Orthogonalität, Reihung und Symmetrie
kommen nicht oder kaum vor, Stabilität und Gleichgewicht weichen
dem Eindruck von Labilität. Eines der jüngsten Bauten der
österreichischen Archi tektengemeinschaft Coop Himmelb(l)au, die
zu den bekanntesten Vertretern des Dekonstruktivismus zählt, ist
das Museum of Contem porary Art & Planning Exhibition in
Shenzhen, China, das noch in die sem Jahr eröffnet werden soll.
«Ich glaube», sagt Mitbegründer Wolf D. Prix, «es wird das erste
Gebäude sein, das von Robo tern erbaut wurde, nur von
Robotern.»
Freie architektonische Formen wurzeln auch in der Geschichte der
Konstruktion. Ursprünglich brauchte es ebene, horizontale Mauern
oder regelmässige Ge wölbe, um Steine oder Backsteine
aufeinanderzu schichten. Seit der Einführung von Stahlbeton sind
die Möglichkeiten der Formbarkeit nahezu unbe grenzt, sofern sich
die Schalungsform herstellen lässt. Computer und CADProgramme
schliesslich erweitern die Methoden der geometrischen Model
lierung auch in der Architektur.
Der Computer hielt vor rund zwanzig Jahren Ein zug in die
Architekturbüros und wurde zur omniprä senten Infrastruktur in der
zeitgenössischen Architek turproduktion. Als erste nutzten
dekonstruktivistisch arbeitende Architekten wie Frank Gehry und
Zaha Hadid die Technologie, indem sie aus der Autoindustrie
stammende Software für ihre Entwürfe einsetzten. Heutzutage
erreicht die Nutzung des Computers und seine Instrumentalisierung
zur archi tektonischen Formfindung eine neue Phase. Der Computer
ist nicht mehr nur Werkzeug zur effizienten Planzeichnung, er ist
darüber hinaus mit der digitalen Fabrikation von Baumaterialien und
Bau teilen verknüpft. Roboter unterstützen den Bauprozess und die
Bau produktion.
Im digitalen Zeitalter der Gegenwart verändern sich sowohl die
Vorstellung als auch die Art und Weise, wie Form erzeugt wird. Es
gibt Formen, die sich nur mit dem Computer beherrschen lassen.
Jedes Bauteil, das von computergesteuerten Maschinen hergestellt
wird, kann anders aussehen. Digital erzeugte Raumgebilde fordern
unser Vorstellungsvermögen heraus und eröffnen neue Möglichkei ten
der Formgebung. Assoziierte man früher die freie Form mit Natur,
Intuition und Individualität – im Gegensatz zur geometrischen Form,
die Logik, Rationalität und Universalität verkörperte –, so vereint
die digitale Freiform heute diese beiden gegensätzlichen
Vorstellungen.
Im digitalen Zeitalter verändern sich sowohl die Vorstellung als
auch die Erzeugung von Form.
Links: Organische Architektur im 20. und 21. Jahrhundert.
Einsteinturm in Potsdam, 1919–1922, von Erich Mendelsohn; Kunsthaus
in Graz, 2001–2003, von Peter Cook und Colin Four nier; Talstation
der Nordkettenbahn in Innsbruck, 2004–2007, von Zaha Hadid; Museu
de Arte Contemporânea in São Paulo, 1991–1996, von Oscar
Niemeyer.
6 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
«Noch hat digitale Fabrikation einen Sonderstatus. Mittelfristig
wird sie aber in alle Bereiche der Architektur einfliessen.» Fabio
Gramazio, ETH Zürich (Rendering von robotergebauten Hochhäusern in
Singapur, 2012/13)
8 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
«Es geht um die rationale Herstellung von komplexen Formen»
Interview mit Professor Fabio Gramazio, ETH Zürich
Fabio Gramazio leitet gemeinsam mit Mat thias Kohler die Professur
für Architektur und Digitale Fabrikation am Departement Architektur
der ETH Zürich. Ihre Forschung reicht von Bauprojekten wie einer
Ziegel steinfassade, die Roboter für das Weingut Gantenbein
aufstapelten (2006), über Aus stellungsinstallationen wie «Flight
Assem bled Architecture» (2011) bis zu Entwurfs studios, in denen
die Studierenden Hochhäu ser in Singapur planten, die von Robotern
gebaut werden sollen (2011/12 und 2013/14).
Im Jahr 2000 hatten Fabio Gramazio und Matthias Kohler ihr
gemeinsames Architek turbüro gegründet. Seitdem realisierten sie
eine Reihe von preisgekrönten Bauwerken. Zu ihren aktuellen
Arbeiten gehört das For schungs und Technologiegebäude Nest der
Empa bei Zürich.
DIGITALE FABRIKATION
Michael Hanak: Gibt es in der Architektur freie Formen? Was
verstehen Sie unter dem verbreiteten Schlagwort? Fabio Gramazio:
Eine Handvoll bekannter Architekten hat in den letzten zwanzig Jah
ren freie Formen zelebriert. Dieser Trend fiel mit der Phase der
Stararchitektur zusammen und hat vermutlich einen direkten Zusam
menhang damit. Das Ideal, das der Mensch anstrebt, ist die Natur
und das damit verbun dene Gebot zu Effizienz und Nachhaltigkeit.
In der Natur gibt es keine Unterschiede zwi
schen einfachen und komplexen Formen, sondern nur sinnvolle Formen.
In der Welt des Artifiziellen, vom Menschen Geschaffe nen wird
formale Komplexität schnell teuer. Hohe Effizienz und
Nachhaltigkeit sind, heute noch, meist nur mit viel Aufwand zu er
reichen. Wir wissen, was optimal wäre, doch es ist zu aufwendig, es
zu erreichen.
Frank Gehry kommt der Verdienst zu, ge zeigt zu haben, was an
Komplexität möglich ist. Das Guggenheim Museum in Bilbao war der
Durchbruch in seiner Karriere. Zugleich hat er in formaler und
technologischer Hin sicht eine Entwicklung angestossen, die nicht
mehr wegzudenken ist. Hiermit wurde eine erste Hürde überschritten.
Gehry ist einer der Architekten, die ich am meisten bewun dere für
die Leistung, die sie erbracht haben. Seine Bedeutung für das
Digitale in der Ar chitektur wird heute allgemein anerkannt.
Bei der digitalen Fabrikation scheint es oft um die kontrollierte
Herstellung freier Formen zu gehen. Es geht um die rationale
Herstellung von komplexen Formen. Das beinhaltet Effizienz und auch
Kontrolle. Architektur wird zuneh mend komplexer. Die Form ist ein
Teil und eine Konsequenz dieser Komplexität. Das Potenzial für die
Zukunft ist, mit der Komple xität umgehen zu können.
Können Computer und Roboter so komplexe Formen schaffen, die ein
Mensch nicht mehr selbst entwerfen kann? Der Computer erlaubt es,
sehr aufwendig zu definierende Formen zu entwerfen. Und un ter
entwerfen verstehe ich, mit etwas umzu gehen. Im Entwurfsprozess
muss das Resul tat iterativ gesucht werden, bis es funktio niert.
Funktionieren kann dabei statische, wirtschaftliche, funktionale
Bedeutungen haben. Ohne Computer kann ich komplexe, auf vielen
Parametern basierende Formen nicht zum Funktionieren bringen. Und
den Roboter benötige ich, um die Komplexität in die Materie zu
übertragen.
Wie frei ist die Formgebung mittels digitaler Hilfsmittel? Da liegt
ein grosses Missverständnis vor. Al les und nichts ist frei. Bei
der digitalen Fabri kation geht es meist um doppelt gekrümmte
Formen. Solche komplexen Oberflächen las sen sich gegenwärtig fast
nur fräsen; fräsen ist State of the Art in der digitalen Fabrika
tion, jedoch teuer und wenig nachhaltig, da viel Material
vernichtet wird. 3DDrucker arbeiten schneller und benötigen
weniger Material. Zwischen den sogenannt subtrak
«Ohne Computer kann ich komplexe, auf vielen Parametern basierende
Formen nicht zum Funktionie ren bringen. Und den Roboter benötige
ich, um die Kom plexität in die Materie zu über tragen.»
FREIE FORMEN 9
tiven und additiven Verfahren gibt es etliche Zwischenstufen und
Mischformen. Nun geht es darum, das ganze formale Repertoire der
noch jungen Technik zu ergründen, kennen zulernen und einzusetzen.
Wir Architekten wollen innerhalb der technischen Möglich keiten
den Bereich finden, in dem eine Form Sinn macht und schön
ist.
Welche Vorzüge bietet die digitale Fabrikation? Digitale
Fabrikation kann vieles sein. Sie kann auch unsichtbar sein. Für
Architekten lagen komplexe Formen lange Zeit nicht im Bereich des
Möglichen und des Machbaren, obschon eine Bewegung der Moderne sehr
expressiv und organisch war und geniale Köpfe wie Frei Otto, Pier
Luigi Nervi und Antoni Gaudí früh und auf empirischem Weg komplexe
Formen geschaffen haben. Heute kann jeder mit den Zeichenprogrammen
am Computer beliebige Formen zeichnen. Aber deren Umsetzung ist
eine andere Frage. Mit
digitaler Fabrikation lassen sich effizient komplexe Formen
umsetzen. Beim Wort Form denkt man in erster Linie an formale
Fragestellungen. Bei digitaler Fabrikation geht es allerdings um
mehr. Der im industri ellen Zeitalter herrschende Zwang zu mög
lichst hoher Repetition gleicher Formstücke – wobei die Repetition
auch eine Heraus forderung darstellte und zu einer eigenen Äs
thetik führte – besteht nicht mehr. Das Stan dardisieren ist nicht
mehr nötig. Die Formdif ferenzen zwischen Bauteilen spielen keine
Rolle mehr. Die digitale Fabrikation erlaubt es, jedes Element
eines Gebäudes anders und für sich zu gestalten. Dass die
gezeichneten Daten mit den produzierenden Maschinen verknüpft
werden können, bedingt, dass der Architekt sie entsprechend der
Herstellungs technik zeichnet. Digitale Fabrikation ist ge
wissermassen industrialisiertes Handwerk: die Möglichkeiten des
Einzelstücks kombi niert mit der Präzision und Fertigungsgüte
eines industriellen Verfahrens.
«Für Architekten lagen komplexe Formen lange Zeit nicht im Bereich
des Möglichen und Machbaren, ob schon eine Bewegung der Moderne
sehr expressiv und orga nisch war.»
Fabio Gramazio (Mitte) mit Studierenden im Workshop der Swisspearl
Summerschool.
10 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Welche Bedeutung wird die digitale Fabrikation in Zukunft haben? Im
Kern bedeutet digitale Fabrikation, die di gitalen
Zeicheninstrumente bei der Planung mit den digital gesteuerten
Maschinen in der Herstellung zu verknüpfen. Dieser Vorgang hat
einen grossen Einfluss auf das Formen verständnis und die
Formimagination der Architekten.
Noch hat digitale Fabrikation einen Son derstatus. Mittelfristig
wird sie aber in alle Bereiche der Architektur einfliessen, wie
dies mit CAD schon geschehen ist. Die einen werden spektakuläre
Dinge damit anstellen, andere werden sie für ganz gewöhnliche Ar
chitektur nutzen. Digitale Fabrikation ist kein Allerheilsmittel.
Wir Architekten haben die Verantwortung, der digitalen Fabrikation
eine Bedeutung zu geben, die über das Funk tionale hinausgeht, und
ihr eine gestalteri sche Relevanz zu verleihen.
SWISSPEARL SUMMERSCHOOL
Während der letztjährigen Swisspearl Summerschool hat die Professur
Gramazio Kohler Research, die Sie zusammen mit Matthias Kohler an
der ETH leiten, einen Workshop durchgeführt. Mit einer Gruppe
Studierender haben Sie die freie Formgebung mit dem Werkstoff
Faserzement untersucht. Wie kam es dazu, und wie lief das ab?
Swisspearl fragte uns an, ob wir Interesse hätten, einen Workshop
durchzuführen. Wir sahen dies als Chance, die Möglichkeiten der
Arbeit mit Faserzement zu untersuchen. Als Ausgangspunkt nahmen wir
eine Foschungs arbeit, die sich bereits in der Abschlussphase
befand: ein mit Robotern betriebenes Draht schneideverfahren, mit
dem doppelt ge krümmte Schnittflächen hergestellt werden
können.
DIE PROGRAMMIERTE WAND, 2006 Welches gestalterische Potenzial hat
eines der ältesten und am weitesten verbreiteten architek
tonischen Elemente, der Ziegelstein, wenn sich die grundlegenden
Herstellungsbedingungen in der Architektur verändern und die
digitale Fabrikation die manuelle Arbeit ersetzt? Ausgehend von
dieser Frage gestalteten Studierende Ziegelsteinwände mit einem
Industrieroboter. Im Gegensatz zum Maurer vermag er jeden Stein
unterschiedlich und doch exakt nach einer Vorgabe zu positionieren.
Entsprechend definierten die Studierenden nicht die Geometrie der
Wand, sondern die konstruktive Logik und den Algorithmus, nach
denen der Roboter das Material zeitlich und räumlich
organisiert.
DEPTH MODULATIONS II, 2014 Auf vier Paneelen platzierte der Roboter
je 500 indi viduell und robotisch abgelängte Kunststoffrohre.
Deren Durchmesser von je 70 Millimetern legten die Studierenden
fest, indem sie die akustische Wirk samkeit der diffusen Streuung
von Schallwellen im menschlichen Sprachbereich berücksichtigten. Um
eine hohe Dichtigkeit der Paneele zu erreichen, wurden die
einzelnen Rohre von innen mit individuell positionierten Deckeln
aus Acryl zusätzlich versie gelt. Der Einfluss der prototypischen
Paneele auf die Raumakustik konnte anschliessend im Labor erfolg
reich überprüft werden.
«Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die Resultate im formalen
Ausdruck sind. Ich kann mir eigentlich jeden Vorschlag als Ansatz
für eine Fassadengestaltung vorstellen.»
FREIE FORMEN 11
EXTRUDED STRUCTURES, 2015 Studierende untersuchten den Entwurf und
die Fa brikation von robotergedruckten räumlichen Tragstrukturen.
Als Ausgangspunkt dienten zunächst herkömmliche triangulierte
Systeme. In der Folge wurden differenzierte geometrische Tragwerke
aus ABSKunststoff als kontinuierlich extrudierte Strukturen
realisiert. Weiter kamen ein UniversalRobotUR5Roboterarm und ein
spe ziell angefertigter Materialextruder zum Einsatz. Zudem
untersuchten die Studierenden, wie sich dreidimensionale
Raumfachwerke, komplexe Über hänge und Überbauungen sowie frei
geformte Bodenanschlüsse schaffen lassen.
Was war Ihr Ansatz für die Gestaltung der Swisspearl-Platten? Wir
gaben vor, Platten mit doppelgekrümm ten Flächen zu gestalten.
Damit wollten wir die Funktionen des Faserzements, die er be reits
erfüllt, erweitern. Die Realitäten des Materials einerseits und das
gewählte Her stellungsverfahren andererseits schränkten uns
natürlich ein und definierten einen Ent wurfsraum. Trotz der
vorgegebenen Rah menbedingungen blieben immer noch viele Methoden,
die zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führten.
Unter den präsentierten Resultaten entdecke ich vor allem Wellen-
und Muldenformen. Warum das? Ein hängender Draht macht das von
Robo tern gesteuerte Schneideverfahren einzig artig. In der
Untersuchung wollten wir aus loten, welche Formen mit diesem
Verfahren möglich sind. Die so zugeschnittenen Styro porflächen
mit Faserzement zu belegen, ist gar nicht so einfach. Das rohe,
noch weiche Material lässt sich nur beschränkt einmas
gross der Möglichkeitsraum ist. Es kann in diesem Rahmen natürlich
nicht darum ge hen, ein Produkt zu entwickeln.
Wie steht es um eine Umsetzung in die Baupraxis? Ein marktfähiges
Produkt zu entwickeln, wäre der logische nächste Schritt. Das ist
ein unternehmerischer Entscheid. In der Bauin dustrie wollen
Investitionen gut überlegt sein: Es braucht Studien, Marktanalysen,
Pilotprojekte und so weiter. Doch die Mög lichkeiten zu bewegt
geformten Faserze mentplatten sind erkannt, und ich denke, dass
dies längerfristig durchaus Früchte tra gen wird.
Literaturhinweise Fabio Gramazio, Matthias Kohler (Hg.), Made
by
Robots. Challenging Architecture at the Large Scale, London: Wiley,
2014.
Fabio Gramazio, Matthias Kohler, Jan Willmann (Hg.), The Robotic
Touch. How Robots Change Architecture, Zürich: Park Books,
2014.
Fabio Gramazio, Matthias Kohler, Silke Langenberg (Hg.), Fabricate:
Negotiating Design & Making, Zürich: gta Verlag, 2014.
sieren. Der richtige Umgang mit dem Faser zement bedingt ein
handwerkliches Know how. Es ging darum, die Möglichkeiten des
Verfahrens mit der Formbarkeit des Materi als zu kombinieren. Die
Entwürfe entstanden aus der Technik und aus den Materialeigen
schaften heraus.
An welche Grenzen sind Sie bei der Formung des Faserzements
gestossen? Der Radius der Krümmungen kann nicht beliebig klein
werden, irgendwann reisst der Faserzement. An diese Grenzen haben
wir uns empirisch herangetastet. Die Studie renden lernten die
Materialeigenschaften schnell verstehen. Wir waren erstaunt, was
sich alles machen lässt, wenn man weiss, wie. Das war Teil des
Erfahrungsprozesses.
Wie beurteilen Sie die Ergebnisse? Es ist erstaunlich, wie
unterschiedlich die Resultate im formalen Ausdruck sind. Ich kann
mir eigentlich jeden Vorschlag als An satz für eine
Fassadengestaltung vorstellen. Es war Ziel des Workshops
aufzuzeigen, wie
12 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
SWISSPEARL SUMMERSCHOOL 2015
ROBOTIC WIRE CUTTING
Im September 2015 lud die Eternit (Schweiz) AG die Professoren
Fabio Gramazio und Mat thias Kohler ein, mit Studierenden die
Swiss pearl Summerschool zu bestreiten. Die Profes sur Gramazio
Kohler Research an der ETH Zü rich beschäftigt sich seit 2005 mit
digitaler Fabrikation in der Architektur und gründete das weltweit
erste Roboterlabor für nichtstandar disierte Fabrikationsprozesse
im Architektur kontext. Damit eröffnete sich ein vollkommen neues
Forschungsgebiet. Die Eternit (Schweiz) AG engagiert sich seit
Langem für die Ausbil dung und die Förderung junger Architektinnen
und Architekten. So führt sie seit 2011 etwa alle zwei Jahre eine
zweiwöchige Summerschool durch, in deren Fokus eine aktuelle, für
die Ar chitektur relevante Fragestellung steht. Ziel der
Summerschool 2015 war es, das architektoni sche Potenzial eines
robotergestützten räumli chen Drahtschneideverfahrens zu
untersuchen.
Für den Workshop «Robotic Wire Cutting» entwickelten die
Studierenden Entwürfe und schnitten mithilfe von programmierten
Robo tern dreidimensionale Formen aus Polystyrol blöcken aus.
Dabei dient ein heisser Draht als Schneideinstrument, der an den
Enden jeweils durch einen Roboterarm geführt und durch den
Widerstand des Polystyrols verformt wird. Diese Schleppkurve aus
Draht dient als Schnei dewerkzeug, das sich während des Schneide
prozesses kontinuierlich verändert. Die so her gestellten Formen
bildeten die Grundlage, um Faserzementpaneele in einer gewünschten
Form herzustellen: Das zugeschnittene Poly styrol wurde mit einer
Faserzementschicht la miniert. In der Formerei der Fabrik in
Payerne machten die Fachleute die Studierenden mit
den Bedingungen und Kniffen vertraut, um Fa serzement zu formen.
Schliesslich bauten die WorkshopTeilnehmenden mit den selbstfabri
zierten Platten prototypische Fassadenwände auf. Je nach der von
den Studierenden entwi ckelten Methode erscheint das Material mal
massiv und hart, mal filigran und weich.
Die Resultate widerspiegeln den Formenka talog des jeweiligen
Verfahrens und zeigen den Grad der Komplexität, den die digitale
Fabri kation ermöglicht. So eigneten sich die Studie renden an
der Swisspearl Summerschool 2015 sowohl wertvolle Erkenntnisse über
die digitale Fabrikation als auch den spezifischen Umgang mit einem
Baumaterial an. Die Projektverant wortlichen sind mit dem
Erreichten sehr zufrie den. David Jenny, der die Studierenden vor
Ort betreute, empfand den Wechsel von einem Ma terialsystem zum
anderen als äusserst spannend: «Indem wir den digitalen,
robotergestützten Zuschnitt von Polystyrol mit der Handformung von
Faserzement verbinden, können wir neuar tige Fassadenpaneele
herstellen. Die Swisspearl Summerschool hat uns für beide Verfahren
ganz neue Möglichkeiten aufgezeigt.» Die Ergebnisse wurden filmisch
festgehalten und im Architek turforum Zürich öffentlich
ausgestellt.
Credits Gramazio Kohler Research, ETH Zürich: Fabio Grama-
zio, Matthias Kohler, David Jenny (Projektleitung), Romana Rust
(Forschungsleitung)
Studenten: Sarah Barras, Li Bo, Marco Caprani, James Chenault,
Ahmed Elshafei, Victoria Fard, Alix Gasser, Aurèle Gheyselinck, Ana
Grgurac, Marco Palma, Julien Prudhomme, Ludwig Schilling, Stavroula
Tsafou, Stéphane de Weck
Experte: Marco Ganz Gastkritiker: Matthias Rippmann, Asbjørn
Søndergaard
FREIE FORMEN 13
WOLKE UND WELLE Martin-Luther-Kirche, Hainburg an der Donau
BAUHERRSCHAFT: Vereinigung Freunde der Evangelischen Kirche in
Hainburg/Donau
ARCHITEKTEN: Coop Himmelb(l)au, Wolf D. Prix/W. Dreibholz &
Partner GmbH, Wien (PROJEKTARCHITEKT: Martin Mostböck,
DESIGNARCHITEKTIN: Sophie-Charlotte Grell) BAUZEIT: 2008–2011
STAHLKONSTRUKTION FASSADE: Metallbau Eybel, Wolfsthal FASSADENBAU:
SFK GmbH, Kirchham
Eine Wolke, die sich sanft auf den Bau körper senkt, ist neben dem
expressiven Glockenturm das auffälligste Merkmal der evangelischen
MartinLuther Kirche. Gefaltete Glaselemente, die an einen
Kristall erinnern, gliedern den Baukörper. In die
SwisspearlFassaden platten sind wellenförmige Muster
eingefräst.
Rahel Hartmann Schweizer «Ich wollte, der Wind hätte einen Körper.»
Von diesem Satz aus Moby Dick schwärmt der Architekt Wolf D. Prix
geradezu, – zuletzt, als er das Projekt der temporären Spielstätte
der Münchner Opernfestspiele präsentierte, die im Juni 2010
eröffnet wurde. Der Bau erinnert denn auch an ein Cluster von
windzerfetzten Se geln. Gar mit einem Wirbelsturm assoziiert man
BMW Welt, diese Ausstellungs, Aus lieferungs, Erlebnis und
Museumsmeile, die Prix und sein Büro 2007 fertigstellten.
Schwerelosigkeit fasziniert den Architekten, seit er 1968 zusammen
mit Helmut Swi czinsky und Michael Holzer die Baucoopera tive
Himmelb(l)au gründete. Die drei traten an, die tradierte
Architektur auf den Kopf zu stellen und die Schwerkraft
auszuhebeln: «Coop Himmelb(l)au ist keine Farbe, son dern die
Idee, Architektur mit Phantasie leicht und veränderbar wie Wolken
zu ma chen.» Dabei schlugen die Architekten weder den Kontext noch
die überlieferte Architek tur in den Wind: nicht jene vor 1900 und
nicht die inzwischen kanonische des 20. Jahr hunderts. An der
Kirche in Hainburg an der Donau – Prix’ Geburtsort –, die exakt an
der Stelle steht, wo sich bis ins 17. Jahrhundert schon einmal ein
Gotteshaus befand, führen sie das exemplarisch vor.
Das Dach nimmt ebenso auf das benach barte romanische Beinhaus
Bezug, aus des sen konkavem Zeltdach Coop Himmelb(l)au die
Geometrie der Haube entwickelte, wie auf Le Corbusiers Kapelle
NotreDamedu Haut in Ronchamp und sein Kloster Sainte Marie de
La Tourette in Éveux. Assoziert man die Kapelle in Ronchamp mit
Gebilden wie einem Schiff, einem Bunker oder einer Wolke, so
verbindet sich in Hainburg die luf tige Optik einer Wolke mit der
technischen Fertigung eines Schiffes: Das Dach wurde nämlich in
einer Werft produziert.
Die Kegel, die sich in der Kapelle von La Tourette als Lichtkamine
in den Himmel re cken, bilden die Referenz für die drei Ober
lichter in Hainburg. Die Kegelgeometrie ge hört, in vielfachen
Variationen, inzwischen zum Formenkanon von Coop Himmelb(l)au. In
Hainburg scheint sie sich aus einer einzi gen Bewegung heraus zu
entwickeln. Was aber aussieht wie aus einem Guss gefertigt, besteht
aus 264 miteinander verschweissten Blechtafeln. Zusammen mit den
Primär und den Sekundärspanten dienen sie als Druck gurten,
derweil die an die Spanten angefüg ten Profilträger den Part der
Zuggurte über nehmen. Die gesamte Stahlblechhülle ist Teil der
tragenden Konstruktion.
Kristallines Element Zur Wolke gesellt sich der Kristall.
Kris
tall und Wolke waren schon beim Musée des Confluences in Lyon die
beiden prägenden Symbole. In Hainburg fungiert nun die gefal tete,
vor und zurückspringende Glasfassade als kristallines Element. Sie
öffnet den Got tesdienstraum zur Strasse hin. Das dritte Ele ment
sind die mit Faserzementplatten ver kleideten, geschlossenen
Fassadenflächen.
Über die erdfarbene Verkleidung mäandern Muster, wie Wellen sie in
den Sand zeichnen. Dieses wandelbare Bild kontrastiert mit der
soliden Fassadenplatte. Die Platte ist eine Neuentwicklung, deren
Prototyp in Hainburg zur Anwendung kam. Um das dreidimensio nale
Relief der Oberfläche zu erzielen, fräs ten SwisspearlMitarbeiter
die ondulieren den Linien nach dem Aushärtungsprozess in die
Faserzementplatten ein.
Einmal auf Moby Dicks Fährte gesetzt, ist die Versuchung gross,
noch etwas in seiner Geschichte zu blättern: «Welle über Welle
schiesst empor …»
18 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Vertical section Scale: 1:20
1 Swisspearl® LARGO Platte 12 mm, reliefgefräst 2 Hinterlüftung,
vertikale Unterkonstruktion 3 Feuchtigkeitssperre 4 Wärmedämmung,
Mineralwolle 5 Beton 6 Stahlkonstruktion 7 Gipskartonplatte 8
Stahlblech 9 Stahlspanten 10 Hinterlüfteter Dachraum 11 Spanplatte
12 Dampfbremse 13 Abgehängte Stahlkonstruktion 14 Verputz
1 Swisspearl® LARGO panel 12 mm, ? 2 ventilation cavity, vertical
sub framing 3 moisture barrier 4 thermal insulation, mineral wool 5
concrete 6 structural steel 7 gypsum plaster board 8 steel sheet ?
9 ? 10 ? 11 chip board 12 vapor retarder 13 suspended structural
steel ? 14 plaster
11 4 12
Erdgeschoss 1:500
Scale: 1:? Code_Kirche_Hainburg1 cm
«Ich wollte, der Wind hätte einen Körper.» Aus: Herman Melville,
Moby Dick, 1851
FREIE FORMEN 19
Wellenspuren im Sand: Für das Relief wurden nach dem
Aushärtungsprozess ondulierende Linien in die Faserzement platten
eingefräst.
20 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
ARCHITEKTEN: Samuel Stevenson & Sons, Belfast
(PROJEKTARCHITEKTEN: Gerard Scullion, Peter Niblock)
BAUZEIT: 2013–2015 GENERALUNTERNEHMUNG: O’Hare & McGovern Ltd,
Newry
FASSADENBAU: Edgeline Metal Roofing Ltd, Magherafelt
FREIE FORMEN 21
Der Ersatzbau für ein in die Jahre ge kommenes Sportzentrum
markiert den Eingang zu einem ausschweifenden Park in
Derry/Londonderry. Die Archi tekten haben seine drei massgebenden
Funktionen entlang einer zentralen Achse angeordnet und im
architektoni schen Ausdruck differenziert: Die Fassadenhaut
kombiniert Zink, Holz und lichtdurchlässige Paneele mit
SwisspearlPlatten in drei verschiede nen Grautönen.
plex weitgehend vorgegeben, der gestalteri schen Freiheit, sie zu
artikulieren, sind enge Grenzen gesetzt. Die Herausforderung für
den Architekten bestand darin, die Raum komponenten – in der Foyle
Arena sind das eine Kletteranlage, eine Doppelschwimm halle und
eine Mehrzweckhalle – zu einer kohärenten Einheit zu verbinden und
zu ge währen, dass sich Besucher in der Grossan lage
zurechtfinden.
Die Architekten der Foyle Arena haben den Grundriss in drei
parallele, in nordsüdli cher Richtung verlaufende Raumschichten
unterteilt. Entlang der Zentralachse befinden sich die fünfzehn
Meter hohe und drei Meter in den Boden versenkte Kletterhalle sowie
– in den rückwärtigen Gebäudebereichen und im Obergeschoss –
verschiedene Kraft und Fitnessräume. Im westlichen Teil der An
lage sind die beiden Schwimmbäder unter
Patrick Zamariàn In der nordirischen Stadt Derry/Londonderry, nahe
der Grenze zu Ir land, nahmen die blutigen Auseinanderset zungen
zwischen protestantischen Loyalis ten und katholischen
Republikanern in den späten 1960erJahren ihren Anfang. Der
Konflikt, der sich bis heute in der Uneinigkeit über den Ortsnamen
spiegelt, lähmte die Ent wicklung der Stadt während Jahrzehnten.
Seit der Auszeichnung als erste britische Kul turhauptstadt im
Jahr 2010, in deren Folge der Stadtrat Prestigeprojekte wie die
Frie densbrücke über den Fluss Foyle vorantrieb, herrscht
allerdings eine gewisse Aufbruch stimmung. Davon zeugt auch die
Foyle Arena, die das Architekturbüro Samuel Steven son and Sons im
beliebten St Columb’s Park im Zentrum der Stadt errichtete.
Die Dimensionen des Raumprogramms sind bei einem multifunktionalen
Sportkom
22 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Scale: 1:1000 IRL_SportsArena_DerryCity1 cm
Scale: 1:1000 IRL_SportsArena_DerryCity1 cm
Vertical section Scale: 1:20
IRL-07_SportsArena_DerryCity1 cm
1 Swisspearl® LARGO Platte 8 mm 2 Hinterlüftung, vertikale Lattung
3 Backsteinmauerwerk 4 Hinterlüftung 5 Wärmedämmung 6 Wasserrinne 7
Metallblech 8 Sperrholzplatte 9 Lattung 10 ? 11 Gipsplatte 12
?
1 Swisspearl® LARGO panel 8 mm 2 ventilation cavity, vertical
batten 3 brickwork 4 ventilation cavity 5 thermal insulation 6
water gutter 7 metal sheet 8 plywood board 9 batten 10 facing brick
? 11 gypsum board 12 wall tiles ?
2
3
4
5
3
10
1
6
1
8
9
7
8
9
7
9
11
12
Vertikalschnitt 1:20
1 Swisspearl® LARGO, 8 mm CARAT Crystal 7010, Anthrazit 7021, Agate
7219
2 Hinterlüftung, vertikale Lattung 3 Backsteinmauerwerk 4
Hinterlüftung 5 Wärmedämmung 6 Wasserrinne 7 Metallblech 8
Sperrholzplatte 9 Lattung 10 Backsteinsockel 11 Gipsplatte 12
Wandverkleidung
Erdgeschoss 1:1000
gebracht; der östliche Teil beherbergt eine Judo halle und eine
Mehrzwecksporthalle, die dank der stützenfreien Bauweise zu einer
Veranstaltungshalle für zweitausend Besu cher zusammengeschlossen
werden können. Der Hauptzugang führt zwischen der Kletter halle
und dem Ostflügel in ein zentrales Ein gangsfoyer, von wo aus die
Besucher alle drei Gebäudeteile überblicken.
Eine Urform für den zentralen Bau Die axiale Struktur lässt sich
von aussen
an der dreiteiligen Gestaltung des Baukör pers ablesen. Der
Blickfang der Anlage ist die Kletterhalle, die als vollständig
verglaster, weit hervortretender Mittelrisalit den Haupt eingang
markiert und eine symmetrieartige Hierarchie zwischen dem
westlichen und dem östlichen Gebäudeteil herstellt. Formal bedient
sich der zentrale Bau einer Urform, sodass er aus der Ferne an ein
britisches Her renhaus erinnert, das in einen ausladenden
Landschaftsgarten eingebettet ist. Dieses Bild unterstreicht ein
privater Zufahrtsweg, an dessen Abzweigung an der Hauptstrasse ein
bestehendes gusseisernes Tor die Besu cher empfängt. Der Weg
trennt die Haupt front von den Parkplätzen. Auch die Nordfas
sade, die sich den angrenzenden Aussenspiel feldern und dem zum
Fluss hin abfallenden Park zuwendet, ist trotz unterschiedlicher
Raumkonfiguration analog formuliert.
Collagenartige Fassadengestaltung Die Fassaden der Foyle Arena sind
in
einem collagenartigen Nebeneinander farb lich wie materiell
kontrastierender Elemente gehalten, wie es in der britischen Gegen
wartsarchitektur allgegenwärtig ist. Das auf fallendste
Gestaltungsmerkmal ist die dop pelschichtige Zinkfassade, die das
zentrale Bauvolumen umrahmt, sich als Dach über die Schwimmhalle
weiterzieht und mit seiner gestaffelten, geschwungenen Form das
Bild von Wellen hervorruft. Als Ausfachung die nen grossflächiges,
teilweise mit grüner Folie beschichtetes Glas sowie
SwisspearlPlatten in drei verschiedenen Grautönen.
Einen ganz andersartigen Gestaltungsan satz verfolgten die
Architekten bei der ortho gonalen Mehrzweckhalle, wo sie beim Dach
auf eine ostentative Geste verzichteten. Im oberen Bereich der
Seitenfassade kombinier ten sie erneut SwisspearlPlatten in
verschie denen Grautönen, für die Längsfassaden wählten sie
hingegen ein System aus translu zenten Paneelen, die natürliches
Licht in den Innenraum leiten. Im Erdgeschoss läuft ein
durchgehendes horizontales Fensterband über einem mit Holz
verkleideten Sockel, da hinter befinden sich wie auch im
Westflügel Büros, Garderoben und andere Nebenräume.
Eine besonders gelungene Anwendung der auf allen Fassaden
verwendeten Swiss pearlPlatten findet sich im
Eingangsbereich,
wo die nach aussen gefaltete Zinkfassade der Kletterhalle eine
überdachte Zugangspas sage bildet. Die verhaltene Farbgebung und
das präzise Fugenbild des Plattenmusters bilden einen stilvollen
Hintergrund für die holzbeschichteten Stahlstützen, die in ihrer
formalen Gestaltung an die ArtsundCrafts Tradition erinnern und
so die «Britishness» des neuen Sportzentrums unterstreichen.
Scale: 1:? IRL_SportsArena_DerryCity1 cm
«Es ist eine bewusste Gestaltungs ab sicht, herannahende Besucher
mit der Funktion des Gebäudes vertraut zu machen und dies, wo immer
möglich, mit der Ver wendung transparenter Flächen zu
unterstützen.» Samuel Stevenson & Sons Architekten
24 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
26 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Das spektakuläre Bürogebäude in Poz nan steht auf einer
Restparzelle, die von Tramschienen und zwei Hauptver kehrsachsen
begrenzt wird. Das keil förmige Volumen des Baukörpers ergibt sich
aus der dreieckigen Fläche des Grundstücks. Die Fassadenhaut
besteht aus schwarzen SwisspearlPlatten und wird von vertikalen,
schattenspen denden Lamellen strukturiert.
POLEN
STANDORT: ul. Pitkowska 163, Jeyce BAUHERRSCHAFT: PPHU Masterm,
Tarnowo Podgórne, Pozna
ARCHITEKTEN: Insomia, Pozna (PROJEKTARCHITEKTEN: Szymon
Januszewski, Agnieszka Liguz, Juliusz Dudniczek, Marta Gasiorek,
Marcin Caka) BAUZEIT: 2011/12
GENERALUNTERNEHMUNG: PPHU Masterm, Tarnowo Podgórne, Pozna
FASSADENBAU: Grekiewicz PHU, Bydgoszcz
Patrick Zamariàn Poznan liegt auf halbem Weg zwischen Warschau und
Berlin, in ei nem der bevölkerungsreichsten Ballungs räume
Polens. Die Stadt blickt auf eine lange Geschichte als
Handelszentrum zurück und hat dank ausgezeichneter Verkehrsanbin
dung wie kaum eine andere von der europäi schen Integration des
Landes profitiert. In den vergangenen Jahren haben sich zahlrei
che nationale und internationale Unterneh mungen in Poznan
angesiedelt; die Nachfrage nach Büroräumlichkeiten und der Druck
auf Bauträger, ein architektonisches Ausrufezei chen zu setzen und
sich so von den Mitbe werbern abzuheben, ist deshalb gross.
Dreieckige Restparzelle Ein besonders aufsehenerregendes Bei
spiel hierfür ist das Bürogebäude Jet Office, das das ortsansässige
Architekturbüro Inso mia auf einer Restparzelle an der Schnitt
stelle zweier Hauptverkehrsachsen im Nor den der Stadt errichtet
hat. Der Zugang zum Gebäude erfolgt von einer westseitigen Ne
benstrasse, die das dreieckige Grundstück von den Tramschienen und
einem dahinter liegenden Grünraum trennt. Das Raumpro gramm
umfasst eine unterirdische Parkga rage, ein nach Osten zur
vielbefahrenen PitkowskaStrasse orientiertes Ladenge schoss sowie
eine Bürofläche von 1900 Qua dratmetern, die sich auf drei
Vollgeschosse und ein vollverglastes, zurückversetztes Dachgeschoss
verteilt.
Die eigentümliche Form der Parzelle er forderte einen speziellen
Entwurfsansatz, denn die Geschossflächen sollten optimal genutzt
werden. Bürobauten bestehen übli cherweise aus einem zentralen
Erschlies sungskern und einem regelmässigen, von den
Aussenwänden abgesetzten Stützenraster, um so maximale Flexibilität
in der Raum und Fassadeneinteilung zu gewährleisten. Abgesehen von
einer einzelnen internen Stützenreihe ist die Stahlbetonstruktur
des Jet Office jedoch peripher angeordnet. Das selbe gilt für den
in Sichtbeton ausgeführten Aussteifungskern, der neben Lift und
Trep penhaus die gemeinschaftlichen Toiletten anlagen enthält und
durch separate Zugänge unterschiedliche Zonierungen der Büro
flächen ermöglicht.
Die Not zur Tugend gemacht Während der Grundriss die
Raumeintei
lung erschwerte, machten die Architekten bei der äusseren Form die
Not zur Tugend: Sie setzten die dreieckige Parzelle – im wahrsten
Sinne des Wortes – überspitzt in Szene. Mit Ausnahme des
rückseitigen Erschliessungs kerns und der angrenzenden Wandfläche
ist das gesamte Bauvolumen mit einer Fassaden haut aus schwarzen
Faserzementplatten um hüllt und von vertikalen Lamellen rhythmi
siert. Die Einbuchtung der Hauptfassade nimmt die Flucht des
südlich angrenzenden Gebäudes auf; gegen Norden hin kulminiert der
Baukörper in einer überhängenden, an den Bug eines Schiffes
erinnernden Ecksitu ation. Die nautischen Konnotationen sind von
den Architekten durchaus beabsichtigt – da wie dort argumentieren
sie für die dyna mische Form nicht mit formalen, sondern primär
mit funktionellen Erwägungen.
Scale: 1:? ARE-95_Jet_Oce_Poznan1 cm
FREIE FORMEN 27
Vertical section Scale: 1:20
ARE-95_Jet_Oce_Poznan1 cm
1 Swisspearl® LARGO panel 8 mm 2 ventilation cavity 3 bracket 4
moisture barrier 5 plywood board 6 thermal insulation, mineral wool
7 concrete 8 light-emitting diode around each letter ? 9 acrylic
glass, colored ?
1
2
3
2
4
3
8
9
1
5
6
7
1 Swisspearl® LARGO, 8 mm REFLEX Black Velvet 9221
2 Hinterlüftung 3 Wandhalter 4 Feuchtigkeitssperre 5
Sperrholzplatte 6 Wärmedämmung, Mineralwolle 7 Beton 8
Hinterleuchtung Schrift 9 farbiges Acrylglas
«Der Hauptgrund für die ausserge wöhnliche Form des Gebäudes war
die eng begrenzte, drei eckige Parzelle.» Insomia
Architekten
Erdgeschoss 1:1000
STANDORT: Mayerlinger Strasse 4 BAUHERRSCHAFT: Spar Österreichische
Warenhandels AG, Salzburg
ARCHITEKTEN: Mang Architekten, Furth-Palt DESIGN
FASERZEMENTPLATTEN: Eva Manhart und Philipp Ehfrank BAUZEIT: 2015
GENERALUNTERNEHMUNG: Swietelsky Baugesellschaft GmbH,
Feldkirch
FASSADENBAU: SH Systembau GmbH, Scheifling
32 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Der Traum eines jeden Designstudenten verwirklichte sich für zwei
Studie rende der TU Wien: Der Bauherr des Spar Super markts in
Alland entdeckte ihren Prototyp einer 3DFassaden platte, die
sich wellt wie nasser Stoff. Die massgeschneiderte Hülle verleiht
dem Neubau ein präg nantes Aussehen.
Anna Roos Wo liegen die Grenzen der Form barkeit von Faserzement?
Mit dieser Frage setzten sich die Studenten der Technischen
Universität Wien im Sommersemester 2013 auseinander. Sie sollten
ein System entwi ckeln, das einen Raum oder ein Objekt mit
einzelnen Elementen umhüllen oder bede cken kann.
Zum Abschluss des Semesters reisten die Studierenden nach
Vöcklabruck nahe Salz burg ins Swisspearl/EternitWerk und ent
wickelten in Zusammenarbeit mit den Fach leuten Prototypen ihrer
Entwürfe. Die bei den Studierenden Eva Manhart und Philipp Ehfrank
wollten mit ihrer Arbeit den Werk stoff Faserzement betonen, so
Ehfrank, «ihn aber auch leichter und textiler erscheinen lassen».
«Und eine gewisse Eleganz reinbrin gen», ergänzt Manhart. Als
Vorlage für ihren Entwurf diente ein grosses Stück Stoff, dass die
beiden Designer intuitiv drapierten. Um die Stofffalten mit
Faserzement nachzubil den, formten und modellierten sie das Mate
rial in feuchtem Zustand. Für ihr Fassaden
system entwickelten sie acht verschiedene Prototypen, die man
horizontal oder vertikal montieren kann.
Bei der Schlusspräsentation erhielten die beiden angehenden
Designer ein gutes Feed back. Dass ein Unternehmen ihren Entwurf
aber gleich zur Umsetzung auswählen würde, damit hatten weder sie
noch Swisspearl/ Eternit gerechnet.
Individuell gefertigte Fassade betont expressive Dachform Die
Supermarktkette Spar plante im klei
nen Dorf Alland etwa vierzig Kilometer süd lich von Wien an
prominenter Lage eine neue Filiale: in Sichtweite der Kirche, auf
einem Grundstück, das gut an die lokale Infrastruk tur angebunden
ist und an einem Verkehrs knotenpunkt liegt. Ein neuer Supermarkt
würde den bisher ungenutzten Platz aufwer ten und ein bestehendes
Gebäude ersetzen. Der architektonische Ausdruck des Neubaus war
wichtig, denn an der exponierten Lage sollte ein Zeichen gesetzt
werden. Das Kon
Scale: 1:? AT_SparMarkt_Alland1 cm
FREIE FORMEN 33
zept des Architekten Christian Mang sah vor, dem Gebäude mit einer
innovativen, drei dimensionalen Fassade einen starken Aus druck
zu verleihen. Als er Manhart und Eh franks Prototyp zum ersten Mal
sah, so Mang, «war ich sofort überzeugt, dass es das rich tige
Bekleidungsmaterial für unser SparPro jekt ist. Es passte zu
unserem Entwurf.» Die grossen strukturierten Oberflächen, die die
Platten erzeugen, beeindruckten ihn. Zudem würde die 3DFassade
die dynamische Wir kung des weit auskragenden Dachs betonen.
Die Anfrage von Spar sorgte einen Mo ment lang für heisse Köpfe in
Vöcklabruck. Ein Material dreidimensional zu verformen, sei für
einen Prototyp relativ einfach, erläu tert Produktionsmanager
Christoph Pohn. Eine grosse Herausforderung sei es hingegen, die
Platten für einen effektiven Bau standar disiert und exakt zu
fertigen. Es dauerte rund ein Jahr, bis Manhart und Ehfranks
Prototy pen serienreif waren und die Platten für die Fassade des
Supermarkts produziert werden konnten. Dabei wurden die
Faserzementplat
ten feucht auf die beschichteten Holzmodelle gelegt und
anschliessend von Hand in die Fal ten und Ausbuchtungen
gestrichen.
Die Faserzementplatten drapieren sich wie nasser Stoff um die
Fassade des Super markts. Als wollten sie an den feuchten,
formbaren Zustand bei der Entstehung der Platten erinnern, weckt
die Oberflächen struktur in mattem Grau den Eindruck eines
weichen, plastischen Materials. Die horizon talen und vertikalen
Fugen zwischen den Platten setzen ein optisches Gegengewicht zu den
Wellen.
Neben der expressiven Fassade ist eine weite Dachauskragung das
zweite Merkmal des Gebäudes. Für die Unterseite der Aus kragung
wurden glatte SwisspearlPlatten im selben Grauton wie die
Fassadenelemente verwendet.
Gewagt und dynamisch in ihrer Wirkung verleiht die Fassade dem
Gebäude einen aus geprägten Charakter. Die angehende Desig nerin
Eva Manhart fand es «ziemlich cool», zu sehen, dass das Stück
Stoff, das sie und
Philipp Ehfrank zu Beginn ihres Entwurfs drapiert hatten, nun fast
eins zu eins aus Faserzement an einer Fassade hängt.
34 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Die beiden Studierenden der TU Wien, Eva Manhart und Philipp
Ehfrank, experimentieren mit Faserzement in feuchtem Zustand.
Die SwisspearlMitarbei ter drücken und streichen die
Faserzementplatte von Hand in die Falten und die Erhebungen des
Modells.
Aus acht verschiedenen Plattenformen entsteht eine durchgehend
wellige Oberfläche.
FREIE FORMEN 35
1 Swisspearl® 3D-Fassadenplatte 8 mm, individuelle Einzelfertigung
2 Hinterlüftung, Aluminium-Unterkonstruktion 3 Wandhalter 4
Wärmedämmung, Sandwichpanel 5 Stahlträger 6 Insektengitter 7
Unterkonstruktion 8 Brettschichtholz-Träger 9 Betonstütze 10
Abdichtung 11 Holzdachelement
1 Swisspearl® ? 8 mm, ? 2 ventilation cavity, aluminum sub framing
3 bracket 4 thermal insulation, ? 5 steel beam 6 insect screen 7
sub framing 8 glulam beam 9 concrete column 10 waterproong 11
?
2
3
4
9
8
1
6
7
5
2 Hinterlüftung, Aluminium-Unterkonstruktion 3 Wandhalter 4
Wärmedämmung, Sandwichpanel 5 Stahlträger 6 Insektengitter 7
Unterkonstruktion 8 Brettschichtholz-Träger 9 Betonstütze 10
Abdichtung 11 Holzdachelement
«Wir wollten den Werkstoff Faserzement leichter und textiler
erscheinen lassen. Und eine gewisse Eleganz reinbringen.» Eva
Manhart und Philipp Ehfrank, Designer
Erdgeschoss 1:500
38 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Wenn das Freizeitgebäude der Mall of Switzerland im Herbst 2017
seine Tore öffnet, soll sich die Fassade wie ein Theatervorhang um
den Körper wellen und bauschen. Für diese Optik müssen Architekten
und Swisspearl Fachleute verschie dene technische und hand
werkliche Herausforderung meistern.
Rahel Hartmann Schweizer Welches Ge sicht kann man einem Bau
verleihen, der eben gerade keine Ein und Ausblicke haben soll? Für
ein Freizeitgebäude mit Kino nah men sich die Architekten von
Burckhardt und Partner und tgs Architekten ein Motiv vor, das wie
kaum ein anderes jenen Spannungs moment einfängt, wenn sich im
altehrwürdi gen Kinotheater der Vorhang öffnet. Wie ein vor und
zurückspringendes Textil sollte sich die Fassade um den Baukörper
schwingen.
Die Kantonsstrasse entlang der A14, die Zug mit Luzern verbindet,
zeigt sich stre ckenweise als «Las Vegas Strip» im Klein format.
Die Mall of Switzerland soll die länd liche Zersiedelung mit zwei
Baukörpern von urbaner Qualität auffangen, und zwar auf ei
SCHWEIZ
VORHANG AUF FÜRS MULTIPLEXKINO
nem 73 000 Quadratmeter grossen Gelände – einer nicht mehr
benötigten Landreserve der Aufzugsfirma Schindler. Neben einem
Einkaufszen trum mit 46 000 Quadratmetern Fläche für rund 150 Shops
und 5000 Quadrat metern Gastronomiefläche planen die Archi tekten
im Auftrag der Projektentwickler ein Freizeitgebäude mit
Multiplexkino.
Komplexe Sinnlichkeit Die Antwort auf den Wunsch nach einer
Vorhang optik heisst FaserzementWell platte. Doch die Architekten
suchten eine Aus gestaltung, die das Vorbild präziser «nachahmt».
So sollten die Schwünge ebenso un regelmässig verlaufen wie die
schweren Samtstoffbahnen im Theater. Ausserdem wünschten sie sich
eine markantere Ausprä gung der Wellenberge und täler, also
Höhen unterschiede von gegen 30 Zentimeter, was die 5,2 Zentimeter
Unterschied bei der Well platte weit überstieg.
Diese Vorstellungen stellten das Swiss pearlWerk in Payerne
buchstäblich vor eine Zerreissprobe. Die Radien der Wellen durf
ten nicht zu eng sein, die Unterschiede zwi
schen Höhen und Tiefen nicht zu gross. Ers teres hätte zu Rissen
im Faser zement geführt, Letzteres hätte bei einer Stoffbreite von
125 Zentimetern lediglich eine Welle pro Bahn erlaubt. Der
maximale Höhenunter schied liess sich schliesslich auf 15 Zentime
ter festlegen. Das anthrazitfarbene Muster zeigt eine von vier
möglichen Varianten. Denn es wurden zwei verschiedene Formen
gestaltet, die jeweils um 180 Grad gedreht werden können. Das
verleiht dem Rhythmus der Wellen zusätzliche Dynamik.
Zu den technischen und handwerklichen Herausforderungen gesellten
sich terminli che. Um die fristgerechte Lieferung sicher
zustellen, mussten – eingedenk der Trock nungszeit von je zwei
Tagen – mehrere Posi tivformen gegossen werden. Auch brauchte es
eine neue Befestigung, da die Fachleute mit einer stärkeren
Dilatation als bei «klassi schen» Faserzementplatten
rechneten.
FREIE FORMEN 39
Das Muster zeigt die ein drückliche «Topo grafie» des Elements.
Die Wellentäler müssen so tief sein, dass sie mit der
Unterkonstruktion in Berührung kommen und an dieser befestigt
werden können. Einzelne kleinere «schwebende» Wellen sind
möglich.
links: Der elf Meter hohe «Vorhang» soll über dem Sockel schwingen.
Eröffnung ist auf Herbst 2017 geplant.
Beim Entwerfen hatten Burckhardt + Partner und tgs Architekten
Vorhänge in Kinosälen vor Augen.
40 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Das Haus Central in Einsiedeln irritiert zunächst. Man meint, vor
einem auf geschnittenen Baukörper zu stehen, aus dessen Innern sich
ein grünlicher Vorhang im Wind bauscht. Tatsächlich aber hat das
Gebäude zwei Gesichter: Zum Strassenraum hin zeigt es eine
Betonfassade, auf der Rückseite eine fliessende, ondulierende
Bekleidung.
SCHWEIZ
STANDORT: Hauptstrasse 22/24 BAUHERRSCHAFT: privat ARCHITEKTEN:
Unger & Treina AG, Zürich
BAUZEIT: 2013/14 GENERALUNTERNEHMUNG: Josef Diethelm,
Freienbach
FASSADENBAU: Beda Holzbau AG, Egg
ist mit SwisspearlFassadenschiefer beklei det. Und da offenbart
sich auch der Sinn der zwei Gesichter. Das eine – veredelt durch
die Malereien der Erkerverglasungen und die schmucken
Balkongeländer – repräsentiert den mondänen und sakralen Charakter
des Orts. Das andere besinnt sich der ländlichen Dörflichkeit von
einst.
Verschiedene Lesarten Ursprünglich versuchten die Architekten
diesen Spagat zwischen Dorf und Stadt mit tels Holzschindeln zu
meistern, die mit der städtischrepräsentativ gestalteten Front
kontrastiert hätten. Doch damit wäre die Re ferenz an die
bäuerliche Tradition etwas arg didaktisch ausgefallen und dem
heutigen Ort kaum angemessen gewesen. Die Idee, die Schindeln in
einem modernen Material aus bilden zu lassen, regt zu vielfachen
Lesarten an: von der Ausstülpung des Innenraums über die
Grünfassade und die Gartenterras sierung bis zum weich fliessenden
Kleid. Die Naturanalogie entsteht durch die Wahl der Farben – ein
helles Graublau, ein zartes Mint grün und ein stark abgetöntes
Graugrün. Die Assoziation eines wogenden Stickereigewe bes ruft
der wie zufällig erscheinende, aber doch nach bestimmten Mustern
sich wieder holende Rhythmus hervor, in dem die ver schiedenen
Farbtöne verteilt sind.
Rahel Hartmann Schweizer Der Neubau des Hauses Central steht
prominent am Dorf platz im Herzen von Einsiedeln, in unmittel
barer Nachbarschaft des Kultur und Kon gresszentrums «Zwei
Raben». Das ehemalige Waisen, Armen und Krankenhaus von 1859
wurde 1977 zum Veranstaltungszentrum um gebaut. Das «Central» fügt
sich zudem in die neue Konzeption des Dorfplatzes ein, die die
Gemeinde 2015 angestossen hat: Einsiedeln will damit – dem Leitbild
des Bezirks ent sprechend – den Dorfkern aufwerten und at
traktiver werden. Das Architekturbüro Unger und Treina verstand
seine Aufgabe für das «Central» denn auch darin, qualitätsvolle
Wohnräume und attraktive Verkaufsflächen zu schaffen und
gleichzeitig der städtebau lichen Exponiertheit Rechnung zu
tragen. So definierten sie den Bau als Drehpunkt des Dorfplatzes:
Die repräsentative Fassade um klammert eine Rückseite von
ondulierendem Zuschnitt. Die Architekten betonten die Fi gur mit
Erkern, womit sie die Ecke zwischen Dorfplatz und Hauptstrasse
akzentuieren. Als Pendant dazu fungieren auf der Rückseite
Terrassen, die in die geschwungene Geomet rie eingeschnitten
sind.
Mondäner versus dörflicher Charakter Mit je einer unterschiedlichen
Gliede
rung betonen die Architekten überdies die zwei Gesichter des
Hauses. An den Fassaden zum Platz liegen über einem Sockel mit als
Schaukästen ausgebildeten Fenstern drei Obergeschosse mit
regelmässig angeordne ten Fenstern. Darauf aufgesetzt ist eine zu
rückversetzte, vollverglaste Attika. Um den wie zufällig
erscheinenden Verlauf der kon kaven und konvexen Schwünge der
Rückseite zu unterstreichen, verwischten die Architek ten die
Geschossgliederung, indem sie die Fenster versetzt platzierten.
Analog verfuh ren sie mit der Materialisierung. Die Schau seiten
sind in Beton ausgeführt, die Rückseite
Scale: 1:? CH_MFH_Einsiedeln1 cm
CH_MFH_Einsiedeln1 cm
1 Swisspearl® FASSADENSCHIEFER 4 mm 2 Swisspearl® LARGO Platte 8 mm
3 Hinterlüftung, vertikale Lattung 4 Wärmedämmung 5 Hinterlüftung,
vertikal Lattung mit EPDM-Band 6 Backsteinmauerwerk 7 Verputz 8
Plattenbelag 9 Splitt 10 Abdichtung 11 Dampfbremse 12 Beton 13
Holzplatte
1 Swisspearl® SMALL FORMAT 4 mm 2 Swisspearl® LARGO panel 8 mm 3
ventilation cavity, vertical batten 4 thermal insulation 5
ventilation cavity, vertical batten ? 6 brickwork 7 plaster 8 tile
ooring 9 ? 10 waterproong 11 vapor retarder 12 concrete 13 timber
board
9 10 4
Vertikalschnitt 1:20
1 Swisspearl® FASSADENSCHIEFER, 4 mm PLANEA Grün P 518, Grün P 519,
Blau P 414
2 Swisspearl® LARGO, 8 mm 3 Hinterlüftung, vertikale Lattung 4
Wärmedämmung 5 Hinterlüftung, vertikale Lattung mit EPDM-Band 6
Backsteinmauerwerk 7 Verputz 8 Plattenbelag 9 Splitt 10 Abdichtung
11 Dampfbremse 12 Beton 13 Holzplatte
«Der Neubau versteht sich als Drehpunkt des Dorfplatzes.» Unger
& Treina Architekten
Erdgeschoss 1:500
1. Obergeschoss
4. Obergeschoss
FREIE FORMEN 43
Die scheinbar zufällig angeordneten Grün und Blautöne der
Fassadenschindeln bil den ein dekoratives Muster. Der Bau zeigt
zwei Gesichter: ein mondänes, der Stadt zugewandtes und ein
ländlichdörfliches auf der Rückseite.
44 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Verschiedene Kräfte wirkten auf die Gestaltung dieses
Einfamilienhauses ein. Die Bauherrschaft brachte ihre Vorstellungen
vom Leben und Wohnen vor. Die Baubehörde machte Vorgaben zum
Ortsbildschutz. So formten die Architekten einen mehrfach abgekan
teten Baukörper mit eigenem Cha rakter, der sowohl der Umgebung
als auch dem Innenleben gerecht wird.
SCHWEIZ
STANDORT: Dorfstrasse 13 BAUHERRSCHAFT: Peter Dünki, Hirzel
ARCHITEKTEN: Christa Stutz & Benno Kohli, Wohlen BAUZEIT:
2009/10
FASSADENBAU: Roland Salm Fassadenbau AG, Schinznach-Dorf
Michael Hanak Die Hügellandschaft zwi schen Zürichsee und Zugersee
ist von beson derer Schönheit. Drumlins nennt man die länglichen,
gerundeten Hügel, die einst ein Gletscher unter sich formte. Auf
jedem Hügel steht ein Baum. Da, am Rand eines Bauerndorfs, erfüllte
sich ein Ehepaar den Wunsch nach einem Einfamilienhaus. Es sollte
kein konventionelles Haus werden, sondern ein ganz eigenes, in
zeitgenössischer Architektursprache. Die Architekten Christa Stutz
und Benno Kohli nahmen die in vielen Gesprächen vorgebrachten Ideen
und Vor stellungen der Bauherrschaft auf und ent wickelten daraus
die Gestalt des Hauses mit seiner eigenwilligen Aussenform.
«Ein Vorteil des freistehenden Einfamili enhauses ist», so Benno
Kohli, «dass alle vier Himmelsrichtungen erlebbar gemacht wer den
können.» Aufbauend auf dieser Erkennt nis betrachteten die
Architekten das Gebäude als Einheit: Alle Seiten des Hauses sollten
gleich gestaltet und materialisiert werden. Das Dach, das von der
Zufahrt aus gut sicht bar ist, verstanden sie als fünfte
Fassade.
Dach als Entwurfsthema Um Fassaden und Dach gleichwertig zu
behandeln, kamen nicht viele Materialien in Frage. Der Entscheid
fiel bald auf gross formatige, silbergraue Faserzementplatten mit
formal reduzierten Blechabschlüssen. Die unterschiedlich
dimensionierten Fas sadenplatten liessen die Architekten in
horizon talen Lagen verlegen. Die ebenfalls unterschiedlich grossen
Fenster sind – mal aussenbündig und mal innen angeschlagen –
scheinbar frei verteilt, ohne Rücksicht auf das Fugenbild zu
nehmen, sondern den inne ren Gesetzmässigkeiten folgend.
Bauvorschriften schränkten die Form des Hauses ein. Starke
Abweichungen vom Orts üblichen lehnte die Baubehörde ab. Die ein
geschossige Wohnzone erlaubt nur eine ge
ringe Gebäudehöhe und verbietet ein Flach dach. Ausserdem sollte
das Dach geschuppt sein, die Fassade nicht. So erhoben die Archi
tekten die Dachform zum tragenden Ent wurfsthema. Verschiedene
Neigungen und unregelmässige Geometrien sowie der Auf bau für ein
zentrales Oberlicht bestimmen das Aussehen des Dachs, das nahtlos
in die Fassade übergeht. Die Seitenfassaden sind mehrfach geknickt,
und ein Einschnitt in die Nordwestecke bildet einen Hof aus. So
ent stand ein unregelmässig geformter Baukör per, der einheitlich
umhüllt ist.
Das Projekt macht zum einen die Aussicht auf die reizvolle
Landschaft mit den fernen Bergspitzen zum Thema, zum anderen ge
währleistet es die Ausrichtung zur Abend sonne. Der grosse
Wohnraum öffnet sich an der Südostseite mit einer raumhohen,
breiten Verglasung zum eindrucksvollen Panorama. Der an den
Wohnraum anschliessende Ess bereich erhält dank einem bis zum
Boden und um die Ecke geführten Bandfenster ei nen starken Bezug
zum nordwestlich vorge lagerten Hof: Von einer Stützmauer einge
fasst und mit einem Birkenhain bepflanzt liegt dieser introvertiert
und still da. Der Ess platz steht im Mittelpunkt der Raumbezie
hungen: Umgeben vom Hof und direkt unter dem Oberlicht gelegen
führt er nahtlos in den Wohnraum über und stellt den Sichtkontakt
zur Galerie im Obergeschoss her.
Scale: 1:?
CH_EFH_Hirzel1 cm
46 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
«Die Zonen und Dachvorschriften schränkten den Entwurf so stark
ein, dass das Thema Dach zu einer tragenden Idee wurde.» Christa
Stutz, Architektin
FREIE FORMEN 47
1 Swisspearl® LARGO Platte 8 mm 2 Swisspearl® INTEGRAL PLAN Platte
8 mm 3 Hinterlüftung, vertikale Lattung 4 Feuchtigkeitssperre 5
Wärmedämmung 6 Holzlattung 7 Hinterlüftung, Konterlattung 8
Holzfaserdämmplatte 9 Dampfbremse 10 Gipskartonplatte, Weissputz 11
Grobspanplatte 12 Gipsplatte, Weissputz
1 Swisspearl® LARGO panel 8 mm 2 Swisspearl® INTEGRAL PLAN panel 8
mm 3 ventilation cavity, vertical batten 4 moisture barrier 5
thermal insulation 6 timber batten 7 ventilation cavity, counter
batten 8 ? 9 vapor retarder 10 gypsum plaster board, ? 11 oriented
strand board 12 gypsum board, ?
6 7 8 5
2 Swisspearl® INTEGRAL PLAN, 8 mm CARAT Titan 7060 R
3 Hinterlüftung, vertikale Lattung 4 Feuchtigkeitssperre 5
Wärmedämmung 6 Holzlattung 7 Hinterlüftung, Konterlattung 8
Holzfaserdämmplatte 9 Dampfbremse 10 Gipskartonplatte, Weissputz 11
Grobspanplatte 12 Gipsplatte, Weissputz
Sc al
e: 1:
50 0
C H
_E FH
_H irz
FREIE FORMEN 49
Auch im Innern ist die Materialisierung schlicht und unpräten
tiös: Fussböden aus eingefärbtem, gegosse nem Anhydrit, die Wände
weiss verputzt und alle Schreiner arbeiten aus Kirsch
baumholz.
50 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
ANGELEHNTER MONOLITH
Villa D’Orsi, Casciago, Varese STANDORT: Via A. Manzoni 4
BAUHERRSCHAFT: Raffaele D’Orsi, Casciago
ARCHITEKTEN: Studio di Architettura Franco Segre, Varese
(PROJEKTARCHITEKTIN: Elisa Campiglio)
BAUZEIT: 2014/15 FASSADENBAU: Lave snc di Alfio Luzzana e Fiori
Veruska, Villa di Serio
Beim Umbau einer Villa in Norditalien nahmen die Architekten zwei
separate bauliche Eingriffe vor: Zum einen restaurierten sie das
Gebäude aus den 1930erJahren sorgfältig, zum ande ren stockten sie
einen bestehenden Anbau auf und umgaben ihn mit einer ein
heitlichen Fassadenhaut aus dunklen SwisspearlPlatten. Die frei
verteilten Öffnungen des Anbaus kontrastieren bewusst mit der
strengen Gliederung der Villa.
Patrick Zamariàn Die in den 1930erJahren erbaute Villa D’Orsi
steht in der norditalieni schen Gemeinde Casciago, nahe der
Schwei zer Grenze. Der Heimatstil des faschistischen Italiens
unterscheidet sich nur unwesentlich von zeitgleichen Baustilen im
europäischen Umland – sieht man davon ab, dass viele ita lienische
Architekten jener Zeit die Fassaden symmetrisch komponierten und
mit roma nischhistorisierenden Typologien wie rusti zierten
Ecklisenen und Bogenfenstern mit Zwischensäulen versahen. Mit
grosser Sorg falt restaurierte das ortsansässige Architek turbüro
Franco Segre diese und andere deko rative Elemente wie die
Holzverkleidungen und das Zierband auf der Höhe der Fenster bank.
Die Aussenwände mit einem Gipsver putz in zurückhaltenden Erdtönen
harmo nieren mit den hellen Grautönen der Fassa dendetails,
dunkel lackierte Metallelemente akzentuieren die Fassaden. Die
bestehende Dachverkleidung ersetzten die Architekten durch
dunkelgraue Zementziegel und rüste ten das Dach mit
Photovoltaikpaneelen auf.
Annex aufstocken und aufwerten Da die Villa einen symmetrischen
Grund
riss hat, reihen sich uniforme und relativ geringflächige
Einzelräume aneinander. Die Massivbauweise macht es so gut wie
unmög lich, diese Aufteilung zu durchbrechen. Um zeitgemässe
offenere Wohnformen in der Villa einzurichten, hatte man bereits in
den 1980erJahren zur Westseite hin einen einge schossigen Annex
angefügt, den die Archi tekten nun aufstockten und aufwerteten. Im
Erdgeschoss brachten sie eine grosszügige Wohnküche unter, die die
bestehenden, rundgangartig angeordneten Wohn und Aufenthaltsräume
ergänzt und einen direk
ten Zugang zum Garten bietet. Die privaten Räumlichkeiten befinden
sich alle im Ober geschoss. Das Büro des Hauseigentümers sowie ein
Gäste oder Kinderzimmer sind in der Villa untergebracht, während
das neue Hauptschlafzimmer den gesamten Annex und somit ein Drittel
der Geschossfläche ein nimmt.
Neu und Alt differenzieren Obschon Villa und Anbau funktionell
eine
Einheit bilden, haben sich die Architekten dafür entschieden, die
beiden Gebäudeteile durch ein zwanzig Zentimeter breites Band aus
poliertem Edelstahl voneinander zu tren nen und gestalterisch zu
differenzieren. Im Gegensatz zum klassisch formulierten
Hauptgebäude ist der Annex ein frei ge formter Baukörper, dessen
unregelmässige Öffnungen und facettierte Haut aus anthra
zitfarbenen Faserzementplatten bewusst von der strengen
Orthogonalität der angrenzen den Fassadenflächen abweichen. Die
Archi tekten liessen sich in ihrem Entwurf von der Idee eines
mehrfach abgekanteten, sich an die bestehende Villa anlehnenden
Mono lithen leiten. Der Höhenunterschied und der leichte
Fassadenrücksprung betonen dieses implizite Hierarchieverhältnis
ebenso wie die monochromatische, dunkle Farbe, die den Annex
gewissermassen in den Schatten des Hauptgebäudes zurückweichen
lässt.
Scale: 1:? IT_Villad'Orsi_Casciago1 cm
52 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Scale: 1:200 IT_Villad'Orsi_Casciago1 cm
Scale: 1:200 IT_Villad'Orsi_Casciago1 cm
Vertical section Scale: 1:20
IT_Villad'Orsi_Casciago1 cm
1 Swisspearl® LARGO Platte 12 mm 2 Swisspearl® LARGO Platte 12 mm,
Oberäche für Dach 3 Hinterlüftung, vertikale Unterkonstruktion 4
Wandhalter 5 Wärmedämmung, Mineralwolle 6 Beton 7 Dampfbremse 8
Verputz 9 Backsteinmauerwerk 10 bestehendes Backsteinmauerwerk 11
Trapezblech 12 Halterung 13 Hinterlüftung 14 Abdichtung
1 Swisspearl® LARGO panel 12 mm 2 Swisspearl® LARGO panel 12 mm,
R-coating (roong) 3 ventilation cavity, vertical sub framing 4
bracket 5 thermal insulation, mineral wool 6 concrete 7 vapor
retarder 8 plaster 9 brickwork 10 existing brickwork 11 corrugated
metal decking 12 xing bolt ? 13 ventilation cavity 14
waterproong
11 12 13
2 Swisspearl® LARGO, 12 mm CARAT Anthrazit 7020 R
3 Hinterlüftung, vertikale Unterkonstruktion 4 Wandhalter 5
Wärmedämmung, Mineralwolle 6 Beton 7 Dampfbremse 8 Verputz 9
Backsteinmauerwerk 10 bestehendes Backsteinmauerwerk 11 Trapezblech
12 Halterung 13 Hinterlüftung 14 Abdichtung
«Aus kompositorischer Sicht bestand unsere Idee darin, den neuen
Teil mit einer anderen Sprache zu behan deln und dadurch die
Proportionen und Symmetrien des Hauptgebäudes aufzuwerten.» Studio
di Architettura Franco Segre
Erdgeschoss 1:200
Faserzementplatten und kostbarer Schmuck scheinen beim ersten
Gedan ken unvereinbar. Die Schmuckwerkstatt Skrein macht nun aber
vor, dass sich der Werkstoff mit wertvollen Metallen und
Edelsteinen auf ungewöhnliche Weise kombinieren lässt.
ÖSTERREICH
ARCHITEKT: Mathis Barz, Wien BAUZEIT: 2012
Anna Roos Um ihre hochwertigen Luxusar tikel zu verkaufen, locken
viele Juweliere ihre Kunden mit ausgewähltem Design und exklusiven
Materialien in ihre Schmuck läden. Auslageflächen und Schaufenster
sol len das Auge des Kunden verführen. Die Schmuckwerkstatt von
Alexander Skrein liegt in einer der besten Gegenden Wiens. Anfang
2012 vertraute Skrein dem Architek ten Mathis Barz, mit dem er
bereits früher zusammengearbeitet hatte, sein Konzept an, den Shop
mit Betonelementen und in zurück haltenden Braun und Grautönen –
anstelle der bisherigen Palette von Rot bis Orange – umzubauen.
Barz war anfänglich skeptisch, wie sich das harte Material mit dem
fili granen Schmuck kombinieren lasse. Dann dachte er an
Faserzement – ein Material, das so dauerhaft und geschmeidig wie
Beton ist, und doch auch leicht und fein gliedrig wie
Verbundwerkstoff – und erkannte das Poten zial, Skreins Kreationen
auf Faserzement flächen zu präsentieren. Zu Beginn liess er das
Unternehmen Swisspearl die Grenzen der Formbarkeit testen. Sobald
die Platten aus der Maschine kommen, werden sie noch feucht in die
benötigten Grössen geschnitten. Über Nacht werden sie zum Härten
auf eine dreidimensionale Form gelegt. Nach zwei Wochen ist das
Material hart genug, damit es nachbehandelt und versiegelt werden
kann. Die ersten Prototypen gelangen so gut, dass Skrein sich
entschloss, das Material für alle Auslageflächen im Laden zu
verwenden.
Eine starke Kombination Der geformte Faserzement wirkt wie
ein
Stoff. Für den «weichen Look», wie Barz es nennt, wird jedes Stück
einzeln von Hand nach bearbeitet. Jedes Element ist also ein
Unikat mit eigenem Charakter, wie der von Hand gefertigte Schmuck,
den es präsentiert. Die verschiedenen Möglichkeiten, wie man die
Kanten zuschneidet oder nachbearbeitet, wurden vollends
ausgeschöpft: die dünne Schicht im rechten Winkel exakt schneiden
oder ausreissen lassen, um dem Element einen rauen Touch zu
verleihen. Wie ein Tischtuch fällt das Material über die horizon
talen Flächen, seine Textur gleicht dickem Wollfilz. Die
Auslageflächen wallen sich sanft und formen kleine Landschaften, in
denen der Betrachter kostbare Halsketten, Ringe und Armbänder
entdeckt. Barz beschreibt sein Design mit dem Bild eines fliegenden
Teppichs und sagt, dass die Präsentations fläche «die archaische
Kraft von Faserzement mit der Poesie eines fliegenden Teppichs
kombiniere». Er gestaltete jede Schaufens terfläche als kleine
Bühne, auf der die Haupt darsteller – glänzende und strahlende
Schmuckstücke – ins Scheinwerferlicht ge rückt werden.
Barz stellt ungleiche Materialien mit ganz verschiedenen
Oberflächen neben einander: zum einen Faserzementplatten in mattem
Grau, die üblicherweise in Aussenfassaden Verwendung finden; zum
anderen kostbarer, glänzender Schmuck aus Edelmetall. Damit hebt er
die präzise gearbeiteten Schmuck stücke hervor und unterstreicht
deren Schön heit. Zu Recht nennt Barz seine Präsentation «eine
starke Kombination» und ist stolz da rauf, das Material auf so
innovative Weise einzusetzen und, wie er sagt, «salonfähig» zu
machen.
56 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
«Der ‹weiche Look› kom biniert die archaische Kraft von
Faserzement mit der Poesie eines fliegen den Teppichs.» Mathis
Barz, Architekt
KNOW-HOW Es begann in den 1950erJahren mit Willy Guhl: Der
Designer war fasziniert von der Beschaffenheit des Faserzements.
Sein LoopSessel gilt heute als Klassiker. Darauf folgten
Kooperationen mit mehr als zwanzig Produktegestaltern. Ihre
Kreationen bringen immer wieder frischen Wind ins
Unternehmen.
In der Produktionshalle ist weit und breit keine Ma schine zu
sehen: Alles wird von Hand angefertigt. Designer und Handformer
suchen dort gemeinsam nach der endgültigen Perfektion. Wer neue
Produkte ent wickeln will, muss das Material und seine
Eigenschaften verstehen. Auf Handzeichnungen folgen Gespräche über
Machbarkeit und Marktchancen. Mithilfe erster Grundformen entsteht
ein Prototyp, der anschliessend kri tisch beurteilt wird. Unsere
Handformer geben meist entscheidende Impulse für Verbesserungen.
Bis die passende Form steht, dauert es oft mehrere Wochen. Dabei
müssen sich zwei Welten finden: die des Desig ners und die des
Produzenten.
Sind Entscheidungen über Marktpreis, Produktions volumen und
Vermarktungsaktivitäten gefällt, beginnt die eigentliche
Serienfertigung. Das Abformen erfolgt ausnahmslos in Handarbeit,
Stück für Stück. Unsere Mitarbeiter schneiden mittels einer
Schablone die Form aus und betten sie in eine Positiv oder
Negativform ein. Zwischendurch klopfen sie das Mate rial immer
wieder an. Zwei Tage später sieht man, ob die Arbeit gelungen ist.
Zum Schluss wird jedes Er zeugnis geprüft und vom Designer
nummeriert und signiert – schliesslich sind es handgefertigte
Unikate!
Zahlen und Fakten Rund 35 000 handgeformte Gefässe und Design
objekte werden jährlich gefertigt.
12 Handformer arbeiten in der Formerei in Payerne. 1 einziges
Produkt kann pro Form und Tag her ge stellt werden.
Marcello Trabucco, Leiter Garten & Design, Eternit (Schweiz)
AG
FREIE FORMEN 57
58 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
HERAUSGEGRIFFEN
AUFGEBLASENER PLATZHALTER Auf der grünen Wiese plustert sich ein
weisses Häuschen auf, seine Seitenwände bauchen sich leicht nach
aussen. Die Luft, die ihm Volumen und Standhaftigkeit verleiht,
führt ein Ventilator via Schlauch stetig zu. Mit diesem leichten
Bau von sechs mal sechs mal sechs Metern haben die Architekten
Simon Durand und Gabriel Soulard einen dreidimensio nalen «Platz
halter» geschaffen. Er soll es Bauherren künftig erleichtern, sich
ein Grundstück in bebautem Zustand vorzustellen. Architekten
seien fasziniert von der Leichtigkeit aufblasbarer Objekte, sagt
Urs Meier, Inhaber von Luft & Laune, «und davon, dass bei ihnen
gewisse bauliche Gesetzmässigkeiten wie die Statik weg fallen».
Mit seiner Firma für aufblasbare Objekte ist er oft für die
Kreativwirtschaft tätig, neben Architekten zählen viele Künstler
und Theaterleute zu seinen Kunden. Das leichte Material lässt sich
schnell zu einem Volumen aufbauen oder besser: aufblasen. Die
Wirkung, die es entfaltet, ist aber meist gross.
Jedes Objekt erfassen Meier und sein Team zuerst als 3DForm und
legen im CAD die Nähte so fest, dass ein optimales Schnittmuster
entsteht. Der Plotter schneidet anhand dieser Daten die einzelnen
Folienteile zu, die Meier und seine Mit arbeiter zu einem Objekt
zusammennähen oder schweissen. Da der Luftdruck im Innern
gleichmässig verteilt sei, erklärt Meier, «eignen sich amorphe
Objekte am besten». Konkave Formen seien nur bedingt mög lich, da
es für jeden Einschnitt einen Zugpunkt oder eine Fläche brauche.
«Gerade Flächen machen wir nicht so gern, weil sie selten gut
rauskommen», so Meier. Die schönsten Objekte sind für ihn jene, die
mit wenig Aufwand viel Wirkung erzielen. Etwa das «Blasenfahrrad»
von raumlabor Berlin. Mit ein paar Spannseilen, viel Luft und einer
Hülle aus Bauplas tik, deren Teile Luft & Laune mit Klebband
zusam menfügte, entstand ein Versammlungsraum für eine Konferenz.
Nach dem Anlass findet die Hülle prob lemlos Platz in der
Fahrradkiste. (me)
«Blasenfahrrad» von raumlabor Berlin.
60 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Von freier Hand zeichnen, aber stren gen geometrischen Regeln
folgen: Das ist kein Widerspruch für den Architekten, Designer und
Künstler Stefan Sieboth. Aus einer Formidee heraus entwarf er einen
Tisch und wählte für den Unterbau Faserzement, um die gewellte Form
herzustellen. Das Resultat gleicht einem konstruk tiven
Kunstwerk.
Michael Hanak Spannungsvoll und op tisch leicht sollte der Tisch
wirken, erzählt Stefan Sieboth. Am Anfang stand eine Form idee:
ein Quadrat, das sich drehend durch den Raum bewegt. Zu dieser
Vorstellung schuf Stefan Sieboth einige Skulpturen, un ter anderem
eine aus Chromstahl gefertigte Säule von sieben Metern Höhe, die er
in seinem Garten aufstellte. Später verband er
PRODUKTDESIGN
DIE QUADRATUR DES TISCHS
die Formidee mit einem Tischentwurf und entwickelte sie weiter:
Ausgehend von einem Tisch mit vier schrägen Beinen erdachte Sieboth
ein skulpturales Tisch gestell: Seine quadratische Grundfläche
erhielt an den Ecken, ähnlich einem Wind rad, vier runde
Ausbuchtungen, und seine Grundfläche vollzieht vom Fussboden bis
zur Tischplattenhöhe eine Drehung um 45 Grad. Um den Tischentwurf
umzu setzen, dachte der Designer zuerst an Chromstahl, das er zur
besseren Formbar keit vielfach einschlitzte. Aufwand und Kosten
waren jedoch zu hoch. Dann erin nerte er sich an die legendären
Garten möbel von Willy Guhl aus Faserzement. Stefan Sieboth hat in
seinem Garten zwei alte LoopSessel stehen. Wie Guhl machte sich
Sieboth die Formbarkeit des Faser zements zunutze und fand so zur
endgül
Silberwellentisch
Masse ca. 70 × 70 × 71 cm
Material Tischplatte Floatglas, 12 mm, rund mit Durchmesser 140 cm
oder oval 100 × 160 cm
Material Tischgestell Faserzement, 8 mm
61
tigen Lösung des Silberwellentischs. In ei ner Negativform nimmt
das Material die gewünschte Form an. Auf den skulptural gewellten
Sockel wird schliesslich eine runde oder ovale Glasplatte
gelegt.
Dank Faltung und Verdrehung ist der Tischsockel stabil und wirkt
trotzdem leicht. In seiner Gestaltung erlangt der Tisch eine
objekthafte Qualität. Er lässt sich gut im Freien aufstellen – und
passt zu den frühen Entwürfen von Willy Guhl.
Der Architekt, Produktdesigner und Künstler Stefan Sieboth wird
dieses Jahr achtzig. Zu seinem Œuvre zählen klar strukturierte
Bauten, eigenwillige Möbel und auf geo metrischen
Gesetzmässigkeiten basierende Kunstwerke. Seit der Gründung des
Büros für Architektur und Industrial Design im Jahr 1959 strebt er
danach, funk tionale Ansprüche in eine Architektur
mit hohem Gebrauchs und Erlebniswert umzusetzen. Parallel zur
architektonischen Arbeit schuf er immer wieder Möbel und
interessierte sich für die Weiterentwicklung konkreter Kunst in der
Dreidimensionalität.
Prägende Vorbilder fand Sieboth am Ende seiner
Architekturausbildung. An der Internationalen Bauausstellung 1957
in Berlin beeindruckte ihn Alvar Aalto und dessen entspannter
Umgang mit aufgelös ten Geometrien. Später faszinierte ihn Oscar
Niemeyer, der sein Studio über der Copacabana in Rio de Janeiro als
fanta sievolle, wellenförmige Form entwarf. Auf die Unterschiede
von Architektur, Skulp tur und Objektdesign angesprochen weist
Stefan Sieboth darauf hin, dass der Mass stab entscheidend sei:
Die Form des Tisches in seinem Garten lasse sich eben nicht auf ein
Hochhaus in einer Stadt übertragen.
Gartenskulptur: elegante Windung für einen Tisch.
62 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
KLASSIKER
DIE SITZSCHLEIFE Designer für die Gestaltung von Faser
zementprodukten beizuziehen, geht auf die frühen 1950erJahre
zurück. Florian Adler, der Leiter der Werbeabteilung der Eternit
AG, fragte bei der Kunstgewerbeschule Zürich an. Willy Guhl, der
dort als Lehrer für Innenausbau wirkte, experimentierte mit seiner
Klasse: Das Resultat waren verschie dene Formen wie die Spindel
und das Elefantenohr. Am bekanntesten wurde der 1954 von Willy Guhl
entworfene Garten sessel: Eine zur Schleife geschlossene Faser
zementplatte bildet eine ergonomische Sitzmulde und eine
schaukelnde Standflä che. Der GuhlStuhl wurde für seine «gute
Form» ausgezeichnet und gilt seither als Designklassiker. Für das
Redesign des Sessels nach rund vier zig Jahren fragte die
Herstellerfirma den bereits achtzigjährigen, aber nach wie vor
scharf denkenden Willy Guhl an. Seither wird das geschlossene,
freitragende Faser zementband etwas dicker und mit grösse ren
Radien ausgeführt. Ein und Ausbuch tungen verleihen dem Sessel
einen besseren Stand und zusätzliche Stabilität. (mh)
In den 1950erJahren posierte die Frau eines Mitarbeiters für die
ersten Werbe bilder am Ufer des Walensees.
63
Design: Willy Guhl Entwurf: 1954 Redesign: 1995 Masse: 79 × 54 × 61
cm
64 SWISSPEARL ARCHITECTURE #25
Herausgeber
Eternit (Schweiz) AG CH8867 Niederurnen Telefon +41 (0)55 617 11
11
[email protected] www.swisspearl.ch
Swisspearl Architecture ist die inter national vertriebene Zeit
schrift der Eternit (Schweiz) AG und stellt deren Faserzement
produkte in den Kontext der aktuellen Architektur.
Redaktionsbeirat Michèle Rüegg Hormes, Bereichsleiterin
Kommunikation, Dept. Architektur, ETH Zürich Martin Tschanz, Dozent
ZHAW
Redaktionskommission Michael Hanak HansJörg Kasper Martina Kast
Marco Pappi Jürg Schönenberger Yasmin Willi Robert Wirichs
Redaktion Michael Hanak, Zürich
Übersetzung aus dem Englischen Marion Elmer/Nina Toepfer,
Zürich
Gestaltung Bernet & Schönenberger, Zürich
Druck Galledia AG, Flawil
Schriften Brown Pro, Mercury Text
Deutsche Ausgabe ISSN 2297–1629
Autoren Michael Hanak ist Kunst und Architekturhistoriker in
Zürich. Er widmet sich gerne der jüngs ten Architekturgeschichte.
Zudem publiziert er über zeitge nössische Architektur.
Rahel Hartmann Schweizer ist Kunst und Architekturhistorikerin in
Bern und Zürich. Nach Tätigkeit als Fachredaktorin und einer Dis
sertation über den Architekten Otto Kolb schreibt sie über die
Inter disziplinaritä